Doktorarbeit, Arbeitsvertragsrecht und Co.

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Lieselotte

Doktorarbeit, Arbeitsvertragsrecht und Co.

Beitrag von Lieselotte »

Ich habe meine Arbeit bestanden :)

Nun bin ich im Nachgang mit etlichen Dingen überrollt worden, worauf ich keine rechtl. Infos gefunden habe.

Ich bin Lehrkraft für besondere Aufgaben gewesen. Vollzeit mit entsprechend vielen Seminaren. Lt. AV musste ich promovieren. Ich musste regelmäßig schriftliche Nachweise über den Stand meiner Promotion erbringen, sonst wurde meine Vertrag nicht verlängert! Es waren immer 6 Monatsverträge geteilt auf 50% Stellen.

Konsequenz war:
- meine 40 h (Vollzeit) haben nie für die Studierendenbetreuung und die vielen Seminare gereicht = ich habe im Schnitt 60 h - 80 h pro Woche gearbeitet, nie weniger, meinen Kollegen ging es genauso!
-Überstunden sind nie quittiert worden = alle Ü-stunden sind "unter den Tisch gefallen"
- mein 1/3 der Arbeitszeit, die lt. Gesetz für meine DA mir bereitgestellt werden sollten, habe ich und meine Kollegen nie erhalten = es hieß, dass muss man als LbA in der Freizeit machen, auch nach Rückfrage beim Personalrat
- die notwendigen Weiterbildungen, die in der Promotionsordnung mit gefordert wurden, mussten wir auch in unserer Freizeit und uaf eigene Kosten machen, aber auf Weiterbildungen hat letztendlich mein DV gar nicht geschaut.
- wir hatten ausschließlich befristete Stellen auf 4 bis max. 6 Monate
- ich bin die einzige, die die Promotion geschafft hat, alle anderen haben inzwischen aufgegeben
- Konsequenz daraus ist ein Burnout

- mein Vertrag läuft im Sept. aus und ist als wiss. MA verlängert worden (6 Monate Laufzeit, 50%), da ich IMMER im Wissenschaftsbetrieb bleiben wollte
- nun hat mein DV und Chef mit eine 6monatige Probezeit für eben jenen Vertrag, der auch exakt 6 Monate läuft, gegeben.
- ich war zwischendurch auch als wiss. MA beschäftigt, daran kann es also nicht liegen.

Ich bin komplett davon überrollt worden, bin zutiefst verletzt und geschockt. Selbst bei meiner 1. Einstellung an der Uni hatte ich keine Probezeit. Kann man nach so vielen Dienstjahren eigentlich noch einmal eine Probezeit bekommen?

Und was unterscheidet das Ganze von den anderen Verträgen? Die Laufzeit entspricht exakt der Vertragslänge?!?

Ich befürchte es liegt daran, dass ich den Burnout wegen Überarbeitung hatte. Auf Rückfrage warum er das macht, sagte er immer nur "er will mal sehen". Spricht: nun ist das Druckmittel DA weg und er versucht mich über Vertrag und Co zu erpressen
MastaofDissasta

Re: Doktorarbeit, Arbeitsvertragsrecht und Co.

Beitrag von MastaofDissasta »

Lieselotte hat geschrieben:Ich habe meine Arbeit bestanden :)
Herzlichen Glückwunsch!!! :prost: Es gibt ja keine konkreten Zahlen, aber wenn man bedenkt, wie viele schmeißen, muss man zwei Mal gratulieren: Einmal für's Durchhalten ( :prost: ) und einmal für's erfolgreich abschließen ( :prost: ).

Ich bin keine Arbeitsrechtlerin (noch nicht mal überhaupt eine Juristin ...), aber das Thema Arbeitsbedingungen an den Unis brennt mir auch auf den Nägeln, deswegen kann ich vllt. doch ein bisschen was dazu sagen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann fragst du, ob die erneute Probezeit nach so vielen vorangegangenen Verträge und bei einer so kurzen Befristung rechtens ist. Leider ja, ist sie. Aus deinen Schilderungen klingt so ein bisschen heraus, dass du sehr enttäuscht von deinem Chef/DV bist und vermutest, er habe die Probezeit festgelegt, weil er nach deinem Burnout kein Risiko eingehen möchte, ich vermute aber, dass das leider nicht so ist, sondern dass es sich einfach um Uni-Standardverträge handelt.

