War es das wert?

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
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winniepooh

War es das wert?

Beitrag von winniepooh »

Hallo ihr Lieben,

Ich bin nach sehr langen 4,5 Jahren endlich dabei die finalen Korrekturen für meine Diss einzuarbeiten und werde sie in den nächsten Tagen an den Verlag schicken für die Veröffentlichung. Jetzt wo ich am Ende der Promotion stehe, frage ich mich ernsthaft: War es das wert? Bis alles vorbei ist werden es fast 5 Jahre gewesen sein, in denen ich zwar viel gelernt aber im Prinzip jede Minute der Arbeit an der Diss gehasst habe. Insgesamt komme ich vielleicht auf ganze sechs Wochen, in denen ich mein Thema einigermaßen interessant fand. Abgesehen davon war es eine jahrelange Qual, die mich unglücklich und mit einem arg angekratzten Selbstvertrauen zurückgelassen hat - und ich jetzt frage mich wozu das alles eigentlich? Nur für die zwei Buchstaben vor dem Namen und weil ich den Absprung nicht geschafft habe, als sich schon ziemlich früh herauskristallisiert hat, dass Wissenschaft nichts für mich ist? Wie seht ihr das? Könnt ihr rückblickend sagen, dass es die Promotion "es wert war", was auch immer das für euch heißen mag?
Wierus
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Re: War es das wert?

Beitrag von Wierus »

Ich denke du hast dir die Frage im Prinzip selbst beantwortet.

Denn das hier:
winniepooh hat geschrieben:Bis alles vorbei ist werden es fast 5 Jahre gewesen sein, in denen ich zwar viel gelernt aber im Prinzip jede Minute der Arbeit an der Diss gehasst habe. Insgesamt komme ich vielleicht auf ganze sechs Wochen, in denen ich mein Thema einigermaßen interessant fand.
... klingt leider nach einem dicken, fetten "Nein!"

Andererseits hättest du in diesen 5 Jahren auch einen extrem stressigen Job haben können, der dich in den Burnout oder in sonstige psychische Probleme getrieben haben könnte. Keiner kann dir beantworten, wie du dein Leben hättest besser gestalten sollen. Von daher: Kopf hoch und weitermachen. Du hast dein ganzes Leben noch vor dir - inklusive höchstem Bildungsabschluss! Mach das beste draus.
Paulchen
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Re: War es das wert?

Beitrag von Paulchen »

War es das wert?

Das habe ich mich nach ebenfalls fünf harten Jahren auch gefragt. Seit dem Ende meiner Promotion sind mittlerweile auch schon fast sechs Jahre vergangen und auch heute sage ich noch: nein, das war es nicht wert. Ich habe zwei dämliche Buchstaben vor dem Namen und höre dank eines Hörsturzes während der Dissertationsphase auf einem Ohr kaum noch was. Während viele meiner Freunde ihr erstes vernünftiges Geld verdient haben, hatte ich eine halbe, befristete Stelle...naja, ich könnte jetzt noch viel schreiben und mich auskotzen. Ich würde nie wieder promovieren und ich zucke innerlich immer zusammen, wenn ich diese zwei Buchstaben sehe oder damit angesprochen werde.

Was kann ich dir raten? Mach deinen Frieden damit, sei froh, dass es vorbei ist und schließ mit dem Kram möglichst positiv ab. Ansonsten wirst du so einem frustrierten Menschen wie ich. Vermutlich war es auch nicht die Dissertation selbst, die mich so wütend und frustriert zurückgelassen hat, sondern die vielen Jahre im System Uni
Dell
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Re: War es das wert?

Beitrag von Dell »

Für mich: Ja
Keine Frage, es war wohl v.a. zum Ende hin eine der stressigsten Zeiten meines Lebens und die Leute um mich haben mindestens so viel gelitten wie ich. Aber all die negativen Erinnerungen verblassten wahnsinnig schnell und selbst wenn ich versuche gezielt an die harten Zeiten zu denken ist da kein einziges negatives Gefühl mehr zu finden. Also gib es einfach etwas Zeit.

