Themensuche zieht sich: Was mach ich falsch?

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aratarorome

Themensuche zieht sich: Was mach ich falsch?

Beitrag von aratarorome »

Hallo Gemeinschaft;

Meine Situation:
Ich bin seit ca. 2,5 wissenschaftlicher Mitarbeiter. Mein Promotionsthema und die Stelle wurde mir von meinem Professor ohne eigenes Zutun angeboten. Die Projektbelastung nebenbei hält sich in Grenzen sodass ich viel Zeit mit meinem Thema verbringen kann. Das Arbeitsumfeld ist sehr gut. Ich bin Informatiker und habe noch für weitere 2,5 Jahre eine Finanzierung.

Nun zu meinem Problem:
Das Promotionsthema war und ist immer noch sehr wage. Ich habe es bis jetzt immer noch nicht geschafft ein Expose bzw. eine konkrete Themenbeschreibung anzufertigen. Mein Professor hat uns zwar eine gewisse Richtung vorgegeben aber uns Spielräume gelassen das Thema selber auszulegen. Mit dem konkreten Themenbereich hatte ich mich zuvor nicht beschäftigt. Es ist für mich immer noch schwierig mein konkretes Promotionsthema in diesem Themenbereich zu finden der

- von wissenschaftlichen Interesse ist
- einen gewissen Neuigkeitswert hat
- konkrete Problemstellung behandelt.

Kennt jemand diese Situation bzw. kann mir jemand Tipps geben wie man aus einem Themenbereich den man zuvor nicht gekannt sein Promotionsthema extrahieren kann? (Mein Professor kann mir auch nur bedingt helfen weil er selber den Stand der Technik nicht kennt.)

Nur Veröffentlichungen lesen hat bei mir nicht den Durchbruch gebracht um auf offene Problemstellungen zu stoßen.

Zum Ende möchte ich 2 Dinge klären:
1. Ich will die Promotion nicht abbrechen auch wenn ich es in den nächsten 2,5 Jahren nicht schaffe.
2. Ich bin mir selber bewusst dass ich keine starke Leidenschaft mit meiner Arbeit verbinde. Ich sehe es aktuell eher als Broterwerb der sich leicht ins Privatleben auswirkt und dessen Herausforderung ich mich stellen will.

Grüße,

Andi
Meggy

Re: Was mach ich falsch?

Beitrag von Meggy »

Hallo,
ich sehe da gewisse Parallelen zu meiner Anfangszeit 8) Ich bin auch Informatikerin und hatte anfangs auch eine sehr vage (fast nicht existente) Grob-Themen-Umschreibung die ich selbst ausbauen sollte/durfte da Prof in dem Gebiet noch nicht viel Erfahrungen hatte bisher. Ich persönlich bin froh (im Nachhinein) dass das so war wie es war, denn das hat mir die Freiheit gelassen, das Thema eben selbst zu lenken und nicht so sehr fremdbestimmt zu arbeiten (wie es manche müssen). Bei mir hat es ca 1 Jahr gedauert bis ich selbst eine erste grobe Idee hatte, die nächsten 2 Jahre hat sich die Richtung und der Schwerpunkt immer mal angepasst (aufgrund versch. Implementierungs-Erfahrungen/Projekte/Publikationen), dh nach ca 3 Jahren war in etwa klar wo ich am Ende mal hin will (was in der finalen Version dann so ziemlich, aber dennoch immer wieder mit Anpassungen, geklappt hat - dh es waren immer wieder noch Neuausrichtungen/streichungen/Zusätze nötig um die Arbeit final so auf das letztliche "Problem" zuzuschneiden das ich tatsächlich eher gegen Ende erst als "meine Problemstellung" irgendwann definieren konnte). Insgesamt habe ich gut 5 Jahre gebraucht (mit 2 Babypausen :P ). Soviel zu meinem Rahmen und Erfahrungen.
Was ich bei Dir kritisch sehen: wenn Du selbst nicht so sehr motiviert bist, wie Du selbst schreibst, könnte das sehr schwer für so ein frei angelegtes Projekt werden. Da ist es schon schwer, was fest vorgegebenes durchzuziehen, aber sich dann die Thematik selbst noch zurechtschneidern halte ich für... na ja eben schwierig (und vielleicht ein wenig unrealistisch) :wink: Das erfordert einfach ein *noch mehr* an Ideen generieren, ggf ausprobieren (falls Implementierungslastig wie bei mir), anpassen, hier und da ein- und querlesen, oft auch mehr oder weniger "für umsonst" wenn man sich doch für nen anderen Schwerpunkt entscheidet und und und.
Mein Rat dahingehend wäre dann: überleg Dir erstmal generell wie Du weitermachen willst.
- Willst Du die Freiheit Deines Themas behalten und selbst lenken können? Dann geh mit mehr Feuer an die Sache. Es macht (imho) echt Spaß wenn man solche Freiheiten explizit nutzen und "was neues" ausprobieren darf. Aber es ist eben auf jeden Fall mit Mehraufwand verbunden. Es kann auch gut sein, dass das noch länger so bleibt dass Du kein explizites "Thema" oder eine konrekte "Problemstellung" hast (die habe ich tatsächlich erst kurz vor Ende wirklich konkret Formulieren und die Arbeit dann dahingehend "schärfen" können, das war ein echter Prozess bei mir)
- Oder aber sprich mit Deinem Prof/Betreuer ob ihr das Thema eng fassen oder Dir ein anderes geben könnt wo klar(er) ist, was Du letztlich machen sollst. Dann hast Du diese Findungsphase vielleicht zumindest nicht mehr SO ausgeprägt.

