Ãœbernahme sprachlicher Eigenheiten des Doktorvaters

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Kalypter

Ãœbernahme sprachlicher Eigenheiten des Doktorvaters

Beitrag von Kalypter »

Hallo!

ich bin ganz neu im Forum und dies ist mein erster Beitrag. Ich habe gerade erst angefangen zu promovieren (Geisteswissenschaft), bin aber voller Elan und Tatendrang! :-) Die Tipps und Anregungen, die ich bisher als stiller Mitleser in diesem Forum mitbekommen konnte, waren sehr hilfreich und es tut gut zu lesen, dass man mit seinen alltäglichen Problem(ch)en nicht alleine ist!

Nun zu meiner Frage: mir ist schon in der Vegangenheit bei Haus- und Abschlussarbeiten aufgefallen, dass ich beim Schreiben schnell in einen sprachlichen Duktus gelange, der meinem jeweiligen Dozenten / Prüfer / Betreuer ähnlich ist. Ich halte mich sprachlich für recht begabt und glaube auch, dass ich ganz gut mit dem "nüchternen" Wissenschaftsstil klarkomme; trotzdem habe ich beim Verfassen immer die Stimme des jeweiligen Dozenten (bzw. Doktorvaters) im Kopf und immitiere dann unwillkürlich für ihn typische Sentenzen, Wörter und Konstruktionen. Ich weiß, dass ich den Text nicht für meinen DV, sondern für meine eigene Dissertation schreibe; aber irgendwie komme ich nicht davon weg...

Ein Beispiel: einer meiner Dozenten hat immer sehr gerne das Wort "entsprechend" (sowohl im täglichen mündlichen Umgang als auch in Publikationen) benutzt. Als ich mal eine Hausarbeit bei ihm geschrieben habe, ist mir immer wieder ein "entsprechend" rausgerutscht: "Entsprechend treffen diese Annahmen nicht zu"; oder "die entsprechende Fachliteratur versäumt es, entsprechend auf dieses Thema einzugehen". Aaaargh! Das macht einen doch wahnsinnig, zumal das Wort "entsprechend" nicht immer angebracht ist.

Ein weiteres Beispiel: eine Dozentin hat ihre wissenschaftlichen Texte immer gerne mit "süffisanten" ironischen Bemerkungen versehen (ja, etwas schrullig, aber in einigen Fächern ist das möglich; vor allem bei Zeitschritenartikeln, die je nach Zeitschrift zu einem gewissen Grad unterhaltsam sein dürfen...). Dazu gehörten auch altertümliche Verben wie "frohlocken" oder "füsilieren". Und hier wieder das gleiche: kaum musste ich einmal einen Text für ein Seminar bei ihr schreiben, schon habe ich diese merkwürdige Eigenart übernommen.

Versteht mich nicht falsch; ich bin durchaus eigenständig genug, meinen eigenen Stil durchzusetzen. Aber manchmal lasse ich mich von solchen Eigenheiten einfangen... wie ist das bei Euch? "Hört" ihr beim Lesen/Schreiben auch immer die Stimme Eures DV/DM im Kopf? Übernehmt Ihr sogar wie ich unwillentlich besondere sprachliche Eigenheiten?
DoneXY

Re: Ãœbernahme sprachlicher Eigenheiten des Doktorvaters

Beitrag von DoneXY »

Kalypter hat geschrieben:Versteht mich nicht falsch; ich bin durchaus eigenständig genug, meinen eigenen Stil durchzusetzen. Aber manchmal lasse ich mich von solchen Eigenheiten einfangen... wie ist das bei Euch? "Hört" ihr beim Lesen/Schreiben auch immer die Stimme Eures DV/DM im Kopf? Übernehmt Ihr sogar wie ich unwillentlich besondere sprachliche Eigenheiten?
Klares Jein! Ich lasse mich nicht 'einfangen', doch habe ich von meinem DV mindestens ein Wort übernommen. 'Gleichwohl' (=> dieses Wort) es mir selbst beim Schreiben in den Ohren klingelt und weh tut. Doch habe ich das Problem, dass mir manchmal die Worte ausgehen, mit den sich Sätze gut verbinden lassen und so ein flüssiges Lesen ermöglichen. 'Gleichwohl' ich bei diesem Wort auch immer etwas beim Lesen stolpere, benutze ich es zumindest in längeren Texten.

Mit 'somit' kann ich mich komischerweise schwerer anfreunden.
bienah
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Re: Ãœbernahme sprachlicher Eigenheiten des Doktorvaters

Beitrag von bienah »

Das ist ein normales Phänomen, das sich durch die Funktionsweise unseres Gehirns erklärt und auf Priming Effekte zurückgeht (s. beispielsweise "semantic priming"). Also keine Sorge, es geht bis zu einem gewissen Grade allen so, die sich sprachlich intensiv mit DV/DM austauschen oder viele Texte von ihm/ihr lesen.
Sebastian
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Re: Ãœbernahme sprachlicher Eigenheiten des Doktorvaters

Beitrag von Sebastian »

Danke bienah, jetzt kenn ich endlich auch das schlaue Wort für diesen Effekt.
Rosa

Re: Ãœbernahme sprachlicher Eigenheiten des Doktorvaters

Beitrag von Rosa »

Das ist ja interessant, habe ich noch nie drüber nachgedacht - aber selbst schon bei mir festgestellt. Interessant auch die Kommentare dazu. Ich neige dazu, bestimmten Personen, die mir persönlich sehr wichtig sind, Denkmäler im Text zu setzen, indem ich für Sie typische Formulierungen verwende. Aus lauter Sympathie.
Und keine Sorge: Du wirst Deinen Diss Text garantiert später noch überarbeiten, wobei zeitweilige Wortvorlieben, seltsame Wörter, Füllwörter, Ironie, kleine Gemeinheiten gegenüber anderen Autoren, übertrieben dramatische Darstellungen etc., was man so zur Selbstunterhaltung in den Text eingeflochten hat, meist durch den Verfasser selbst irgendwann getilgt werden. Sie haben dann ihre Funktion erfüllt. Mir haben Korrekturleser Wörter als Stilblüten angestrichen, die ich für besonders gut gewählt hielt... :shock:
Kalypter

Re: Ãœbernahme sprachlicher Eigenheiten des Doktorvaters

Beitrag von Kalypter »

@bienah
ja, danke für das Wort! jetzt wo Du es erwähnst, fällt mir ein, dass ich mal darüber was in irgendeinem populärwissenschaftlichen Werk gelesen habe; angeblich gleichen zwei Personen, wenn sie sich öfter unterhalten, unbewusst gegenseitig ihren Sprachstil an, wodurch man sich automatisch sympathischer findet. Hat das damit auch zu tun? ^^

@Rosa
jaja, die Selbstunterhaltung... ich muss mich auch immer sehr zusammenreißen, wenn ich beim Schreiben gerade in lustiger Stimmung bin :-D
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