"Spannungen" und blöde (sexistische) Sprüche von Doktorvater

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lart_pour_lart

"Spannungen" und blöde (sexistische) Sprüche von Doktorvater

Beitrag von lart_pour_lart »

Hallo,

ich habe ein Problem, das mich zunehmend nervt und belastet, und ich würde gerne mal eure Meinungen dazu hören, da ich sicherlich nicht alleine damit dastehe.

Zunächst die Vorgeschichte:
ich kenne meinen Doktorvater sehr gut, seit Anfang des Studiums. [Einzelheiten zu Zeitablauf und Unterstützung nachträglich eintfernt]

Nun bin ich seit knapp einem halben Jahr hier, aber in letzter Zeit häufen sich die Sprüche, die mich mehr als stören.
Ich bin eine sehr humorvolle Person und mache auch gerne so manchen derben Witz, es geht sehr witzig und nett bei uns zu.
Allerdings häufen sich die Sprüche, die ich nicht sehr witzig finde, aber immer mit Humor abschlage. (Es lief nie etwas sexuelles zwischen uns oder dergleichen.)
Wenn ich etwas besprechen will, sagt er scherzhaft "Dann machen Sie sich schon mal frei". Beim ersten Mal war das noch ganz witzig (weil's eindeutig scherzhaft gemeint ist), aber allein dieser Spruch fiel jetzt schon bestimmt 10 oder vielleicht schon 15 Mal (was dann für mich nicht mehr unter 'Einzelfall-Fehltritt' fällt).
Zudem erpresst er mich ab und an "scherzhaft", sprich: ich sage irgendetwas, und er sagt "Tja, wenn Sie sich mit einem 'rite' begnügen wollen" (worauf ich dann meistens sowas entgegne wie "Naja, das spricht dann ja nicht für Ihre Qualitäten als Doktorvater") oder er sagt "Dann lasse ich Sie halt bei der Disputatio nicht durchkommen" etc. pp. Auch das kam schon mehr als ein paar Mal vor, worauf ich dann immer scherzhaft entgegnete, allerdings finde ich dieses 'Heraushängenlassen von Machtpositionen' nicht sehr witzig und ich habe auch nie Anlass dazu gegeben. Manchmal drohe ich dann zurück, dass ich dann halt bei jemand anderem promovieren würde (was durchaus möglich wäre; halt an meiner alten Uni). Ich bin zwar schon manchmal frech, aber nie respektlos.

Von der Betreuung und den Arbeitsvoraussetzungen lebe ich im Schlaraffenland (verglichen mit so manch anderen, wie ich hier lesen konnte), aber für mich als sehr selbstbewusste Frau ist das momentan nicht sehr angenehm, andauernd diese blöden Sprüche zu kassieren.
[Details entfernt]

Mich belastet diese Situation und ich finde es sehr unangenehm. Ich weiß allerdings nicht, wie ich das ansprechen soll, ohne das nette, freundschaftliche Verhältnis zu zerstören. Ich weiß nicht, wie ich ansprechen soll, dass mich das stört, ohne direkt überzogen zu wirken. Er würde mir (bei guter Leistung selbstverständlich, von der ich ausgehe) niemals ein 'rite' geben oder mich durchfallen lassen, das weiß ich zu 100%, aber diese ganzen Androhungen nerven mich ungemein. Abgesehen von diesen Situationen bzw. Sprüchen ist unser Verhältnis ungetrübt gut und freundschaftlich.
Ich habe schon überlegt, beim nächsten blöden Spruch einfach überhaupt nicht zu reagieren oder den Raum zu verlassen, um nonverbal meine Missbilligung auszudrücken.

War jemand von Euch schon einmal in einer ähnlichen Situation? Wie lässt sich das elegant regeln?