Zu den einzelnen Punkten:
- Nicht quittierte Überstunden: Überstunden sind nur dann Überstunden, wenn sie explizit angeordnet werden. "Mehr Zeit brauchen" als arbeitsvertraglich vorgesehen ist tatsächlich kaum geregelt, ganz besonders im Wissenschaftsbetrieb nicht, wo es gewollt in der Regel keine Zeiterfassung gibt.

- Die 1/3-Zeit für die eigene Qualifikation ist nicht gesetzlich vorgesehen, sondern wird in der Regel nur vertraglich eingeräumt (und auch das häufig nicht ...). Gerade bei LfbA mit 14 bis 16 SWS ist ja offensichtlich, dass das nicht hinkommen kann. Gesetzlich vorgesehen ist nur, dass deine Stelle als LfbA nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz und damit über allgemeine Teilzeit- und Befristungsmöglichkeiten hinaus befristet werden darf, wenn du eine Möglichkeit zur Qualifikation hast. Damit ist nicht gemeint, dass diese zeitlich auch eingeräumt werden muss, sondern dass du nicht nur rein "repetitierende Wissensvermittlung" betreibst, sondern in den LV Inhalte auf Hochschnulniveau vermittelst mit dem Anspruch, sich ständig weiterbilden zu müssen, um die LVs halten zu können.

- Die kurzen Befristungen sind vielleicht rechtens, vielleicht aber auch nicht. Das Problem ist, dass es hier noch keine Rechtssprechung zu gibt. Auf der einen Seite steht, dass durch das WissZeitVG die Befristungsmöglichkeiten gegenüber der "normalen Wirtschaft" stark ausgebaut wurden, mit anderen Worten, die Befristung in den Qualifikationsphasen ist vom Gesetzgeber exakt so gewollt.

Auf der anderen Seite steht, dass das WissZeitVG eigentlich auf mehrjährige Befristungen abzielt (sinngemäß steht drin, dass die erste Befristung in jeder der beiden Qualifikationsphasen mindestens zwei Jahre abdecken und die darauf folgende dann die Befristungshöchstdauer von sechs Jahren ausschöpfen soll). Das ist aber nur eine "Soll"-Aussage und an den Universitäten gibt es durchaus interne Regelungen, die verhindern, dass dieser Soll-Aussage entsprochen werden kann (bei uns z.B. bekommt man zuerst einen Vertrag über drei Jahre, wenn man auf Uni-Mitteln finanziert wird, dann ist aber nur eine Verlängerung um ein Jahr möglich, womit es schon gar nicht mehr möglich ist, den Befristungszeitraum mit nur zwei Verträgen abzudecken).

Zudem gibt es ein BAG-Urteil aus diesem Sommer, in dem festgestellt wird, dass bei einem langen Zeitraum mit befristeten Verträgen und/oder einer hohen Anzahl von Befristungen jeder einzelne dieser Verträge für sich genommen ggf. legal ist, alle zusammen aber Rechtsmißbrauch sein können, wenn es keine Kontrolle auf Angemessenheit und Notwendigkeit der immer neuen Befristungen gibt. Ob das auch auf WiMis anzuwenden ist, ggf. mit der Argumentation, dass bei einer Befristung von 4 bis 6 Monaten keine Rede von Qualifikation sein kann, ist offen. Insgesamt ist es so, dass so lange nicht geklagt wurde, vieles einfach noch nicht entschieden ist. Und geklagt wird nicht, weil ja eine Kategorie von WiMis nur für die Qualifikation an den Unis ist, weswegen ihnen die Motivation fehlt, sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzusetzen und die andere Kategorie von WiMis im Uni-Betrieb bleiben möchte, weswegen sie die Füße stillhalten müssen.

Deswegen kann ich dir nur einen Rat geben: Versuch dich von dem Gedanken, dass dein Chef/DV dir einen reinwürgen will, ein bisschen zu lösen. In der Regel nutzen die Lehrstuhlinhaber die Befristungsmöglichkeiten einfach unkritisch, ohne auszuloten, ob es andere Möglichkeiten gibt. Konsultier' ggf. einen Rechtsanwalt, um sicherzustellen, dass deine Arbeitsrechte nicht vllt doch verletzt wurden, richte dich aber darauf ein, dass es da kein klares "Jetzt schreiben wir denen einen Brief und dann geht das zackzack!" geben wird. Wenn du in der Wissenschaft bleiben willst, versuch' dich so bald wie möglich mit eigenen Projekten zu emanzipieren (die fertige Diss ist da quasi der Startschuss, ab jetzt kannst du z.B. bei der DFG beantragen) und lass dich von den Rahmenbedingungen nicht kaputt machen. :blume:
Lieselotte

Re: Doktorarbeit, Arbeitsvertragsrecht und Co.

Beitrag von Lieselotte »

Hallo, und danke für deine ausführliche Antwort.

Also: bis jetzt nach über 25 AVs hatte ich noch nie eine Probezeit. Es ist kein Standartvertrag - sondern extra drin.

In unseren Gesetz (hat mit der Personalrat gezeigt) muss 1/3 der Arbeitszeit für die promotion bereitstehen, WENN die Promtion als Pflicht im AV steht - und das tut sie.

Überstunden: In unseren AVs steht "Überstunden, Wochenend- und Nachtarbeit müssen durchgeführt werden, wenn diese angeordnet werden" Angeordnet werden sie ja direkt mit dem AV, denn bei 16 SWS also 8 Seminaren + Betreuung BA / MA-Arbeiten + akad. Verwaltung, ist dies ja schon drin. 8 Seminare a 40 Studis = 320 Hausarbeiten im Semester, die ich allein betreuuen und begutachten (schriftlich 1 Seite pro Arbeit) muss! Ja, da sind noch nicht mal die Seminare und deren Vorbereitung eingerechnet. Perfide daran ist, dass die HA 4 Wochen nach Abgabe korrigiert sein müssen! Wenn mans nicht schafft, dass nachtarbeit und woend!

Interne Regelung ist bei uns eindeutig: 50 % Stellen für 6 Monate oder 50 % Stellen für 4 Monate und 2 Monate kein AV (Semesterferien) = das ist dann besonders "witzig" bei der Masse an HAs

Projekte: Hier habe ich ganz viele Fragen: Wie macht man das ohne Unterstützung des profs (er will seine Ruhe - keine Störungen), keine hInweise usw.

Gibt es eine Infoseite - oder irgendwas, wo man sich zwecks der Projekte informieren kann - an unserem Lehrstuhl gab es die letzten Jahre keine Projekte!
MastaofDissasta

Re: Doktorarbeit, Arbeitsvertragsrecht und Co.

Beitrag von MastaofDissasta »

Lieselotte hat geschrieben: Also: bis jetzt nach über 25 AVs hatte ich noch nie eine Probezeit. Es ist kein Standartvertrag - sondern extra drin.
Hmmmh, schwierig. Ich weiß es nur für den TV-L, der nicht in Hessen, Berlin etc. gilt, aber grundsätzlich hast du Recht: Durch die Promotion verändert sich die tarifvertragliche Stellung eigentlich nicht, deswegen ist ein "neuer" AV nach Promotion eigentlich nur eine Fortführung der alten AV vor Promotion. Wurdest du höhergruppiert oder hat sich die Stellenbeschreibung geändert? Zu konkret dieser Frage könnte dir das ÖD-Forum (http://forum.oeffentlicher-dienst.info/) helfen - nicht wundern, die sind kompetent, aber im Tonfall etwas ruppig und sehen z.B. Tipp- und Rechtschreibfehler gaaar nicht gern (Anfrage möglichst formal formulieren, so wie einen Antrag bei einer Behörde).

Und: 25 AVs??? :shock: :shock: :shock:
Überstunden: In unseren AVs steht "Überstunden, Wochenend- und Nachtarbeit müssen durchgeführt werden, wenn diese angeordnet werden" Angeordnet werden sie ja direkt mit dem AV, denn bei 16 SWS also 8 Seminaren + Betreuung BA / MA-Arbeiten + akad. Verwaltung, ist dies ja schon drin. 8 Seminare a 40 Studis = 320 Hausarbeiten im Semester, die ich allein betreuuen und begutachten (schriftlich 1 Seite pro Arbeit) muss! Ja, da sind noch nicht mal die Seminare und deren Vorbereitung eingerechnet. Perfide daran ist, dass die HA 4 Wochen nach Abgabe korrigiert sein müssen! Wenn mans nicht schafft, dass nachtarbeit und woend!

Ich kann dir nur zustimmen, dass das nicht zu machen ist - trotzdem: so lange Cheffe nicht irgendwann bei dir im Büro aufgeschlagen ist und explizit gesagt hat "Frau Lieselotte, heute müssen Sie länger bleiben, weil Sie zusätzlich zu Ihrer normalen Arbeit X machen müssen", handelt es sich formal gesehen nicht um Überstunden oder Mehrarbeit und ist damit nicht ausgleichsfähig. Wenn die Aufgaben in der normalen Arbeitszeit regelmäßig nicht zu schaffen sind, müsste z.B. eine Überlastungsanzeige gemacht werden. Das sind die Regelungen, die halt für Behörden vorgesehen sind, der Wissenschaftsbetrieb ist in dieser Hinsicht einfach gar nicht geregelt.
Interne Regelung ist bei uns eindeutig: 50 % Stellen für 6 Monate oder 50 % Stellen für 4 Monate und 2 Monate kein AV (Semesterferien) = das ist dann besonders "witzig" bei der Masse an HAs
:shock: :shock: :shock: Ich hab ja schon einiges gehört, aber das ist wirklich extrem. Monitor hat darüber mal einen Bericht gebracht ( http://www.youtube.com/watch?v=r_5qSfWKmMc). Das Problem ist aber: So lange es jemand macht, wird es diese Praktiken geben - außer einen Rechtsanwalt hinzuziehen, kann ich dir hier gar nichts raten. Personalrat ist da auch nicht die richtige Adresse, weil die eigentlich nicht in Einzelfällen tätig werden dürfen.
Projekte: Hier habe ich ganz viele Fragen: Wie macht man das ohne Unterstützung des profs (er will seine Ruhe - keine Störungen), keine hInweise usw.

Gibt es eine Infoseite - oder irgendwas, wo man sich zwecks der Projekte informieren kann - an unserem Lehrstuhl gab es die letzten Jahre keine Projekte!
Die Informationen sind weit gestreut, aber ein Anfang ist erst mal die DFG-Seite (http://www.dfg.de/foerderung/wissenscha ... /index.jsp) als wichtigste Förderinstitution. Ohne Unterstützung vom Prof. ist die Antragstellung nicht einfach (andererseits, wenn er selbst keine Projekte einwirbt, wird es mit seiner Kompetenz bei der Antragstellung auch nicht weit her sein ... ), aber die Antragstellerin bist dann du, d.h. du brauchst ihn nicht. Im Emmy-Noether-Programm z.B. kannst du dir den Lehrstuhl/die Institution, an den/die du möchtest quasi aussuchen, die Unis stellen dann nur die Infrastruktur, heimsen aber das Prestige ein, eine Emmy-Noether-Gruppe zu haben. Ansonsten musst du halt mal googlen: Post-Doc Förderung + dein Themengebiet.

Nachtrag: Guck mal hier: http://www.hochschulverband.de/cms1/pos ... ramme.html
roberto

Re: Doktorarbeit, Arbeitsvertragsrecht und Co.

Beitrag von roberto »

Hallo Lieselotte,

ich halte es bei 25 aneinandergereihten befristeten Arbeitsverträgen für sehr gut möglich, dass die neuerliche Befristung (und damit evtl. auch die Probezeit) unwirksam ist. Ich würde Dir raten, einmal einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt aufzusuchen und ihm die Verträge vorzulegen.

Gruß, Roberto
algol
Beiträge: 8761
Registriert: 09.06.2009, 22:15
Status: mittendrin?
Danksagung erhalten: 1 Mal

Re: Doktorarbeit, Arbeitsvertragsrecht und Co.

Beitrag von algol »

Ich habe auch mal nach einem internen Wechsel eine Probezeit bekommen und war sehr angenieselt beim Anwalt. Er sagte, dass es insofern heikel ist, dass der AG, wenn die neue Stelle sich zumindest teilweise von der bisherigen unterscheidet, den AN "auf Probe" beschäftigen kann. Unsinnig wäre das nur, wenn man auf exakt derselben oder wirklich sehr, sehr gleichen Stelle verlängert würde.

Aber ich kann verstehen, dass das für Dich dämlich ist. Manchmal kann es auch nur daran liegen, dass die Sachbearbeiterin eine Vertragsvorlage verwendet hat, wo eine Probezeit drin steht und das gar nicht bewusst gewählt wurde.
Anwalt ist in Deinem Fall bestimmt gut.
Gesperrt
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