Auf der anderen Seite sind da all die positiven
Erinnerungen die immer noch stark präsent sind.
Ich habe tolle Leute aus der ganzen Welt kennengelernt. Super Team Spirit und viele neue Freunde denen ich nun überall auf der Welt über den Weg Laufe (wie heute Abend im Ausland). Zeit gehabt um an interessanten Themen zu arbeiten aber auch mich einfach für komplett fachfremde Dinge zu interessieren und diese zu Verfolgen. Einfach eine Freiheit zu tun was man will, die man so nie wieder hat (wie Paulchen ausgeführt hat geht dies mit einem Verlust an Einkommen einher, weshalb ich mich selbst als Postdoc nie als Arbeitnehmer betrachtet habe. Wenn der Chef will, dass ich etwas mache, sollte er mich gefälligst entsprechend bezahlen, ansonsten ist es meine Show und ich mache was ich will, auch wenn das 10 Wochen Urlaub oder bis Mittag schlafen ist).
Die Promotion sollte nie für die Anerkennung wegen der 2 Buchstaben sein (deshalb gibt es die bei mir auch nirgends, nicht mal der Arbeitswebsite wo es jeder meiner Kollegen angibt). Die Anerkennung kommt viel mehr dadurch, dass man neues Wissen beisteuert und die Forschung hunderter anderer Leute auf dieser Welt auf meinen Leistungen aufbauen. Vielleicht kein Platz in den Geschichtsbüchern, aber halt trotzdem etwas klitzekleines bleibendes auf dieser Welt hinterlassen. Persönlich mag ich auch die Möglichkeit mich mit anderen zu messen und im Wettbewerb zu stehen. Jungs halt... In einem normalen Beruf weiß halt kein Mensch wie kompetitiv er ist.... vielleicht noch im eigenen Betrieb, aber International?

Und zu guter letzt und ganz banal war die Promotion festes Einstellungskriterium meiner letzten Jobs, als keine Ahnung was ich ohne machen würde.
Zwonk
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Re: War es das wert?

Beitrag von Zwonk »

Eine interessante Frage. Ich habe keinerlei negative Erinnerungen an die Promotionszeit. Im Gegenteil - ich habe in einem tollen Umfeld promoviert, habe immer noch Kontakt zu den damaligen Kommilitonen, fand mein Thema sehr interessant, wurde auch von Seiten der Uni toll unterstützt, hatte während der Arbeit intellektuell meine Freude und bin - nicht zuletzt - immer noch der Meinung, dass ich eine gute Dissertation geschrieben habe.

Die Frage ist für mich eher, ob sich das Ganze für mich ausgezahlt hat. Da bin ich unschlüssig. Ich habe nicht nur die Uni verlassen, sondern habe mich inzwischen dann auch in einem völlig fachfremden Bereich etabliert. Mir macht meine jetzige Arbeit Spaß und ich würde auch nicht mehr zurück an die Uni wollen. Irgendwie kommt mir aber die Promotionszeit wie eine Episode vor, die zwar schön war, die aber keinen wirklichen Einfluss auf die weitere Entwicklung genommen hat. Wenn ich damals gewußt hätte, dass für mich quasi mit dem Tag der Abgabe meiner Dissertation meine universitäre Laufbahn für immer vorbei sein wird, hätte ich wahrscheinlich die Promotion gar nicht begonnen; für mich stand irgendwie immer fest, dass ich an der Uni bleiben werde. Inzwischen bin ich froh, dass ich nicht da geblieben bin, aber rückblickend betrachtet war die Promotion für mich wohl überflüssig.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
Paulchen
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Re: War es das wert?

Beitrag von Paulchen »

Es hängt, glaube ich, tatsächlich viel vom Umfeld und dem Betreuer ab. Wenn das alles stimmig ist, kann die Promotionszeit sehr schön sein. Bei mir war die Betreuung einfach eine Katastrophe. In seiner gesamten Zeit als Professor hat mein Betreuer insgesamt zwei Doktoranden erfolgreich zu Ende betreut (er ging dann auch direkt danach in Pension), alle anderen haben entnervt vorher abgebrochen. Ich werde das Gefühl nie vergessen, das ich hatte, als ich aus meiner Disputation herausgegangen bin und nur dachte: „Was für ein Scheiß und dafür hast du all die Jahre vergeudet.“ Insofern gilt einfach: wer ein super Umfeld hat, trägt den Grad mit stolz und wer nicht, der hat Pech gehabt.
winniepooh

Re: War es das wert?

Beitrag von winniepooh »

Bei mir waren das Umfeld und die Betreuer, ehrlich gesagt, toll. Ich hatte (und habe immer noch) großartige Kollegen, von denen einige über die Zeit zu sehr enge Freunden geworden sind, eine tolle Uni mit motivierten Studenten, die ich immer gerne unterrichtet habe, und Betreuer, die mich die ganze Promotionszeit unterstützt und gefördert und wirklich betreut haben. Leider spielen all diese positiven Aspekte in meinem Kopf aber überhaupt gar keine Rolle, wenn ich über meine Promotionszeit nachdenke, weil die Hassgefühle für die Diss alles überlagern. Während der Promotionszeit waren sie der einzige Grund, der mich davon abgehalten hat, die Diss nicht abzubrechen, aber trotzdem konnten sie nichts an der Tatsache ändern, dass jedes Wort, das ich für die Diss geschrieben habe, eine Qual war. Ich hoffe ja, dass sich die positiven Gefühle und der Stolz irgendwann noch einstellen, wenn wirklich alles durch ist und ich raus aus der Uni bin und die ganze Sache mit ein bisschen Abstand betrachten kann, aber nochmal promovieren würde ich im Nachhinein auch nicht mehr.
flip
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Re: War es das wert?

Beitrag von flip »

Paulchen hat geschrieben:Es hängt, glaube ich, tatsächlich viel vom Umfeld und dem Betreuer ab. Wenn das alles stimmig ist, kann die Promotionszeit sehr schön sein.
Das ist das wichtigste und gilt auch für jeden anderen Job!

Mich hatten damals sehr viele Freunde gefragt, was ich denn eigentlch nach dem Abschluss der Diss den ganzen Tag so tun würde. Für mich hatte sich die ersten Monate aber faktisch garnichts geändert, da ich die Diss nicht als ein eigenständiges Projekt angesehen hatte. Also die Forschung ging ganz normal weiter und die Abgabe der Diss war zwschendurch mehr oder weniger "nur" ein formaler Akt. Es hat sich auch nach der Dispuation nicht anders angefühlt.

Für mich war die Pormotionszeit sehr fordernd bzw. fördernd und ich habe sehr viel gelernt und das hilft mir jetzt ungemein. Dadurch dass ich in mehreren Teams zusammen gearbeite haben (auch nur mit anderen Doktoranden ohne Prof) gab und gibt es nach der Abgabe auch immer noch Projekte. Viele meiner ehemaligen Arbeiskollegen publizieren auch hin und wieder neben der Arbeit einen Artikel und ich tue dies auch. Ohne all dies könnte ich auch meinen jetzigen Job vernab der Forschung auch nicht ausführen.

Ich finde es immer ein wenig schade wenn ich Leute promovieren sehe, die die Diss als ein großes Projekt sehen, durch dass sie sich mehrere Jahre quälen um sich danach nie weider mit der Thematik zu beschäftigen. Das ist ja eigentlich nicht Sinn der Sache und führt dazu, dass der Weg zum "Ziel" nur noch länger und quälender wird. Das hat aber auch sicherlich mit verfehlter Anreizsetzung zu tun à la "ich muss promovieren, um einen Job zu bekommen". Diese Einstellung kann dann sehr gefährlich werden!
Traudel
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Re: War es das wert?

