Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
myfunnyvalentine

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von myfunnyvalentine »

Zeiteisen hat geschrieben:aber ich habe dennoch Angst vor diesem Schritt. Ich mache mir darüber Gedanken, dass ich nicht schnell Vorwärts komme und irgendwo auf der Karriereleiter hängen bleibe, wo ich doch auf der anderen Seite hätte JP werden können
Hier liegt m.E. ein Denkfehler. Wie Twinkies schon geschrieben hat: Die JP ist nur ein ‘Durchgangsstadium’ auf dem Weg zur Professur, nicht mehr.
Es sei denn, es handelte sich um eine der wenigen JP mit tenure – aber auch da dürfte es schwer werden unter den von Dir eingangs genannten Prämissen.

Du hast bis jetzt sehr viel – und imo sehr überzeugend – geschrieben, warum die JP (wahrscheinlich) nichts für Dich ist. Was spräche denn dafür? Außer dem Titel… 

Grüße

MFV
Green Goddess

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Green Goddess »

Es ist deine Entscheidung und so gut wie alles ist gesagt, aber ich wage zu bezweifeln, dass ausgerechnet Ingenieurwesen unter den MINT-Fächern dadurch heraussticht, dass Uni (speziell JP) ein höheres Jahresgehalt bietet als Industrie. JP liegt bei ca 55k + evtl. 3k Evaluationsbonus, nicht "ruhestandsfähig", bin ich da richtig? Das läge recht deutlich unter den mir bekannten Einstiegsgehältern für Ing, wobei ich nat. nicht deine genaue Fachrichtung kenne. Der Durchschnitt spricht gegen deine Behauptung, und dabei haben wir noch nichts über Jahresleistungsprämien und Überstundenvergütung gesagt, die sollen ja an der Uni nicht überragend sein. ;)
itsme

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von itsme »

Zeiteisen hat geschrieben: Ihr seht schon ich bin hin- und hergerissen!
Warum muss es denn ein "Entweder ... oder ... " sein? Ich glaube, deine Sicht ist ein bisschen dadurch verzerrt, dass du dich durch die Unterstützung deines Fachbereiches geschmeichelt und damit gebunden fühlst. Aber nichts ist für die Ewigkeit.

Warum nimmst du nicht erstmal die Chance mit der Juniorprofessur wahr und probierst aus, ob das etwas für dich ist? Wenn ich das richtig verstanden habe, hast du jetzt direkt auch keine Alternativen. Du hast sechs Jahre und kannst in der Zeit nach einem Job in der Industrie gucken. Du bewirbst dich dann aus einer Stelle heraus, was sicher besser ist, als jetzt mit der Uni abzuschließen und zwar mit abgeschlossener Promotion, aber ohne Stelle im Hintergrund in die Bewerbungen zu gehen. Falls du vor Ablauf der sechs Jahre in die Industrie wechselst: Es gibt keinen Grund, sich an die Universität gebunden zu fühlen. Die JP ist eben auch nur eine Stelle mit einem bestimmten Profil. Wenn du eine attraktivere Stelle findest, bist du frei, diese wahrzunehmen. Dann kann die Uni eben mit einem entsprechenden Angebot mitziehen oder sie muss dich gehen lassen. Marktwirtschaft ist schon was Feines. :mrgreen:

