Doktorarbeit abbrechen?

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Bumblebee

Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von Bumblebee »

Hallo,

ich habe bis jetzt mit noch niemandem darüber gesprochen, aber mir kommt immer häufiger der Gedanke, das ich meine Promotion abbrechen möchte.
Ich habe Agrarwissenschaften studiert und promoviere jetzt in einem Unternehmen in der biologischen Forschung. Ich habe dort auch meine Diplomarbeit geschrieben und war mir bis zum Ende nicht sicher ob es das ist was ich möchte. Habe die Stelle aber angenommen und bin jetzt seit September dran. Aber mir geht es immer schlechter damit. Ich habe vor meiner Diplomarbeit noch nie im Labor gearbeitet und auch jetzt ist immer noch vieles neu für mich. Ich fühle mich teilweise einfach nur überfordert, auch weil ich eigentlich nur Dinge mache, die ich nie gelernt habe. Dabei habe ich wirklich einen supertollen Betreuer und das Thema ist auch klasse, damit kann ich wohl wirklich viel erreichen. Aber ich weiß einfach nicht ob es das ist was ich will, bzw. kann.
Ich bin ganz ehrlich, am meißten stört mich das Gehalt. Ich bekomme 20 Stunden bezahlt und hocke trotzdem Vollzeit auf der Arbeit und habe dann noch ein schlechtes Gewissen weil die anderen noch länger bleiben. Ich frage mich einfach wofür, es macht mir einfach keinen Spass, ich habe keine Motivation, die hatte ich von Anfang an nicht :( Wahrscheinlich bin ich für die Wissenschaft nicht geeignet :(
Aber was soll ich sonst machen? Wer nimmt jemanden der seine Doktorarbeit abgebrochen hat? Vorrallem da es momentan jobmäßig sowieso sehr schlecht aussieht :(

Bumblebee
Eva
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Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von Eva »

Bumblebee hat geschrieben:Ich frage mich einfach wofür, es macht mir einfach keinen Spass, ich habe keine Motivation, die hatte ich von Anfang an nicht :(
Ganz ehrlich? - Lass es bleiben! Brich möglichst bald ab und such dir einen Job, um keine weitere Zeit mit etwas zu verlieren, das so ganz offensichtlich nichts für dich ist. Es klingt, als hättest du die Promotion nur angefangen, weil dir die Möglichkeit dazu in den Schoß fiel und du eh nicht wusstest, wie es nach dem Examen weitergehen soll. Das reicht nach meiner Erfahrung als Motivation niemals aus, um eine Promotion durchzuziehen! Wenn es dir nicht auch ein bisschen Spaß macht, nicht mal am Anfang, dann wird das auch nichts mehr.

Und von wegen abgebrochene Diss im Lebenslauf: Du machst das erst seit 5 Monaten, es wird aber wahrscheinlich nicht mehr besser werden. Überleg mal, wie dein Lebenslauf in 3 Jahren aussehen wird, wenn du bis dahin durchgehalten hast und dann abbrichst... Will sagen: Nach so kurzer Zeit die Reißleine zu ziehen dürfte nach außen eher konsequent aussehen und für dich sprechen als länger zu leiden und am Ende doch abzubrechen. Oder die Diss zwar zu schaffen, aber immer noch nicht in die Wissenschaft zu wollen.

Alternativen? Ich kenne deinen Bereich nicht; was machen denn deine ehemaligen Kommilitonen? Geh zur Beratung, probier was aus! Aber promoviere nicht aus Angst und Ideenlosigkeit ohne Spaß dran zu haben.
elbu

Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von elbu »

