Auf schlechten Betreuer verzichten oder weiter durchziehen?

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Dr_rernat

Auf schlechten Betreuer verzichten oder weiter durchziehen?

Beitrag von Dr_rernat »

Liebe Forumsteilnehmer,

wie am Titel zu erkennen, habe ich ein Problem mit meinem Dritt-Betreuer. Ganz ungewöhnlich also :wink: Ich möchte das hier (leicht verfremdet und anonymisiert) wiedergeben. Hoffentlich kann mir jemand einen Rat geben.

Rahmenbedingungen: Ich habe eine Doktormutter (die ich relativ selten sehe) und einen Zweitgutachter (den ich bisher nur 2 mal gesehen habe). Meine Promotion ist in einem naturwissenschaftlichen Fach mit praktischer Arbeit, da ist intensive Betreuung üblich. Ich bin jetzt im 2. Jahr. Anfangs hatte ich auch noch eine direkte "Drittbetreuerin" (Post-Doc), die jedoch im Laufe eines Jahres in den Schwangerschaftsurlaub gewechselt ist. Schon bei ihr hatte ich so meine Zweifel, ob sie mir wirklich helfen kann. Es sieht nicht so aus, als ob sie im Laufe meiner Dissertation wieder zurückkehren würde.

Nach ihrem Weggang arbeitete ich erst einmal eine Weile "alleine". Ich hatte innerhalb des ersten Jahres gelernt, eigenständig zu planen und arbeiten, daher weinte ich der glücklichen Mutter keine Träne nach und fand mich mit der Situation ab, ohne Drittbetreuer weiter zu machen. Angestoßen durch meine Doktormutter übernahm dann jedoch kurze Zeit später der zweite verbliebene Post-Doc, der nun sozusagen zum Leiter des Teams aufgestiegen war, meine Betreuung. Ich freute mich erst darüber, doch dann fingen die Probleme an...

Ich hatte diesen Post-Doc anfangs als freundlichen, zurückhaltenden Menschen kennen gelernt. Er kam zu unserem Team kurze Zeit nachdem ich meine Promotion gestartet hatte. Von der Leitung des Teams ist er jedoch völlig überfordert und kommt mit seinen eigenen Aufgaben kaum zurecht. Es traten Meinungsverschiedenheiten auf, im Zuge derer ich tatsächlich angebrüllt wurde, was ich in meiner ganzen Karriere bisher noch nie erlebt habe! Ich erlebe diesen Post-Doc mittlerweile als sehr selbstgerecht und fordernd (nicht nur mir gegenüber). Dabei ist jedoch seine eigene Leistung keineswegs ein gutes Beispiel. Kurz gefasst: Ich habe mittlerweile eine ausgewachsene Antipathie gegen diesen Menschen entwickelt und oft geht mein Stresspegel schon in die Höhe, wenn er nur den Raum betritt. Dennoch habe ich immer bereitwillig geholfen, wenn Hilfe erbeten wurde - anfangs mit der Idee, dadurch Dankbarkeit zu erzeugen und zu zeigen, dass ich im Grunde ein gutherziger, hilfsbereiter Mensch bin. Die Dankbarkeit hält jedoch nie lange an, eher noch wird meine Hilfe als selbstverständlich angesehen und ich muss mich bei jeder kleinsten, auch nur vermuteten Verfehlung extrem unfreundlich behandeln lassen. (ich bin übrigens über ein Stipendium finanziert, habe also nicht die Verpflichtung, ihm Arbeit abzunehmen).