Liebe Grüße und vielen Dank im Voraus für Eure Erfahrungen und Meinungen
l'art pour l'art
Zuletzt geändert von Sebastian am 23.09.2015, 08:30, insgesamt 3-mal geändert.
Grund: Anonymisiert
lart_pour_lart

Re: "Spannungen" und blöde (sexistische) Sprüche von Doktorv

Beitrag von lart_pour_lart »

Beim erneuten Lesen kommt mir das wirklich wie ein "Luxus-Problem" vor, aber es belastet mich halt trotzdem sehr, und ich will diese Situation gerne beenden bzw. mich nicht mehr in dieser vorfinden...
Meggy

Re: "Spannungen" und blöde (sexistische) Sprüche von Doktorv

Beitrag von Meggy »

Hallo, na das ist insgesamt ja eine doofe Situation :? Grundsätzlich finde ich es verständlich dass Du Euer gutes Verhältnis nicht belasten willst, aber gerade das ist es doch aktuell schon bzw. das tut ja Dein DV. Es liegt also gar nicht (mehr) allein in Deiner Hand, da jetzt was kaputt zu machen, sondern er hat ja - bewusst oder unbewusst - schon damit begonnen. Ich denke es gibt 2 Möglichkeiten: die ganzen Sprüche schlucken/abprallen lassen/weiter mitscherzen, oder es ansprechen. Vielleicht rechnet er auch gar nicht damit, dass Dich das stört? Gerade wenn Du sagst ihr seid sehr locker und Du machst auch mal den ein oder anderen derberen Scherz mit... Ich glaube, ich würde abwägen ob ich die restliche Promotionszeit damit klarkommen kann wenn er weiter so mit mir umgeht (oder es sogar noch derber werden könnte..). Falls ja - zieh es durch. Falls nein: sprich es möglichst sachlich an, so wie Du ihm auch schon klargemacht hast dass sowas wie "probieren ob Du kitzlig bist :shock: "gar nicht geht! Dass Du derlei Sprüche schlicht nicht witzig und bei aller Lockerheit absolut deplatziert findest. Vielleicht reicht das schon als Ansage :blume: Es ist doch jedem unbenommen, seine Grenze selbst zu definieren bis wohin was OK ist und ab wann nicht mehr. Das mag dann ein anderer als komisch/spießig/zugeknöpft/überzogen/whatever titulieren und empfinden, aber es geht ja für DICH darum DEINE Grenzen und Dein Wohlbefinden zu wahren. Und etwas "ertragen" nur um nicht vor anderen komisch dazustehen kann ja auch kein Weg sein... Und nein, ich befürchte einen richtig "eleganten" Weg gibt es nicht, außer eben dass Du versuchst das Ganze wirklich sachlich-aber-bestimmt (aber nicht unbedingt hysterisch-emotional) zu klären...
itsme

Re: "Spannungen" und blöde (sexistische) Sprüche von Doktorv

Beitrag von itsme »

Das Folgende ist schwierig zu formulieren, weil es sich so lesen wird, als wäre ich der Meinung, dass der arme Mann ja gar nicht anders kann und dass du die Grenzverletzungen eingeladen hättest. Aber das meine ich nicht, denn es sind Grenzverletzungen, die dich zu Recht belasten und bei denen - wie du ja auch geschrieben hast - die Machtposition strapaziert wird. Leider herrscht noch nicht ausreichendes Bewusstsein dafür vor, dass es genau solche Sachen sind, mit denen Frauen ganz abseits von Quoten und rechtlichen Regelungen ausgebremst werden können (wobei Frauen in Führungspositionen nicht immer ein besseres Gespür für die Einhaltung von Grenzen haben). Das ist aber eher eine Systemfrage, die an anderer Stelle rauf und runter diskutiert wird. Wenn es um die Frage geht, was du persönlich in deiner konkreten Situation machen kannst, dann hast du durchaus Handlungsspielräume, wobei die Frage ist, ob du willens bist, diese auch zu nutzen.

Als ich diese Satzbausteine
lart_pour_lart hat geschrieben: [...] und mache auch gerne so manchen derben Witz, [...]
[...] aber immer mit Humor abschlage. [...] worauf ich dann immer scherzhaft entgegnete, [...] Ich bin zwar schon manchmal frech, [...]
aber für mich als sehr selbstbewusste Frau ist das momentan nicht sehr angenehm, andauernd diese blöden Sprüche zu kassieren. [...] Ich weiß allerdings nicht, wie ich das ansprechen soll, ohne das nette, freundschaftliche Verhältnis zu zerstören. [...] um nonverbal meine Missbilligung auszudrücken.
aus deinem Beitrag gelesen habe, musste ich als Erstes "Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht nass" denken. Deine Aussagen sind sehr widersprüchlich, deswegen könnte es sein, dass du deine Grenzen auch nicht klar deutlich machst. Belasten dich die Übergriffigkeiten ODER bist du der Auffassung, dass es sich um ein "nettes, freundschaftliches Verhältnis" handelt? Handelt es sich um einmalige Entgleisungen, die man nicht auf die Goldwaage legen möchte, oder siehst du ein systematisches Element, das die gesamte Arbeitsbeziehung vergiftet? Wenn du scherzhaft oder nonverbal reagierst, woher soll der Betreuer wissen, dass hier deine Grenzen verletzt werden? In seiner Wahrnehmung macht er einen Scherz - und du reagierst darauf in seiner Wahrnehmung sogar adäquat, indem du zurück scherzst. Wo ist da der Unterschied zum (etwas tapsigen) "Flirten"? Inwiefern ist das das Verhalten einer selbstbewussten Frau, die ihre Grenzen deutlich macht? Dass du - gerade weil du ja in einer Abhängigkeitssituation bist - nur wenige Optionen siehst, ist klar, aber um ein paar klare Worte wirst du - gerade im Interesse der ansonsten guten Zusammenarbeit - nicht umhin kommen. Du kannst sachlich und respektvoll, aber deutlich, sagen, dass du solche Scherze nicht hören möchtest und die Zusammenarbeit wieder versachlichen möchtest. Wenn du benennen kannst, wo du vielleicht missverständliche Signale ausgesendet hast, wirkt diese Bitte um mehr Sachlichkeit auch nicht zu konfrontativ. Wenn er darauf weiterhin deine Grenzen verletzt, bist du aufgefordert, das jedes Mal in der konkreten Situation auch aufzuzeigen - so unangenehm das auch ist. Als letzte Eskalationsstufe, ggf. nach einer deutlichen Warnung, gibt es auch noch die Möglichkeit, die Sache aus dem unmittelbaren Kontext heraus zu lösen und dir Hilfe zu suchen, z.B. bei der Gleichstellungsbeauftragten. Aber erst mal reicht es vielleicht auch aus, selbst Stellung zu beziehen.

Und was vielleicht auch hilft: Bitte mal einen Freund oder eine Freundin, dir ein Feedback zu Körpersprache, Mimik und Tonfall zu geben - mit dem erklärten Ziel, diese im Umgang mit dem übergriffigen Betreuer bewusst einsetzen zu können. Frauen neigen dazu, den Inhalt ihrer Aussagen durch Körpersprache (z.B. leicht schief gelegter Kopf), Mimik (z.B. weit geöffnete Augen, leichtes Lachen) und Tonfall (höher als üblich) nonverbal "abzumildern" - und du willst ja gehört werden. Das ist einem selbst gar nicht bewusst, aber schon den Tonfall zu kontrollieren und das Lachen wegzulassen, kann Wunder wirken.

Alles Gute! :blume:
flberger
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Re: "Spannungen" und blöde (sexistische) Sprüche von Doktorv

Beitrag von flberger »

Hallo,

erstmal tut es mir leid, dass du in so einer Position bist. Das ist immer anstrengend und nervig, wenn sowas passiert.

Ich habe vergleichbare Situationen erlebt - aber aus der gegenteiligen Perspektive. Aus dieser möchte ich dir einen Rat geben.

Das absolut Wichtigste, was du tun solltest, wenn du diese Interaktionen nicht mehr möchtest, ist Ambivalenz reduzieren.

Ganz offensichtlich, und das scheint dir zum Teil auch klar zu sein, schafft ihr zusammen - und damit auch du - eine Atmosphäre, in der dein Gegenüber, dem ich mal keinen bösen Willen unterstelle, es für angemessen hält, sich so zu verhalten.

Wenn sich das ändern soll, musst du dein Verhalten und / oder deine Kommunikation ändern. Es geht nicht anders. Es sei denn, er hört einfach so damit auf, was nicht der Fall zu sein scheint.
lart_pour_lart hat geschrieben: Allerdings häufen sich die Sprüche, die ich nicht sehr witzig finde, aber immer mit Humor abschlage.
Warum tust du das? Mit Humor reagierten die meisten, wenn sie etwas witzig finden. Wenn sie etwas nicht (mehr) witzig finden, reagieren sie auch nicht mit Humor. Also hör auf damit. Werde ernst. Sage - meinetwegen freundlich - unmissverständlich, dass dich das stört und dass du möchtest, dass er damit aufhört. Dass du es nicht (mehr) witzig und auch nicht zum Lachen findest. Wäge nicht ab, wie du ankommst. Es ist dein Recht, deine Grenzen zu ziehen. Wenn dich jemand dabei doof und unlustig findet, ist das das Problem des anderen, nicht deines.
lart_pour_lart hat geschrieben: Auch das kam schon mehr als ein paar Mal vor, worauf ich dann immer scherzhaft entgegnete, allerdings finde ich dieses 'Heraushängenlassen von Machtpositionen' nicht sehr witzig und ich habe auch nie Anlass dazu gegeben.
Selbes Muster. Selber Rat.
lart_pour_lart hat geschrieben: Mich belastet diese Situation und ich finde es sehr unangenehm. Ich weiß allerdings nicht, wie ich das ansprechen soll, ohne das nette, freundschaftliche Verhältnis zu zerstören. Ich weiß nicht, wie ich ansprechen soll, dass mich das stört, ohne direkt überzogen zu wirken. [...] Wie lässt sich das elegant regeln?
Ohne dich zu kennen - also entschuldige, wenn ich dir zu nahe trete - klingt mir das sehr nach der Mädchen-Freundlichkeitsfalle. Du möchtest respektiert werden, du möchtest nicht auf diese Weise behandelt werden, aber diese Veränderung soll nett und butterweich passieren, ohne dass jemand jemanden doof findet. :blume: So funktioniert das aber nicht.

Wenn ihr wirklich ein freundschaftliches Verhältnis habt, dann muss - und wird - das so eine Ansage aushalten.
lart_pour_lart hat geschrieben: Ich habe schon überlegt, beim nächsten blöden Spruch einfach überhaupt nicht zu reagieren oder den Raum zu verlassen, um nonverbal meine Missbilligung auszudrücken.
Das halte ich für eine ausgesprochen schlechte Idee. Du willst damit dem Konflikt aus dem Weg gehen; und du brichst dein vorheriges billigendes Verhalten ohne Erklärung und lässt damit Raum für alle möglichen Interpretationen. Nein, nicht klug, und schon gar nicht effektiv. Frauen mögen sowas verstehen. Männer nicht.

Ich sehe drei Schritte:

1. Hör erstmal in dich rein. Wie sehr stört es dich? Wie sehr magst du das vielleicht insgeheim, oder an ihm? Warum hältst du deine Ansprüche, in Ruhe gelassen zu werden, für überzogen? Das sind sie nicht. Und es stört dich anscheinend sehr. Mach dir mit ner Tasse Tee nochmal klar, was du fühlst und was du willst. :coffee: Und mach dir klar, dass sowas nicht auf eine Weise geht, die du "elegant" findest.

2. Konfrontier ihn damit, dass dich das stört, dass du es mit Humor zu überspielen versucht hast, dass das anscheinend nicht funktioniert und dass du willst, dass er damit aufhört. Mach das nicht nebenbei. Mach einen Termin und sag, dass du was bereden möchtest. Das wird ihn vielleicht erstmal schockieren. Oder ärgern. Oder er wird sich angegriffen fühlen und es alles als den Scherz abtun, als den er er wahrscheinlich empfindet. (Sich angegriffen fühlen und in die Defensive gehen kann ein Zeichen sein, dass er sich erschreckt und schämt. Was gut ist.) Bleibe ruhig, lass ihn da durch gehen, bleibe standhaft: Scherz oder nicht ist egal. Du hast deine Grenzen, und die überschritten, und du möchtest das nicht mehr. Kann sein dass er nach der Ansage etwas Zeit braucht. Männer schalten nicht so schnell um.

3. Nach etwas Zeit die sich komisch anfühlt, wird es besser, und ih könnt hoffentlich wieder zusammen arbeiten. Und habt im Idealfall ein besseres, weil offeneres, ehrlicheres und respektvolleres Verhältnis als vorher.

Hoffe das hilft.
Promovieren in sechs Worten: "Ich quäle mich. Aber komme voran." -elbu
Rondo

Re: "Spannungen" und blöde (sexistische) Sprüche von Doktorv

Beitrag von Rondo »

Hallo l'art pour l'art,

Meggy und itsme haben schon das Meiste gesagt. Ich vermute er ist nicht in der Lage ist deine Grenzen zu erkennen. Viele (vorallem Männer) können die subtile Grenzen oft nicht erkennen. Als nächstes würde ich es ihm klar sagen, dass sein Verhalten dich stört und er es in Zukunft zu unterlassen hat. Am besten unemotional ohne es irgendwie durch weibliche Körpersignale abzuschwächen oder zu aggresiv/verletzt zu wirken. Du solltest auch konkret sagen welches Verhalten oder Spruch dich gestört hat. Eine generelle Aussage wie "sei weniger sexistisch" wirkt deutlich aggresiver als eine konkrete "Der Spruch 'das ich mich frei machen sollen' hat mich verletzt, und ich möchte dass Sie in Zukunft nur noch fachlich meinen Vortrag im Kollogium kritisieren".

viele Grüße
Rondo
lart_pour_lart

Re: "Spannungen" und blöde (sexistische) Sprüche von Doktorv

Beitrag von lart_pour_lart »

Hallo,

euch allen danke ich herzlich für eure sachlichen und ehrlichen Einschätzungen – genau das hatte ich mir erhofft, und nun habe ich einige konkreteren Handlungsoptionen (die mir vorher nicht so bewusst waren).

@ Meggy
Vielleicht rechnet er auch gar nicht damit, dass Dich das stört?
Ja, ich fürchte auch, dass es ihm vielleicht gar nicht bewusst ist, wie unangenehm mir das ist. Wenngleich ist eigentlich denke, dass es ihm klar sein müsste, da wir beide sehr feinfühlige Menschen sind und uns eben auch sehr gut und lange kennen. Artikuliert habe ich es jedoch >direkt< noch nicht, eher durch die Blume. Da sollte ich etwas konkreter werden.

@itsme: Vielen Dank für die offenen Worte.
"Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht nass" denken. Deine Aussagen sind sehr widersprüchlich, deswegen könnte es sein, dass du deine Grenzen auch nicht klar deutlich machst.
Nun, in dieser Hinsicht habe ich meine Grenzen schon mehrfach und mehr als deutlich artikuliert, allerdings nicht speziell auf sein Verhalten gemünzt. Hinzu kommt, dass ich generell sehr viele Scherze mache, aber nie in Bezug auf ihn oder unser Verhältnis. Ich habe auch schon überlegt, einfach mal aus dem Blauen heraus zu sagen, dass er sich "schon mal frei machen" solle. Wenngleich das natürlich immer die Gefahr birgt, dass es wirklich zu unverschämt werden könnte. Allerdings bin ich eher eine quid-pro-quo-Frau, sprich: Wenn andere meinen, mit mir so umgehen zu können, dann halte ich ganz gerne mal den Spiegel vor.
Belasten dich die Übergriffigkeiten ODER bist du der Auffassung, dass es sich um ein "nettes, freundschaftliches Verhältnis" handelt? Handelt es sich um einmalige Entgleisungen, die man nicht auf die Goldwaage legen möchte, oder siehst du ein systematisches Element, das die gesamte Arbeitsbeziehung vergiftet?
Nun, würde es sich um einmalige Entgleisungen handeln, dann würde es mich nicht so sehr stören. Allerdings ist es die Quantität dieser Vorkommnisse, die mich anwidern. "Mal" einen Scherz zu machen, ist die eine Sache – da bin ich die Letzte, die direkt pikiert reagiert. Aber gerade aufgrund der Häufungen betrachte ich das Ganze nicht mehr nur als Scherz. Systematisch ist es nicht, meiner Meinung nach, sondern eher ein Ausloten meiner Grenzen. Nur leider bin ich (s.o.) nicht in der Lage, darauf angemessen zu reagieren, ohne das Verhältnis zu zerstören. Mal sehen; eure Anregungen haben mir schon viel geholfen.
Wenn du scherzhaft oder nonverbal reagierst, woher soll der Betreuer wissen, dass hier deine Grenzen verletzt werden? In seiner Wahrnehmung macht er einen Scherz - und du reagierst darauf in seiner Wahrnehmung sogar adäquat, indem du zurück scherzst. Wo ist da der Unterschied zum (etwas tapsigen) "Flirten"? Inwiefern ist das das Verhalten einer selbstbewussten Frau, die ihre Grenzen deutlich macht?
Man kann ja auch viel "durch die Blume" verbalisieren. In anderen Punkten bin ich weitaus direkter, das stimmt schon, aber gerade in dieser Situation bin ich etwas hilflos – gerade weil sich die wissenschaftliche und freundschaftliche Beziehung überschneiden bzw. ineinander übergehen. So gut müsste er mich kennen, um zu merken, dass mir das missfällt. Aber Konjunktive helfen nichts – ich muss in der Tat (in dieser Hinsicht) direkter werden.
Das ist einem selbst gar nicht bewusst, aber schon den Tonfall zu kontrollieren und das Lachen wegzulassen, kann Wunder wirken.
Sicherlich ist da auch einige Koketterie im Spiel, aber bisher waren die jeweiligen Grenzen des anderen immer klar und wurden beiseitig auch respektiert. Diese 'Grenzüberschreitungen' sind ein recht neues Phänomen, bzw. treten erst auf, seit ich seine Doktorandin bin. Das macht mich stutzig. Ich bin mir meiner ausgesandten Signale sehr bewusst und reflektiere diese auch permanent, sodass mich die eingetretene Situation umso mehr wundert.

@flberger:
Auch für Deine Antwort danke ich Dir sehr; besonders spannend ist, dass Du das Ganze aus der gegenteiligen Position kennst.
Ambivalenz reduzieren
Absolut. Das werde ich nun verstärkt tun; vielleicht war es bisher nicht offensichtlich genug.
Wenn sich das ändern soll, musst du dein Verhalten und / oder deine Kommunikation ändern.
Du hast absolut recht.
art_pour_lart hat geschrieben:
Allerdings häufen sich die Sprüche, die ich nicht sehr witzig finde, aber immer mit Humor abschlage.

Warum tust du das? Mit Humor reagierten die meisten, wenn sie etwas witzig finden. Wenn sie etwas nicht (mehr) witzig finden, reagieren sie auch nicht mit Humor. Also hör auf damit. Werde ernst. Sage - meinetwegen freundlich - unmissverständlich, dass dich das stört und dass du möchtest, dass er damit aufhört. Dass du es nicht (mehr) witzig und auch nicht zum Lachen findest. Wäge nicht ab, wie du ankommst. Es ist dein Recht, deine Grenzen zu ziehen. Wenn dich jemand dabei doof und unlustig findet, ist das das Problem des anderen, nicht deines.
Wie gesagt haben wir ein sehr humorvolles Verhältnis zueinander, und ehrlichgesagt habe ich nicht viel Übung darin, mir unangenehmen Situationen ohne Humor das Feuer zu nehmen. Mit einem wohlplatzierten Scherz konnte ich bisher einige Unstimmigkeiten lösen, aber mittlerweile scheint das nicht mehr auszureichen. Ich kann mich nur wiederholen: Du hast absolut recht; ich muss ernst werden und ernst meinen Standpunkt vertreten. Das wird dann vermutlich umso stärker wirken.
Konfrontier ihn damit, dass dich das stört, dass du es mit Humor zu überspielen versucht hast, dass das anscheinend nicht funktioniert und dass du willst, dass er damit aufhört. Mach das nicht nebenbei. Mach einen Termin und sag, dass du was bereden möchtest. Das wird ihn vielleicht erstmal schockieren. Oder ärgern. Oder er wird sich angegriffen fühlen und es alles als den Scherz abtun, als den er er wahrscheinlich empfindet. (Sich angegriffen fühlen und in die Defensive gehen kann ein Zeichen sein, dass er sich erschreckt und schämt. Was gut ist.) Bleibe ruhig, lass ihn da durch gehen, bleibe standhaft: Scherz oder nicht ist egal. Du hast deine Grenzen, und die überschritten, und du möchtest das nicht mehr. Kann sein dass er nach der Ansage etwas Zeit braucht. Männer schalten nicht so schnell um.
Auch für diesen Rat danke ich Dir sehr. Ich werde die Situation nun weiter beobachten, beim nächsten 'Vorfall' klar verbalisieren, dass ich das nicht in Ordnung finde, und wenn dann keine Besserung eintritt, das gezielte Gespräch anberaumen.

@Rondo:
Ja, ich werde für den Fall (s.o.) nun klare Worte finden; mir diese, ganz unaufgeregt, im Vorfeld zurecht legen und dann im entsprechenden Fall sachlich mit ihm reden.


Ach, ich danke euch sehr für Eure Einschätzungen, Meinungen und Räte. Allein dadurch (und dadurch, dass ich meine Situation überhaupt einmal jemandem mitgeteilt habe) geht es mir schon viel besser, ich habe nun konkrete Handlungsoptionen und werde sehen, was die Zukunft bringt.

Viele Grüße
l'art pour l'art
Gesperrt
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