Abbruch?

Jahresarchiv
Gesperrt
ines123

Abbruch?

Beitrag von ines123 »

Hallo zusammen,

ich habe gesehen, dass das Thema hier schon mehrfach auftaucht: Abbruch der Promotion. Würde mich über Ratschläge zu meiner Situation freuen.
Ich habe VWL/Entwicklungsökonomie im Ausland studiert und vor 9 Monaten in Deutschland angefangen, zu Promovieren in diesem Bereich.
Ehrlich gesagt war es schon von Anfang an eher eine Verlegenheitsentscheidung mangels Alternativen. Aber es gibt durchaus Bereich die mich reizen, vor allem die Möglichkeit im Ausland Primärdaten zu erheben, etwas was ich schon sehr gerne machen wollte. Allerdings weiß ich, dass ich nicht an der Uni bleiben möchte, und frage mich daher immer mehr, was mir der Titel eigentliich bringen soll. Zudem fühle ich mich nicht gut betreut, bei uns herrscht Massenbetrieb, aber gleichzeitig ein hoher Zeitdruck. Die sonstigen Bedingungen im Projekt sind gut (Bezahlung, keine Verpflichtung zu Lehre). Allerdings merke ich, dass mir das "allein vor sich hin"-Arbeiten überhaupt nicht liegt, ich zwinge mich schon zu Austausch mit anderen und es gibt auch Möglichkeiten, allerdings fühle ich mich trotzdem alleingelassen und überfordert. Zudem sagt mir mein Thema nicht besonders zu, was aber vor allem an der Kleinteiligkeit liegt (das größere "Oberthema" finde ich schon ganz interessant, aber meine spezifischen Forschungsfragen und Methoden finde ich nicht überzeugend). Zudem fühle ich mich auch organisatorisch überfordert, da ich meine Datenerhebung im Ausland vollkommen allein vorbereite und mein Prof selbst keine Erfahrung damit hat.
Ich bin vorbelastet mit Depression und merke, dass mich die Unsicherheit und Unklarheit der Aufgabe, der unterschwellige Druck sowie auch Isolation am Wohnort, an den ich für die Arbeitsstelle gekommen bin und der mir auch überhaupt nicht zusagt, gerade wieder in eine Abwärtsspirale treibt. Ich würde am liebsten alles hinwerfen und mich von der Last befreien. Andererseits habe ich eventuell noch nicht alles versucht, um die Situation zu verbessern. Schwer zu sagen, was ich noch tun kann.
Wenn ich ein anderes Jobangebot hätte, würde ich sofort ohne zu zörgern tschüss sagen. Allerdings denke ich, meine Chancen stehen nicht besonders gut mangels "echter" Berufserfahrung.
Ich frage mich, ob dies noch sinnvolle Vorraussetzungen sind, weiter zu machen, oder ob ich es dann lieber gleich lassen sollte. Wie sehen denn die Möglichkeiten für Abbrecher real aus?
Danke schonmal für Feedback.
histosowi
Beiträge: 107
Registriert: 25.02.2014, 16:50
Status: Fertig

Re: Abbruch?

Beitrag von histosowi »

Hallo Ines123,

das ist wirklich eine schwierige Situation, in der du dich da befindest. Einen wirklich konkreten Rat kann ich dir auch nicht geben, aber ich finde, daß eins immer im Vordergrund stehen sollte: die eigene Gesundheit. Wenn die eigene Gesundheit Schaden zu nehmen droht, ist das eine ernste Angelegenheit, man hat ja schließlich nur eine einzige.

Schlimm finde ich, daß "abbrechen" immer mit "versagen" gleich gestellt wird, für das man sich rechtfertigen muß. Dabei ist es alles andere als ein Versagen. Es ist eine Entscheidungsfindung, eine Neuorientierung, eine reelle Erkenntnis, daß das, was man derzeit tut, einem nicht liegt, oder man das so nicht stemmen kann oder will. Hier im Forum wurden schon gute Ratschläge gegeben, wie man so einen Abbruch einem zukünftigen Arbeitgeber gut "verkaufen" kann, nämlich als ein- oder mehrjähriges Projekt, als eine wissenschaftliche Vertiefung, etc..

Zum Thema Job an sich: du schreibst, du befürchtest, daß du keine Arbeitsstelle finden wirst. Dem ist zu entnehmen, daß du dich noch nicht ernsthaft und ausgiebig beworben hast, und sei es nur, um deinen Marktwert zu testen. Das solltest du unbedingt machen, denn sonst bleiben Befürchtungen Befürchtungen, eine konkrete Erkenntnis kannst du daraus aber nicht ziehen.