In letzter Zeit ist es so schlimm geworden, dass ich mittlerweile überlege, ihm klipp und klar zu sagen, dass ich in Zukunft auf seine Betreuung verzichte. Besonders viel hat es mir bisher sowieso nicht gebracht, da er nach mir hier angefangen hat und auch auf ganz andere Dinge Wert legt als meine Doktormutter. Allerdings wäre dies natürlich ein Schritt weg von "unterordnen, versuchen, das Beste daraus zu machen, ab und zu ein unvermeidbares Streitgespräch" hin zu offener Feindschaft. Andererseits könnte er mich dann nicht mehr damit erpressen, dass er als mein Betreuer ja so viel für mich macht ich müsste ihn nicht mehr bei jedem Zwischenbericht in die Danksagung aufnehmen. Zudem frage ich mich auch, ob es gut ist, sich als Doktorand immer alles gefallen zu lassen, oder ob man damit solchen Menschen nicht noch unbewusst vermittelt, dass sie alles mit einem machen können.
Also, wehren oder nicht? Und wenn ja, wie?
holladiewaldfee

Re: Auf schlechten Betreuer verzichten oder weiter durchzieh

Beitrag von holladiewaldfee »

Hallo,

hoert sich nach einem echt unangenehmen Menschen an - ich wuerde mich zurueckziehen, aber keinen offenen Konflikt suchen. Will sagen: Nimm ihn weiterhin in die Danksagung auf, sei diplomatisch, aber distanzier Dich - wie es sich anhoert, brauchst Du ihn nicht fuer Deine Diss. Bocken bringt nichts, wenn man am kuerzeren Hebel sitzt - so sehr einem auch danach ist. Dankbarkeit wirst Du wohl ohnehin nicht erleben...
Anders waere das Ganze, wenn er bei Veroeffentlichungen seinen Namen aufgefuehrt sehen moechte, obwohl er nichts dazu beigetragen hat. Da wuerde ich mich wehren.

holladiewaldfee!

P.S. Es gibt uebrigens tatsaechlich Seminare mit dem wohlklingenden Namen "Der Umgang mit schwierigen Zeitgenossen". Sieh es so - Du kannst aus der ganzen Geschichte nur lernen - es wird nicht das letzte Mal sein, dass Dir, auf gut deutsch, der Kamm schwillt, wenn jemand nur den Raum betritt. Kommt selten vor, dass sich innerhalb eines Teams alle durchweg sympathisch sind... leider.
Mathilda

Re: Auf schlechten Betreuer verzichten oder weiter durchzieh

Beitrag von Mathilda »

Hallo,

klingt nach einer blöden Situation. Kann mich allerdings nicht ganz gut reinversetzen, weil bei uns so enge Betreuungsverhältnisse nicht üblich sind, das nur vorweg.

Grundsätzlich würde ich mich vor einem offenen Konflikt mit einer Person, die am längeren Hebel sitzt, immer fragen, was die Konsequenz sein wird. Erwartest Du Dir irgendeine Verbesserung davon? Was wird sich konkret für Dich ändern? Ich vermute, Du wirst immer noch im selben Labor (?) mit dieser Person zusammen arbeiten müssen? Was also wird hinterher die Situation für Dich sein? Besser? Schlechter? (Ich tippe auf schlechter, sorry.)

Wäre es eine Alternative, einfach nicht mehr auf seine Hilfe zurückzugreifen, oder ist das aus praktischen Gründen unmöglich? Um den Teufel mal völlig an die Wand zu malen - Du=Doktorand, er=Post-Doc - wäre es denkbar, dass nach einem offenen Streit Du gehen müsstest oder nicht mehr vom DV betreut würdest, weil er keine offenen Feindschaften bei sich haben will? Meiner Erfahrung nach haben´s die meisten Profs auch nicht so mit Mitarbeiterführung und haben auch keine Lust auf Stress in der Richtung.

Du hast schon Recht, gegen manche Dinge muss man sich wehren. Was wäre das denn in Deinem Fall? Blöde Kommentare? Aufgezwungene Hilfe? Oder was? Gibt es vielleicht eine andere Lösung, das Spiel nicht mehr mitzuspielen, ohne die offene Konfrontation? Offene Konfrontation ist ja manchmal auch notwendig, aber häufig drängt es die Leute auch in die Ecke, weil sie sich nicht "elegant" aus der Affäre ziehen können u. die Flucht nach vorn antreten müssen. Kann auch sehr unangenehm werden in der Gesamtsituation. Versetz Dich mal in seine Lage: Du bist recht neu im Post-Doc-Job, und da kommt ein Doktorand und stellt Dich als nicht-tragbar hin, zweifelt die Position/Persönlichkeit/Kompetenz an. Dass kann ein Post-Doc sich nur sehr begrenzt annehmen, denn schließlich ist er auch in einer Abhängigkeitssituation.

