Durchziehen, aber für welchen Preis?

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susi

Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von susi »

Hallo zusammen,

ich bin neu hier angemeldet weil ich dringen Meinungen anderer benötige. Wahrscheinlich ist dies der x-te Eintrag zum Thema "soll ich aufhören oder nicht" aber jeder hat da ja so seine eigenen Problme........
Also ich promoviere seit einem Jahr und 2 Monaten. Ich bin sogar darmals exta für die Stelle in eine andere Stadt gezogen.
Ich habe 2 Probleme: 1. meine Projekte laufen absolut garnicht 2. ich habe kurz vor meinem Umzug jemanden kennengelernt und wir führen seit dem eine Fernbeziehung,
zu 1. mit garnicht, meine ich auch wirklich so garnicht. 0% ich habe absolut keine Daten und noch kein einzigen richtiges Experiment gemacht. Meine Projekte sind alle in vivo und stützen sich auf ein bestimmtes Mausmodel. Zunächst waren keine Tiere da, dann keine Anträge und jetzt haben wir quasi ein "Versuchsverbot". Bei letzterem sind wir wengistens dabei es zu lösen aber wann das eintritt weiß auch keiner. Ich habe ein weiteres Projekt bekommen, da meine ja nicht laufen, das läuft so lala, ich hab die üblichen methodischen Probleme aber darüber beschwere ich mich garnicht. Angeblich sollen jetzt auch meine Hauptprojekte bald starten, aber ganz ehrlich ich sehe da so einige Probleme und ehrlich werden mein Prof und co auch nicht zu mir sein. Die Projekte sind weder durchdacht noch geplant. Dazu kommt, dass ich mit dem Team und insbesondere der Postdoc die mich betreut überhaupt nicht klarkomme. Sie vertraut mir kein Stück und lässt mich nichts selber machen/entscheiden.
zu 2. Mein Freund überstützt mich egal welche Entscheidung ich treffe. Aber es ist auch klar das er seine Heimatstadt nie verlassen wird. So muss ich also früher oder später zurück, wenn ich mit ihm zusammen sein will. Ich fand diese festgefahrene Meinung anfangs auch ziemlich egoistisch, aber mittlerweile verstehe ich ihn. Warum sollte man sein gewohntes Umfeld aufgeben wenn man das "perfekte" gefunden hat?!

Eigentlich liegen die Fakten ganz klar auf der Hand. Endweder abbrechen und zum Freund gehen, oder es durchziehen. Problem am durchziehen ist, dass ich die Situation so wie sie ist nicht mehr lange durchhalte. Ich bin wirklich mit meinen Kräften am Ende. Das ist nicht einfach nur eine schlechte Phase. Natürlich kann (und werde) ich bei meinem Prof auf den Tisch hauen, mich über die Situation und das Verhalten der Postdoc beschweren. Inwiefern das was bring bleibt fraglich. Darüber hinaus muss ich ganz ehrlich sagen das mir noch nie so inkompetente und unfähige Wissenschaftler begegnet sind. Und das ist etwas was ich nicht ändern kann.
Das Risiko zurück zu gehen ist natürlich auch hoch. Ich würde mir natürlich vorher etwas neues suchen, aber ob die Stell besser ist weiß auch keiner und ob die Beziehung hält ist natürlich auch nicht sicher. Zudem hätte ich ja auch 1 1/2 Jahre verloren.
Ich habe auch das Gefühl, dass ich einfach nicht abbrechen KANN. Weil es nicht meine Art ist aufzugeben, ich will das es funktioniert. Aber ich habe auch Angst den Absprung nicht zu schaffen um am Ende wirklich in Depressionen o.ä. zu enden.
flip
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Re: Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von flip »

Hmm, schwierige Situation. Aber: Was bei deinem Beitrag fehlt, ist dein Ziel. Warum bist du überhaupt in die Promotion eingestiegen?
Ich lese Mäuse, also denke ich, dass du Biologin bist. Du weiß, wie es dort auschaut. Du hast einen Freund, der sein Umfeld nicht verlassen kann, keine direkt Verankerung in der neuen Stadt(?).
Wenn du abbrechen würdest, was genau würdest du dann aufgeben?

