Promotion anstreben trotz schlechtem Ruf an der Uni?
Verfasst: 22.02.2015, 10:03
Hallo Kollegen,
ich möchte gerne promovieren, doch das Für und Wider ist in meinem Fall etwas tricky.
Zu mir:
Ich bin Master of Science in Informatik, und habe an einer TU9 mit 1,6 abgeschlossen. Der Schnitt meines Jahrgangs war glaub ich so 1,75 - ich war also ein bisschen besser.
Allerdings war meine Master Arbeit relativ schlecht (1,7), mein Bachelor insgesamt sehr schlecht (2,6) mit schlechter Bachelor Arbeit (2,0) und ich hab auch davor schon ein Studium in den Sand gesetzt (3 Semester). Das liegt hauptsächlich daran, dass ich
1) als Kind gnadenlos unselbständig war. Das heißt, als ich mit 19 ausgezogen bin, konnte ich weder kochen, noch Wäsche waschen, noch mich selbst organisieren und hab eigentlich überhaupt nichts auf die Beine gebracht. Deswegen bin ich damals auch ausgezogen, weil ich gemerkt habe, dass es meine einzige Chance ist, mich weiterzuentwickeln.
2) außerdem war ein Grund, dass ich während meines Studiums einiger medizinischer Behandlungen bedurfte - will nicht ins Detail gehen, aber ist eine angeborene Sache, sozusagen. Das waren unangenehme OPs, mit unklarem Ausgang. Psychisch auch eine ziemliche Belastung. Wenn man die Krankheit googlet, findet man anonymisierte Publikationen über mich - ich war sowas wie ein Versuchskaninchen für die Ärzte. Glaubt mir einfach - es ist nicht schön, mit solchen Handycaps ins Leben zu starten und man lernt dann irgendwann zu akzeptieren, dass das Leben eben unfair ist! Habe meine Semesterferien wenn andere Urlaub gemacht haben, daher leider manches Mal im Krankenhaus verbringen müssen.
Das ist aber noch nicht alles. An meiner Uni habe ich nicht den besten Ruf. Zum einen natürlich wegen meine schlechten Noten im Grundstudium, zum anderen, weil ich am Ende des Masters so richtig eine "Leckt mich alle am Arsch" Mentalität habe raushängen lassen. Ganz einfach weil der erste Temin nach Abgabe meiner Masterarbeit schon wieder Krankenhaus war! Psychisch übelste Depressionen der allerschwersten Sorte und totale Aggro-Stimmung auf so ziemlich alles. Misanthropie par excellence für ein paar Monate.
So hat's dann auch mal ziemlich gekracht mit 2 Betreuern an einem Lehrstuhl, wo ich eigentlich gerne promoviert hätte. Nur ne dumme Seminararbeit, aber trotzdem gabs Ärger. Ich stehe heute immer noch dazu, dass die Benotung total idiotisch war, aber besser ich hätte meine Fresse gehalten.
Habe mich dann auch auf eine Doktorandenstelle 100% TVL-13 beworben an der Uni. Handelte sich um den Partnerlehrstuhl von dem Lehrstuhl, wo es gekracht hat. Maske aufgesetzt, damit man meine depressive Stimmung and alles nicht erkennt. Kann ich mittlerweile ganz gut. Prof war angetan von mir, und wollte sich nochmal melden. Meinte im Gespräch "ich wäre super rübergekommen". 3 Tage später: Absage! Meine Vermutung, der Prof hat sich wohl umgehört, und da kamem wohl warnende Worte von Leuten, die mich nicht mögen.
Zeitlicher Sprung: 6 Monate in die Zukunft.
Ich bin dann ins Berufsleben eingestiegen und arbeite seither in der Software-Qualitätssicherung in einem Konzern. Meine gesundheitlichen Probleme ließen sich weitgehend abstellen. Einen Krankheitstag hatte ich seither nicht, mache etwas Sport, fühle mich gut. Habe 35 Stunden Woche und ordentliches Gehalt. Trotzdem langweilt es mich. Ich bin zwar voll ausgelastet zeitlich, aber vom wissenschaftlichen Niveau her gibt es mir nicht genug. Als Informatiker habe ich nun viel mit (älteren) Kollegen zu tun, die fachfremd als Ingenieure auf die Stellen gekommen sind und die bei Informatik-Fachthemen mit mir nicht mithalten können. Die haben mehr so einen Ingenieurgeist: Es muss halt akzeptabel funktionieren, aber vom mathematischen Optimum sind wir oft weit entfernt. Vielfach glaube ich wissen die Leute auch gar nicht genau, was alles möglich wäre und auch mit realistischen Ressourcen erreichbar. Klar - ich bringe mich da aktuell schon behutsam ein, aber ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis ich da wirklich massiv was bewegen kann. Klar, wenn man neu ist, muss man sich erstmal etwas zurückhalten.