Alles Gute
Mathilda
Dr_rernat

Re: Auf schlechten Betreuer verzichten oder weiter durchzieh

Beitrag von Dr_rernat »

Danke für die beiden Ratschläge!
holladiewaldfee hat geschrieben: P.S. Es gibt uebrigens tatsaechlich Seminare mit dem wohlklingenden Namen "Der Umgang mit schwierigen Zeitgenossen".
so etwas hört sich nützlich an. und was lernt man da :?:

mathilda hat geschrieben: Grundsätzlich würde ich mich vor einem offenen Konflikt mit einer Person, die am längeren Hebel sitzt, immer fragen, was die Konsequenz sein wird. Erwartest Du Dir irgendeine Verbesserung davon? Was wird sich konkret für Dich ändern? Ich vermute, Du wirst immer noch im selben Labor (?) mit dieser Person zusammen arbeiten müssen? Was also wird hinterher die Situation für Dich sein? Besser? Schlechter? (Ich tippe auf schlechter, sorry.)
Vom Ablehnen seiner Weiterbetreuung verspreche ich mir vor allem, dass er mich nicht mehr durch seine angebliche "Hilfe" erpressen kann, wenn ich nicht mehr ständig nach seiner Pfeife tanze. Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass das für mich im Großen und Ganzen eher ein "Verlustgeschäft" ist. Das ist das eine, und das zweite: Ich habe die Befürchtung, dass solche Menschen immer frecher werden, wenn man sie gewähren lässt. Da man ihnen sozusagen noch die Bestätigung gibt, dass sie mit ihrer Methode Erfolg haben.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass er ein sehr schlechtes Buch zum Thema Führung allzu ernst genommen hat, mit Tipps wie
"Ãœbernehmen Sie nie einfache Aufgaben, verteilen Sie sie sofort an Mitarbeiter!"
"Vergessen Sie nicht ständig zu erwähnen, wieviel Sie zu tun haben!"
"Es ist nicht nötig, dass Ihre Mitarbeiter Sie sympathisch finden, Sie sind der Boss!"
:mrgreen: Ernsthaft!
mathilda hat geschrieben: Wäre es eine Alternative, einfach nicht mehr auf seine Hilfe zurückzugreifen, oder ist das aus praktischen Gründen unmöglich? Um den Teufel mal völlig an die Wand zu malen - Du=Doktorand, er=Post-Doc - wäre es denkbar, dass nach einem offenen Streit Du gehen müsstest oder nicht mehr vom DV betreut würdest, weil er keine offenen Feindschaften bei sich haben will? Meiner Erfahrung nach haben´s die meisten Profs auch nicht so mit Mitarbeiterführung und haben auch keine Lust auf Stress in der Richtung.
Ich bitte ihn jetzt schon so selten wie möglich um Hilfe, seit der Ärger angefangen hat, sowieso. Allerdings ist er als Teamleiter natürlich für verschiedene Dinge verantwortlich, die man als Doktorand alleine gar nicht entscheiden darf. Dass ich gehen müsste, ist so gut wie ausgeschlossen, dazu ist meine Position zu unabhängig, auch von der Finanzierung. Es könnte höchstens sein, dass er versucht, mir etwas anzuhängen - jeder macht schließlich Fehler, und da kann man drüber hinwegsehen (meine Einstellung), oder man kann aus einer Mücke einen Elefanten machen (seine Vorgehensweise)
mathilda hat geschrieben: Versetz Dich mal in seine Lage: Du bist recht neu im Post-Doc-Job, und da kommt ein Doktorand und stellt Dich als nicht-tragbar hin, zweifelt die Position/Persönlichkeit/Kompetenz an. Dass kann ein Post-Doc sich nur sehr begrenzt annehmen, denn schließlich ist er auch in einer Abhängigkeitssituation.
Also "neu im Post-Doc-Job" ist er nicht, mittlerweile auch nicht mehr in unserem Team hier, und anfangs kamen wir sogar sehr gut miteinander aus! Damals war er aber noch nicht Teamleiter, und ich habe ihn eher als den "netten neuen Kollegen" gesehen. Der Wechsel kam, als meine Ex-Drittbetreuerin wegen des Babys gegangen ist, und er Teamleiter wurde. Auf einmal musste alles nach seinen Wünschen umgeworfen werden, was bis dahin im Team üblich war, und er nutzte auch die Gelegenheit, jedem die Meinung zu sagen, der nicht so arbeitete, wie er sich das vorstellte. So jedenfalls mein Empfinden.
Ich könnte mir vorstellen, dass er sich anfangs in seiner neuen Position nicht ernst genommen fühlte, da ich (und andere) natürlich dank längerer Teamzugehörigkeit mit einem "gesunden Selbstvertrauen" ihm gegenüber auftraten. Ich bin nicht sicher, ob er sich mittlerweile von allen mit mehr Respekt behandelt fühlt, aber hauptsächlich hat sein forsches Auftreten bewirkt, dass ihn nun keiner mehr besonders leiden kann. Selbst mit meiner Doktormutter scheint es Unstimmigkeiten zu geben, aber darüber weiß ich wenig.
mathilda hat geschrieben: Du hast schon Recht, gegen manche Dinge muss man sich wehren. Was wäre das denn in Deinem Fall? Blöde Kommentare? Aufgezwungene Hilfe? Oder was? Gibt es vielleicht eine andere Lösung, das Spiel nicht mehr mitzuspielen, ohne die offene Konfrontation?
Das frage ich mich auch! Hat jemand eine Idee dazu?
Bolero