Hallo Bumblebee,
ich kann Eva nur voll zustimmen! Außerdem: es sind zwar keine genauen Abbruchquoten bekannt, aber nach Daten von 1997 hat jede sechste Person, die nach dem Studium ein Promotionsvorhaben begonnen hat, es innerhalb von 10 Jahren aufgegeben. Nach einer neueren Studie hat knapp die Hälfte der Promovierenden schon mal über einen Abbruch nachgedacht. Es ist also absolut nicht ehrenrührig. Als Arbeitgeber würde ich glaube ich gern jemanden nehmen, der weiß was er will (also nie im Bewerbungsgespräch sagen "ich interessiere mich für den Job, weil ich keine Lust mehr auf meine Diss habe." ;)) . Ganz ehrlich: Du würdest Dich doch auch nicht fragen "wer nimmt jemanden, der keine Tischlerlehre gemacht hat?" wenn für die Stelle, die Du anstrebst, keine entsprechende Qualifikation nötig ist. Umgekehrt könnte es Dir passieren, dass Du mit einem Doktortitel für manche Stellen als überqualifiziert giltst (so doof das ist) und dann hättest Du Dich jahrelang umsonst gequält. So eine Diss ist ein Mammutprojekt, bei dem Du besonders viel Motivation brauchen wirst (woher auch immer). Ich bin hoch motiviert gestartet und habe trotzdem einige Diss-Krisen hinter mir. Also such Dir entweder eine Motivation, die Dich auch durch echte Durststrecken trägt (z.B. es geht nicht voran, die Daten stimmen nicht, Dein Arbeitsvertrag läuft aus und damit die Finanzierung, ähnliche Katastrophen...) oder investierst die Energie lieber in die Suche nach einem Berufsbild, das Dir Spaß macht.
Wie auch immer, alles Gute!
Cybarb
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Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von Cybarb »

Hallo,

wenn du Angst davor hast, dass deine abgebrochene Doktorarbeit bei einer Bewerbung zum Thema wird: Du kannst versuchen, es einfach als 6-monatige Arbeit in der universitären Forschung zu verkaufen, das ist ja nicht sachlich falsch. Vielleicht kannst du damit das Thema "Abbruch" geschickt umschiffen und sogar darauf hinweisen, dass du bestimmte Qualifikationen besitzt, die du in dieser Zeit erworben hast. Wenn dir das zu heikel ist oder es nicht klappt, dann solltest du auf jeden Fall betonen, was du in dieser Zeit gelernt hast, und die Motivationsprobleme gar nicht erwähnen.

Bevor du irgendeinen weiteren Schritt machst, empfehle ich dir aber das Gespräch bei der psychologischen Beratungsstelle deiner Uni. Wann immer jemand über Motivationsprobleme klagt, auch wenn sie von Beginn an da waren, halte ich Ferndiagnosen und -ratschläge für nur bedingt sinnvoll, weil es hier ja um kein reines Sachproblem geht, sondern auch um ein emotionales. Die Leute dort kennen sich bestens mit solchen Fällen aus und können dir vielleicht einen Rat geben, an den hier niemand gedacht hat.
Meggy

Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von Meggy »

Hallo,
grundsätzlich stimme ich den Vorrednern zu: sollte wirklich überhaupt keine eigen-Motivation für eine Diss gegeben sein, wird das imho sehr sehr schwierig. Mir persönlich ging/geht es so, dass ich während meiner Diplomarbeit bereits wusste dass ich eine Diss schreiben WILL und das mein absoluter Traum/Ziel war. Also höchstmotiviert. Trotzdem war ich in den letzten Jahren auch schon mehrfach an Grenzpunkten an denen ich komplett gezweifelt habe, was ich da eigentlich tue, ob es richtig ist etc und auch einmal kurz davor war, hinschmeißen zu wollen. Will sagen: wenn man selber überhaupt keinen Antrieb von sich aus zur Diss hat, wie will man dann solche Phasen meistern? Spätestens dann würdest Du evtl. hinschmeißen, was aber dann - wenn es Monate oder Jahre später ist - immer schwieriger ist zu erklären als wenn Du jetzt sagst, OK, ich habe es probiert, ich habe auch X, Y und Z aus der Zeit gelernt (ganz wichtig im Gespräch später, FALLS jemand nachfragen sollte), aber gemerkt das ist nicht meins und daher einen anderen Weg gewählt. Trotzdem halte ich den Rat von Cybarb auch für sehr gut - ein Gespräch mit einer solchen Beratung kann evtl. viel besser helfen, die eigenen Wünsche zu erkennen und ggf. sich einzugestehen und damit ins Reine zu kommen.

Viel Erfolg für Deinen weiteren Weg, egal wie auch immer er verlaufen mag :blume:
Bumblebee

Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von Bumblebee »

Danke für eure Antworten.

Ich weiß garnicht ob es so einen Beratungsstelle an meiner Uni gibt. Ich werde mich aber mal infornieren und sehen ob und wann ich da einen Termin bekommen kann.

