Doktorarbeit in Geschichtswissenschaften: Mit 32 zu alt?

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Luxis

Doktorarbeit in Geschichtswissenschaften: Mit 32 zu alt?

Beitrag von Luxis »

Hallo,

Ich bin 32 und habe frisch meinen Master in Geschichte gemacht. Da ich weiß das eine Promotion Voraussetzung ist in die Wissenschaft einzusteigen, will ich diese in Angriff nehmen.
Jetzt wurde mit Seitens einer Personalreferentin eines Archivs freundlich mitgeteilt , ich solle mich überhaupt nicht bemühen da ich mir das aus dem Kopf schlagen könnte mit ca. 35 einen Job in den klassischen Wunschbereichen der Geschichtswissenschaft zu bekommen.
Ich war kein Bummelstudent sondern habe eine Ausbildung gemacht in der IT und ein par Jahre Berufspraxis. Das Studium habe ich sehr erfolgreich in Regelstudienzeit abgeschlossen.
Auch wusste ich immer das ich nie zu den jüngsten Absolventen gehören werde, aber bin ich wirklich mit 35 zu alt?!
Ich bin doch kein Profisportler!
Zuletzt geändert von Sebastian am 19.09.2015, 15:43, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Betreff für die SuMa etwas sprechender gefasst
Traudel
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Re: Ratlos!

Beitrag von Traudel »

Lieber Luxis,

lass Dich nicht verunsichern! Nö, mit 35 biste natürlich nicht zu alt für die Wissenschaft. Naja, ich möchte aber lieber schreiben: Mit 35 WÄRST Du nicht zu alt für die Wissenschaft. Denn weniger Dein Alter als vielmehr Dein ggf. unbedarftes(?) Herangehen halte ich für ein bisserl problematisch:

1). Du kannst (eigentlich) nicht davon ausgehen, in 3 Jahren Deine Promotion abgeschlossen zu haben! In den Geschichtswissenschaften äußerst unwahrscheinlich... mit Betreuersuche, Quellenarbeit, schreiben, schreiben, schreiben + Begutachtungszeit, Disputation, Veröffentlichung (kalkuliere lieber 4-5 Jahre, Minimum)

2). Hast Du schon Thema, Betreuer, Exposé?

3). Hast Du die Finanzierung gesichert?

4). Hast Du im Idealfall eine wiss. MA-Stelle in Aussicht, um den Fuß in der Wissenschaftstür zu haben? Denn die FB-Referentin hat jetzt nicht sooooooooooo unrecht, wenn sie den Einstieg in die Wissenschaft mit 35 (37/38) als problematisch darstellt, solltest Du tatsächlich als "Frischling"/ Quereinsteiger hineinwollen, ohne vorab zumindest eine WHK-Stelle bekleidet zu haben.

Bitte verstehe meinen Beitrag lediglich als Anregung, als wohl gemeinten Denkanstoß! :blume:
Denn: Ja natürlich sollst Du ein Promotionsprojekt beginnen und durchziehen, wenn es Deinem beruflichen wie persönlichen Interesse entspricht. Nur wenn Du hier im Forum nach Meinungen fragst, möchte ich Dir von meinen Erfahrungen berichten, dass alles viel länger dauern, viel nervenzehrender und viel belastender sein kann, als zuvor ausgemalt.

Viel Erfolg und berichte uns von Deiner Entscheidung!
LG Traudel
Luxis

Re: Ratlos!

Beitrag von Luxis »

Hallo,

ja mein Post liest sich recht infantil ich weiß, aber das Ereignis hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. Es ist ja nicht so als wüsste ich schon die ganze Zeit das ich zu den älteren Semestern gehöre. Das war auch immer ein Motivationsmotor das Studium schnell abzuschließen, mich reinzuhängen, viele Praktika zu machen und mir Hilfskraftjobs zu suchen.
Ein Exposé sowie Thema habe ich bereits, einen Betreuer noch nicht. Aber meine Anfragen/Bewerbungen sind bereits auf dem Weg im Inland sowie auch ins Ausland. Die Finanzierung ist gesichert.
Ich weiß das die Referentin nicht ganz so falsch liegt, aber ehrlich gesagt wurde mir das noch nie so nüchtern in solch einer Deutlichkeit gesagt, es war auch weder wertend noch herablassend formuliert, sie war sogar ziemlich höflich. Hätte sie nur die Uni Karriere ausgeschlossen, wäre das auch gar nicht so das Problem gewesen, nein sie hat jeden Bereich (Museum, Stiftung und Archiv) ausgeschlossen.
Und nun bin ich in einer Sinnkrise, ob es überhaupt noch so Sinn macht sich die Arbeit zu machen, wenn meine Chancen von vornherein bei Null sind.
itsme

Re: Ratlos!

Beitrag von itsme »

Luxis hat geschrieben: Jetzt wurde mit Seitens einer Personalreferentin eines Archivs freundlich mitgeteilt , ich solle mich überhaupt nicht bemühen da ich mir das aus dem Kopf schlagen könnte mit ca. 35 einen Job in den klassischen Wunschbereichen der Geschichtswissenschaft zu bekommen.
Ich war kein Bummelstudent sondern habe eine Ausbildung gemacht in der IT und ein par Jahre Berufspraxis. Das Studium habe ich sehr erfolgreich in Regelstudienzeit abgeschlossen.
Auch wusste ich immer das ich nie zu den jüngsten Absolventen gehören werde, aber bin ich wirklich mit 35 zu alt?!
Ich bin doch kein Profisportler!
Ich könnte mir vorstellen, dass die Aussage der Referentin sich vielleicht auch ein bisschen daraus speist, dass man es tatsächlich eher selten sieht. Das liegt aber nicht daran, dass es nicht möglich ist, sondern an den Besonderheiten der Wissenschaft als Arbeitsgebiet: Bis Mitte 30, also etwa die ersten zehn Jahre nach Studium, ist die Arbeitsplatzunsicherheit sehr groß, deswegen gibt es vermutlich nur wenige, die - wenn sie ihr Studium nach 30 abgeschlossen haben - noch willens sind, weitere zehn Jahre Arbeitsplatzunsicherheit in Kauf zu nehmen. Die Dame hat damit einfach eine falsche Schlußfolgerung gezogen: Dass sie keine Fälle kennt, liegt nicht daran, dass die Arbeitgeber nicht wollen, sondern daran, dass die Arbeitnehmer andere Prioritäten setzen.

Vielleicht ist es auch eine gewisse Ernüchterung: Eigentlich sollte man erwarten können, dass einem die Kombi Ausbildung und Studium Vorteile bringt, statt dass man auf die gleiche Startposition wie die anderen (jüngeren) Absolventen im Studiengang zurück geworfen wird. Dass einem ein auf eine Ausbildung aufgesatteltes Studium mehr Optionen eröffnet, ist vermutlich nur dann der Fall, wenn beides in eine Richtung weist (z.B. Banklehre und Finanzwirtschaft-Studium). Die Geisteswissenschaften sind sowieso ein Arbeitsfeld, in dem erst schwer fällt, nach dem Studium Fuß zu fassen, weswegen aus Sicht der Personalverantwortlichen der Studienerfolg (vielleicht) eher zweitrangig ist und wichtiger sind praktische Erfahrungen und Schwerpunktsetzungen im Studium.

Das Alter kann ein Nachteil sein, z.B. weil einzelne Förderprogramme Altersgrenzen haben. Aber so weit ich weiß, hat die Hans-Böckler-Stiftung extra ein Stipendium für angehende Promovenden mit Berufserfahrung. Wenn du also willens bist, noch einige Zeit auf finanzielle und perspektivische Sicherheit zu verzichten und die gleichen Unwägbarkeiten auszuhalten, mit denen "frische" Absolventen konfrontiert sind, wäre das eine Möglichkeit den Nachteil "Alter" in einen Vorteil (praktische Berufserfahrung) umzuwandeln.
Eva
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Re: Ratlos!

Beitrag von Eva »

@Luxis: Da für dich die Promotion vor allem Mittel zum Zweck ist (Einstieg in ein klassisches Historiker-Berufsfeld), würde ich dir raten, dich prioritär jetzt schon um den Einstieg in einer entsprechenden Institution zu bemühen und die Diss von vornherein nebenbei zu machen. Das würde ich dir auch raten, wenn du einige Jahre jünger wärst, in deinem Fall aber umso mehr. Um in diesen Bereichen Fuß zu fassen, brauchst du nach meiner Erfahrung vor allem Vorerfahrung, Kontakte, Arbeitspraxis, die Diss/der Titel wird erwartet, reicht alleine aber bei weitem nicht aus. Du schreibst, du hast Praktika gemacht - in den Bereichen, in die du willst? Hast du eine Präferenz, ob Archiv, Museum, Bibliothek? Es ist ja auch nicht so, dass du dir das bis zuletzt offen halten kannst, die entsprechenden Stellen sind rar und begehrt, da gewinnen wie so oft diejenigen, die sich und ihren Lebenslauf schon länger auf den jeweiligen Bereich ausgerichtet haben.

