Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

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Effi

Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

Beitrag von Effi »

Hallo zusammen!

ich muss gerade eine Entscheidung zur Betreuung meiner noch nicht begonnen Diss treffen, die mir ziemlich zu schaffen macht.

Zu meiner Situation:
- Habe mich extern für die Diss bei einem Prof beworben (nur als Betreuer), da ich zu diesem Zeitpunkt noch außerhalb der Uni arbeitete
- Im Erstgespräch zu meinem Exposé wurde mir eine Stelle an der Uni angeboten, mit der Möglichkeit in diesem Projekt zu promovieren
- Ich bin extra umgezogen, habe die Stelle angenommen und dann beiläufig erfahren, dass eine Diss in meinem Arbeitsprojekt doch nicht möglich ist.
- Also, habe ich mein altes Thema rausgekramt. Doch mein Prof, bei dem ich mich ursprünglich beworben hatte, fand dieses nun auf einmal nicht mehr relevant. Besprechungen mit Prof (und Projektleitern) folgten. Ich habe mein Thema/Exposé gefühlte 100x überarbeitet (Kernthema ist geblieben), irgendwann kam das Ok. Abgabe der Anmeldung (geht hier nur 1x/ Jahr) – wurde angenommen. Offizieller Start: ab Oktober. Alles gut?
- Als bei einem anderen Gesprächstermin mein Prof und ich eher beiläufig auf meine Diss zu sprechen kamen, zeigte sich das er mein Thema komplett falsch verstanden hatte bzw. seine Vorstellungen nicht mit meinen übereinstimmten und er mich ziemlich zusammenstauchte. Wobei mir (und auch anderen, die das Exposé gelesen haben) unbegreiflich ist, wie er zu solchen Ideen kommt.
- Mein erster Gedanke: Es reicht. Ich geh woanders hin. Dann hat sich mein Prof mehrfach bei mir für seinen Ausraster entschuldigt und erläutert wie er zu diesen Ideen kam (es waren seine "Wunschvorstellungen" zu diesem Thema und er hatte gehofft, dass ich sie umsetzen würde). In einem erneuten Gespräch, bat er mich doch noch mal zu überlegen, ob ich nicht doch bei ihm promovieren wolle.
- Also, habe ich mein Exposé wieder etwas überarbeitet (Kernthema ist geblieben, ohne alle "Wunschvorstellungen" von meinem Prof zu übernehmen). Im Rückmeldungsgespräch meinte er, dass er die Betreuung übernehmen würde. Allerdings wäre es klar, dass wir uns zukünftig sehr stark aneinander reiben werden.

Von Kollegen habe ich erfahren, dass ich nicht die Einzige bin, der es an diesem Lehrstuhl so ergangen ist und schon einige deswegen gegangen sind. Nächste Woche startet das begleitende Promotionskolleg und mich beschleichen Zweifel, ob ich mich wirklich darauf einlassen soll oder es doch noch mal woanders versuchen?

Es gibt nicht so viele Alternativen (ca. 1,5) und die sind ziemlich überlaufen mit Anfragen, ziemlich weit weg (Fahrtkosten/Zeit) und ich kenne sie auch nicht persönlich. Am jetzigen Lehrstuhl arbeiten und bei der Konkurrenz promovieren, stelle ich mir noch problematischer vor…

Wie schätzt ihr die Sache ein? Wie viel Reibung mit dem Prof ist eurer Erfahrung nach über Jahre auszuhalten?

(Dickes Danke schon mal für´s lesen und kommentieren!)
musicus

Re: Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

Beitrag von musicus »

Nun ja, wenn es schon so losgeht, könnte es ja durchaus sein, daß ihm kurz vor dem Gutachten wieder auffällt, daß er sich das ja alles ganz anders vorgestellt hatte. Sind seine Wunschvorstellungen denn für dich nachvollziehbar? Die negativen Erfahrungen anderer am gleichen Lehrstuhl würden mich hellhörig machen. Schon vor dem Start so häufiges Umarbeiten ist doch auch ungewöhnlich, oder? Was soll da erst passieren, wenn im Forschungsprozeß sich etwas anderes entwickelt, als man sich das vorher ausgedacht hat?
Petzold

Re: Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

Beitrag von Petzold »