Positiv ist allerdings: Mein Chef ist promovierter Physiker und echt top drauf! Er denkt sehr analytisch und hat einen sehr scharfen Verstand. Er scheint bereit mich zu fördern und glaubt auch an den Nutzen wissenschaftlicher Qualifikation für den normalen Arbeitsalltag. Etwas, an das ich auch glaube! Ich glaube auch, dass Promovierte nicht zwangsläufig in der Forschung bleiben müssen, denn ich sehe hier im Unternehmen enorme Möglichkeiten durch wissenschaftlicheres Arbeiten.
Kurz gesagt, der Kontakt mit meinem Chef und auch der Arbeitsalltag hat meinen Promotionswunsch wieder neu entfacht! Vor allem, da ich Vollzeitjob und Promotion kombinieren könnte, und einen starken Konzern hinter mir habe, der möglicherweise sogar Geld in die Sache reinbuttern würde, wenn das Thema Synergien mit meinem Arbeitsalltag hergäbe. Die 35 Stunden Woche lastet mich nicht aus und ich habe keine Lust am Tag nur 7 Stunden zu arbeiten. Mein durchschnittlicher Arbeitstag hat eher 8 bis 9 Stunden. Ich würde also Mo-Do die 35+ Stunden arbeiten, und hätte Freitag+Samstag immer für die Promotion. Wenn es 4 oder 5 Jahre dauert, wäre es mir auch egal.
Nun zu meinen Fragen:
- Wie würdet ihr an meiner Stelle vorgehen, um einen Doktorvater zu finden? Kann ich mich überhaupt noch an der Uni sehen lassen?
- Wie realistisch ist es, an eine komplett neue Uni heranzutreten?
- Da ich offensichtlich Defizite im Grundstudium habe, wäre es sinnvoll erstmal ein halbes Jahr mit Wiederholen des Stoffes zu verbringen? Ich gehe stark davon aus, dass mich mein zukünftiger Doktorvater im Vorgespräch nochmal (mathematisch) abprüfen wird, ich sollte da wohl sattelfest sein?
Ja, das war's eigentlich schon. Ich habe schon einen hohen Anspruch an mich selbst und wenn ich eine Diss schreiben würde, sollte sie schon gut sein, und nicht nur eine schlechte Diss, weil ich auf den Titel scharf bin!
Danke für Meinungen.
ich möchte gerne promovieren, doch das Für und Wider ist in meinem Fall etwas tricky.
Zu mir:
Ich bin Master of Science in Informatik, und habe an einer TU9 mit 1,6 abgeschlossen. Der Schnitt meines Jahrgangs war glaub ich so 1,75 - ich war also ein bisschen besser.
Allerdings war meine Master Arbeit relativ schlecht (1,7), mein Bachelor insgesamt sehr schlecht (2,6) mit schlechter Bachelor Arbeit (2,0) und ich hab auch davor schon ein Studium in den Sand gesetzt (3 Semester). Das liegt hauptsächlich daran, dass ich
1) als Kind gnadenlos unselbständig war. Das heißt, als ich mit 19 ausgezogen bin, konnte ich weder kochen, noch Wäsche waschen, noch mich selbst organisieren und hab eigentlich überhaupt nichts auf die Beine gebracht. Deswegen bin ich damals auch ausgezogen, weil ich gemerkt habe, dass es meine einzige Chance ist, mich weiterzuentwickeln.
2) außerdem war ein Grund, dass ich während meines Studiums einiger medizinischer Behandlungen bedurfte - will nicht ins Detail gehen, aber ist eine angeborene Sache, sozusagen. Das waren unangenehme OPs, mit unklarem Ausgang. Psychisch auch eine ziemliche Belastung. Wenn man die Krankheit googlet, findet man anonymisierte Publikationen über mich - ich war sowas wie ein Versuchskaninchen für die Ärzte. Glaubt mir einfach - es ist nicht schön, mit solchen Handycaps ins Leben zu starten und man lernt dann irgendwann zu akzeptieren, dass das Leben eben unfair ist! Habe meine Semesterferien wenn andere Urlaub gemacht haben, daher leider manches Mal im Krankenhaus verbringen müssen.
Das ist aber noch nicht alles. An meiner Uni habe ich nicht den besten Ruf. Zum einen natürlich wegen meine schlechten Noten im Grundstudium, zum anderen, weil ich am Ende des Masters so richtig eine "Leckt mich alle am Arsch" Mentalität habe raushängen lassen. Ganz einfach weil der erste Temin nach Abgabe meiner Masterarbeit schon wieder Krankenhaus war! Psychisch übelste Depressionen der allerschwersten Sorte und totale Aggro-Stimmung auf so ziemlich alles. Misanthropie par excellence für ein paar Monate.