Besteht die Möglichkeit, daß du eine mehrwöchige Pause einlegen kannst? Das könnte helfen, deinen seelischen Zustand wieder zu verbessern und erste Gedanken zu einer (Neu-) Orientierung zu fassen.

Viele Grüße, Histosowi
Zuletzt geändert von Sebastian am 04.01.2015, 20:20, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Beispielhaften Thread verlinkt.
Sebastian
Admin
Beiträge: 1977
Registriert: 30.08.2006, 12:41
Status: Schon länger fertig
Hat sich bedankt: 32 Mal
Danksagung erhalten: 55 Mal
Kontaktdaten:

Re: Abbruch?

Beitrag von Sebastian »

Hallo,

in diesem Forum bin ich eigentlich der Mensch für die Durchhalteparolen - wenn aber ernsthafte Erkrankungen "wegen der Diss" im Hintergrund stehen, zögere auch ich.
Wie lange würde das Projekt Promotion für Dich denn voraussichtlich (planmäßig, ungeachtet etwaiger Verzögerungen) noch dauern sollen?

Sebastian
ines123

Re: Abbruch?

Beitrag von ines123 »

hallo, danke für euere rückmeldungen. Es würde noch 2 Jahre dauern. Die Möglichkeit einer längeren Pause/Krankschreibung sehe ich nicht, weil wegen Fianzierung und Co schon ein enormer Zeitdruck herrscht, sodass ich mir dadruch keinen Gefallen tun würde, im Fall dass ich doch weiter machen wollte. Also steht eigentliich nur ein zeitnaher Abbruch zur Debatte...
histosowi
Beiträge: 107
Registriert: 25.02.2014, 16:50
Status: Fertig

Re: Abbruch?

Beitrag von histosowi »

ines123 hat geschrieben:Die Möglichkeit einer längeren Pause/Krankschreibung sehe ich nicht, weil wegen Fianzierung und Co schon ein enormer Zeitdruck herrscht, sodass ich mir dadruch keinen Gefallen tun würde, im Fall dass ich doch weiter machen wollte. Also steht eigentliich nur ein zeitnaher Abbruch zur Debatte...
Hallo Ines,

das sehe ich nicht so. Zwei, drei Wochen Pause kann man immer machen, davon geht die Welt nicht unter. Und finanzieren kann man sich auch anders, als mittels einer Stelle an der Uni, oder via Stipendium. Wenn jetzt schon so ein enormer Zeitdruck herrscht, wie willst du das dann die nächsten zwei Jahre durchhalten? Fazit: schaff dir ne Alternative. Setze dir ein realistisches Ziel (in dem kein Zeitdruck vorkommt!), was du in den nächsten zwei Jahren erreichen willst und kannst, ohne dich dabei völlig zu verausgaben. Wenn du dann noch ein, zwei Jahre länger brauchst, finanzierst du den Rest durch einen Job. Es gibt immer Mittel und Wege, ein Ziel zu erreichen, ohne dabei halbtot auf der Strecke zu bleiben. Es dauert dann halt etwas länger. Dafür gibt es dir Zeit, dein PromVorhaben mit Kraft, aber in Ruhe durchzuziehen. Ich will dir aber natürlich ein Abbrechen auch nicht ausreden. Wenn das Promotionsvorhaben kein Herzenswunsch ist, wäre eine Neuorientierung vielleicht besser für dich.

Viele Grüße, Histosowi
Sebastian
Admin
Beiträge: 1977
Registriert: 30.08.2006, 12:41
Status: Schon länger fertig
Hat sich bedankt: 32 Mal
Danksagung erhalten: 55 Mal
Kontaktdaten:

Re: Abbruch?

Beitrag von Sebastian »

Den Zeitdruck kann ich so auch nicht nachvollziehen und würde mich dem an Deiner Stelle auch nicht unterwerfen wollen.
In einem Projekt, welches auf insgesamt fast drei Jahre angelegt ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass Ausfälle von Mitarbeitern über zwei, drei Wochen nicht einkalkuliert bzw. wieder auszubügeln wären. Es könnte ja auch - was niemand wünscht - ein Beinbruch oder eine Tropenkrankheit sein - oder der Ausfall eines wichtigen Gerätes durch technischen Defekt oder Softwarefehler.

Viele Grüße

Sebastian
zombie777
Beiträge: 55
Registriert: 02.10.2014, 22:54
Status: schon länger fertig

Re: Abbruch?