Alter an sich: Ich bin auch etwas skeptisch. :? Ich war selbst keine von denen, die mit 25 promoviert waren (tatsächlich: erst Ausbildung, dann Studium, mit 28 den Abschluss gemacht und direkt mit der Promotion begonnen, die ich dann mit 35 abgeschlossen habe), hatte aber das Glück, noch relativ spät, mit 33, über einen WissHK-Job in einen der von dir angepeilten Bereiche reinzurutschen, woraus sich dann nach der Diss eine Anschlussanstellung ergeben hat. Jetzt bist du noch mal ein paar Jährchen später dran... Das kann alles immer noch möglich sein, aber wahrscheinlicher und leichter wird es leider nicht.

Eine andere Idee: Da du die derzeit sehr gefragte Kombination aus IT-Kenntnissen und einem geisteswissenschaftlichen Studium mitbringst (Stichwort Digital Humanities), würde ich versuchen, in dieser Richtung nach Jobs zu suchen, sei es, um das neben der Diss zu machen, sei es, um dort direkt einen Einstieg zu schaffen (und dir die Diss dann ganz zu sparen). Oder schließt du das für dich aus?

Welche Finanzierung hast du denn für die Diss? Schlag dir unbedingt aus dem Kopf, sie ohne jede Anbindung an spätere Berufsfelder zu schreiben!, auch wenn du das Geld aus so einem Job (den du auch erstmal finden musst) evtl. nicht brauchst.
Luxis

Re: Ratlos!

Beitrag von Luxis »

Hallo Eva,

die meisten Praktika die ich hatte waren im Museum/Archiv, also ja in den Bereichen in welchen ich später Arbeit finden will (wobei hier natürlich das Museum gewinnt). Nun die Finanzierung kommt aus eigener Tasche, ich arbeite bis jetzt nebenher recht erfolgreich in meinem alten Beruf.
Aber natürlich ist mir klar das ich eine Stelle brauche die etwas mit meinem späteren Berufswunsch zu tun hat, ich suche so eine derzeit auch.
Ich könnte mir auch einen Job vorstellen im Bereich der Digital Humanities, irgendwie sprießen ja auch Bereiche wie Archaeoinformatik aus dem Boden in letzter Zeit.
Amalia

Re: Ratlos!

Beitrag von Amalia »

Bei den klassischen Karrierewegen wird es tatsächlich eng mit dem Alter; vor allem wenn noch eine Verbeamtung wie beispielsweise beim Archiv ins Spiel kommt. (Hast Du mal die Altersgrenzen für die Archiv-Referendariatsplätze der einzelnen Bundesländer recherchiert?)

Bei deinem Profil (Ausbildung im IT-Bereich, Berufserfahrung (!) und eine Promotion in Geschichte) sehe ich aber große Chancen als Quereinsteiger. Es gibt so viele Projekte an der Schnittstelle, die daran scheitern, dass die eine Seite die andere nicht versteht. Hier werden Leute, die beides können, wirklich gesucht.
So einen Quereinstieg solltest Du bereits jetzt gut vorbereiten, in dem Du neben der Promotion mit einem qualifizierte Nebenjobs und / oder Werkaufträgen Dein Profil weiter schärfst und vorallem die entsprechenden Kontakte und Netzwerke knüpfst.

Lass Dich nicht beirren, aber informiere Dich auch gut!
Alles Gute!
A.
Luxis

Re: Doktorarbeit in Geschichtswissenschaften: Mit 32 zu alt?

Beitrag von Luxis »

Das ich mit meinem Informatikwissen punkten kann ist mir schon bei meinen Praktika aufgefallen. Ich hatte schon die Ehre für diverse große Häuser zu arbeiten, Praktika sind aber eigentlich auch nicht die Schwierigkeit.
Ich habe mich schon bei den Archiven informiert und da bekommt man seltsame Antworten. So sagte man mir in NRW das es keine Altersgrenze beim Ref gibt auch das die Grenzen mehr und mehr aufgehoben werden . Aber wer weiß schon ob in 3-4 Jahren überhaupt noch Leute verbeamtet werden?
Ich denke ich wage es, sonst werde ich mir ewig vorwerfen es nicht versucht zu haben ? Manchmal verfluch ich meine Liebe und Leidenschaft zum Fach! ;)
Eure Posts haben mir sehr geholfen ! Vielen Dank
itsme

Re: Doktorarbeit in Geschichtswissenschaften: Mit 32 zu alt?

Beitrag von itsme »

Luxis hat geschrieben: Manchmal verfluch ich meine Liebe und Leidenschaft zum Fach! ;)
Neeee, denn überleg' mal: Hättest du das Studium durchgehalten, wenn du nicht für's Fach brennen würdest? Siehste. Wenn man sich für's Thema interessiert, ist man zwar verletzlicher, gleichzeitig hilft es aber auch, Frust besser durchzustehen. Besser das, als sein ganzes Leben lang "Good Will Hunting" nachzuspielen und immer zu hoffen, dass mal Robin Williams auftaucht.
Gesperrt
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