So hat's dann auch mal ziemlich gekracht mit 2 Betreuern an einem Lehrstuhl, wo ich eigentlich gerne promoviert hätte. Nur ne dumme Seminararbeit, aber trotzdem gabs Ärger. Ich stehe heute immer noch dazu, dass die Benotung total idiotisch war, aber besser ich hätte meine Fresse gehalten.
Habe mich dann auch auf eine Doktorandenstelle 100% TVL-13 beworben an der Uni. Handelte sich um den Partnerlehrstuhl von dem Lehrstuhl, wo es gekracht hat. Maske aufgesetzt, damit man meine depressive Stimmung and alles nicht erkennt. Kann ich mittlerweile ganz gut. Prof war angetan von mir, und wollte sich nochmal melden. Meinte im Gespräch "ich wäre super rübergekommen". 3 Tage später: Absage! Meine Vermutung, der Prof hat sich wohl umgehört, und da kamem wohl warnende Worte von Leuten, die mich nicht mögen.
Zeitlicher Sprung: 6 Monate in die Zukunft.
Ich bin dann ins Berufsleben eingestiegen und arbeite seither in der Software-Qualitätssicherung in einem Konzern. Meine gesundheitlichen Probleme ließen sich weitgehend abstellen. Einen Krankheitstag hatte ich seither nicht, mache etwas Sport, fühle mich gut. Habe 35 Stunden Woche und ordentliches Gehalt. Trotzdem langweilt es mich. Ich bin zwar voll ausgelastet zeitlich, aber vom wissenschaftlichen Niveau her gibt es mir nicht genug. Als Informatiker habe ich nun viel mit (älteren) Kollegen zu tun, die fachfremd als Ingenieure auf die Stellen gekommen sind und die bei Informatik-Fachthemen mit mir nicht mithalten können. Die haben mehr so einen Ingenieurgeist: Es muss halt akzeptabel funktionieren, aber vom mathematischen Optimum sind wir oft weit entfernt. Vielfach glaube ich wissen die Leute auch gar nicht genau, was alles möglich wäre und auch mit realistischen Ressourcen erreichbar. Klar - ich bringe mich da aktuell schon behutsam ein, aber ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis ich da wirklich massiv was bewegen kann. Klar, wenn man neu ist, muss man sich erstmal etwas zurückhalten.
Positiv ist allerdings: Mein Chef ist promovierter Physiker und echt top drauf! Er denkt sehr analytisch und hat einen sehr scharfen Verstand. Er scheint bereit mich zu fördern und glaubt auch an den Nutzen wissenschaftlicher Qualifikation für den normalen Arbeitsalltag. Etwas, an das ich auch glaube! Ich glaube auch, dass Promovierte nicht zwangsläufig in der Forschung bleiben müssen, denn ich sehe hier im Unternehmen enorme Möglichkeiten durch wissenschaftlicheres Arbeiten.
Kurz gesagt, der Kontakt mit meinem Chef und auch der Arbeitsalltag hat meinen Promotionswunsch wieder neu entfacht! Vor allem, da ich Vollzeitjob und Promotion kombinieren könnte, und einen starken Konzern hinter mir habe, der möglicherweise sogar Geld in die Sache reinbuttern würde, wenn das Thema Synergien mit meinem Arbeitsalltag hergäbe. Die 35 Stunden Woche lastet mich nicht aus und ich habe keine Lust am Tag nur 7 Stunden zu arbeiten. Mein durchschnittlicher Arbeitstag hat eher 8 bis 9 Stunden. Ich würde also Mo-Do die 35+ Stunden arbeiten, und hätte Freitag+Samstag immer für die Promotion. Wenn es 4 oder 5 Jahre dauert, wäre es mir auch egal.
Nun zu meinen Fragen:
- Wie würdet ihr an meiner Stelle vorgehen, um einen Doktorvater zu finden? Kann ich mich überhaupt noch an der Uni sehen lassen?
- Wie realistisch ist es, an eine komplett neue Uni heranzutreten?
- Da ich offensichtlich Defizite im Grundstudium habe, wäre es sinnvoll erstmal ein halbes Jahr mit Wiederholen des Stoffes zu verbringen? Ich gehe stark davon aus, dass mich mein zukünftiger Doktorvater im Vorgespräch nochmal (mathematisch) abprüfen wird, ich sollte da wohl sattelfest sein?
Ja, das war's eigentlich schon. Ich habe schon einen hohen Anspruch an mich selbst und wenn ich eine Diss schreiben würde, sollte sie schon gut sein, und nicht nur eine schlechte Diss, weil ich auf den Titel scharf bin!
Danke für Meinungen.