Beitrag von zombie777 »

ines123 hat geschrieben: Wenn ich ein anderes Jobangebot hätte, würde ich sofort ohne zu zörgern tschüss sagen. Allerdings denke ich, meine Chancen stehen nicht besonders gut mangels "echter" Berufserfahrung.
Überlege nur: Nach 3 Jahren Promotion wirst Du immer noch keine "echte" Berufserfahrung haben. Man kann natürlich hoffen, dass man als Dr. schnell eine tolle Stelle findet, aber ehrlich, da würde ich Dir raten, skeptisch zu bleiben, besonders wenn Du in Deinem Bereich bleiben willst. Ich promovierte in einem ähnlichen Bereich und hatte ähnliche Probleme wie Du. Ich habe es geschafft. Aber die Möglichkeiten nach der Promotion sind begrenzt. Natürlich gibt es internationale Organisationen, manche haben sogar Programme für Absolventen. Aber das sind ein paar, wenige, Organisationen und in der Regel deutlich <100 Absolventenstellen/ Organisation/ Jahr. Bei den attraktivsten Organisationen tausende Personen pro Stelle. Plus, als Frau hat man auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Karten.

Und ich hatte bei der Verteidigung erste "echte" berufliche Erfahrungen.

Am Ende findet jeder etwas. Die Frage ist, ob dieses "etwas" nach der Promotion in Sozialwissenschaften deutlich besser ist, als nur nach dem Master oder Magister. Ich habe vor ein paar Monaten eine Ausschreibung bei einem Berliner Think Tank gesehen. Man suchte eine/n promovierte/n VWLer/in mit Schwerpunkt Entwicklung für ein halbjähriges (oder doch jähriges?) Traineeship. 1500 EUR brutto/ Monat.
14. Apr 2017;14. Jul 2017;a;bis ich statistisch gesehen einen neuen Job finde.
flip
Beiträge: 1166
Registriert: 02.11.2012, 02:50
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 46 Mal

Re: Abbruch?

Beitrag von flip »

Kann ich so bestätigen. Der "Dr" allein bringt dir in der Entwicklungsökonomik so gut wie nichts. Wichtiger ist, dass man sich entweder ein Netzwerk aufgebaut hat oder möglichst früh den Absprung in die enstprechende Organisation schafft. Sonst verschiebt man das Problem einfach nur um ein paar Jahre.
Ich promoviere auch in VWL und habe die Entwicklungsökonomen hautnah miterlebt bzw. ich erlebe es gerade von meinen Kollegen mit. Was dort teilweise abgeht ist nicht mehr normal. Vor allem in den Doktorandenprogrammen. Renomierte Fakultäten in dem Bereich wie Göttingen, Mannheim oder Heidelberg werfen einfach viel zu viele Absolventen auf den Arbeitsmarkt. Erstere sogar mit einem eigenen Master.

Nur mal als Beispiel: Die OECD hat in diesem Bereich dieses Jahr 15 Stellen weltweit ausgeschrieben. Bewerberzahl: Locker vierstellig. Ein Kollege von mir ist immerhin unter die ersten 800 gekommen, also in die "Online Auswahl". Das Verfahren läuft noch.

Sicher, einge schaffen es in gute Positionen, aber bei weitem nicht alle. Ich kenne keinen Absolventen/Dr der den unbefristeten Sprung in eine der namhaften Institutionen geschafft hat. Einzige Ausnahme ist die KfW. Aber dort wird man nur in Betracht gezogen, wenn man das ein oder andere Projekt/Praktikum mit denen absolviert hat. Und wenn ich mich recht erinnere, dann lag die Zahl der Neueinstellungen in deren Traineeprogramm letztes Jahr bei... acht.
Wenn ich also keine guten Gründe findet, weshalb der Arbeitgeber gerade mich auswählen sollte, dann würde ich noch einmal sehr tief in mich blicken und darüber nachdenken, wie realistisch es später wird, in dem Bereich zu arbeiten.
zombie777
Beiträge: 55
Registriert: 02.10.2014, 22:54
Status: schon länger fertig

Re: Abbruch?

Beitrag von zombie777 »

flip hat geschrieben:
Nur mal als Beispiel: Die OECD hat in diesem Bereich dieses Jahr 15 Stellen weltweit ausgeschrieben. Bewerberzahl: Locker vierstellig. Ein Kollege von mir ist immerhin unter die ersten 800 gekommen, also in die "Online Auswahl". Das Verfahren läuft noch.
Wenn ich mich richtig erinnere, war die Bewerberzahl in den letzten Jahren >10.000 (zugegeben, ich habe keine Zeit, die Info wieder zu suchen). Ich habe es auch geschafft, unter den besten zu sein. Und dann schreibt man einen Online-Test, der absolut keinen objektiven Vergleich zwischen Bewerbern ermöglicht. Um diese Stellen kann man sich zwar bewerben, man sollte aber nicht erwarten, dass man so was kriegt, weil das so unwahrscheinlich ist.
14. Apr 2017;14. Jul 2017;a;bis ich statistisch gesehen einen neuen Job finde.
Gesperrt
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag