Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

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Denim84

Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von Denim84 »

Hallo zusammen,

ich habe während meiner Diplomarbeitsphase (am Anfang) ein industriehnahes Promotionsangebot bekommen, was ich dann auch zugesagt habe, da :

- das Thema interessant ist/war
- nach eigenen Aussagen sehr praxisnah geforscht wird (applied/design science)
- die Uni in diesem Bereich sehr renomiert ist (ETH)
- mit Prof/Betreuer die persönliche Ebene gestimmt haben
- mit Schreiben Spaß macht und ich sehr gerne noch weiter "lerne" und ein sehr "neugieriger" Mensch bin. Habe schon diverse Praktika hinter mir und ist doch immer sehr schnell eine operative Routine eingekehrt. Konnte mir also gut vorstellen, noch an der Uni zu bleiben, wenn auch nicht mit dem Ziel einer wissenschafltichen Karriere.

Nun bin ich zu 2/3 mit meiner Diplomarbeit fertig und es kommt nun ein wenig Motivations-Stagnation auf. Ich zweifle daher immer mehr an meinem nachgelagerten Promotionsvorhaben. Was mich die letzten Wochen besonders stört ist konkret das recht "einsame" Arbeiten an einem Text, die fehlende Kommunikation und das Gefühl, letztendlich für den Papierkorb zu produzieren...

Mir hat Literaturrecherche und Einarbeitung in das Thema sehr viel Spass gebracht, jetzt auf den letzten Metern ist es doch sehr "hart" und "tröge". Ich scheue mich nun trotzdem davor, die Promotionsstelle einfach abzusagen, da ich auch das Gefühl habe, dass ich durch den "endspurt"-Zustand der DA doch recht beeinflusst bin..

Daher die Frage an alle "erfahrenen" Haasen:
- Bedeutet eine Promotion genau 3 Jahre lang dieses doch recht "tröge" Schreiben? Es geht weniger um die Tätigkeit selbst, die mich stört, sondern mehr um das Gefühl, dass es doch sehr einseitig ist, was dann abends zu einem eher unzufriedenen Gefühl führt.
- Hatte jemand ein ähnliches Setting, dass er schon eine Promotionsstelle während der DA zugesagt hatte, und es ist ihm/ihr dann ähnlich ergangen?


Das Fach ist Technologiemangement/Wirtschaftsinformatik.

Würde mich über Input freuen.

Vielen Dank!

grüsse

Fabian
GrafLukas

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von GrafLukas »

Ich kann da nur subjektiv von mir sprechen: Da war es nicht so.
Ich habe so gearbeitet, dass ich anfangs nur eine recht grobe Gliederung hatte, weil ich mich selbst erstmal ins Thema einarbeiten musste. Dann habe ich bei der Literaturrecherche von Anfang an Zitate und Kurzzusammenfassungen in der Dissertations-Datei gesammelt, so dass ich zumindest immer das Gefühl hatte, an jedem Abend etwas Text produziert zu haben. Ab und zu kam eine Phase der Straffung und Ausarbeitung.
Am Anfang hatte ich keine Ahnung, was am Ende rauskommen würde und ob mir irgendwann etwas einfallen würde - in meiner Gliederung stand am Ende nur "bis hierhin Forschungsstand - ab hier 60 Seiten eigene Meinung". Ich hatte immer Angst vor der Schreibblockade, deshalb habe ich sehr zügig gearbeitet, und am Ende war ich in Rekordzeit (selbst für juristische Arbeiten) fertig...

Mein Fazit: Wenn einen das Thema interessiert und man motiviert ist, kann es durchaus klappen. Bei mir kam hinzu, dass ich vom Thema her recht frei war, also nicht durch Erwartungen des DV oder durch irgendwelche technischen Zwänge (Laborzeiten und -ausrüstung) eingeengt wurde.
saxomanix

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von saxomanix »

öhm was erwartest du denn von der Diss? Jet-leben und Glitzerparties? Das ist wie eine grosse Diplomarbeit, nur mit mehr Freiheitsgraden (zum einem, was schön ist, darf man selbst mehr machen und andere fuer sich arbeiten lassen aber man muss sich auch selbst mehr kuemmern). ach ja und zumindest an der Uni ist der Prof ruhiggestellt, wenn man so alle 6-9 Monate mal wieder ein Paper fertig hat, also noch mehr dröges schreiben (und dann noch fröhlich auf englisch, wie ich es hasse!).
Es wäre schlicht gelogen, wenn ich sagen wuerde, das schreiben mache mir spass (wobei, ich plotte gerne :) ).. aber ich bin dann trotzdem stolz wie bolle, wenn der kram irgendwo gedruckt erscheint...