Vielleicht stellst du auch fest, dass die Juniorprofessur genau dein Ding ist. Dann kannst du in fünf Jahren anfangen, den nächsten Schritt, die Professur (oder eine Position als Senior Researcher) anzugehen. Da du dich auf die Lehre konzentrieren möchtest, ist ja vielleicht auch eine FH-Professur eine gute Möglichkeit für dich. Die Erfahrung außerhalb der Uni kann - je nach Landesgesetz - auch durch eine Habilitation oder habilitationsäquivalente Leistungen ersetzt werden. Es gibt durchaus Alternativen zur Professur und Beschäftigungsmöglichkeiten nach den sechs Jahren WissZeitVG. Du kennst den Zeitrahmen, deswegen ist das etwas, was du aktiv angehen kannst, z.B. indem du die sechs Jahre nutzt, um einfach erst mal Kontakte zu knüpfen, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob die zu einer Stelle führen. Eigentlich bist du in einer ziemlich beneidenswerten Situation, die vermutlich durch die Unentschiedenheit etwas belastet ist. Aber wie gesagt: Nichts ist für die Ewigkeit und die perfekte Karriereplanung gibt es sowieso nicht. Wenn du feststellst einen Weg gewählt zu haben, der nicht der Richtige für dich ist, kannst du einen anderen einschlagen. Und so schlecht macht sich eine Juniorprofessur im CV auch nicht.

Alles Gute! :blume:

Nachtrag: Weil du explizit nach dem Zeitfaktor gefragt hast: Das liegt ja in deinem Handlungsspielraum. Diese ach-so-hohe Belastung von Professoren kennt wahrscheinlich jeder von uns (vor allem, weil sie die ja gerne vorschieben, um sich unangenehmen Aufgaben wie Betreuung zu entziehen ...), aber meiner Meinung nach sind viele auch schlicht ineffizient in ihrer Arbeitsorganisation. Die Freiheit auf einer Professur ist so groß, dass sie ihre Arbeit auch ganz anders organisieren und ausrichten könnten. Auf einer Juniorprofessur ist das anders, weil man aus den sechs Jahren ja möglichst viel herausholen muss. Das heisst aber nicht, dass man ständig 60, 70 Stunden/Woche kloppen muss. Es liegt ja an dir, wo du die Grenze ziehst und welche Aufgaben du dir auf's Auge drücken lässt. Im Zweifel kannst du auch einfach administrative Aufgaben ablehnen mit der klaren Ansage, dass du auf einer Juniorprofessur Forschung und Lehre in den Vordergrund stellen musst, um deine berufliche Entwicklung zu sichern.
Zeiteisen
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Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Zeiteisen »

@myfunnyvalentine

Aus meiner Sicht spricht für eine JP, dass ich die akademische Freiheit und Flexibilität sehr schätze Vorfällen was die Vereinbarkeit mit Familie angeht. Dazu kommt die Möglichkeit international auf Konferenzen zu fahren. Das ist die Kehrseite des Paper schreiben und der Lohn ;) natürlich spielen auch private Dinge eine Rolle, zB Freunde und Familie in der Nähe.
Dazu kommt das Ansehen und die Anerkennung, welches ich mir in den letzten Jahren erarbeitet habe. In einem Industriejob würde ich wieder bei 0 anfangen und ob es dann wieder ähnlich gut laufen würde ist äußerst ungewiss. Ich scheue wohl zu sehr das Risiko.

@Green Goddess

Naja das mit dem Gehalt ist so eine Sache. Die 55k als Beamter entsprechen ja ca 72k in der freien Wirtschaft. Diese wird man zu Beginn mit Promotion nur schwer erreichen. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt was mir so bekannt ist liegt bei 65k. 2-3 Jahre wird man also schon brauchen um den JP zu überholen. Über die weitere Entwicklung kann ich nur spekulieren. Geld ist für mich auch ein wesentlicher Faktor, aber darf nicht der Emtscheidende sein ;)