Beitrag von Traudel »

Den Satz "Ich würde nie, nie wieder promovieren" habe ich mich etliche Male sagen hören. Zugleich aber auch den Satz "Mit meinem heutigen Wissen könnte ich sehr viel besser, zielgerichteter und gesünder promovieren". Es stimmt beides.

Lieber winniepooh, gib Dir Zeit, die Diss. zu verarbeiten. Das muss für Außenstehende reichlich beknackt klingen, ja, pathetisch und der Sache unangemessen, aber ich denke, wir Promovierten und Promovierenden wissen, dass es sich wahrlich um eine Extremsituation handelt, die mit massiven Belastungsgefühlen einhergeht.

Nie habe ich einen solchen Stress empfunden und Anfälle von Unsicherheit erlebt wie zur Zeit meines Promovierens. Mit allem Drum und Dran, d. h. bis die Verlagspublikation draußen war, hat es tatsächlich sieben Jahre gedauert. Sieben Jahre Stress, wenig Geld, Zweifel. Bei mir war es allerdings schon so, dass ich auch Spaß am Schreiben und Recherchieren und Verwerten hatte. Mein Thema habe ich mir ganz bewusst ausgesucht, und ich hatte damit eine gute Stellung bei meiner DM. Ich mochte mein Thema, und es verhalf mir zum Quereinstieg in meinen jetzigen Arbeitsbereich.

In diesem Jahr ist es fünf Jahre her, dass ich promoviert wurde. Und so ausgelutscht es sein mag, aber die Zeit hat eine wahnsinnige Menge an Wunden geheilt. Heute bin ich so unheimlich froh und auch stolz, es geschafft zu haben. Nicht die angeeigneten und verarbeiteten Fachinhalte an sich, sondern das selbstgesteuerte und selbstverantwortliche Stemmen dieses Mammutprojekts des Promovierens hat mich nachhaltig gestärkt (zugegeben: auch einige Teilchen in Sachen Gelassenheit kaputt gemacht) und hilft mir ungemein weiter in meinem aktuellen Beruf.

Ich bin im Hochschulbereich geblieben, und mir bringt der Grad in der Tat berufliche Vorteile (auch finanzielle natürlich).

Fazit: Bis vor etwa zwei, drei Jahren hätte ich winniepoohs Titelfrage "War es das wert?" vermutlich mit "Nein" beantwortet. Mittlerweile habe ich mich erholt und sage mit ... naja ... 90%iger Überzeugung "Ja, das war es wert". Heilsam war aber für mich, dass ich mich inhaltlich ziemlich vom Diss.-Thema entfernt habe. Die methodischen Skills hingegen gehören nun fest zu meinem Beruf, den ich sehr mag.

Liebe Grüße
Traudel
Paulchen
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Re: War es das wert?

Beitrag von Paulchen »

Das hat aber auch sicherlich mit verfehlter Anreizsetzung zu tun à la "ich muss promovieren, um einen Job zu bekommen". Diese Einstellung kann dann sehr gefährlich werden!
Das kann ich so unterstreichen. Ich habe damals im linguistischen Bereich Grundlagenforschung gemacht und hätte das nach der Diss auch sehr gerne weitergemacht, musste aber an eine andere Uni wechseln und habe im Rahmen eines DFG-Projekts gearbeitet und durfte nahezu gar nicht mehr im Bereich meiner Dissertation arbeiten. Thematisch mochte ich mein Projekt sehr. Aber die Rahmenbedingungen waren leider eine Katastrophe. Heute habe ich damit auch überlegen nichts mehr zu tun und somit war die ganze Arbeit auch wissenschaftlich für die Tonne.
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