Die entscheidung kann dir da keiner abnehmen, was ich dir aber raten wuerde , wäre ein ausgedehnter urlaub oder ggf ein Monat nichts-tun zwischen Dipl und DIss, sonst ist der Akku so schnell leer und die Motivation spielt Soduko im Schnee...
Birnaa

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von Birnaa »

saxomanix hat geschrieben: Die entscheidung kann dir da keiner abnehmen, was ich dir aber raten wuerde , wäre ein ausgedehnter urlaub oder ggf ein Monat nichts-tun zwischen Dipl und DIss, sonst ist der Akku so schnell leer und die Motivation spielt Soduko im Schnee...
Dem schliesse ich mich ohne Vorbehalte an! Ich habe diesen Fehler nämlich selber gemacht :( bzw. wurde dazu gedrängt SOFORT nach Studienabschluss mit einem Doktorandenprogramm anzufangen. Hab ich auch noch hingekriegt, danach war aber echt Schicht im Schacht.
saxomanix

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von saxomanix »

ich war nach der Dipl 5 Monate im Ausland, das war das beste, was ich machen konnte, da kriegt man den Kopf herrlich frei und danach hat man auch wieder lust, mit was neuem anzufangen...und jetzt erzähl mir keiner, 1-2 monate luecke im lebenslauf wären ja so dramatisch...
Birnaa

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von Birnaa »

Glaub mir, nach der "Lücke" kräht kein Hahn. Hab ich herrlich bei ehemaligen Studienkollegen beobachten können. Einer war sogar 8-9 Monate in Asien und Australien unterwegs und hat im Anschluss nach kurzer Suche direkt einen recht guten Job bekommen.
saxomanix

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von saxomanix »

jupp! ich mach das sogar jetzt während der diss so..in lustigen 3-5 monatsabständen definitiv Urlaub oder man ne Konferenz, hauptsache raus...klappt ganz gut und Konferenzen geben mir immer neue Motivation (die reicht dann meist bis zum nächsten Urlaub)... ich freu mich jetzt schon auf meine schamlosen 4 Wochen Sommerurlaub im Juli/August, da werde ich NIX aber auch gar NIX fuer die Diss tun (geht auch schlecht ohne Internet und PC..höhö..paradiesisch..)
Birnaa

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von Birnaa »

saxomanix hat geschrieben:jupp! ich mach das sogar jetzt während der diss so..in lustigen 3-5 monatsabständen definitiv Urlaub oder man ne Konferenz, hauptsache raus...
*Neid* :wink:
Vielleicht sollte ich was in die Richtung machen...zwecks Motivation und Disziplin...
nmr_psi

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von nmr_psi »

Hoi Fabian,

sicherlich ist das akademische Arbeit nicht immer Zuckerschlecken - das ganze Forum hier ist voll von entsprechenden Beiträgen und es tat mir jedenfalls immer sehr gut zu wissen, dass andere da draussen ähnliche Probleme haben.

Natürlich gibt es auch eine gewisse Art der "Promovitis", die immer dann zuschlägt, wenn die Wirtschaft etwas lahmt. Deshalb wird es momentan wahrscheinlich mehr Leute geben, die an den Universitäten geblieben sind und teilweise bleiben wollen.

Du musst Dir für die Doktorarbeit einfach vorstellen, dass es durchaus vergleichbar mit der Diplomarbeit vergleichbar ist, sich aber mehr zuspitzt, da Du mehrere Jahre an dieser Arbeit bist. Das ist nicht wenig und sollte nicht unterschätzt werden. In dieser Zeit wirst Du mehr spezialisiert, als Du es jetzt bist, mehr Einzelkämpfer sein und auch mehr Frustration aushalten müssen. Die Idee, nur weil Forschung Spass macht, eine Doktorarbeit schreiben zu wollen, geht oft nicht auf. Die Fussangeln des akademischen Betriebes muss man sich vor Augen halten und überlegen, ob man damit zurecht kommt. Und dennoch lassen sich mehrere Jahre niemals überblicken, d.h. eine sehr grosse Portion Risiko ist auch dabei. Mir war dies bewusst, habe jedoch zum Glück wenig leiden müssen. Ein Kampf steht aber allen am Schluss bevor, das Zusammenschreiben. Hier wird wahrscheinlich fast jeder an die Grenzen der nervlichen Belastbarkeit kommen. Während meiner Doktorarbeitszeit habe ich leider auch bei einigen Kollegen zusehen müssen, wie Beziehungen darüber in die Brüche gingen, soziale Netze zerbrachen und am Schluss nervliche Wracks entstanden sind, die erst viele Monate nach Fertigstellung wieder normal lebensfähig waren. Sicher muss es nicht immer soweit kommen, aber es kann. Alleine diese Option sollte man einkalkulieren - nicht das schlimmste annehmen, aber in Erwägung ziehen, dass es passieren könnte. Kannst Du mit diesem Druck mutmasslich umgehen?

