Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga?

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fast_fertig

Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga?

Beitrag von fast_fertig »

Hi ihr Lieben,

bisher habe ich still und leise hier mitgelesen. Vielleicht könnt ihr mir aber jetzt bei einem Problem helfen? Ich bin in der Schlußphase meiner Doktorarbeit und muss eigentlich nur noch schreiben. Ich promoviere in den Naturwissenschaften und kriege ein Stipendium über meinen Doktorvater.

Ich bin nahezu fertig mit meiner Laborarbeit und so gut wie mit der Auswertung. Es geht immer mehr ans Schreiben. Da liegt das Problem. Ich weiß nicht wo und wie :?
Zwar habe ich einen Arbeitsplatz mit Rechner im Labor, bloß ist dieses das sogenannte Hauptlabor, wo sämtliche wichtigen Gerätschaften stehen, alle möglichen Dinge ankommen, alle Telefonate zunächst eingehen, etc. Ständig wuseln Leute hinter mir rum oder fragen mich auf einmal, wie ich denn diese tolle Grafik hingekriegt habe oder ob ich weiß, wie man das Gerät benutzt. Es ist relativ viel Durchgangsverkehr, insbesondere vormittags bis in den frühen Nachmittag. Als ich selbst noch hauptsächlich im Labor gearbeitet habe und meine Auswertungen gemacht habe, hat mich das nicht so gestört. Jetzt aber, wo das Schreiben langsam wichtiger wird, merke ich, dass ich mich da nicht konzentrieren kann und mehr rumeiere und auch die Lust verliere, etwas zu schreiben.
Früher habe ich auch ein paar Laborsachen von den anderen Doktoranden oder TAs mit übernommen (irgendwas runterzentrifugieren, pipettieren etc) oder irgendwelchen Organisationskram für den Chef. Es war zwar immer ein Geben und Nehmen, ich finde diese Gefälligkeitsleistung mittlerweile nur noch lästig, da mich dadurch noch weniger auf das Schreiben konzentrieren kann. In meiner Hauptlaborphase habe ich das noch eingesehen und auch gerne macht, aber jetzt?

Was mich auch ärgert ist, dass die anderen Doktoranden einen Vertrag und dadurch "Anspruch" auf einen ruhigeren Arbeitsplatz haben. Die sitzen alle in einem weiter entfernten Labor, was mittlerweile mehr ein Schreibraum geworden ist und die hauptsächlichen (und etwas lauteren Arbeiten in "meinem" Labor passieren. Die Postdocs haben alle ohnehin Anspruch auf einen Büro.

Nun habe ich richtig Ärger bekommen, weil ich teilweise nicht im Labor war. Ich habe es zwar mitgeteilt, aber anscheinend wurde es vergessen. Es sollte eine Lieferung kommen, die dann bei einer anderen Arbeitsgruppe angekommen ist.... Es hieß daraufhin, dass ich mich mit den TAs und ggf. mit den anderen Doktoranden absprechen soll. Es muss immer jemand da sein im Hauptlabor. Mittlerweile denke ich mir, warum ich?

Mein Chef ist deswegen auch sauer. Ich soll dankbar über einen Arbeitsplatz sein, da ich als Stipendiatin darauf gar keinen Anspruch habe. Er versteht nicht, dass ich dort kaum zum Schreiben komme. Er meint, das kann ich ja abends machen wie die anderen. Mein Einwurf, dass ich ein Stipendium erhalte um wenn nötig, die gesamte Zeit daran schreiben zu dürfen, versteht er nicht. Er bezahlt mich ja.
Ein anderes Beispiel: Wenn wir einen Termin ausgemacht haben, dann nimmt er ihn nicht war, verschiebt ihn auf einen anderen Tag. Entweder der Termin fällt wieder aus oder ich darf eine Stunde warten bzw werde während des Termins rausgeschickt, damit er in Ruhe noch ein Telefonat erledigen kann. Ich habe einmal 2 Stunden damit verbracht entweder in seinem Büro oder davor auf ihn zu warten um dann 15 Minuten sprechen zu dürfen. Danach bin ich so genervt, weil ich Zeit verloren habe. Am Besten ist dann, wenn ich wieder ins Labor zurück gehe und dort Studenten antreffen, die mal nicht mit einem Gerät umgehen können :shock:

Mein Stipendium läuft in 4 Monaten ab. Ich könnte noch einmal einen Antrag stellen für ein halbes Jahr Verlängerung, bin mir aber nicht sicher, ob ich das noch will. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich einfach zu empfindlich bin und einfach dort immer rumhängen soll ich Labor und den Schreibkram auf späten Nachmittag/Abend oder WE legen soll, oder ob ich doch darauf bestehen soll, den gesamten Tag schreiben zu dürfen. Manchmal überlege ich, das Stipendium zu schmeißen und mir einen Job zu suchen.

Vielleicht weiß jemand Rat?
fast_fertig

Re: Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga

Beitrag von fast_fertig »

Kann man denn keine Beiträge editieren? Finde gerade ein paar Fehler :oops:
itsme

Re: Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga

Beitrag von itsme »

fast_fertig hat geschrieben:
Vielleicht weiß jemand Rat?
Ja.
Manchmal überlege ich, das Stipendium zu schmeißen und mir einen Job zu suchen.
AUF GAR KEINEN FALL!!! :mrgreen:

Ich kann deinen Frust verstehen: Nach einem Studium und gerade nachdem man schon mehrere Jahre in einem bestimmten Arbeitskontext gearbeitet hat, möchte man sich gerne als wertgeschätztes Mitglied des Teams betrachten, das auf Entgegenkommen und Rücksicht bauen kann, wenn es notwendig ist (s. z.B. dein vollkommen gerechtfertigter und verständlicher Wunsch nach einem ruhigen Arbeitsplatz). Gerade in der Promotion wird man durch die Vermischung von Arbeits- und Ausbildungsverhältnis aber immer wieder zurückgeworfen, als wollte einem "das System" klar machen, dass man bitte kleine Brötchen backen soll. Das ist zum K***en und gerade wenn man dann noch in so einer Stresssituation wie der Abschlussphase einer Diss ist, dann kocht alles schnell hoch. Aber wenn du alle Emotionen abziehst (und das unangenehme guilt-tripping, das dein DV da mit dir abzieht, geflissentlich ignorierst): Was kann dir passieren? Möchtest du Post-Doc an deinem jetzigen Institut bleiben und musst deswegen in den sauern Apfel beißen? Kann dein DV in den letzten vier Monaten dein Stipendium canceln? Kannst du - wegen irgendwelcher obskurer Vertragsbedingungen - dafür haftbar gemacht werden, wenn ein Paket erst mal einen Umweg über ein anderes Institut macht? Nein, nein, nein? Dann: So F***ing What? Arbeite da, wo du arbeiten kannst. Wenn dein DV dich zu Arbeiten zwingen will, weil er (... öhem ... aus seiner Privatschatulle???) dein Stip finanziert, dann entgegne, dass sich für dich daraus die Verantwortung ergibt, deine Diss zügig abzuschließen. Wenn es sich um ein Stipendium handelt, dann steht am Ende ja kein Arbeitszeugnis im eigentlichen Sinn, sondern vor allem die Frage, ob das Stipendium zum gewünschten Erfolg, nämlich der Promotion geführt hat - und nur dafür trägst du Verantwortung. Du bist also nicht zu empfindlich, kannst aber trotzdem härter werden.

Zu der Sache mit dem Warten vor seinem Büro: Das ist böärgh - aber wahrscheinlich hat er einfach einen kleinen Schniepi und kompensiert das durch Psychospielchen. Es wäre wahrscheinlich allen geholfen, wenn er sich ein großes Auto zulegt, aber das wäre ja zu einfach. Deswegen einfach ignorieren - für die letzten Monate lohnt es sich nicht mehr, da ein Fass aufzumachen.

Alles Gute! :blume:
fast_fertig

Re: Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga

Beitrag von fast_fertig »

Danke für die lieben Worte! :)

Ich kann mir nicht vorstellen in der Wissenschaft zu bleiben. Ich wollte nur eine Verlängerung um in Ruhe fertig zu schreiben. Eigentlich war ich schon enttäusch als ich nur eine Verlängerung des Stipendiums gekriegt habe. Hätte lieber einen Vertrag gehabt. im Moment nervt mich da alles und jeder. Das einzige, was tröstend ist, dass mein Chef jeden gerne warten lässt. :lol:
itsme

Re: Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga

Beitrag von itsme »

fast_fertig hat geschrieben: Ich wollte nur eine Verlängerung um in Ruhe fertig zu schreiben. Eigentlich war ich schon enttäusch als ich nur eine Verlängerung des Stipendiums gekriegt habe. Hätte lieber einen Vertrag gehabt.
Verstehe ich. Ich glaube, der Verstand (der bei Doktoranden ja besonders geschult ist), ist einfach nicht in der Lage zwei so widersprüchliche Informationen zu verarbeiten. Auf der einen Seite hat man erfolgreich ein Studium absolviert, war wahrscheinlich unter den Besseren der Kohorte, ist tief in einem komplexen Thema drin. Auf der anderen Seite hat man noch nicht mal zu den Zugang zu so selbstverständlichen arbeitsrechtlichen "Goodies" wie Sozialversicherungsbeiträgen. Wozu also die ganze Ausbildungsinvestition, wenn es nicht zu mehr Arbeitsplatzsicherheit oder einer auskömmlichen Entlohnung als Ausdruck von Wertschätzung führt? Dieses Paradox aufzulösen, ohne das eigene Selbstwertgefühl zu gefährden ("Das muss daran liegen, dass ich es nicht anders verdiene.") ist eine kognitiv sehr schwierige Aufgabe, die man gerade dann erbringen muss, wenn man seine mentalen Ressourcen lieber woanders (wissenschaftliche Arbeit!) einsetzen will. Lass es nicht an dich ran - es ist nur ein Schritt auf dem Weg zu einem attraktiven Arbeitsplatz bzw. zu dem Arbeitsplatz, den du verdienst. Dann sind die Erfahrungen jetzt nur noch blasse Erinnerungen.

Wegen der Verlängerung nach den vier Monaten: Warum machst du nicht beides? Du grenzt dich in den letzten vier Monaten klar ab, schreibst konzentriert zu Ende - und beantragst dann die Verlängerung auf Basis dessen, was du in den vier Monaten erreicht hast. Kann gut gehen, muss es nicht (kleiner Schniepi, du weisst schon), aber das ist das, was du tun kannst. Dein Chef wird die Verlängerung wahrscheinlich befürworten müssen, aber es ist für ihn schwieriger, seine Ablehnung plausibel zu begründen (und aufrecht zu erhalten), wenn du in den vier Monaten was voran gebracht hast. Wenn er die befürwortende Stellungnahme verweigert, dann hast du wenigstens die vier Monate gut genutzt.
marowe

Re: Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga

Beitrag von marowe »

Ich war in einer ähnlichen Situation. Du musst bedenken, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Die haben sich einfache alle daran gewöhnt, dass Du immer da bist und irgendwelchen Kleinkram machst. Die müssen sich an die neue Situation gewöhnen und andere Wege finden ihren Alltagskram zu erledigen.

Nachdem mein Stipendium ausgelaufen war und ich keine Verlängerung gekriegt habe und leider auch noch nicht fertig war, haben die anderen mich ernsthaft nachdem ich offziel nicht mehr dabei war, angerufen und gefragt, ob ich Samstag ein paar Proben aufarbeiten könnte. Ich habe freundlich abgesagt. Irgendwann ist auch mal gut.

