Praktikum nach Promotion?

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zombie777
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Praktikum nach Promotion?

Beitrag von zombie777 »

Ich bin promovierte Sozialwissenschaftlerin. Ich habe angeblich einen "sehr guten" Lebenslauf (es wurde mir gesagt, er sei "beeindruckend"). Allerdings habe ich bisher vor allem bei politischen Institutionen und NGOs (Praktika, kurze Tätigkeiten) und freiberuflich gearbeitet.

Ich bewerbe mich jetzt seit 3 Monaten sehr intensiv, vor allem in der freien Wirtschaft. Aus mehreren Gründen, die ich jetzt nicht nennen möchte, will ich nicht mehr im Non-Profit-Sektor arbeiten. In der Politik/ bei Behörden gerne, aber es ist extrem schwer so eine Stelle zu finden.

Das Feedback das ich von Unternehmen bekomme ist "nicht schlecht". Ich habe nächste Woche ein VG bei einer großen Bank (Stelle als "Spezialistin"). Es handelt sich aber um die erste Stelle für Sozialwissenschaftler bei einer Bank, die ich seit 3 Monaten gefunden habe, eine Ausnahme, sonst sucht man nur BWLer, Juristen, usw. Ich hatte VG bei 2 bekannten internat. Organisationen. Es war also knapp, aber leider wurde ich nicht ausgewählt. Ich habe das Gefühl, ich habe mich bei allen Firmen in meiner Stadt beworben, bei denen ich eine Chance habe und arbeiten möchte, bei vielen initiativ. Mehr gibt es nicht. Manche Unternehmen meinten, meine Erfahrung ist sehr "politisch" und fragten, warum ich jetzt auf einmal in die Wirtschaft wechseln will. Ich kann mir vorstellen, manche Absagen habe ich genau deswegen bekommen. Ich hatte schon ca. 10 VG. Auf ein paar Stellen habe ich verzichtet, sonst habe ich Absagen bekommen.

Ich habe mich jetzt zum ersten Mal um ein bezahltes Praktikum bei einem sehr namhaften privaten Unternehmen beworben und hatte ein VG. Ich frage mich, ob ich die Stelle annehmen soll. Das Praktikum ist zwar bezahlt, aber natürlich deutlich schlechter als man sich mit Erfahrung und Promotion wünschen würde. Ich würde ca. die Hälfte (netto) davon verdienen, was ich in meinem letzten Job verdient habe. Es ist nicht gesagt, dass ich nach dem Praktikum, das 6 Monate dauert, im Unternehmen bleiben kann.

Was würdet ihr machen? Weitersuchen mit dem Gedanken, dass ich schon bei guten Unternehmen eingeladen wurde, d.h. es wird irgendwann klappen, oder die Stelle annehmen, um keine Zeit mehr zu verlieren?
14. Apr 2017;14. Jul 2017;a;bis ich statistisch gesehen einen neuen Job finde.
flip
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Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von flip »

Schwierig. Wer auch immer gesagt hat, dass der Lebenslauf beeindruckend ist, heuchet ja nur, sonst hättest du einen Job. ;)

Du hast anscheinend deinen Lebenslauf "überreizt" und willst jetzt auf den letzten Metern umschwenken. Da ist es verständlich, dass die Unternehmen das nicht mitmachen. Wenn du dich Initiativ bewirbst, als was denn überhaupt? Sonst kommst du nämlich genau als das rüber, was du eigentlich nicht sein wolltest. ;)

Du solltest eigemtlich keine Praktika mehr machen. DIe Gefahr ist ziemlich groß, dass das Unternehmen dich auf eine Stelle setzt, die dir nicht gefällt. Und dann?

