Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
Zeiteisen
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Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Zeiteisen »

Liebe Forengemeinde,

ich befinde mich nach meiner Promotion in einer misslichen Lage. Es ist alles ganz gut gelaufen und sowohl mein Erst- als auch Zwitgutachter haben mir nahegelegt es mit einer Bewerbung auf eine Juniorprofessur an der gleichen Universität zu versuchen. Es ist ja vergleichbar mit dem PostDoc und ich habe mich einfach mal beworben wobei ich mir zu diesem Zeitpunkt schon nicht sicher war. Mein Plan war immer in Industrie zu wechseln, aber natürlich habe ich während meines Studiums auch mal darüber nachgedacht irgendwann Professor zu werden.

Während der Promotion in den Ingenieurwissenschaften habe ich schnell gemerkt wie der Hase läuft. Drittmittel hier, Drittmittel da. Die Ergebnisse stehen im Fokus, das wissenschaftliche Arbeiten kommt immer mehr zu kurz etc. aber letztlich habe ich mich dennoch auf die Juniorprofessur beworben!

Die Bewerbung war nun erfolgreich, aber irgendwie habe ich Sorgen diesen Weg weiter zu gehen. Die Sicherheit fehlt einfach und ich denke das der Zeitaufwand für meine Begriffe zu hoch ist und sich schwer mit Familie vereinbaren lässt. Ich kann auch nicht abschätzen wie hoch die Chance auf eine W2 oder W3 Professur sein wird. Welche Erfahrungen habt ihr hier gemacht?

Was sollte man denn mitbringen? Das größte Problem ist, dass ich vor diesem Einwerben von Drittmittel und anbieten von Dienstleistungen zu großen Respekt habe. Ich möchte mich eher auf die Lehre konzentrieren. Auch das forschen würde ich gerne hinten anstellen. Das wird so aber nicht funktionieren, weil die Lehre heutzutage glaube ich nicht mehr der entscheidenende Faktor ist. Hohe Publication Rates und Drittmittel haben mehr Gewicht! Und gerade das schreiben von Publikationen war auch häufig mühselig.

Nach den sechs Jahren wäre ich dann Anfang 40. Da wird mich doch kein Konzern dieser Welt mehr anstellen, oder? Und auf Selbstständigkeit habe ich ehrlich gesagt keine große Lust.

Wie geht ihr mit dieser Situation um und gibt es vielleicht Erfahrungsberichte gerade im naturwissenschaftlichen, technischen Bereich?
Zwonk
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Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Zwonk »

Offen gestanden: Ich würde es bleiben lassen. Aus meiner Sicht bringt es nicht, eine Stelle anzunehmen, wenn Dir das Stellenprofil nicht zusagt. Wenn Du mit diesem Antragswesen Probleme hast und auch über wenig Affinität zur Publikationstätigkeit verfügst, wärst Du, aus meiner Sicht, eine Fehlbesetzung auf so einer Stelle. Das hat nichts mit mangelndem Vermögen zu tun, sondern eben damit, dass Deine Wünsche und das Stellenprofil nicht zusammenpassen. Daß Du auf der Stelle glücklich würdest, kann ich mir nur schwer vorstellen.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
Zeiteisen
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Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Zeiteisen »

Ich gebe dir prinzipiell Recht. Die gleichen Gedanken habe ich manchmal auch, andererseits denke ich mir, dass es auch eine Riesenchance sein kann. Die Dinge sind ja bisher auch gelaufen... ich habe ja dementsprechend auch starke Zusprecher

Meine Publikationen waren hauptsächlich Proceedings und dann auch keine Top-Konferenzen, aber auch nicht die schlechtesten. So ein fünfseitiges Papier bekommt man schnell hin aber eine Journalpublikation habe ich noch nicht geschrieben und da habe ich auch Respekt vor.
flip
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Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von flip »

Zeiteisen hat geschrieben: Was sollte man denn mitbringen? Das größte Problem ist, dass ich vor diesem Einwerben von Drittmittel und anbieten von Dienstleistungen zu großen Respekt habe. Ich möchte mich eher auf die Lehre konzentrieren. Auch das forschen würde ich gerne hinten anstellen. Das wird so aber nicht funktionieren, weil die Lehre heutzutage glaube ich nicht mehr der entscheidenende Faktor ist. Hohe Publication Rates und Drittmittel haben mehr Gewicht! Und gerade das schreiben von Publikationen war auch häufig mühselig.
Da schrillen bei mir sämtliche Alarmglocken. Lass es sein! Die Lehre ist und war nie der entscheidende Faktor. Niemand wird dich später auf Basis deiner Lehrevaluation einstellen. Wenn du jetzt nicht bspringst, verbaust du dir in der Tat die Zukunft.
Jucy

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Jucy »

Ich würde dir auch raten, dich neu zu orientieren.
andererseits denke ich mir, dass es auch eine Riesenchance sein kann. Die Dinge sind ja bisher auch gelaufen... ich habe ja dementsprechend auch starke Zusprecher
Nicht nur, aber auch durch die Schwierigkeit von Hausberufungen würde ich mich darauf nicht immer weiter verlassen.

Viel Erfolg :blume:
jucy
Green Goddess

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Green Goddess »

Das meiste, was mir dazu einfällt, ist bereits gesagt. Föip hat es prägnant formuliert, was du an Lehre absolviert haben wirst, wird keine Sau interessieren, wenn du in die Industrie wechselt. Was du an Drittmitteln eingeworben hast, eher auch nicht. Publish or perish und noch VIEL wichtiger NETZWERKEN. Genau darin sehe ich die Chance einer Professur mit "Absprungcharakter", du hast 6 Jahrre Zeit, dein Netzwerk auf höherer Ebene aufzubauen/zu festigen/erweitern. Ohne Fürsprecher ginge auch im Unibetrieb nichts weiter. Den Aufsichtsratsvorsitzenden des größten Drittmittelgebers des Instituts als Golfpartner zu haben, wäre für die akad. Karriere leider sehr viel förderlicher als ein noch so wichtiger Wissenszuwachs für deine Fachrichtung, that's life.
Zeiteisen
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Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Zeiteisen »

Netzwerken ist so eine weitere Sache! Ich tue mich darin in der Tat schwer. Zwar lernt man immer wieder Leute kennen, die auch durchaus von meiner Arbeit überzeugt sind/waren. Aber ein konkretes Angebot kam dadurch noch nicht zustande. Ich müsste also gerade in diesem Bereich noch weiter wachsen. Nicht falsch verstehen, dass traue ich mir zu und ich sicherlich auch in der Industrie das A und O falls ich jetzt noch abspringen sollte.

Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass ihr einen Wechsel nach drei oder sechs Jahren in die Industrie noch nicht ausschließen würdet oder? Ich mach mir dagegen schon große Gedanken, ob man dann noch gefragt ist. Klar über das Netzwerk vielleicht, aber über offizielle Bewerbungsverfahren eher nicht!

Sagen wir mal ich zieh die sechs Jahre durch, seht ihr dann nur Chancen auf eine Professur, wenn ein ausreichendes Netzwerk vorhanden ist? Ich habe schon das eine oder andere Berufungsverfahren gesehen und die Kandidaten aus der Industrie hatten meist die besten Karten. Einen JP mit ewig langer Publikationsliste hat man dagegen nicht für voll genommen, weil er wohl noch etwas zu jung war für eine W3! Ich möchte einfach vermeiden, dass mir das selbe blüht.

Könntet ihr noch etwas zu den Arbeitszeiten bzw. der Belastung sagen?

