Hallo da draussen,
zuallererst möchte ich blubbmoep ganz herzlich gratulieren! Und dann muss ich mich auch gleich outen, dass ich bei einem der beiden genannten Verlage tätig bin. Wenn das jemanden hier stört, tut mir das leid. Aber vielleicht helfen ja die folgenden Informationen nicht nur blubbmoep bei der Entscheidung:
1. Wer nur promoviert, um seinen Namen um zwei Buchstaben zu verlängern, wird immer daran interessiert sein, wie die Publikationspflicht am günstigsten erfüllt werden kann. Ein wissenschaftlicher Fachverlag ist da die falsche Adresse. Es gibt zahlreiche Anbieter, die hier in die Bresche springen. Die meisten Arbeiten, die in diese Kategorie fallen, werden aber umgekehrt auch für echte Wissenschaftsverlage uninteressant sein, da diese in der Regel auf eine Bewertung mit mindestens magna cum laude bestehen und Ausnahmen allenfalls in engen Grenzen zulassen.
2. Diese Beschränkung ist notwendig, weil die Aufgabe eines Wissenschaftsverlages keineswegs darin besteht, Bücher herzustellen (das kann jeder Copyshop). Vielmehr geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst zielgenau dort zu verbreiten, wo diese Erkenntnisse gebraucht werden. Damit erfüllen sie aber nicht nur eine wichtige Aufgabe im Wissenschaftssystem, sondern sie bieten Autorinnen und Autoren einen wichtigen Service: Wer (oft über mehrere Jahre lang) mit hohem Aufwand eine wissenschaftliche Studie erstellt, die zu neuen Erkenntnisse führt und daher zu Recht von den Gutachtern mit überdurchschnittlichen Noten bewertet wurde, wird sich wohl kaum damit zufrieden geben, dass diese Studie dann im Regal oder in einer der dunklen Ecken des Internet verstaubt. Vielmehr wird es immer darum gehen, dass die Arbeit tatsächlich wahrgenommen, gelesen und zitiert wird - und zwar auch dann, wenn die Autorin oder der Autor keine wissenschaftliche Karriere im engeren Sinne anstrebt.
3. Die Wahrscheinlichkeit, dass die eigene Arbeit diese Aufmerksamkeit erfährt, hängt aber wiederum maßgeblich vom Verlag ab, in dem die Arbeit veröffentlicht wird: Wenn die potentiellen Leser wissen, dass in einem Verlag nur solche Arbeiten erscheinen, die bestimmte Qualifikationsanforderungen erfüllt (und deren Qualität zusätzlich vom Verlag selbst sowie von den Herausgeber/inn/en der jeweiligen Schriftrenreihe geprüft wurde), werden sie dieser Arbeit mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Aufmerksamkeit widmen. Dies gilt erst Recht, wenn der Verlag die Aufmerksamkeit durch ein differenziertes Angebot fachspezifischer Schriftenreihen weiter strukturiert. Ein ernstzunehmender Wissenschaftsverlag wird daher die Autoren in den Mittelpunkt stellen - und zwar nicht nur in dieser Funktion, sondern auch als Leser. Er wird auf höchstmögliche Sichtbarkeit der einzelnen Arbeit abzielen und die eigenen Internet-Angebote daher auf die Durchsuchbarkeit für Suchmaschinen anlegen.
4. Diese Leistungen von Wissenschaftsverlagen lassen sich nicht mit den Vertriebserlösen alleine finanzieren: Hauptabnehmer von Dissertationen, Habilitationen und anderen wissenschaftlichen Monographien sowie von Sammelbänden sind wissenschaftliche Bibliotheken - wobei dazu auch große Bibliotheken in Unternehmen, bei Verbänden etc. zählen. In den letzten beiden Jahrzehnten lässt sich aber eine klare Tendenz erkennen, dass diese Institutionen anders als es früher üblich war, nur noch jeweils ein Exemplar eines Werkes anschaffen: Hat eine Institutsbibliothek eine Arbeit gekauft, wird diese daher in der Regel weder von der Fakultätsbibliothek noch von der Universitätsbibliothek beschafft werden. Was das für die Absatzzahlen bedeutet, kann sich jeder für sein Fachgebiet selbst ausrechnen... Alle Maßnahmen, die die Verlage zur Kostenreduzierung ergriffen haben (bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Qualitätsanspruchs) haben allenfalls ausgereicht, um diese Entwicklung auszugleichen. Die aufwendige Werbung für jedes einzelne Werk, die gute Wissenschaftsverlage im Interesse Ihrer Autorinnen und Autoren betreiben, bedarf daher einer Subventionierung durch Zuschüsse.
5. Wie kann ein durchaus renommierter Verlag auf solche Zuschüsse verzichten? Das wird deutlich, wenn man sich das Geschäftsmodell dahinter ansieht: Großverlage setzen heute fast ausschließlich auf Online-Angebote. Das Buch - und zwar sowohl als Format (also als gedrucktes Werk) als auch als Einheit - spielt keine Rolle und ist nur als "content" wertvoll, mit dem die eigene Datenbank befüllt wird. Da Großverlage in der Regel in bestimmten Bereichen eine solche Marktmacht haben, dass Bibliotheken gezwungen sind, die Angebote zu erwerben (das gilt vor allem für die so genannten STM-Verlage - Science, Technology, Medicine), können Sie Riesenpakete schnüren, in denen sie den Bibliotheken auch andere Inhalte mitverkaufen. Die Bibliotheken haben schlicht keine Wahl und müssen insbesondere die teilweise absurd hohen Preisvorstellungen akzeptieren. Damit hat der Verlag alles erreicht, was ihn interessiert - was mit dem einzelnen Werk passiert, kann ihm schlicht egal sein.