Einfach weiter schreiben. Bald bist du fertig und wirst darüber lachen können.
fast_fertig

Re: Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga

Beitrag von fast_fertig »

An den Gewöhnungseffekt habe ich zunächst gar nicht gedacht. :D
Natürlich möchte ich jetzt soweit kommen, dass ich in 4 Monaten das Gröbste und am Besten auch das Feinste fertig gebracht habe. Dieser Stipendiatenstatus soll ja nicht auf ewig dauern, irgendwann möchte ich auch die Arbeitnehmer-Goodies haben.

Ich muss wahrscheinlich mich noch mehr abgrenzen. Gerade hat mein Chef mir eine Email geschrieben, wo ich den wäre... Er kann mich nicht erreichen und wir müssen jetzt irgendwas wegen irgendeines Symposiums besprechen. Meine Antwort, dass ich doch gerade in der Bücherei arbeite, ließ er nicht so richtig gelten. Ich soll gegen 18Uhr doch mal bei ihm aufkreuzen. :oops: :shock: Das ist zunächst einmal nicht so schlimm, um die Uhrzeit wollte ich eigentlich eh Feierabend machen.

Eigentlich dachte ich ja mit Stipendium hat man mehr Narrenfreiheit :roll:
itsme

Re: Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga

Beitrag von itsme »

marowe hat geschrieben: Nachdem mein Stipendium ausgelaufen war und ich keine Verlängerung gekriegt habe und leider auch noch nicht fertig war, haben die anderen mich ernsthaft nachdem ich offziel nicht mehr dabei war, angerufen und gefragt, ob ich Samstag ein paar Proben aufarbeiten könnte.
:shock:

@fast-fertig: Vielleicht könnte es dir helfen, deinen DV für dich selbst nicht mehr "Chef" zu nennen. Der ist dir gegenüber eigentlich gar nicht weisungsbefugt und darf dich gar nicht zu bestimmten Aufgaben abseits der Diss verpflichten. Das bringt zwar nichts, wenn er sich da einfach dreist drüber hinweg setzt, aber für dich könnte es was bringen, als Hilfe zur Abgrenzung.
fast_fertig

Re: Schlußphase: wie richtig abgrenzen oder nur falsche Orga

Beitrag von fast_fertig »

itsme hat geschrieben:
marowe hat geschrieben: Nachdem mein Stipendium ausgelaufen war und ich keine Verlängerung gekriegt habe und leider auch noch nicht fertig war, haben die anderen mich ernsthaft nachdem ich offziel nicht mehr dabei war, angerufen und gefragt, ob ich Samstag ein paar Proben aufarbeiten könnte.
:shock:

@fast-fertig: Vielleicht könnte es dir helfen, deinen DV für dich selbst nicht mehr "Chef" zu nennen. Der ist dir gegenüber eigentlich gar nicht weisungsbefugt und darf dich gar nicht zu bestimmten Aufgaben abseits der Diss verpflichten. Das bringt zwar nichts, wenn er sich da einfach dreist drüber hinweg setzt, aber für dich könnte es was bringen, als Hilfe zur Abgrenzung.
Bei uns ist sowas ähnliches, wie marowe beschrieben hat, auch üblich. Es wird auch stillschweigend verlangt, dass Du als Stipendiat ab und zu mehr machst. Damit ist man natürlich in einer Grauzone, da man ja nicht angestellt ist, aber trotzdem noch vom Doktorvater abhängig bist. Man hat ja auch die Hoffnung, dass man einen Vertrag kriegt und will auch im Team nicht als schwarzes Schaf angesehen werden.

Ich denke mir immer, mein Doktorvater ist schon eine Autoritätsperson und was anderes als "Chef" fällt mir nicht dazu ein, aber vielleicht sollte ich meine Einstellung dazu wirklich überdenken. Ich muss ja fertig werden, er ist es ja schon längst.
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