@itsme

Danke für deine andere Sicht. Ich gebe dir Recht. Verbundenheit und Loyalität spielen für mich eine wichtige Rolle. Ich war zu Beginn auch Feuer und Flamme für die JP, aber danach begannen die ganzen Probleme. Mir wurde nach und nach bewusst, dass ich mir die ganzen Risiken, die ich damit verbinde nicht länger mitmachen möchte. Aber der Reiz und die Gewissheit es schaffen zu können, wenn man es denn nur Will, lassen mich nicht davon los kommen. Dazu eben die Verpflichtung welche ich ganz klar verspüre. Deshalb habe ich mit diesem Ausprobieren und schauen wie es ist auch Probleme. Ich kann doch nicht nach einem halben Jahr mich anders entscheiden und alles stehen und liegen lassen...
Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob es sich auf dem CV wirklich so gut macht! Disqualifiziert man sich nicht auch für viele Jobs? Mit 40 werde ich es schwer haben in einen großen Konzern in einem ganz anderen Bereich unterzukommen! Dafür bin ich doch viel zu sehr Experte im Fach, wo die JP angesiedelt ist... Dazu lernt man sich kaum Dinge, die in der Industrie gefragt sind - wie Projektmanagement, Führung etc. oder täusche ich mich? Klar stellt sich die Frage, ob ich diese Jobs überhaupt machen möchte, aber manchmal denke ich mir - warum denn nicht? Weitere drei Jahre an der Uni könnten ja auch verlorene Zeit sein, oder?

Welche Alternativen zur JP sprichst du an? Meinst du nach den 6 Jahren weiter als Akademischer Oberrat zu arbeiten?
Amalia

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Amalia »

Zeiteisen hat geschrieben:Dazu eben die Verpflichtung welche ich ganz klar verspüre. Deshalb habe ich mit diesem Ausprobieren und schauen wie es ist auch Probleme. Ich kann doch nicht nach einem halben Jahr mich anders entscheiden und alles stehen und liegen lassen...
Klar kannst Du das!!! Gerade an der Uni. Einen schlechteren Arbeitgeber gibt es nicht. Was wird Dir denn geboten? Eine unterdurchschnittlichen Bezahlung und ein befristeter Vertrag, der garantiert enden wird. Keine Branche hat das Hire-and-Fire-Prinzip so konsequent umgesetzt wie die Wissenschaft. Wer Loyalität von seinen Arbeitnehmern erwartet, muss es auch als Arbeitgeber sein. Es gibt keinen illoyaleren Arbeitgeber als die Uni, also muss Du nicht loyal sein und Dich zu irgendetwas anderem als Deinem eigenen beruflichen Fortkommen verpflichtet fühlen.
Twinkies

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Twinkies »

Amalia hat geschrieben:
Zeiteisen hat geschrieben:Dazu eben die Verpflichtung welche ich ganz klar verspüre. Deshalb habe ich mit diesem Ausprobieren und schauen wie es ist auch Probleme. Ich kann doch nicht nach einem halben Jahr mich anders entscheiden und alles stehen und liegen lassen...
Klar kannst Du das!!! Gerade an der Uni. Einen schlechteren Arbeitgeber gibt es nicht. Was wird Dir denn geboten? Eine unterdurchschnittlichen Bezahlung und ein befristeter Vertrag, der garantiert enden wird. Keine Branche hat das Hire-and-Fire-Prinzip so konsequent umgesetzt wie die Wissenschaft. Wer Loyalität von seinen Arbeitnehmern erwartet, muss es auch als Arbeitgeber sein. Es gibt keinen illoyaleren Arbeitgeber als die Uni, also muss Du nicht loyal sein und Dich zu irgendetwas anderem als Deinem eigenen beruflichen Fortkommen verpflichtet fühlen.
Absolute Zustimmung! :twisted:
dr80

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von dr80 »

Aus meiner Sicht spricht für eine JP, dass ich die akademische Freiheit und Flexibilität sehr schätze Vorfällen was die Vereinbarkeit mit Familie angeht.
Das ist sicher auf den ersten Blick so, weil es natürlich schon erstmal gemütlicher ist am Standort zu bleiben. Andererseits wirst du spätestens nach der JP merken, dass es ganz eng wird etwas Festes in der Wunschregion zu bekommen. Und dann wird es u.U. ganz schwierig das mit der Familie zu koordinieren. Und so toll findet es die Familie auch nicht, wenn keine Planungssicherheit herrscht.
Dann würde ich lieber einen Job in der Industrie suchen, der sicher eine langfristige Perspektive bietet und der Zeitpunkt nach der Promotion aus dem "System Wissenschaft" auszusteigen ist ideal. Ich bin in einer ähnlichen Situation und denke, dass sich der Mut nicht kopflos in eine Post-doc Phase zu gehen auch belohnt wird.