Bleibt die Frage nach den Alternaitven: DIe Wirtschaft befindet sich wieder stark im Aufschwung. Daher würde ich Dir raten, wenn Du eine gute Stelle bekommen kannst, in die Industrie zu wechseln. Die Gefahr, dass Du nachher unglücklich wirst, lohnt sich vermutlich nicht, wenn Du bereits jetzt von Problemen im Endstadium der Doktorarbeit berichtest. Solche Berichte machen mich immer sehr hellhörig.

Man lernt übrigens auch ausserhalb der Uni weiter, das Leben bleibt nicht stehen, wenn man die Uni verlässt - mit welchem Bildungstitel auch immer. Dass sich viele am Ende ihrer Diplomlaufbahn eine Karriere im Unibetrieb vorstellen können entspricht in etwa der Erfahrung der Anzahl an Maturanden/Abiturienten, die sich den Lehrerberuf vorstellen können. Beide Gruppen kennen einfach nichts anderes und das vermeintlich vertraute Umfeld weckt weniger Sorgen gegenüber Unbekanntem als neue Felder, z.B. Industrie. Genau solltest Du Dir auch das eigentlich spätere Arbeitsumfeld anschauen. Wie geht es Doktoranden in Deinem gedachten Bereich, wie den Absolventen aus diesem Bereich?

Nimm die "Aussenfaktoren" wie renommiertes Institut nicht zu ernst. Dort ist es meistens nur noch schlimmer, weil mehr Druck herrscht.

Wünsche Dir alles Gute für die Entscheidung,

Gruss

nmr
Denim84

Re: Entscheidung während der Diplomarbeit für Promotion

Beitrag von Denim84 »

Hallo zusammen,

vielen Dank für alle diese Antworten.

@saxomanix: Schreiben scheint generell der "trockene" Teil zu sein - kann man schön die "eagerness" trainieren :->
@Birnaa: 6 Wochen Lateinamerika Urlaub ist dazwischen eingeplant- ist sowas wie meine "2. Heimat" - also da kann ich in jedem Fall wieder Akkus aufladen. Das Problem ist nur, dass es dann auch sein kann, dass ich zurückkomme und keine Lust mehr auf Promotion habe :-P. Es ist eben so schwierig einzuschätzen, wenn man mitten in dem "Gewusel" drinnenhängt, wie es sich nachher "anfühlt".

Ich würde es so vergleichen: Bin vor kurzem meinen ersten Halbmarathon gelaufen (= Diplomarbeit). Wenn da Dich einer bei Kilometer 18 fragt: "Na, und danach Marathon?" sagt man sicher nicht "Geil, wo kann ich mich anmelden?". Wenn man aber den Halbmarathon geschafft hat, ist das ein tolles Gefühl und genz genau aus dem kommt entspringt dann spätstens nach ein paar Tagen der Wunsch einen Marathon zu laufen (Dissertation). Auch sonst ist die Metapher sehr passend: Frag mal jemand bei kilometer 18, ob er gerne läuft? Da kommt dann sowas wie: "Eigentlich schon, aber puhh, wäre schon cool, auch jetzt mal in Ziel zu sein" --> Frage; Macht Schreiben Spass? Eine Dissertation ist einfach eine wahnsinnige Herausforderung, und genau das reizt doch so. Aber ich bin eben gerade bei "Kilometer 18" -> das ist genau das Problem der "Bewertbarkeit" meines Wunsches eine Diss zu machen oder nicht. :-)

@nmr_psi. Super hilfreicher Beitrag -. merci. Es gibt gute berufliche Optionen für mich in recht nahmenhaften IT-Beratungen (konkrete Angebote liegen vor): man fliegt schön durch die Weltgeschichte und sieht was, kommt rum etc., hat ne steile Lernkurve, kommunikatives nettes Umfeld (war zumindest bei einem Praktikum alles so) und..trotzdem weiss ich, dass es mich erstmal nicht so "fordert" - zumindest auf geistiger Ebene und auf der Ebene der wahren "Herausforderungen" wie Durchhaltevermögen, Fokus auf eine Sache behalten...etc.
Es ist nunmal so, dass gerade die Beratungs-Branche eine recht "Doktor"- sensitive Branche ist, und mir da ein Titel sicherlich später was bringt, in irgend einer Weise.
Man kann es natürlich auch andersherum machen und erst dort anfangen und dann nach 2 Jahren den Dr. machen (mit den Überstunden z.B. ;-) )..

An alle vielen herzlichen Dank. Ich werde wohl doch nach dem "Gefühl" gehen müssen, auf was ich einfach momentan mehr salopp gesagt "Bock" habe..und das riecht dann eben schon nach IT Beratung..

Fabian
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