Alles gute! :blume:
Rondo

Re: Was mach ich falsch?

Beitrag von Rondo »

Hallo Andi,

Mir wäre es auch schwer gefallen aus nichts ein großes Promotionsthema zu extrahieren.

Hast du schon versucht, vielleicht zunächst eine kleinere Forschungslücke auszusuchen und versuchen ein Konferenzbeitrag oder ein Journalartikel darüber zu schreiben. Meistens ergeben sich durch diese Arbeit von selbst andere Bereiche die noch nicht ausreichend erforscht sind, bzw. erkennt man durch Diskussion mit anderen Wissenschaftler am besten welche Trends sich gerade abspielen und wo es noch unbearbeitete Themen gibt. Es hat natürlich den Nachteil im Anschluss aus kleineren Beiträgen eine zusammenhängende Arbeit zu bauen.

Ein anderer Ansatz wäre einige neue Techniken auf einen größeren Anwendungsfall anzuwenden. Meistens ergeben sich hierbei genügend neue Problemstellungen die noch nicht bearbeitet sind.

viele Grüße
Rondo
DoneXY

Re: Was mach ich falsch?

Beitrag von DoneXY »

aratarorome hat geschrieben:Es ist für mich immer noch schwierig mein konkretes Promotionsthema in diesem Themenbereich zu finden der

- von wissenschaftlichen Interesse ist
- einen gewissen Neuigkeitswert hat
- konkrete Problemstellung behandelt.
Was von wissenschaftlichen Interesse ist, bestimmst Du in der Einleitung Deiner Arbeit.

Der Neuigkeitswert sollte Dich nicht stressen. Eine längere Beschäftigung mit einem Thema führt in der Regel zu einem Expert_innenwissen, das den einen oder anderen neuen Aspekt mit sich bringt. Dein Problem wird sich daher höchstwahrscheinlich von selbst erledigen.

Mir fällt der Transfer von Tagesgeschehen zu dessen wissenschaftlicher Reflektion nicht immer leicht, doch findest Du in Tageszeiten/Nachrichten konkrete Problemstellungen, die wissenschaftlich beackert werden können. Diese haben dann auch einen vgl.weise aktuellen Bezug.

Viel Erfolg!
aratarorome

Re: Was mach ich falsch?

Beitrag von aratarorome »

Vielen Dank für eure antworten.

@ Maggy: Mir war das gar nicht (mehr) bewusst, dass man nicht davon ausgehen kann sich ein festes Thema gleich zu Beginn auszuformulieren. Es ist einfach Forschung und man muss sich auch trauen einen Schritt ins teilweise Ungewisse zu gehen und dann zu bewerten.

@ Rondo: Dein Tip mit den schreiben ist auch sehr gut. Denn erst durch die schriftliche Auseinandersetzung erkennt man seine eignen Lücken und beginnt diese durch selbst angeeignetes Wissen zu füllen. Man setzt sich stärker mit dem Thema auseinander.

@ DoneXY: Eine pragmatische Betrachtung. Die Herstellung der wissenschaftlichen Relevanz ergibt sich durch die Argumentation in der Einleitung und der Neuigkeitsgehalt ergibt sich durch die intensive Auseinandersetzung mit der Materie.