Kannst du deine jetzige Stadt für ein paar Jahre verlassen?
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Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von Zwonk »

flip hat geschrieben:Schwierig. Wer auch immer gesagt hat, dass der Lebenslauf beeindruckend ist, heuchet ja nur, sonst hättest du einen Job. ;)
Dem kann ich überhaupt nicht beipflichten. Wer als Sozialwissenschaftler innerhalb von drei Monate regional gebunden zehn Vorstellungsgespräche in der freien Wirtschaft bekommt, hat kein Problem mit seinem Lebenslauf.

Ich würde eher vermuten, daß Du im Vorstellungsgespräch was falsch machst bzw. nicht richtig rüberkommst. Hast Du mal drüber nachgedacht, zu einem Coach zu gehen, der sich mit sowas auskennt? Da kannst Du gegebenenfalls gutes Feedback bekommen, wie Du Dich verhalten kannst.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
zombie777
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Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von zombie777 »

Zwonk hat geschrieben:
Ich würde eher vermuten, daß Du im Vorstellungsgespräch was falsch machst bzw. nicht richtig rüberkommst. Hast Du mal drüber nachgedacht, zu einem Coach zu gehen, der sich mit sowas auskennt? Da kannst Du gegebenenfalls gutes Feedback bekommen, wie Du Dich verhalten kannst.
Das wäre auch mein erster Gedanke. Fakt ist aber, ich hatte nie Probleme mit Vorstellungsgesprächen. Während meines Studiums habe ich viele tolle Stipendien bekommen: Da fand auch immer ein VG statt. Natürlich ist ein VG für einen Job etwas anderes, aber nicht ganz, oder?

Bei den meisten Unternehmen gibt es halt mindestens 2-3 VG... Ich stelle mir vor, man lädt mind. 10 Personen ein. Ich war bisher nie die beste. Die Tatsache, dass ich aus dem Ausland komme und einen für Deutsche sehr schwierigen Namen/Vornamen habe, spielt wahrscheinlich eine Rolle. Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Gestern wurde mir bei einem telefonischen VG gesagt, ich spreche eigentlich ohne Akzent, was nett war, aber nicht stimmen kann. Ich spreche zwar fließend, mache aber ab und zu kleine Fehler. Das kann bei Stellen, um die ich mich bewerbe (Datenanalyse aber vor allem Consulting & Ähnliches), eine Rolle spielen.

Bei 2-3 Gesprächen bei kleinen Startups waren wahrscheinlich meine Gehaltsvorstellungen ausschlaggebend. Ein Mal wurde mir direkt gesagt, sie seien zu hoch. In 1-2 Fällen bin ich zwar nicht sicher, hatte aber diesen Eindruck.

Ein Mal hat man auf mich nach dem Assessment Center verzichtet (war eine Stelle im polit. Bereich). Wobei 2 Personen, die daran teilgenommen haben, vorher ein Praktikum bei der Behörde gemacht haben, die Kommission kannten und Insider-Wissen hatten.

Ein Mal hat man mir zugesagt, wobei das Unternehmen total unzuverlässig war. Der Besitzer wusste selbst nicht was er wollte, nach ein paar Treffen habe ich ihm dann gesagt, wir unterschreiben endlich den Vertrag oder ich bewerbe mich weiter, weil ich mich mit ihm nicht immer wieder treffen kann, das kostet mich zu viel Zeit.
Zuletzt geändert von zombie777 am 30.06.2015, 21:41, insgesamt 3-mal geändert.
14. Apr 2017;14. Jul 2017;a;bis ich statistisch gesehen einen neuen Job finde.
zombie777
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Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von zombie777 »

flip hat geschrieben:Wer auch immer gesagt hat, dass der Lebenslauf beeindruckend ist, heuchet ja nur, sonst hättest du einen Job. ;)
Beeindruckend aber voll von Politik und Sozialwissenschaften. Und ich bewerbe mich, wie gesagt, eher in anderen Bereichen. Mein LL passt einfach nicht sooo gut zu den Stellen, um die ich mich bewerbe, auch wenn ich immer im Anschreiben versuche, den Unternehmen etwas anderes einzureden.
14. Apr 2017;14. Jul 2017;a;bis ich statistisch gesehen einen neuen Job finde.
flip
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Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von flip »

