Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
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donkeydoeshisphd
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Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von donkeydoeshisphd »

Hallo zusammen (richtet sich an FH-Professorinnen/Professoren),

an meiner FH ist es so, dass recht wenige Drittmittel eingeworben werden, was regelmäßig von der Hochschulleitung bemängelt wird. Allerdings gibt es keine Sondervergütung - maximal kann ein Deputatsnachlass im bescheidenem Umfang herauskommen (2 - 4 SWS..).

Nun frage ich mich:
Was ist für mich als verbeamteter Prof. der Anreiz, mir neben der Lehre den Stress anzutun und Anträge zu schreiben? Ich bin nicht faul, ich stecke viel Zeit in die Lehre um diese stets aktuell zu halten - da müsste ich dann Zeit "abknappsen" und im Worst Case sinkt die Lehrqualität dadurch. Wenn ich als erfahrender Prof. mal mehr Zeit habe, könnte ich darüber hinaus auch im Rahmen von Nebentätigkeiten vergütete Aufträge aus der Industrie annehmen (machen bei uns fast alle und sichert auch einen gewissen Anwendungsbezug in der Lehre), statt mich für Umme in aufwändige Antragsverfahren zu stürzen...

Wie geht ihr mit diesem Dilemma um und gibt es an anderen Hochschulen eine Art "Entlohnung" für das Einwerben von Drittmitteln oder geschieht dies aus reiner Liebe zur Forschung?

Danke
Donkey
Wierus
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von Wierus »

donkeydoeshisphd hat geschrieben: ↑06.09.2022, 16:09Was ist für mich als verbeamteter Prof. der Anreiz, mir neben der Lehre den Stress anzutun und Anträge zu schreiben?
Solange dein Forschungsprojekt nicht Unsummen zu verschlingen droht und du deshalb händeringend nach weiteren Geldgebern suchst, bringt dir diese (beinahe aufgezwungene) Einwerberei imho rein garnichts.

Ich denke, es soll das Networking in Richtung Privatwirtschaft und Stiftungen/'Think Tanks' vorantreiben, ergo: Abhängigkeiten schaffen.
Der einzige wirkliche Profiteur --außer der Uni-- ist der Drittmittel-Geber, der damit letztlich Einfluss auf deine Forschung erhält.

Wäre ich verbeamteter Hochschullehrer, würde ich alles daran setzen, mir für meine eigene, unabhängige Forschung Raum zu schaffen. Das wäre so ziemlich das oberste Gebot, gleichauf mit "Pflichtlehre erledigen". Drittmittel-Anträge schreiben wäre so ziemlich das letzte, wofür ich meine kostbare Zeit (und Nerven) opfern würde.

Ich weiß allerdings nicht, inwieweit FH-Professoren überhaupt dazu angehalten sind, neben der Lehre noch zusätzliche Forschung zu betreiben.
johndoe
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von johndoe »

Ich denke, es hat letztlich mit der eigenen Interessenslage zu tun. Wer für Forschung brennt und vll auch lieber an der Uni wäre, kann sich damit halt profilieren - und entsprechende Vorleistung ist sicher auch gut, wenn man sich auf eine Forschungsprofessur mit halbiertem Deputat bewirbt, um noch intensiver Forschung zu betreiben, oder gar mit einem Uni-Lehrstuhl liebäugelt.

Ich finde das eigentlich super, dass jeder FH-Prof seine Rolle etwas anders interpretieren kann, ob als reiner Hochschullehrer, Nebenjob-CEO oder Forscher. Aktuell sehe ich das wie du - ich freu mich auf mein erstes Semester, ich freue mich v.a. aufs Unterrichten, denn das hat mir in all den Konzernjahren am meisten gefehlt - spannende (aufreibende) und innovative Projekte hatte ich dagegen zu genüge. Und mehr brauche ich aktuell nicht. Aber wir machen den Job ja noch länger und Interessen können sich mit der Zeit ändern. Ist doch schön, dass man die Freiheit hat, oder?

Aja, soweit ich das bisher sagen kann, wird an meiner Hochschule auch ein bisschen Deputat reduziert für einzelne Forschungsprojekte - ob das angemessen ist, kann ich als Neuling leider nicht sagen. Ich hatte jedenfalls bei der Ernennung/Berufung nicht das Gefühl, dass mir die Pistole auf die Brust gesetzt wurde bzgl. Drittmitteleinwerbung.
donkeydoeshisphd
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von donkeydoeshisphd »

Vielen Dank für eure Antworten! Nein, ich beschwere mich nicht über die Freiheiten, die sind genial. Auch darf uns die Hochschulleitung nicht anweisen zu forschen, sie beschwert sich vielmehr regelmäßig, dass wir das zu wenig machen, was halt keine Konsequenzen hat :D

Ich habe mich viel eher allgemein gefragt, was das Interesse sein könnte, das zu machen? Bei den forschungsaffinen Kolleginnen/Kollegen kann ich tatsächlich beobachten, dass hier öfter Konstrukte mit mehr Deputatsreduktion angestrebt werden (Forschungsprofessuren z. B.).