Danke an Alle
Twinkies

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Twinkies »

Hallo Zeiteisen,

ich kann mich prinzipiell dem anschließen, was die anderen schon geschrieben haben. Ich denke, dass die Juniorprofessuren, so wie sie momentan beschaffen sind, ein riesen Fehlschlag sind. Man lässt sich nach der Promotion für 6 weitere Jahre von der Uni benutzen, für ein Gehalt das nicht mal besonders hoch ist gemessen an der Qualifikation und der langen "Ausbildungszeit", und nach 6 Jahren stehst du dann vor dem Problem, dass du nicht weiter an der Uni und auch an sonst keiner Uni in Deutschland angestellt sein kannst (da die Uni dir sonst einen unbefristeten Arbeitsvertrag geben müsste, was sie nicht tut). Ich denke dass mittlerweile sogar die Publikationen nicht mehr an erster Stelle stehen, sondern eingeworbene Drittmittel, denn sonst "nützt" du ja der Uni und dem Institut nichts. Und natürlich, wie schon festgestellt wurde, die richtigen Beziehungen. Und selbst wenn man diese hat, ist das noch kein Garant für eine Professur - denn selbst wenn du Fürsprecher_innen an der Uni hast, müssen erstmal Professuren ausgeschrieben sein (wie sieht es da in deinem Fachbereich aus? Wie oft siehst du ausgeschriebene Professuren?), und dann müssen noch andere Faktoren stimmen, und manchmal ist es auch einfach Glück/Zufall.

Ich fasse zusammen (aus dem, was du geschrieben hast):
1. Publikationen (ein mittelwichtiger Faktor für eine Berufung) sind eher nicht so dein Ding.
2. Drittmittel einwerben (ein wichtiger Faktor) auch nicht so richtig(?).
3. Netzwerken (ein wichtiger Faktor) tust du dich auch schwer.
Daran kannst du arbeiten, wenn du das willst, aber ich sehe irgendwie nicht so die Bereitschaft dazu in dem, was du geschrieben hast. Dich allein auf deine bestehenden Fürsprecher (1-2 Profs?) zu berufen, wird dir nicht viel bringen.

Ich halte eine Juniorprofessur für eine Sackgasse. Für eine "Riesenchance" halte ich sie definitiv nicht (s.o.). Was spricht denn dagegen, dich jetzt direkt in der Industrie zu bewerben?
Twinkies

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Twinkies »

Außerdem, selbst wenn du es dann schaffst, eine Professur zu bekommen: dann musst du erst Recht die von dir "verhassten" Dinge tun, wie Drittmittel einwerben, publizieren, usw. Ist es denn das, was du bis zur Rente machen willst?
Zeiteisen
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Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Zeiteisen »

Ich glaube, dass ich in der Industrie durchaus Chancen hätte, aber ich habe dennoch Angst vor diesem Schritt. Ich mache mir darüber Gedanken, dass ich nicht schnell Vorwärts komme und irgendwo auf der Karriereleiter hängen bleibe, wo ich doch auf der anderen Seite hätte JP werden können. Ich weiß, dass die Gedanken falsch sind, aber sie sind dennoch da. Ich habe also im Endeffekt noch nicht geklärt, was ich eigentlich in der Industrie machen möchte. Das Thema meiner Diss. kann ich ausschließen. Ein Fachwechsel ist aber auch nicht leicht zu bewältigen. Es gab bisher fast nur Absagen.

In der Regel ziehen die meistens Jobs zumindest im ersten Jahr den kürzeren gegenüber einer JP. Nicht nur finanziell sondern eben auch inhaltlich. Auch der Arbeitsplatz und Ausstattung ist meist an der Uni (zumindest im Ing.-Bereich) besser. Natürlich hat man auch mehr Verantwortung. Evtl. seht ihr das anders - woher meine Verblendung kommt kann ich nicht sagen...

Die Freiheiten eines Profs würde ich durchaus gerne genießen - auch bis zur Rente. Aber inhaltlich gebe ich dir Recht! Ich weiß nicht, ob es eine Qual wäre. Andererseits habe ich es noch nicht in dieser Position ausprobiert. Bisher war ich ja nur der Promvend...

Ihr seht schon ich bin hin- und hergerissen!
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