Das Problem ist aber auch, dass ich nicht einfach abbrechen kann, ohne eine Alternative zu habe. Es stimmt, ich habe die Promotion nur angefangen, weil sie mir angeboten wurde und ich keine andere Alternative wusste. Es gibt in meinem Bereich momentan leider fast keine Stellenangebote. Meine Kommolitonen haben entweder nur befristete Verträge für ein paar Monate, Praktikumsstellen oder sind immer noch auf der Suche nach einem Job. Da war mir die Promotionsstelle nunmal lieber, als arbeistlos zu sein.

Es ist auch nicht so, das mir die Laborarbeit überhaupt keinen Spass macht. Momentan hab ich leider auch eine Phase, wo ich viel am Schreibtisch sitze und lese, weil noch Sachen bestellt werden müssen und ich noch nicht weiß wie es genau weitergeht. Ich denke, dass wird sich in den nächsten Wochen klären und wenn ich wieder praktisch mehr zu tun habe, wird es sicher auch wieder besser werden.
Aber wenn ich die anderen Doktoranten sehen, denen ihre Arbeit wirklich Spass macht, die 12 Stunden im Labor sind und auch am WE arbeiten, dann weiß ich, dass ich diese Motovation niemals aufbringen werde. Für mich ist es wirklich nur ein Job und ich möchte einfach auch neben der Arbeit noch ein Leben haben :(
Gonzo

Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von Gonzo »

elbu hat geschrieben:Außerdem: es sind zwar keine genauen Abbruchquoten bekannt, aber nach Daten von 1997 hat jede sechste Person, die nach dem Studium ein Promotionsvorhaben begonnen hat, es innerhalb von 10 Jahren aufgegeben.
Für die Geisteswissenschaften und die Juristerei würde ich sogar von viel höheren Abbrecherquoten ausgehen.
Ohneworte

Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von Ohneworte »

ich finde es ein gutes Zeichen, dass Du schon nach 5 Monaten merkst, dass Du nicht die Leidenschaft für das Projekt "Promotion" aufbringen willst. In meinem Bekanntenkreis haben es bisher diejenigen, die abgebrochen haben, erst nach eineinhalb bis drei Jahren gemerkt, dass die Promotion doch nichts für sie ist. In den Bewerbungsgesprächen haben sie die Phase als das verkauft, was sie ist: Berufserfahrung und wurden dabei überhaupt nicht schief von den Personalern angesehen.
Meiner Meinung nach muss man für eine Promotion eine echte "Leidenschaft" aufbringen können und darin steckt ja auch das Wort "Leiden" - was sich vor allem mit einem schlecht gefüllten Geldbeutel bemerkbar macht, so war es jedenfalls bei mir.
Deshalb finde ich es eigentlich löblich, dass Du Dich diesem ausbeuterischen System nicht stellen willst oder jetzt schon zu Beginn deiner Promotion darüber nachdenkst, was das ganze soll.
holladiewaldfee

Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von holladiewaldfee »

Hallo, ich muss meinen Vorrednern mal kurz widersprechen ;-) eine Diss laesst sich auch ohne Leidenschaft und grosse Freude durchziehen.
Bumblebee hat geschrieben:Aber wenn ich die anderen Doktoranten sehen, denen ihre Arbeit wirklich Spass macht, die 12 Stunden im Labor sind und auch am WE arbeiten, dann weiß ich, dass ich diese Motovation niemals aufbringen werde. Für mich ist es wirklich nur ein Job und ich möchte einfach auch neben der Arbeit noch ein Leben haben
Ich habe die Diss von Anfang an als Drei-Jahres-Projekt gesehen (*hust*, jetzt sind es allerdings schon viereinhalb, werde aber unter fuenf bleiben!). Nicht mehr und nicht weniger. Nicht als Lebensaufgabe und nicht als Hobby, sondern als Broterwerb.
Bei mir war die Motivation allerdings eine andere als bei Dir, keine "Notloesung" (etwas plakativ ausgedrueckt), sondern eine gutbezahlte Stelle im Ausland, ich habe mich auf viele schoene neue Erfahrungen (ausserhalb der Arbeit) gefreut und diese auch gemacht. Das macht fuer mich die Quaelerei - mit einem Thema, das mir eigentlich nicht liegt - wett.unzufrieden
Allerdings sehe ich bei Dir, dass Du - wie es so schoen heisst - mit der Gesamtsituation bist, u.a. aus finanziellen Gruenden, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Und das hier
Ohneworte hat geschrieben:Deshalb finde ich es eigentlich löblich, dass Du Dich diesem ausbeuterischen System nicht stellen willst oder jetzt schon zu Beginn deiner Promotion darüber nachdenkst, was das ganze soll.
kann ich voll und ganz unterschreiben.