Überlege, was dir die Promotion bringt. Ist es dir mit deinem Freund ernst, das heißt, möchtest du zu ihm später ziehen und dann in der Stadt auf Jobsuche gehen. Ist die jetzige Phase dafür vielleicht hinderlich oder ist es sogar besser, schon jetzt die Augen offen zu halten.
itsme

Re: Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von itsme »

susi hat geschrieben: Eigentlich liegen die Fakten ganz klar auf der Hand. Endweder abbrechen und zum Freund gehen, oder es durchziehen. Problem am durchziehen ist, dass ich die Situation so wie sie ist nicht mehr lange durchhalte. Ich bin wirklich mit meinen Kräften am Ende. Das ist nicht einfach nur eine schlechte Phase.
Das, was du da beschreibst, ist die subjektive Überzeugung, eingeengt zu sein. Quasi die Wahl zwischen Pest und Cholera und beide Varianten sind mit hohen persönlichen Kosten verbunden. Bevor du irgendetwas entscheidest: Wie wäre es denn, wenn du die analytischen Fähigkeiten einer Wissenschaftlerin auf dein Entscheidungsproblem anwendest und die Frage erst mal strukturierst. Vielleicht merkst du dann, dass es sich eben nicht um ein "Entweder ... oder ... ?" mit nur zwei Alternativen handelt. Wenn dein Herz nicht bei deinem Job ist, dann macht es doch keinen Sinn, die Sache "open end" durchzuziehen: Die Perspektive ist einfach zu deprimierend. Also, warum dann nicht erst mal aktiv nach Stellen zu Hause umschauen? Vielleicht tut sich ja eine Job-Gelegenheit auf, die attraktiv und herausfordernd ist - dann fällt der Abschied vom Lehrstuhl und ggf. von der Diss nicht so schwer. Du hast den Vorteil, beschäftigt zu sein - du kannst die Jobsuche also relaxt angehen und dir verschiedene Möglichkeiten erst mal angucken. Wenn sich nichts "auftut", wie kann man die derzeitige Situation dann vielleicht "lebensqualitätsförderlicher" gestalten? Eine Möglichkeit besteht darin, gezielt das "Bestehen in einem definierten Zeitrahmen" als Priorität anzustreben und dafür dann auch eine schlechte(re) Bewertung in Kauf zu nehmen. Dann kannst du dich daran festhalten, dass es sich nur noch um drei, zwei, ein Jahr handelt. In dem Zeitraum kannst du vielleicht teilweise deinen Arbeitsort verlegen und in der Heimatstadt deines Freundes arbeiten. Jedenfalls gibt es mehr Optionen, die belastende Situation aufzulösen, als du denkst. Alles Gute! :blume:
susi

Re: Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von susi »