Ich muss mich da selbst noch etwas finden, was wohl jedem so geht, der noch nicht lange dabei ist. Tatsächlich beobachte ich verschiedenste Arten, wie die Professur "gelebt wird":
- Forschungsaffine Personen
- Personen, die rein in der Lehre aufgehen, da aber die kreativsten Dinge machen
- Personen mit umfassenden freiberuflichen Nebentätigkeiten / Inhaber/innen kleiner Firmen,
- Personen mit einem sehr entspannten Leben und Personen mit Auslandstätigkeiten an schönen Orten :lol:

Vielleicht magst du auch mal deine Erfahrungen beisteuern @johndoe, wie du das so beobachtest bei dir an der HS - Glückwunsch übrigens zur Berufung!
abc
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von abc »

In vielen Fällen wird ernsthafte Forschung auch Mitarbeiter notwendig machen. Die bekommt man aber nur mit Drittmitteln bezahlt.

Selbst wenn man nur hin und wieder ein Paper schreibt, muss man ja auch zu Konferenzen etc. das globale Reisebudget ist meistens nicht besonders üppig, d.h. das muss man auch irgendwie finanziert bekommen.

Mit erfolgreicher Forschung kann man sich durchaus profilieren und in eine bessere Position für eventuelle Gehalts- oder Bleibeverhandlungen bringen.
Nordisc
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von Nordisc »

An meiner FH ist Drittmitteleinwerbung Sache eines jeden Einzelnen. Ja, kann man machen, wenn man viel Langeweile hat. Gibt Kollegen, die verbringen jeden Abend in ihrem Labor bis 19 Uhr, fummeln, tüfteln, schreiben Anträge. Bei denen setzen sich auch 18 SWS zusammen aus 2 SWS Vorlesung und 8 x 2 SWS Praktikum, das in der Regel der WiMa hält. Dann hat man viel Freiheit. Wenn man Lust auf das Theater hat, nur zu. Anträge schreiben, um irgendwelche Gelder kämpfen, Stunden da reinstecken und wenn man es dann doch geschafft hat, die Problematik mit der Verausgabung (gibt es tatsächlich). Nichtssagende Zwischenberichte schreiben und am Ende ist es eigentlich recht wurscht, was bei dem Projekt herauskommt. Das Schwert einer kritischen Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen ist so stumpf, dass ich häufig verschämt zu Boden geschaut habe ob der Ergebnisse, wenngleich dies natürlich gerne auf Corona und Co. geschoben wurde.

Klingt jetzt negativ, aber für mich sind 5 Module im Grundstudium abreißen auch nicht schöner. Ein jeder muss seinen Mittelweg finden, der ihm Spaß macht. Ich mache ein wenig Vorlesung im Bachelor und Master, ein paar Wahlmodule mit Unternehmen und ein bissi von allem drum herum. Nebenbei nutze ich Viertmitteleinwerbung durch Lehraufträge im Ausland und Projekte in der Beratung. Davon profitieren dann wieder meine Studis durch aktuelle Lehrinhalte. Die Vernetzung in die Industrie ist für Masterarbeiten etc. auch ganz gut und jene Unternehmen lassen sich dann auch gerne mal bei Unternehmensanlässen in der Hochschule blicken. Forschung noch zusätzlich? Kann man mich mit jagen. Ich pitche ab und zu mal um interne Drittmittel. Die sind so leicht zu bekommen, dass gute 6-stellige Beträge mit 3-Seiten Anträgen zu haben sind, weil die anderen Fachbereiche keine Lust oder keine Zeit haben oder ihre Mittel nicht verausgabt bekommen.

