Dissertation und halbe Stelle?

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Kerstin83

Dissertation und halbe Stelle?

Beitrag von Kerstin83 »

Hallo!

nach meinem geisteswissenschaftlichen Studium habe ich mich auch nach Pomotionsstellen umgeschaut und beworben. Ich habe dann schließlich eine halbe Stelle im Verwaltugnsbereich bekommen, die mich ehrlich gesagt, nicht vollständig ausfüllt. Ich bereue es manchmal ein bisschen, nicht promoviert zu haben ("ohne Geld", mit Lehraufträgen, das wurde mir sogar angeboten, als ich mich an meiner Uni erkundigt hatte, weil sie keine Stellen hatten). Jetzt überlege ich mir, ob ich eventuell neben meiner halben Stelle promovieren könnte. Ich weiss, dass ich dann auch mindestens ein Seminar unterrichten sollte, um Lehrerfahrung zu sammeln. Das würde bedeuten, dass ich ohne Wochenende ca. 1,5 Tage pro Woche an meiner Diss arbeiten könnte.Da frage ich mich, ob das sinnvoll ist. Den sicheren Job aufgeben möchte ich nicht. Das ist mir zu riskant, zumal ja die Jobaussichten mit Diss auch nicht gerade rosig sind und bei meinem Job eine Entfristung geplant ist. Ich arbeite jetzt in derselben Stadt wie mein Mann, der ortsgebunden ist. Also würde ich mich nach einer Diss auch nicht bundesweit bewerben wollen.
Deshalb meine Frage: gibt es hier Doktoranden, die nebenbei arbeiten? Ich weiss von ein paar, die arbeiten und sehr lange für ihre Diss brauchen, was nicht mein Ziel ist. Ist meine Einschätzung richtig, dass ich das Nachsehen hätte gegenüber anderen, die gleich nach dem Studium promoviert haben, wenn ich in die Wissenschaft will.

Ich freue mich auf Erfahrungsberichte.
Traudel
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Re: Dissertation und halbe Stelle?

Beitrag von Traudel »

Liebe Kerstin,

der Arbeitsaufwand ist von Fachbereich zu Fachbereich, von Diss-Thema zu Diss-Thema, von Schreibtyp zu Schreibtyp höchst unterschiedlich und natürlich abhängig von empirischer, theoretischer/literaturanalytischer Ausrichtung, der gegebenen Infrastruktur etc. Pauschal ist Deine Frage m.E. nicht zu beantworten. Aber Du hast ja auch eh nach Erfahrungsberichten und subjektiven Einschätzungen gefragt. Und meine Antwort lautet: 1,5 Tage genügen nicht. Du würdest immer wieder im Arbeitsfluss gebremst. Du musst ja auch den Arbeitseinstieg usw. einkalkulieren, dann haste vielleicht auch einfach mal nen Scheißtag, bist unproduktiv, hast gerade keinen Zugang zu Quelle XY o.ä.
Aber natürlich ist die nebenberufliche Promotion dennoch zu schaffen. Dann eben auch mit Wochenendarbeit, Urlaub fürs Schreiben nutzen usw. Wenn man die Promotion wirklich will, packt man das. Man muss sich aber über die Doppel- (und Dreifach-)Belastung im Klaren sein. Auch solltest Du mit Deinem Mann absprechen, wie er zu dem Projekt steht, ob er Dich unterstützt und auch ein wenig auf Dich verzichten könnte.
Lehrerfahrung: Kann ich nur befürworten! Aber das bedeutet ja nicht, dass Du die Zeit zur Seminarvor- und -nachbereitung noch von der Diss-Zeit abziehen musst. Du kannst aktuelle Forschungsthemen Deines Promotionsvorhabens zum Vermittlungsgegenstand machen. Völlig legitim.
Ob diese Überschneidungen möglich sind, kannst Du mit Deiner/m Betreuer/in absprechen.
Und nein, Deinen Job (Entfristung in Aussicht - wow!!) gibst Du natürlich nicht auf. Es werden sich aber bestimmt neue Türen öffnen, und Du wirst neue spannende Wege und Optionen entdecken.

Volle Power voraus, trau Dich und viel Erfolg!
Deine Traudel
PS: Hast Du denn schon eine Betreuung in Aussicht?
Twinkies

Re: Dissertation und halbe Stelle?

