Seite 1 von 1

theoretische (externe) Promotion als Naturwissenschaftler

Verfasst: 20.01.2015, 18:15
von VielleichtMalDr
Hallo,
ich habe vor einem guten Jahr meinen Master in Molecular Life Sciences (Bochemie/Molekularbiologie) gemacht. Hab mich seitdem schon viel beworben (sowohl an Unis als auch in der Industrie) und auch Zeit gebraucht, um zu wissen, was ich eigentlich am liebsten machen würde.
Der typischen nächse Schritt für mich wäre eigentlich eine experimentelle (interne) Doktorarbeit zu machen. Eigentlich gefällt mir aber Literaturrecherche und Schreiben viel besser als Laborarbeit.
Meine Frage ist: Ist es möglich als Naturwissenschaftler auf rein theoretischer Ebene zu promovieren, zB indem man anhand von Fachpublikationen eine bestimmte Theorie er-/bearbeitet (zB in den Neurowissenschaften)? Wenn ja, wäre es nur als externe oder vielleicht sogar als intere Doktorarbeit möglich? Würde ein Prof, der eigentlich ein experimentell forschendes Institut leitet so etwas überhaupt betreuen (Hätte er was davon)?
Ich bin für alle Infos und Gedanken dankbar
LG Lukas

Re: theoretische (externe) Promotion als Naturwissenschaftl

Verfasst: 22.01.2015, 06:28
von Penguin
Hi!

Ein Professor wuerde dich bestimmt betreuen, wenn du dich selber um die Finanzierung kuemmern wuerdest! Er selber haette ja wahrscheinlich eher nur Gelder fuer die experimentelle Forschung zur Verfuegung. Allerdings weiss ich nicht ob du in dem Falle dort gut aufgehoben waerst. Wenn alle um dich herum nur Laborarbeit machen und du als einziger Literaturrecherche, dann koennen dir wahrscheinlich nicht viele Leute bei Problemen helfen, auch der Prof nicht.
Wenn du dich wirklich eher fuer diese Richtung entscheidest, dann waerst du wahrscheinlich in der Geschichte der Naturwissenschaften besser aufgehoben?

lg
Penguin

Re: theoretische (externe) Promotion als Naturwissenschaftl

Verfasst: 23.01.2015, 16:22
von Vollkornpizza
Hallo Lukas,

vielleicht wäre es eine Option für dich, etwas in Richtung Epidemiologie zu machen? Da müsstest du dich nicht auf eine Literaturrecherche beschränken, könntest aber dennoch von zu Hause, vom Schreibtisch aus promovieren, trotzdem neue Erkenntnisse erarbeiten und Daten sind ja oft auch schon da. Jemand mit biomedizinischen Vorkenntnissen wird da je nach Thema sicherlich gerne genommen.

Viele Grüße

VP

Re: theoretische (externe) Promotion als Naturwissenschaftl

Verfasst: 14.02.2015, 20:25
von Santa_Fe
Hi! Ich denke, wenn die Finanzierung geklärt ist, wirst du sicher einen Betreuer finden, wenn du ihm ein Konzept vorlegen kannst, aus dem schlüssig hervorgeht:

- wie deine Arbeit aufgebaut sein wird
- welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse erarbeitet werden sollen, die über das Zusammenfassen von Literaturdaten hinaus gehen
- wie du mit einer Literatur-Arbeit deine Fähigkeit zu eigenständiger, wissenschaftlicher Forschung in deinem Fachgebiet nachweisen willst (darum geht es bei einer Doktorarbeit im Gegensatz zu einem B.Sc. ja schließlich). Das stelle ich mir schwierig vor: Ein Biologe soll in der Biologie forschen können, und nicht nur lesen und interpretieren - auch wenn dazu Fachkenntnisse nötig sind
- in wie weit sie den Ansprüchen an den Arbeitsumfang, die Komplexität und fachliche Tiefe einer Dissertation genügt
- in wie weit deine Arbeit über die Recherche zum "Stand der Technik" und über die Zusammenfassung der aktuellen Literatur zu einer bestimmten Fragestellung hinausgeht, die ohnehin in der Einleitung jeder, auch experimentellen, Dissertation enthalten sein muss. Beispiel: Eine experimentelle Arbeit zum Thema: "Synthese der Verbindungen der Klasse A und Untersuchung ihrer Wirksamkeit gegen Schnupfen" muss eigentlich eine Abhandlung darüber beinhalten, welche Studien bereits über der Klasse A verwandte Verbindungen und ihre Schnupfen-Wirksamkeit gemacht werden, was die vermuteten Wirkmechanismen sind, und so weiter. Auch hier werden durchaus Erkenntnisse und Schlussfolgerungen von Dir, die sonst noch nirgendwo nachzulesen sind erwartet, à la "Es wurde bereits sehr viel über die Wirkmechanismen von Verbindungen der Klasse B und C untersucht, und zwar kam heraus, dass diese prinzipiell wirksam sind, aufgrund des Phänomens X aber nicht eingesetzt werden können. Es ist zu erwarten, dass der Wirk-Mechanismus der Verbindungen der Klasse A nicht Phänomen X unterliegt und A daher als wirksames, verträgliches Medikament eingesetzt werden kann. Darum habe ich A synthetisiert und untersucht" Und dann kommt erst der experimentelle Teil, in dem im Labor gearbeitet wurde, in dem Hypothesen aufgestellt und experimentell belegt werden, und der die eigentliche Forschungs-Arbeit ausmacht. Dafür bräuchtest du einen adäquaten Ersatz.
Sonst läufst du Gefahr, dass du hinterher mit einer sehr ausführlichen, lesenswerten und guten Einleitung dastehst - aber die macht eben noch keine Dissertation aus.

Wenn du diese Punkte im Vornherein klärst, und dann nach ein paar Jahren abgeben willst und alle Punkte abgearbeitet und erfüllt wurden, wird die Arbeit auch durchgehen, denke ich!
Aber du solltest ehrlich mit dir sein und dir gut überlegen, ob du nicht nur wissenschaftlich arbeiten, sondern wirklich eigenständig forschen willst. Wenn du das willst, und nur dann, ist eine Promotion gut und sinnvoll, ansonsten wird es dir keinen Spaß machen, und/oder du schießt am Ziel vorbei.
Noch eine Idee, wenn du wirklich forschen willst, aber einfach keinen Bock mehr auf Labor hast: Gerade in Molekularbiologie sollte es doch IMO auch möglich sein, theoretische Untersuchungen im Sinne von theoretischer (Bio-)chemie zu machen: Molekulardynamische Simulationen, Modellentwicklung für biochemische Mechanismen etc. - wenn das was für dich wäre, ist das sicher ein gutes und solides Promotionsthema.