Ich kenne auch Kollegen, die gehen in ihrer Forschung auf. In der Lehre ein schmales Brett bohren durch Wahlmodule, Projektchen und Praktika und vor den großen Veranstaltungen im Grundstudium drücken. Dafür viel Zeit für Einwerbung von Drittmitteln und dadurch auch hoher Erfolg. Diese Kollegen publizieren daher auch fleißig, gönnen sich 3-4 Projektmitarbeiter und sind insgeheim doch eher Uniprof. Es gibt kein richtig oder falsch, sondern nur ein so oder anders. Der Vorteil am Prof sein ist nicht das Gehalt, sondern genau die Freiheit und Flexibilität. Finde, was dir Spaß macht.
Wierus
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von Wierus »

Es ist, wie immer, abhängig von den Fachkulturen. Im Maschinenbau sind teure Großprojekte mit vielen Mitarbeitern ein Ausweis exzellenter Forschung, in Astronomie & Astrophysik u.U. die Zusammenarbeit mit Sternwarten, in Soziologie & Geschichte wohl eher ein paar gut geschriebene Monographien.

Das Gebot, Drittmittel einzuwerben, macht eben nicht immer und überall Sinn.
donkeydoeshisphd
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von donkeydoeshisphd »

Vielen Dank nochmal für den Input und den Austausch!

Vielleicht kann ich nochmal einen Aspekt herausgreifen: Grundsätzlich würde ich gerne mehr mit Unternehmen zusammenarbeiten. Eben, weil die Studis da ja auch später arbeiten und auch um selbst "up to date" bei den relevanten Themen zu bleiben. Betonung auf "relevant", weil in der Forschung teilweise in meinem Bereich Sachen geschrieben werden, die derart an dem vorbeigehen, was man dort später braucht, das ist schlimm, aber gut, es hat ja auch einen Grund, warum es mich an die FH und nicht an die Uni gezogen hat.

Leider waren meine Erfahrungen mit Unternehmen bislang auch prickelnd nicht bzw. deren Anfragen tw. fast schon frech, meine wiederkehrenden persönlichen Negativhighlights:
- Für Firmen ist es in meinem Bereich sehr interessant, wissenschaftlich nachweisen zu können, dass ihre Produkte funktionieren (mehr will ich nicht schreiben, um mich nicht zu verraten). Ich kriege tatsächlich Anfragen, dies wissenschaftlich im Fall der Produkte von einzelnen Firmen nachzuweisen. Sprich: Gefälligkeitsgutachten zu schreiben. Selbstverständlich gratis, ich würde ja Daten dafür kriegen... Davon abgesehen, dass ich auch für Geld keine Werbung (mehr ist das ja nicht) machen möchte, finde ich die Gratis-Mentalität zusätzlich übel.
- Die Erwartung, gerade wenn Drittmittel angebahnt werden, dass ich meine eigene Arbeitsleistung umsonst zur Verfügung stelle.

Ja und das ist zur Zeit knifflig für mich einen Weg zu finden, indem ich Firmenprojekte so mache, dass die Studis etwas davon haben, sie mir aber auch keine relevante unbezahlte Zusatzarbeit machen. Für bezahlte Auftragsforschung mit wirklich offenem Ausgang wäre ich ja offen, aber dafür muss man vermutlich etablierter sein bzw. ein besseres Netz haben, wenn das überhaupt gefragt ist. Wie ich da hinkomme: Muss ich wohl rausfinden.

Wie immer bin ich für Erfahrungen dankbar.
Florina
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von Florina »

Hallo,
ich habe überhaupt keine Erfahrung im Drittmitteleinwerben. Vielleicht könnten die Studierenden im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten kooperativ betreut werden? Bei uns funktioniert das eigentlich ganz gut. Die Themenauswahl kann ausschließlich seitens der Firma erfolgen oder in Absprache mit dem Lehrstuhl. Betreut wird dann entsprechend der Expertise und wer das Thema schlussendlich festgelegt hat. Natürlich funktioniert das nur, wenn die Firma auch Interesse hat, die Arbeit gut zu betreuen. Am Anfang war das bei uns auch etwas holprig, aber man bekommt schnell heraus, welche Mitarbeiter:innen aus den Firmen wirklich betreuen und wer nur Arbeit abgeben will.
Man muß daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muß man erreichen, koste es, was es wolle. - Marie Curie
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Re: Drittmitteleinwerbung für FH Professoren -> Anreize?

Beitrag von johndoe »

Ein Grund fällt mir doch noch ein - es gibt bereits Bundesländer mit eigenem Promotionsrecht für FHs, bei anderen ist die Option zumindest ab 2023 gesetzlich verankert. Hierfür gelten allerdings diverse Auflagen, u.a. eine gewisse Forschungsstärke der Professoren, die sich am Promotionszentrum engagieren. Wer also mit dem Gedanken spielt, künftig eigenständig und ohne "großen Bruder" von der Uni Doktoranden zu betreuen, der muss sich einerseits mit wissenschaftlichem Output qualifizieren (zumindest verstehe ich die Auflagen so) und andererseits Doktorandenstellen über Drittmittel finanzieren.
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