6. Was hat das für die verlegerische Tätigkeit zur Folge? Großverlagen wird es immer auf Masse ankommen, da "das Biest gefüttert" und jedes Jahr ein möglichst noch größeres Paket geschnürt werden muss. Qualitätsstandards werden abgesenkt, Kosten um fast jeden Preis reduziert. Natürlich nimmt man die Autoren wahr, aber man ist ihnen im Grunde zu nichts verpflichtet. Neben den Bibliotheken richtet man sich als Verlag allenfalls an (potentielle) Herausgeber, die weiteren "Content" für die Pakete liefern sollen und bei denen man damit wirbt, dass fast alle Hochschulangehörigen in der Lage sein werden, die Inhalte "kostenfrei" zu nutzen (dass die Bibliotheken zuvor einen Großteil des Etats für das Paket aufwenden mussten, wird nicht erwähnt). Im Übrigen sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als potentielle Leser/innen hingegen nicht wirklich wichtig. Wenn bei denen Werbung gemacht wird, dann vor allem für das Paket und die Möglichkeiten, die Datenmengen zu durchsuchen, nicht aber für das einzelne Werk, das vielleicht interessant sein könnte. Damit dieses Modell funktioniert, muss die eigene Datenbank möglichst gut abgeschottet werden - und das kann man sich auch leisten, weil man niemandem versprochen hat, das einzelne Werk möglichst weit zu verbreiten.
7. Wer sich unter diesen Voraussetzungen zwischen den Angeboten verschiedener Verlage zu entscheiden hat, sollte folgende Dinge wägen:
- wie wichtig ist es mir, als Autor ernst genommen zu werden?
- wie wichtig ist es mir, dass meine Arbeit im Fokus steht - und nicht ein großes Paket?
Dass der "echte" Wissenschaftsverlag hier bei nüchterner Betrachtung die Nase vorn haben wird, liegt auf der Hand. Damit bleibt am Schluss die Frage, ob einem das so viel Geld wert ist - aber: Ist das denn so viel? Schließlich hat man zuvor lange Zeit mit der Arbeit verbracht und enorm viel investiert. Warum sollte man nun auf der Zielgeraden knausern? Natürlich kann und muss man nachfragen, was der Verlag konkret tut:
- Gibt es für jedes Buch einen Flyer?
- Wird für die jeweilige Reihe, das Themengebiet und das Gesamtprogramm des Verlages in eigenen Prospekten und Newslettern geworben? An wen gehen diese Prospekte?
- Bemüht sich der Verlag um Rezensionen? Stellt er Freiexemplare für Multiplikatoren zur Verfügung?
- Gibt es im Verlag (oder in anderen Verlagen, die zur selben Gruppe gehören) Zeitschriften, in denen Anzeigen für das Werk geschaltet werden können? Werden Anzeigen ggf. auch in Fremdzeitschriften geschaltet?
- Verlangt der Verlag einen Aufpreis für die Pflichtexemplare (einschließlich der für diese erforderlichen Sonderausstattung)?
- Unterstützt mich der Verlag bei der Einwerbung von Fördermitteln, wenn meine Arbeit besonders gut bewertet wurde?
- Ist der Verlag bei den einschlägigen Veranstaltungen präsent und sorgt er dafür, dass mein Buch dort ausgelegt wird?
- Achtet der Verlag auf eine hohe Herstellungsqualität? Übernimmt er den Satz - und zwar selbst und nicht durch Dienstleister im Ausland, die kein Deutsch verstehen?
- Ist der Verlag bereit, über Zahlungsfristen etc zu sprechen, wenn ich am Anfang meiner Karriere stehe und erst einmal noch nicht so richtig flüssig bin?
Und natürlich kommt es auch darauf an, ob der Verlag im jeweiligen Fachbereich als einer der führenden Fachverlage anerkannt ist (allein das bringt ja viel Aufmerksamkeit).
Ich hoffe, dass der einen oder dem anderen hilft, zwischen einem scheinbar supergünstigen und einem wirklich guten Angebot zu unterscheiden.
Beste Grüße
Johannes Rux
P.S.: Nomos ist zwar in der Tat einer der führenden juristischen Fachverlage. Das sozial- und geisteswissenschaftliche Wissenschaftsprogramm ist aber fast ebenso groß und ebenfalls sehr renommiert. Das gilt nicht nur für die Politikwissenschaft (hier erscheinen unter anderem fast alle relevanten deutschsprachigen Zeitschriften bei Nomos), sondern eben auch für die Medien- und Kommunikationswissenschaft: Um die Zeitschriften M&K und SC|M gibt es hier ein hochgradig spannendes Buchprogramm:
http://www.nomos-shop.de/leuchtturm.aspx?toc=155.
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