Persönliche Meinung in der Diss?

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Bara
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Re: Persönliche Meinung in der Diss?

Beitrag von Bara »

Hast mich evtl. missverstanden, siehe meinen ersten Beitrag hier im Thread. Im Ãœbrigen stimme ich SirJi zu.
musicus

Re: Persönliche Meinung in der Diss?

Beitrag von musicus »

DoneXY hat geschrieben:Entweder es werden Aussagen gemacht, die innerhalb eines definierten Rahmens eine allgemeine Plausibilität beanspruchen (= nicht haben!) - und auf ihre Falsifikation warten - oder es sind rein subjektive Aussagen, die wiederum wissenschaftlich nicht interessant ist.
"Es werden Aussagen gemacht." Wer macht diese Aussagen, und wer definiert den Rahmen? Ich! Natürlich kann ich auch Aussagen machen, für die ich eine gewisse allgemeine Plausibilität beanspruche. Aussagen sind immer subjektiv, und warum sollen subjektive Aussagen wissenschaftlich nicht interessant sein? Selbst wenn man "subjektiv" so versteht wie du, es gibt ein Forschungszweig (ausgehend von der Psychologie, Norbert Groeben et al.), der sich genau das zur Methode gemacht hat: Subjektive Theorien.

Konstruktivisten (insbes. Post-Strukturalisten) und Ethik: ja, hier sehe ich in der Tat eine große Gefahr, nämlich daß die Grundlage für korrekte(!) Ethik verloren geht. Aber das würde hier zu weit führen, das ist ein Kapitel für sich.
barbara
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Re: Persönliche Meinung in der Diss?

Beitrag von barbara »

DoneXY hat geschrieben:Die Aussage, mir fallen die Apfel immer auf den Boden, unterscheidet sich doch deutlich von einem Postulat über die Schwerkraft.
Ja allerdings, aber..... die Eingangsfeststellung, dass das (m)eine konkrete Erfahrung ist, ist absolut notwendig. Erst dann darf -begründet - abstrahiert und verallgemeinert werden.

Meine Erfahrung: Mir fallen Äpfel auf den Boden
Vermutung: Allgemeine Gesetzmäßigkeit?
Beobachtung: Oma fallen die Äpfel auch auf den Boden.
Vermutung: An mir (=auch Mensch wie Oma) liegt es nicht. Aber an den Äpfeln?
Versuch: Sowohl die Schlüssel als auch das zerknüllte Tempotaschentuch aus meiner Jackentasche fallen auf den Boden. Aber unterschiedlich schnell.

Verallgemeinerung: Schlüssel, Äpfel und Papier fallen zu Boden + Neue eigene Erkenntnis: ICH habe festgestellt (hier auf der Erde, unter atmosphärischen Bedingungen, Fallhöhe Jackentasche - Gehsteig, mit meiner Stoppuhr vom Typ abc) das verschiedene Gegenstände unterschiedlich schnell fallen.

Sowas sollte für eine Anfängerarbeit (Master, Dipl. ) reichen, für eine Diss sollte vielleicht noch eine Schlussfolgerung dazu, warum das "allgemein" sein könnte. Das reicht noch nicht unbedingt für den Nobelpreis....
Da wäre dann noch etwas hinzuzufügen: die Dichteabhängigkeit der Geschwindigkeit, das Phänomen Reibung und das dahinter stehende, abstrahierte und von sekundären Effekten wie eben Reibung bereinigte Gesetz der Schwerkraft. DANN darf so verallgemeinert werden dass selbst folgende Aussage richtig ist: Der Wurm im Apfel stellt fest, dass die Erde auf den Apfel fällt.
18. apr 2011;31. Dec 2013;f;hoffentlich klüger!
DoneXY

Re: Persönliche Meinung in der Diss?

Beitrag von DoneXY »

musicus hat geschrieben:"Es werden Aussagen gemacht." Wer macht diese Aussagen, und wer definiert den Rahmen? Ich!
Ich verstehe nicht, warum Du diese Frage stellst. Du kennst die Antwort und alle die hier mitlesen auch. Ich hatte gehofft, mein Posting - inkl. die Ausführung über die Juristen - wäre so deutlich gewesen, dass meine (und eben nicht nur meine) Position dazu klar ist.
musicus hat geschrieben:Natürlich kann ich auch Aussagen machen, für die ich eine gewisse allgemeine Plausibilität beanspruche. Aussagen sind immer subjektiv, und warum sollen subjektive Aussagen wissenschaftlich nicht interessant sein?
Eine Aussage, die innerhalb eines definierten Rahmens zumindest vorübergehend keine allgemeine Plausibilität annimmt, ist in allen Sozialwissenschaften, die ich kenne (es sind tatsächlich mehrere), für die Bereiche, die ich überschaue: bedeutungslos.

Wissenschaft ist der Versuch, eine aufgrund ihrer Vielfalt nicht vollständig erfassbare Umwelt in ihrer Komplexität soweit zu reduzieren, dass Aussagen entstehen, denen andere zustimmen können. Daher macht der Verzicht auf die konsequente Ich-Perspektive m.E. Sinn.

Dass innerhalb der Wissenschaften viele Aussagen zum gleichen Aspekt nebeneinanerstehen, die einander widersprechen (vgl. Empfehlungen der WiWis zur Euro-Krise): Geschenkt. Wer sich über ewige Wahrheiten austauschen möchte, ist am Stammtisch besser aufgehoben.
musicus hat geschrieben: Selbst wenn man "subjektiv" so versteht wie du, es gibt ein Forschungszweig (ausgehend von der Psychologie, Norbert Groeben et al.), der sich genau das zur Methode gemacht hat: Subjektive Theorien.
Wie verstehe ich denn 'subjektiv'? Und wie verstehen es andere?


@bara, sorry!
musicus

Re: Persönliche Meinung in der Diss?

Beitrag von musicus »

Nur noch kurz, denn solange sich die Fragestellerin nicht wieder meldet, klinke ich mich erstmal aus. @DoneXY: aus allem, was du sagst höre ich heraus "subjektiv = schlecht", ganz nach der Denkweise: Subjektivität ist der schlimmste Vorwurf, dem ich mich als Wissenschaftler aussetzen kann. Also muß ich alles vermeiden, um gar nicht erst in die Nähe dieser Kritik zu kommen.
DoneXY hat geschrieben:Wie verstehe ich denn 'subjektiv'? Und wie verstehen es andere?
Beispiel: Ich sage: jede (auch wissenschaftliche) Aussage ist subjektiv, du verstehst: "subjektiv = unplausibel und deshalb bedeutungslos". Das habe ich nicht gesagt! Auch subjektive Aussagen können für andere (mit gleichem Wissen, gleichen Vorkenntnissen und gleichen Sinnesorganen) plausibel sein. Subjektiv bedeutet für dich anscheinend: "nur für das jeweilige Subjekt gültig", "nicht allgemeingültig", usw.

Subjektiv für mich bedeutet die einzige Erkenntnismöglichkeit, die es gibt. Ein Objekt kann nichts erkennen, es ist immer der beobachtende Mensch (Geist), der die von den Sinnesorganen abgebildete Realität (nicht die Realität selbst) interpretiert. Aber: ähnliche Bewußtseine werden die Welt auch immer ähnlich wahrnehmen. Deshalb, nochmal als Zusammenfassung der ursprünglichen Frage, Ja zum "ich". :blume:
DoneXY

Re: Persönliche Meinung in der Diss?

Beitrag von DoneXY »

@musicus, in nichts von dem, was Du mir zuschreist, erkenne ich mich wieder.

Ich verstehe überhaupt nicht, wieso Du mir zuerst die genannte Frage nach „Wer“ stellen kannst und mir nun ein moralisches Urteil (subjektiv sei "schlecht") unterschiebst. Ich habe nicht mal auf der Ebene argumentiert, die Du mir dirkekt oder indirekt zuschreibst:
musicus hat geschrieben:Subjektiv für mich bedeutet die einzige Erkenntnismöglichkeit, die es gibt. Ein Objekt kann nichts erkennen, es ist immer der beobachtende Mensch (Geist), der die von den Sinnesorganen abgebildete Realität (nicht die Realität selbst) interpretiert. Aber: ähnliche Bewußtseine werden die Welt auch immer ähnlich wahrnehmen. Deshalb, nochmal als Zusammenfassung der ursprünglichen Frage, Ja zum "ich".
Ich schreibe ausschließlich über die Kommunikation von Beobachtungen. Hier können rein subjektive Sichtweisen natürlich plausibel sein. Die Aussage, "Das Essen schmeckt mir gut!", kann gar nicht sinnvoll verallgemeinert werden.

Doch ist Wissenschaft (eingeschränkt auf die Bereich, die mit vertraut sind) ausschließlich an Verallgemeinerungen interessiert
Natürlich macht "immer der beobachtende Mensch (Geist)" unter kognitiven und anderen Einschränkungen eine Beobachtung. Das habe ich doch nie in Abrede gestellt, deswegen habe ich schon Deine Frage nach dem "Wer" oben nicht ernsthaft beantwortet.

Das ein fehlendes Autoren-ich beim Lesenden so wahrgenommen wird, als hätte sich der Text selbst geschrieben, bezweifele ich. Wissenschaftliche Texte werden zumindest in der Wissenschaft nicht als objektive Texte aufgefasst - sonst wären Theoriedebatten unmöglich -, sondern als Teil einer Debatte, in der einige Standpunkt eine größere Plausibilität als andere (vergeblich) beanspruchen.
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