Was mich wahrscheinlich eher ausbremst ist, dass ich kein strukturiertes Vorgehen habe welches mich auf dem Weg zur Themaschärfung begleitet. Man diskutiert zwar viel mit Kollegen schreibt vielleicht noch Gesprächsprotokolle aber diese sind ebenso schnell wieder vergessen falls man das gesammelte Wissen nicht in seinen Plan oder Kontext einsortiert.

Ich bin schon der Meinung das man ein konkretes Thema auch schon zu beginn vor Augen haben sollte welches sich aber aufgrund der neuen Erfahrungen wandeln kann. Deswegen möchte ich mir strukturiert ein Promotionsthema der "ersten Stunde" erarbeiten das mir hilft den Fokus aufrecht zuhalten.

Ich plane so vorzugehen:

Ich erstelle ein zentrales Textdokument welches mich während der Themenschräfung (also wie ich gelernt habe die ganze Promotionszeit über) begleiten soll. Ich werde dafür LaTex verwenden weil es sich leicht mit Citavi verbinden lässt und das schreiben längerer Texte besser geht als alles in Mindmaps zu verstecken.

Als erstes werde ich die Promotionsthemen definieren die mir aus dem Stegreif einfallen. Diese werde ich nach folgenden Kategorien bewerten:
- Themenfokus: Ist das Thema zu eng oder zu breit gefasst, sodass ich bestimmte Aspekte unnötigerweise mit betrachten bzw. ausklammern würde.
- Wissenschaftliche Relevanz: Werden Problemstellungen gelöst dich sich nur auf "ein" konkretes Problem einschränken lassen und daher einer Ingenieursdienstleistung ähneln oder kann damit eine ganze Klasse von Problemen gelöst werden?
- Neuerungswert: Lieferst du etwas was in den Bereich vorher noch nicht behandelt wurde? Hiermit grenzt du dich von den anderen ab.
- Untersuchungsziel: Aus welchen Grund möchte ich ein bestimmtes Themenfeld bearbeiten? Welches Ziel steckt dahinter?


Natürlich werde ich nicht auf all diese Aspekte eine Antwort haben sondern muss sie mir durch Recherche und Diskussion erarbeiten. Um den Überblick über die Arbeitsschritte zu behalten, die sich aus meinen Vorgehen ergeben, werde ich z.B. MS-Project verwenden. Es ist sonst schwierig zu verfolgen welche Bereiche ich schon ausgiebig bearbeitet/resümiert habe.

Was haltet ihr davon?
DoneXY

Re: Was mach ich falsch?

Beitrag von DoneXY »

aratarorome hat geschrieben:Was haltet ihr davon?
Schwer zu sagen, ohne Dich persönlich zu kennen. Es gibt sicher Menschen, denen ein so detailliert strukturiertes Vorgehen hilft, wenige andere dagegen werden sich dann (fast) nur mit den Vorarbeiten, die der Plan vorsieht, beschäftigen.

Generell: Ein Exposee am Anfang ist wünschenswert, ob die anderen von Dir genannten Arbeitsschritte sein müssen, kann ich nicht allgemein beurteilen. Mir wäre das für den Anfang teilweise zu detailfreudig. In 2,5 Jahren anvisierter Zeit wird viel passieren - auch, was die ursprünglich Planung berührt. So ist zumind. meine Erfahrung, die ich hier im Forum bestätigt finde.
aratarorome hat geschrieben:Man diskutiert zwar viel mit Kollegen schreibt vielleicht noch Gesprächsprotokolle aber diese sind ebenso schnell wieder vergessen falls man das gesammelte Wissen nicht in seinen Plan oder Kontext einsortiert.
Wenn Du Gesprächsportokolle anfertigst, die offenbar unbeachtet bleiben, frage ich mich, ob nicht einigen Schritten des von Dir skizzierten Vorgehens ein ähnliches Schicksal bevorsteht.
aratarorome

Re: Was mach ich falsch?

Beitrag von aratarorome »

Hallo DoneXY,

ich finde du hast mich gut durchschaut. Ich bin jemand der sehr viel in Planungsaktivitäten hineinsteckt und dabei dann nichts mehr anderes macht als plant. Das habe ich in meiner Vergangenheit öfter bewiesen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass man durch das ewige planen sich nicht mit dem tatsächlichen Problem auseinandersetzen muss.

Ich nehme für mich mit, dass ich darauf acht geben muss Planungs-Dauerschleife zu rutschen.
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