Re: Auf schlechten Betreuer verzichten oder weiter durchzieh

Beitrag von Bolero »

Lieber (fast) Dr_rernat,

das ganze erinnert mich an meine Situation. Bei fremden Menschen war mein Drittbetreuer als Choleriker, Machtmensch, unangenehmer Zeitgenosse etc. verschrieen, der andere für einen Lollipop verkaufen würde. Anfangs war er sehr charmant, ich würde ihm jetzt aber eine pathologische narzisstische Störung bescheinigen und mir diese Buch holen http://www.amazon.de/Soziopath-von-nebe ... 3211297073 . Viele waren später so geschockt von ihm, dass sie mit Arbeitsverweigerung reagiert haben. Er war stinkfaul, inkompetent, intrigant hat aber nach oben durch sein geschicktes Auftreten Karriere gemacht.

Du hast absolut keine Macht und wenn Du an so einen Menschen kommst, dann lässt er Dich das auch spüren.

Dafür hatte ich einen wunderbaren Doktorvater und eine wunderbare Doktormutter. Ich habe die Doktorarbeit durchgezogen, die Kommunikation mit ihm auf ein Minimum beschränkt. Ich werfe mir aber jetzt vor, dass man gegen manche Menschen wie z.B. Hitler reagieren muss, konnte aber nicht. Ich hätte nirgendswo anders anfangen könne weil mein Drittbetreuer mich definitiv schlecht gemacht hätte.

Ich weiß nicht wie weit Du bist und wie Deine Erstbetreuer sind. Ich kenn die Situation und musste wahnsinnig viel schlucken und mein Drittbetreuer hat mir auch sehr viele Steine in den Weg gelegt. Ich habe auf Durchzug geschaltet und mich innerlich sehr viel geärgert. Ich hab die Dissertation sehr schnell fertig gemacht und da für immer diesem Menschen den Rücken gekehrt. Ich hoffe ich sehe diesen Menschen nie wieder ...
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