Beitrag von Twinkies »

Hallo Kerstin,

ist dein Plan denn, in der Wissenschaft zu bleiben (also im Prinzip: strebst du eine Professur an, denn sonst gibt es ja kaum noch Möglichkeiten, unbefristet im Wissenschaftsbetrieb zu arbeiten), oder geht es dir eher darum, dass du mit einer Promotion evtl. bessere Jobaussichten auf Jobs außerhalb der Wissenschaft hättest, oder siehst du die Diss eher als Projekt weil dir dein aktueller Job nicht die Erfüllung bietet die dir das wissenschaftliche Arbeiten bietet? Deine Ziele im Hinblick auf die Diss sind m.E. ziemlich wichtig dafür, wieviel Zeit und Energie du in die Diss stecken "solltest" neben deinem Job.

Solange du keine Wissenschaftskarriere anstrebst, bin ich nicht so sicher, ob dir eine geisteswissenschaftliche Promotion so viel nützt. Der deutsche Arbeitsmarkt ist nicht gerade offen für Geisteswissenschaftler_innen, und schon gar nicht für promovierte. Im Gegenteil, für viele Jobs gilt man dann schon als überqualifiziert. Vielleicht bin ich auch gerade ziemlich pessimistisch, aber ich kenne leider ziemlich viele promovierte und nicht-promovierte Geisteswissenschaftler_innen, die arbeitslos sind, unterbezahlt oder überqualifiziert sind für ihre Jobs.

Wenn du vorhast, in der Wissenschaft zu bleiben, sieht es da auch nicht unbedingt rosig aus in den Geisteswissenschaften (kommt evtl. noch auf den Fachbereich an). Und wenn du dazu örtlich auch noch gebunden bist, reduzierst du deine Chancen natürlich auch. Auf jeden Fall ist es da auch wichtig, schon während der Promotion Artikel zu publizieren, deine Forschung auf Konferenzen zu präsentieren, und, wie du ja schon geschrieben hast, zu unterrichten. Letzteres kannst du ja an der Uni z.B. mit einem Lehrauftrag machen - wobei die Bezahlung unterirdisch ist und m.E. in keinem Verhältnis zur Arbeit steht. Aber nunja. Jedenfalls musst du ja nicht sofort am Anfang der Promotion unterrichten, sondern ich würde erstmal schauen wie es so läuft und dass du auch genug Material zusammenhast, woraus du dann ein Seminar basteln kannst.

Eine geisteswissenschaftliche Promotion sind ohne Nebenjob, also z.B. mit einem Stipendium, kaum unter 3 Jahren zu bewältigen, eher länger. Ich kenne viele, die mit Jobs außerhalb der Wissenschaft die Diss "finanzieren", das habe ich auch teilweise gemacht. Ich denke, es ist wichtig, sich einen realistischen Arbeitsplan aufzustellen, also dir feste Zeiten einräumen, in denen du an der Diss arbeitest. Aber eben soweit realistisch, dass du nicht total erschöpft bist. Arbeitest du in deinem Job denn jeden Tag von morgens bis mittags, oder nur an paar Tagen dann länger? Also gut wärs natürlich, wenn du paar freie Tage am Stück hast, an denen du an der Diss arbeitest. Ich würde das auch bei deiner_m Betreuer_in thematisieren und nach Erfahrungen von ihren/seinen anderen Promovierenden fragen. Insgesamt fand ich - für mich - eine Kontinuität des Arbeitsprozesses wichtig, also dass der Arbeitsprozess nicht "einreißt" und man dann wochenlang z.B. nix tut, sondern kontinuierlich dran bleibt auch wenn man nicht jeden Tag/Woche gleich produktiv ist (aber das ist natürlich auch eine Typfrage).

Ich hoffe, das klingt jetzt nicht total entmutigend, und wenn die Promotion dein Wunsch ist, dann tu es! Ich denke nur einfach, dass es sinnvoll ist, sich vorab klar zu machen, was das eigentliche Ziel des Promotionsvorhabens ist, und sich auch realistisch klar zu machen, wie die Situation von promovierten Geisteswissenschaftler_innen aussieht. Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Erfolg, solltest du die Diss in Angriff nehmen!
Doc-Wolfi

Re: Dissertation und halbe Stelle?

Beitrag von Doc-Wolfi »

Lehrerfahrung während der Promotion ist nicht unbedingt nötig, sondern wäre nur noch ein dritter Job und evtl. dann einer zu viel!
Wolfi
flip
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Re: Dissertation und halbe Stelle?

Beitrag von flip »

Kerstin83 hat geschrieben:Hallo!

Deshalb meine Frage: gibt es hier Doktoranden, die nebenbei arbeiten? Ich weiss von ein paar, die arbeiten und sehr lange für ihre Diss brauchen, was nicht mein Ziel ist. Ist meine Einschätzung richtig, dass ich das Nachsehen hätte gegenüber anderen, die gleich nach dem Studium promoviert haben, wenn ich in die Wissenschaft will.