Zwonk hat geschrieben:
flip hat geschrieben:Schwierig. Wer auch immer gesagt hat, dass der Lebenslauf beeindruckend ist, heuchet ja nur, sonst hättest du einen Job. ;)
Dem kann ich überhaupt nicht beipflichten. Wer als Sozialwissenschaftler innerhalb von drei Monate regional gebunden zehn Vorstellungsgespräche in der freien Wirtschaft bekommt, hat kein Problem mit seinem Lebenslauf.
So war das auch nicht gemeint. Es bekräftigt stattdessen, dass etwas anderes, als dass der Lebenslauf dafür verantwortlich ist. Sei es das angesprochene, falsche Auftreten oder der Schwenk im Lebenslauf im letzten Moment. Ich glaube kaum, dass wir hier weiter helfen können. Das ist eine sehr individuelle Frage.

Auch mit einem "super tollen" Lebenslauf erfolgt der Einstieg als promovierter Geisteswissenschaftler holprig, wenn die Ansprüche hoch sind. Zu hohe Gehaltsvorderungen sollten eigentlich ein Warnsignal sein, wenn der Arbeitgeber dies schon offen zugibt. Ansonsten hast du vermutlich bis jetzt einfach nur Pech gehabt.

Ob der Name jetzt daran schuld ist, keine Ahnung. Wenn du allerdings mit solchen Informationen erst nach und nach herausrückst, kann es durchaus sein, dass es noch etws anderes sein kann, was wir nicht wissen.
kaegel

Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von kaegel »

Bei mir ist es noch ein bisschen hin, aber ich habe das Gefühl es könnte mir ähnlich ergehen. Arbeite neben meiner Diss noch nebenher um weitere Berufsqualifikationen zu erwerben.

Ich weiss, dass man Gehaltsvorstellungen nicht pauschalisieren kann und dies Stellenabhängig ist, aber da ich mich in letzter Zeit auch auf Stellen beworben habe, die ich spannend fand und dort nicht mal eine Absage erhielt, stellt sich die Frage, welche Gehaltsforderungen als promovierter Geistes- und Sozialwissenschafter als überzogen gelten? Mit Uniabschluss werden ja gern Stellen ausgeschrieben, die sich an TVÖD 9 orientieren. Ist es dann vermessen als promovierter sich an TVÖD 13 zu orientieren?

Tendenziell würde ich überlegen wann ein Praktikum noch sinnvoll ist. Also, kann ich mir vorstellen oder hoffe ich gar darauf im Anschluss vielleicht übernommen zu werden? Aus anderen Gründen würde ich als Promovierter keine Praktika mehr absolvieren. Berufsfindungsphase sollte man vorher halbwegs abgeschlossen haben. Zudem droht vielleicht auch, dass man vom Arbeitgeber gern als extrem billige Arbeitskraft gesehen wird. Als Promo nen Pralikum und am Ende nicht genug Geld um den Alltag zu bestreiten ist meines Erachtens sich unter Wert verkaufen.
Traudel
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Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von Traudel »

Um den berühmten Fuß in der Tür zu haben, finde ich ein Praktikum nach der Promotion im Grunde völlig okay. Oder eben nicht nach der Promotion, sondern nach Einreichen der Diss in der Zeit bis zur Dispu oder bis zur Veröffentlichung. Gerade wenn man einen Quereinstieg in einen neuen Bereich wagen möchte, muss man manchmal den weniger komfortablen Weg wählen. Ich habe nach Diss-Abgabe bis kurz nach der Dispu (die Begutachtung dauerte immerhin stolze 10 Monate) eine Stelle als WHK angenommen... und es absolut nicht bereut, denn dann erhielt ich eine halbe wiss. Stelle (E13), dann dreiviertel, jetzt Vollzeit :D In meinem jetzigen Bereich bin ich quasi Quereinsteigerin... da habe ich den unbequemen Weg in Kauf genommen und mich zusätzlich über freiberufliche Aufträge finanziert und positioniert.
Natürlich stinken Praktika und Hilfskrafttätigkeiten nach Ausbeutung, aber in der Regel verbessert man seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf jeden Fall, knüpft Kontakte und wird sich mehr darüber klar, wo man hinwill.
Fazit: Sofern es finanziell/familiär vertretbar ist, finde ich, sollte man sich als (fast) Promovierter nicht zu schade für Praktika oder Hilfskraftdienste sein.

LG Traudel
zombie777
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Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von zombie777 »

kaegel hat geschrieben:
Ich weiss, dass man Gehaltsvorstellungen nicht pauschalisieren kann und dies Stellenabhängig ist, aber da ich mich in letzter Zeit auch auf Stellen beworben habe, die ich spannend fand und dort nicht mal eine Absage erhielt, stellt sich die Frage, welche Gehaltsforderungen als promovierter Geistes- und Sozialwissenschafter als überzogen gelten? Mit Uniabschluss werden ja gern Stellen ausgeschrieben, die sich an TVÖD 9 orientieren. Ist es dann vermessen als promovierter sich an TVÖD 13 zu orientieren?
Bei Stiftungen/ Vereinen/ Behörden braucht man viel Glück um auf dem TVÖD 13-Niveau bezahlt zu werden. Es gibt solche Stellen, allerdings nur wenige und die Konkurrenz ist enorm. Es ist viel wahrscheinlicher etwas auf dem TVÖD 10- Niveau zu finden. Zumindest hier in Berlin. Mir gefällt das natürlich auch nicht, aber so ist es halt.

In der freien Wirtschaft kommt vieles auf die Branche/ Region an.
14. Apr 2017;14. Jul 2017;a;bis ich statistisch gesehen einen neuen Job finde.
kaegel

Re: Praktikum nach Promotion?

Beitrag von kaegel »

zombie777 hat geschrieben:
Bei Stiftungen/ Vereinen/ Behörden braucht man viel Glück um auf dem TVÖD 13-Niveau bezahlt zu werden. Es gibt solche Stellen, allerdings nur wenige und die Konkurrenz ist enorm. Es ist viel wahrscheinlicher etwas auf dem TVÖD 10- Niveau zu finden. Zumindest hier in Berlin. Mir gefällt das natürlich auch nicht, aber so ist es halt.
Meine Beobachtungen entsprechen dem auch. Natürlich ist das irgendwie gesellschaftliche Realität, dennoch finde ich es "frech". Gerne möchte man den möglichst höchstqualifiziertesten, aber bitte nicht angemessen entlohnen. Ich finde da stimmt etwas grundlegend nicht. Das ist ja auch kein neues Phänomen, sondern reprouziert sich strukturell seit Jahren.
Aber wenn dann der Alltag zu finanzieren ist, eventuell Famillie, schluckt man wohl die bittere Pille.

Zombie hat es schon ganz richtig gesagt. Oft geht es darum, einen Fuss in die Tür zu bekommen. Wenn man sich da zu Schade ist, für ein Praktikum, wird der Berufseinstieg noch holpriger, als er eh schon ist.
Fraglich wäre, ob es große Differenzen zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Regionen gibt (bezogen auf Vereine, Stiftungen etc...)...

Es gibt auch eine Studie der Boeckler zu Promovenden, bei der ich mich ehrlichweise Frage, woher die diese für mich utopischen Verdienstmöglichkeiten nehmen (Fragebögen: klar; aber wirklich?). Anscheinend war vor 10 Jahren noch alles anders.
Aber ich promoviere ja eh, aus Spass an der Freude und um den Luxus zu genießen und Freitags auch mal bisschen Klagenfurt auf 3sat zu schauen! ;)
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