Guten morgen :),

vielen Dank für euere Antworten.
Mein Ziel ist es zu promovieren. d.h. selbst wenn ich hier abbreche würde/müsste ich mir eine neue Promotionsstelle suchen. Als Biologe (da liegst du richtig flip ;)) ist es ja nahezu unmöglich ohne Promotion zu arbeiten, es sei denn man wird Pharmareferent und das kann ich mir so garnicht vorstellen. Davon abgesehen ist es schon länger mein Ziel zu promovieren und ich bin auch motiviert dazu und habe eigentlich auch Spaß daran. Ich zweifel also nicht an der Promotion, sondern nur an der Stelle hier und meinen Lebensumständen.
Genau, ich habe keine feste Verankerung in der Stadt und ich halte es auch für nahezu unmöglich eine aufzubauen, wenn man in einer Wochenendbeziehung lebt. Im Endeffekt habe ich Mo-Do und da bin ich mit Arbeiten/Sport und den alltäglichen Dingen im Haushalt etc. beschäftigt, da bleibt keine Zeit ein sozialen Umfeld aufzubauen. Natülich könnte ich auch mal ein Wochenende auf meinen Partner verzichten, aber das möchte ich nicht.
Das einzige was ich aufgeben würde wenn ich hier abbreche ist die bestehende Doktorarbeit und vielleicht die Erlebnisse die eine neue Stadt so mit sich bringen.
So richtig "open end" ist diese Promotion hier nicht. Ich bin in einem PhD-Programm (was ich ehrlich gesagt auch alles andere als gut finde), wodurch die Leute hier schon in 3, max. 4 Jahren fertig werden und auch alle ihre 2 Publikationen bekommen. Aber ich halte die Situation kein 2 Jahre oder länger mehr aus. Meinen Arbeitsort kann ich leider nicht in meine Heimatstadt verlegen, auch nicht teilweise. Mein Prof besteht auf Anwesenheit, selbst wenn man nur noch schreibt.
Ihr habt recht, am logischsten ist es sich parallel in der Heimat umzuschauen, ich muss allerdings zugeben das es mir sehr schwer fällt Energie für die bestehende Doktorarbeit aufzubringen und gleichzeitig nach was anderem zu suchen. Ich war vor einem halben Jahr schonmal an dem selben Punkt wie jetzt und habe versucht beides in Angriff zu nehmen. Darmals habe ich mich für die Stelle hier entschieden, weil ich das Gefühl hatte das ich noch nicht alles gegeben hab.
Itsme hat schon recht, das ich das alles ein bisschen offener sehen sollte, fällt mir wie gesagt, einfach nur sehr schwer. Ich bin eher ein konsequenter Mensch der nach Entscheidungen strebt.
Vielen Dank nochmal für euere Beiträge :)
Twinkies

Re: Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von Twinkies »

Hallo Susi,

eigentlich hast du die Frage ja schon selbst beantwortet: du willst eigentlich am liebsten abbrechen, aber der Abbruch an sich fällt dir natürlich schwer. Kann es vielleicht sein, dass du am etwaigen Abbruch den Abbruch an sich schlimmer fändest, als das was du jetzt hast dann nicht mehr zu haben? Also dass es dir weniger schade um deine jetzige Stelle, das PhD-Programm, die Kollegen, dein Projekt etc. wäre? Den Eindruck habe ich etwas. Zumal du schreibst,
susi hat geschrieben: Ich habe auch das Gefühl, dass ich einfach nicht abbrechen KANN. Weil es nicht meine Art ist aufzugeben, ich will das es funktioniert.
Du hast ja schon alles Mögliche versucht, und auch noch weiter gemacht, in der Hoffnung dass sich etwas bessert. Dass du die Zeit und die Arbeit, die du bislang investiert hast, nicht "verschwenden" willst, kann ich gut verstehen. Aber das, was du durch einen Abbruch verlieren oder "vergeuden" würdest, sollte auch im Verhältnis dazu stehen, was du durch ein Weitermachen gewinnen würdest. Die investierte Zeit und Arbeit ist investiert, egal ob du abbrichst oder weitermachst. (Nur) davon deine Entscheidung abhängig zu machen, halte ich für nicht so empfehlenswert. Auch, weil du schreibst, deine Projekte laufen echt gar nicht. Gibt es denn irgendwas was du auch gut findest an deiner jetzigen Stelle?

Dass du schreibst dass du Depressionen befürchtest und du keinesfalls 2 weitere Jahre mit der Situation aushältst, finde ich alarmierend und etwas, worauf du auch achten solltest, also dass es nicht allmählich noch schlimmer wird.

Ich schließe mich meinen Vorrednern an, dass du parallel nach anderen Stellen schauen könntest. Ja man weiß nie was einen bei der neuen Stelle erwartet - aber so wie du die aktuelle Situation schilderst, kann ich mir kaum vorstellen, was da noch schlimmer laufen könnte - jetzt laufen deine Projekte nicht, das Team ist inkompetent, ihr habt Versuchsverbot, die Postdoc traut dir nicht über den Weg, das PhD-Programm ist nicht gut. Du musst ja nicht überstürzt kündigen. Du sagst dass du keine Energie hast für die Diss und gleichzeitig nach Stellen zu gucken. Dafür solltest du dir aber ein Fenster einräumen, denn wie willst du denn sonst was Neues finden? Mein Tipp: setze dir einen festen Zeitpunkt einmal in der Woche um gezielt nach Stellen oder PhD-Programmen zu schauen (z.B. Montags von 18-20 Uhr oder so). Öfter als einmal in der Woche werden Stellenanzeigen an Unis ja eh nicht aktualisiert...
Alles Gute!
susi

Re: Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von susi »

Vielen, vielen Dank Twinkies! Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Ja eigetnlich ist es mir nur schade um die vergangene Zeit. Wie gesagt ich mag meine Projekte aber von dene hab ich ja auch nichts wenn die nicht laufen :D. Ja und das ist auch das einzige was ich gut finde an der Stelle........ Ich glaube es ist auch nahe zu Unmöglich motiviert zu sein wenn man seine AG nicht gut findet.
Amalia

Re: Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von Amalia »

susi hat geschrieben:Ja eigetnlich ist es mir nur schade um die vergangene Zeit.
Liebe Susi,
emotional kann ich das gut verstehen. Aber rational ist es ein sehr schlechtes Argument zum weiter machen, denn unter Umständen, verschwendest Du nur noch viel mehr Zeit in einem Projekt, dass Dich am Ende nicht an das erwünschte Ziel – den Doktorgrad – führt. Ähnlich wie beim Studiengangswechsel gilt bei unglückliche Promotionsprojekten: Je früher man abbricht, desto besser! Oder um es mit einem Sprichwort zu sagen: Einen toten Gaul nicht weiter reiten!

Da die Lebenswirklichkeit meisten nicht schwarz-weiß ist, sondern etwas komplizierter, würde ich wie meine Vorredner den Abbruch aber auch nicht überstürzen, sondern mit Bedacht vorgehen: D.h. erste was neues Suchen, dann kündigen. Dann fällt einem die ganze Sache auch nicht mehr so schwer, man bricht ja nicht ab, sondern macht sich frei für etwas Neues.

Alles Gute!
A.
Doc-Wolfi

Re: Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von Doc-Wolfi »

Hallo Susi,
vielleicht kannst Du aus den anderen Experimenten, die Du machst, noch eine schöne Veröffentlichung machen? Für einen Wissenschaftler ist es ja immer wichtig, irgendwelche vorzeigbaren Ergebnisse zu produzieren. Dann war die Zeit nicht verschwendet!
Wolfi
susi

Re: Durchziehen, aber für welchen Preis?

Beitrag von susi »

Hallo zusammen,

also fertig würde ich hier schon. Dafür sorgt der Druck der PhD-Programms, auch bei den Betreuern. Die Frage ist nur wann und mit welchem Erfolg. Ich hab ein kleineres Zusatzprojekt was ich publizieren kann und irgendwas würde wohl in 2-3 Jahren auch von den anderen Projekten abfallen, oder ich würde noch ein weiteres bekommen etc. ABER ich habe mich nicht für eine Promotion (erst recht in einer anderen Stadt) entschieden um IRGENDWAS zu publizieren und IRGENDWIE meinen Doktor zu bekommen. Mir geht es ja primär nicht um den Titel, sondern um meine wissenschaftliche Ausbildung, und die ist hier nicht gegeben.
Ich schaue mich jetzt parallel nach Stellen in der Heimat um und hoffe etwas besseres zu finden. Dann wäre es relativ "leicht" abzubrechen. Denn wie Twinkies richtig erkannt hat: eigentlich trauer ich nur der verlorenen Zeit hier hinterher........
Gesperrt
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