Dass Dir die Zweifel zu einem so fruehen Zeitpunkt kommen, finde ich auch gut. Ich wuerde einen pragmatischen Ansatz waehlen: Dich nach Alternativen umschauen (also auch: bewerben auf alles, was Dich interessiert) und, wenn es soweit ist, ueberlegen, was Du wirklich willst. Vielleicht hast Du dann schon einen ganz anderen Blick auf die Dinge - bei mir hat es ueber ein Jahr gedauert, bis ich einigermassen im Thema drin war.

Vielleicht auch noch wichtig: Mir hat relativ zu Beginn der Diss (und ja, ich habe mich nicht nur einmal mit Abbruchbedanken gequaelt) eine Freundin gesagt: Du musst dem Thema Deinen eigenen Stempel aufdruecken! Das war fuer mich irre wichtig, weil ich dann in Gespraechen mit meinem (sehr guten) Betreuer die Diss in eine Richtung druecken konnte, die mir mehr lag als der urspruengliche Plan. Das hat sogar - weil interdisziplinaer - einen Fachbereichswechsel mit sich gefuehrt, ohne den ich heute sicher nicht mehr dabei waere.

So oder so - ich wuensche Dir, dass Du mit Deiner Entscheidung gluecklich wirst!

(Und solche Entscheidungen sind immer mutig, das wissen auch viele Personaler. Da sehe ich kein Problem!)
hexenbesen

Re: Doktorarbeit abbrechen?

Beitrag von hexenbesen »

Hallo bumblebee,

erstmal vorweg: ich kann deine gedankengänge (glaub ich zumindest) sehr gut nachvollziehen,
ich schreib meine diss in der vetmed seit mitte letzten jahres und im moment hab ich auch eine- sagen wir mal-
"durchhängephase"..
an deiner stelle würde ich mich folgendes fragen:
auf wie lange ist denn deine doktorarbeit geplant, grob über den daumen gepeilt?! ich hab mal wo gelesen,
dass man auf die vorstellung des doktorvaters meist gut nochmal 1/3 bis 1/2 der zeit draufrechnen kann (wird bei mir vermutlich auch
so sein ;) außer wenn es wirklich ratz fatz von vorne bis hinten super durchläuft... da ich auch im labor bin weiß ich dass es das
in vielen fällen auch NICHT tut ;), deswegen kann das gut hinkommen.
du scheinst also noch relativ am anfang zu sein, sehe ich das richtig?!
würde gut abwägen, ob ich mich den rest der verbleibenden zeit mit einer arbeit rumschlagen will, die mich eigentlich ziemlich abnervt,
das schlägt dauerhaft auf die stimmung und wird vermutlich schwer eine lange zeit durchzustehen sein.
wobei ich meinem vorredner zustimmen kann, ohne große leidenschaft kann man auch ne diss schreiben, wenn man es UNBEDINGT will,
falls dir die arbeit also nicht gar sooo zuwider ist und du ein langes durchhaltevermögen hast, wirst du es bestimmt schaffen.
vielleicht tröstet es dich, dass stellen wo es überhaupt ein gehalt gibt, bei uns längst nicht jeder hat, und die die eine haben, arbeiten IMMER (!)
mehr als das wofür sie bezahlt werden.
wofür du dich auch entscheiden wirst, du hast auf jeden fall lebenserfahrung daraus mitgenommen, und wenn es nur ist dass du nie im labor arbeiten willst.
vielleicht würdest du andernfalls immer denken du hättest was verpasst?!
5 monate sind auch jetzt echt keine lange zeit, ich bin mir sicher wenn du einem personaler ehrlich sagen würdest, hey, ich hab einfach im laufe der
zeit gemerkt, ne doktorarbeit ist doch nichts für mich aus dem und dem grund und stehst dazu, warum sollst du schief angeguckt werden?
jeder hat das recht in seinem leben erfahrungen machen zu dürfen, und dass nicht immer alles grade durchläuft, naja,so ist das leben halt, so dumm wie`s klingt.
aber jeder, der nicht in wolkenkuckucksheim zuhause ist, weiß das auch ;)

hoffe ich hab dir wenigstens ein klein bisschen weitergholfen und wünsch dir glück bei der entscheidungsfindung.
wenn sie gut durchdacht ist, ist sie im nachhinein meist auch die richtige gewesen :)
viele grüße
Gesperrt
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