Alles Gute!
flip
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Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von flip »

Nun, da du alle bisherigen Ratschläge in den Wind schießt, würde ich vorschlagen, du nimmst die JP einfach an.

Mit der Kündigung nach sechs Monaten ist zwar ganz nett. Aber wer macht das bitte schon? Nach einem Semester bin ich ja noch nicht mal halbwegs in irgendeinem Turnus. Es ist praktisch alles am Anfang (Lehre, Drittmittel, Forschung). Da brauche ich erst garnicht anfangen.
Green Goddess

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Green Goddess »

Zeiteisen hat geschrieben: @Green Goddess

Naja das mit dem Gehalt ist so eine Sache. Die 55k als Beamter entsprechen ja ca 72k in der freien Wirtschaft. Diese wird man zu Beginn mit Promotion nur schwer erreichen. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt was mir so bekannt ist liegt bei 65k. 2-3 Jahre wird man also schon brauchen um den JP zu überholen. Über die weitere Entwicklung kann ich nur spekulieren. Geld ist für mich auch ein wesentlicher Faktor, aber darf nicht der Emtscheidende sein ;)
Ich weiss nicht, wo du die 17k€ Differenz hernimmst. Die mir vorliegende Beispielrechnung führt zu einem "60 =70" Vergleich, dass also 60k-Beamter 70k-Angestellter entspricht, um auf das gleiche Netto zu kommen. Dass die 55k selbst als der Höchstwert eine Spur optimistisch sind, da Grundbezüge je nach BL zwischen 44k und 50k variieren, sei deiner Position gutgeschrieben. Nach (s.o.) Vergleich läge der "Juniorähnliche Sollverdienst" bei ca 65k, ungeachtet der Nachversicherung in Rentenkasse beim Ausscheiden, welche dann vom niedrigeren Brutto statt vom "Bruttoäquivalent" getätigt werden, ebenfalls deiner Position gutgeschrieben. Ich halte meine Position aufrecht, dass JP in den meisten MINT-Fächern finanziell keinen besonderen Reiz hat.
Gerade im 1. Jahr hinkt deine Besoldungsargumentation, sobald du sie auf Stundensatz herunterbrichst, da ist nicht mehr viel mit "Freiheit, die wir meinen". ;)
Geuer
Beiträge: 564
Registriert: 19.11.2015, 12:11
Status: Dr. phil.

Re: Juniorprofessur - Sehr unentschlossen! Erfahrungen?

Beitrag von Geuer »

Dazu kommt das Ansehen und die Anerkennung, welches ich mir in den letzten Jahren erarbeitet habe. In einem Industriejob würde ich wieder bei 0 anfangen und ob es dann wieder ähnlich gut laufen würde ist äußerst ungewiss. Ich scheue wohl zu sehr das Risiko.
Wer überlegt, das Risiko eines weiteren Verbleibs an der Uni in Kauf zu nehmen, ist alles anderes als risikoscheu. In jedem Fall hast du jetzt viele Möglichkeiten, die du, positiv gesprochen, auch einfach nutzen kannst. Schau wie dir die Zeit gefällt und falls du nach zwei Jahren merkst, dass es dir u.a. zu viel administrativer Kram ist, dann geh einfach (obwohl das natürlich leichter gesagt/geschrieben als getan ist). Versuche doch mal dich in die Situation zu versetzen, in die Wirtschaft zu gehen. Hättest du dort dann das Gefühl, dass du mit der abgelehnten JP etwas verpasst hättest? Fehlt dir vielleicht der inhaltliche/gedankliche Austausch und die generellen Themen?

Natürlich kann hier keiner für dich antworten. Unentschlossenheit ist meiner Meinung nach ohnehin einer der schwierigsten Momente im Leben, leichter als ein eindeutiges ja oder nein, hinter dem man steht.
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