Ich habe 2007 meine Diss begonnen und mehr Wert auf einen anständigen Betreuer gelegt, als auf ein super interessantes Thema. Viele Freunde und Kollegen berichteten damals über Reiberreien mit ihrem Doktotorvater und dies wollte ich umgehen bzw. vorbeugen. Normalerweise sind die Betreuer zum Anfang noch auf Schmeichelkurs und erst nach ein paar Monaten zeigen sie dann ihre wahren Absichten :-). Nach dem Motto, wenn der Doktorand erstmal eingetütet ist, wird er es sich dreimal überlegen, bevor er seine Arbeit abbricht. Wenn auch schon andere Mitarbeiter sich dahingehend geäußert haben, würde ich sehr hellhörig werden.
Im Prinzip musst aber du entscheiden, wie dick dein Fell ist und was du bereit bist zu ertragen, um dein favorisiertes Thema zu beforschen. Die große Gefahr besteht zum Ende hin darin, dass du vielleicht deine Arbeit nicht abgeben kannst, da sich dein Doktorvater quer stellst oder ihr euch wieder über Textpassagen und Ergebnisse in die Haare bekommt. Ich persönlich würde das Risiko nicht eingehen und mich nach Alternativen umschauen.
Effi

Re: Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

Beitrag von Effi »

Vielen Dank für eure Antworten!
Genau diese Befürchtungen habe ich auch: das nach 3 - 4 Jahren anstrengendem Kleinkampf meinem Prof das Thema nicht mehr gefällt und das Drama dann erst richtig losgeht. Mir fällt die Entscheidung auch so schwer, weil ich schon so einiges rein investiert habe an Zeit, Geld und Hirnschmalz. Und es ist formal ziemlich verlockend zu sagen: ich fange ab morgen offziell an (auch wenn ich mich durchkämpfen muss), anstatt: ich beginne fast von vorne, ohne zu Wissen ob und wann ich überhaupt einen anderen Betreuer auftreiben kann (der nicht auch genauso verhaltensoriginell ist).
@musicus: seine Wunschvorstellungen sind nett, haben aber nichts mit meinem eigentlichen Thema zu tun.
musicus

Re: Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

Beitrag von musicus »

Wenn seine Vorstellungen so gar nichts mit deinem Thema zu tun haben, da kommt mir ein Verdacht. Ist da noch jemand involviert (Stichwort Drittmittel)? Könnte den abrupten Sinneswandel erklären, daß er da einfach irgendeinen "Auftrag" versucht, dir aufs Auge zu drücken? Nur so eine Idee ins Blaue hinein.
Effi

Re: Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

Beitrag von Effi »

Mit deiner Idee liegst du vermutlich gar nicht so falsch. Zwischenzeitlich wurde mir nämlich von einem der Projektleiter am Lehrstuhl noch ein anderes Thema angeboten (ein Drittmittelprojekt). Das habe ich aber aus verschiedenen Gründen abgelehnt und würde es jederzeit wieder tun. Auch hier war die Motivation vor allem, dass ich in meiner Freizeit ein Riesenprojekt wuppen "darf" (natürlich zusätzlich zu den anderen). Da Transparenz in der zukünftigen Projektplanung bei uns nicht wirklich vorherrscht, könnte das also schon sein. Ich vermute aber auch, dass dies mit seinem Lieblingsthema und seiner Lieblingsmethodik zu tun hat. Sobald da etwas ein wenig von abweicht (und sei es nur eine neue Perspektive auf das Thema), löst das merkwürdiges Verhalten/ Denksperren bei meinem Prof aus. Ist natürlich die Frage, ob ich diejenige sein möchte/werde, die da frischen Wind rein bringt :)
Garion

Re: Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

Beitrag von Garion »

Hallo Effi,

unabhängig von den Iiteressen, die sonst noch eine Rolle spielen, würde ich mich persönlich nicht auf eine Dissertation einlassen, wo ich weder persönlich noch inhaltlich eine starke Übereinstimmung mit dem Prof. sehe. Das Machtverhältnis ist einfach so einseitig, daß ich damit nicht auf Dauer zurechtkäme. :x Ich komme mit meinem Professor eigentlich gut aus, weiß aber, daß wir inhaltlich auch Differenzen haben, der er aber zu tolerieren scheint. Ich befürchte nicht, daß mir das direkt um die Ohren fliegt, aber gerade wenn man die Folgen nicht wirklich kalkulieren kann, ist es doch belastend. Mich stört aber an diesen Differenzen gerade eher, daß ich für die Extra-Arbeit, die ich z.B. in kritische Theorien investiere, keine Anerkennung bekomme. Das interessiert sie nicht, ist eher Ballast. :cry:
algol
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Re: Trotz Problemen mit dem Betreuer die Diss beginnen?

Beitrag von algol »

Für mich klingt das auch nicht gesund. Wie Petzold sagt, kann es sinnvoller sein, eine/n Prof zu wählen, der/die menschlich stimmt, auch wenn die fachliche Nähe nicht so hoch ist. Und wenn Du unter dem Gesichtspunkt noch mal die entsprechenden Fakultäten durchgehst, findest Du bestimmt weit mehr als 1,5 alternative Lehrstühle. Profs nehmen teilweise eine erstaunliche Breite an Themen an.
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