Ich freue mich auf Erfahrungsberichte.
Du willst deinen sicheren Job nicht aufgeben.
Du bist ortsgebunden.

Mit amdere Worten: Vergiss es! :? Du hast praktisch keine Wahl an einer anderen Uni, als der örtlichen unter zu kommen. Die Wahrscheinlichkeit einer Stelle kannst du dir ausrechnen. Diese entspricht dann auch jener, in der Wissenschaft zu landen. Mit anderen Worten: Promoviere extern, wenn du magst, versuch es neben deinem aktuellen Job zu bewerkstelligen und dadurch später eine bessere Anstellung/Position zu bekommen.
Caitlin

Re: Dissertation und halbe Stelle?

Beitrag von Caitlin »

Hi Kerstin!
Ich sehe das nicht ganz so pessimistisch wie die anderen.
Wie du bin ich Geisteswissenschaftlerin und habe die ersten 1,5 Jahre mit einer halben Stelle promoviert. Mittlerweile habe ich ein Stipendium. Meine Stelle war zwar am Lehrstuhl, d.h. hatte mit meinem Promotionstema zu tun. Aber du sagst, dass deine Stelle dich nicht ausfüllt und ich schließe daraus, dass es dann mit 19,5/20 Stunden die Woche auch getan ist (nicht wie bei vielen WiMi-Stellen, bei denen man auf einre halben Stelle auch gern mal eher 30 Stunden arbeitet, wenn man nicht aufpasst), du also zeitlich wie intellektuell noch Kapazitäten hast, die nach Ausnutzung rufen :) . Zudem hast du, wenn ich dich richtig verstehe, einen Job "sicher". Es spricht also nichts dagegen, die Promotion auszuprobieren, weil du ja nichts verlieren kannst. Sonst würdest du dich ja sicher auch irgendwie weiter qualifizieren und nicht "für immer" auf einer halben Stelle sitzen wollen, vermute ich.
Wenn du nicht in der Wissenschaft bleiben willst, brauchst du nicht zwingend Lehrerfahrung. Dann hättest du quasi eine "halbe Stelle" Zeit, dich um deine Diss zu kümmern. Langfristig könntest du dich dann immer noch um ein Stipendium o.ä. bemühen.
Trotzdem darf man nicht verschweigen, dass eine Diss ein langes Projekt ist, vor allem, wenn man nebenbei arbeitet und ein Leben hat. Es gibt lange Durststrecken. Nicht immer verbessert ein Titel automatisch deine Berufschancen. Meine Empfehlung daher: Ãœberlege dir genau, wieso du eine Promotion anstrebst, was deine Motivation ist und was du dir davon erhoffst. Wenn du wirklich Lust darauf hast: Trau dich! Mach es!
Viel Glück und Erfolg bei deiner Entscheidungsfindung wünscht dir
Caitlin
histosowi
Beiträge: 107
Registriert: 25.02.2014, 16:50
Status: Fertig

Re: Dissertation und halbe Stelle?

Beitrag von histosowi »

Hallo Kerstin,

natürlich kann man neben einer halben Stelle promovieren, das geht, meiner Erfahrung nach, sogar sehr gut. Du solltest dir allerdings -und hier möchte ich mich meinen "pessimistischen" Vorrednern anschließen- sehr gut überlegen, wie es nach der Promotion für dich weitergehen soll.

Du möchtest in der Stadt (oder in der Nähe dieser Stadt) bleiben, in der du mit deinem Mann lebst und strebst eine wissenschaftliche Karriere an. Ich glaube, da hilft dann nur ein Glückstreffer...

Mein Tip: schau dir mal die Stellenausschreibungen für Geisteswissenschaftler in der Wissenschaft an, zum Beispiel hier: http://www.hsozkult.de/job/page

Da kannst du sehen, was GeiWis heute alles mitbringen müssen, um in der Wissenschaft zu bleiben, und das wegen WissZeitGes auch nicht dauerhaft, sondern immer nur befristet. Mein Eindruck: willst du im Zirkus bleiben musst du super Noten haben, Auslandserfahrung, Lehrerfahrung, Erfahrung im Einwerben von Drittmitteln, ein gutes Netzwerk, Erfahrung in der Projektarbeit und und und...
Ob sich das alles mit einer Teilzeit-Promotion bewerkstelligen lässt? Schon allein rein zeitlich sehe ich da ein Problem, da du ja geschrieben hast, du willst die Promotion schnell durchziehen.

Viele Grüße, Histosowi
Gesperrt
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