Habilitation: ja oder nein?

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
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Hans

Habilitation: ja oder nein?

Beitrag von Hans »

Liebes Forum,

ich bin 33 Jahre alt und stehe gerade vor einer schwierigen Entscheidung, bei der ich aktuell nicht weiterweiß und mal nach Rat/Einschätzungen fragen möchte. Mein Anliegen bezieht sich zwar nicht auf die Promotion sondern auf die Habilitation, ich würde mich dennoch über Eure Meinungen freuen.

Ich bin seit ca. 7 Jahren als wiss. MA an einer Uni im Bereich der Sozialwissenschaften (quantitative Methodenlehre) beschäftigt und habe dort vor 3 Jahren meine Promotion abgeschlossen. In den letzten 3 Jahren wusste ich noch nicht so ganz, wo es mit der Reise eigentlich hingehen sollte und deshalb bin ich erstmal am Lehrstuhl geblieben und habe gelehrt und geforscht.

Hat soweit alles auch ganz gut geklappt, allerdings habe ich mehr und mehr gemerkt, dass die wissenschaftliche Karriere an einer deutschen Uni eigentlich nichts für mich ist. Die Konkurrenz ist krass hoch, die Stellen sind rar und der Weg ist lange. Dazu kommt, dass nahezu alle Profs, die ich kenne, nur für ihre Arbeit leben und wenig Zeit für Familie, Freunde und Freizeit haben. Kurzum: ich möchte die Uni eigentliich verlassen. Das wird noch dadurch befeuert, dass die (menschliche) Situation am Lehrstuhl, an dem ich arbeite, in den letzten Monaten zunehmend schwieriger und schwer erträglich geworden ist.

Nun habe ich aber beinahe genügend referierte Papers in internat. Journals im Köcher, sodass ich theoretisch in den nächsten 1-2 Jahren eine kumulative Habil durchbringen könnte. Das wäre dann aber mit einem weiteren Verbleib am Lehrstuhl verbunden, den ich eigentlich verlassen möchte. Ich halte es dort wirklich kaum noch aus.
Um eine Entscheidung treffen zu können frage ich mich deshalb vor allem, ob mir die Habil überhaupt irgendetwas bringen würde, wenn ich ohnehin eine Unikarriere als Prof. für mich ausschließe. Könnte die Habil etwas für eine Karriere in der Forschung außerhalb der Uni bringen (z.B. Ressortforschung etc.)? Oder ob die Habil nicht vlt. sogar hinderlich für eine Karriere außerhalb des Unisystems wäre (z.B. in der Marktforschung)?! Aufs kostenlose Anbieten von Lehre nur für einen PD vorm Namen (der im Zweifel noch nicht mal was bringt) kann ich getrost verzichten.

Was meint ihr? Würdet ihr die Zähne zusammenbeißen und die Habil noch "mitnehmen" und dann den Absprung wagen oder lieber gleich gehen?

Allerbesten Dank für Meinungen,
beste Grüße,
Hans
flip
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Re: Habilitation: ja oder nein?

Beitrag von flip »

Du hast jetzt ca. 10 Punkte genannt, weshalb die Habil nichts bringt und keinen positiven. :D

Sicher, wir werden zwangsläufig in 5-10 Jahren dank Überakademisierung dort landen, dass auch der Habil eine berufliche Relevanz zugeschrieben werden wird. Aber das ist doch ehrlich gesagt schon beim Dr nicht der Fall. Warum stellt man promovierte Mitarbeiter in der Wirtschaft ein? Nicht primär wegen des Themas sondern wegen all dem, was sie drum herum geleistet haben. Bei privaten Instituten ist das einig wenig anders, da man dort tatsächlich noch ein wenig forschung betreibt. Nunr, was ist der nicht-akademische Mehrwert einer Habil gegenüber einem Doktor? Richtig, keiner. Du schreibst einfach routiniert deine Paper weiter, während die Uhr tickt. Sowohl in der Forschung, als auch außerhalb.
Meggy

Re: Habilitation: ja oder nein?

Beitrag von Meggy »

Ganz knapp: ich würds lassen :wink: Kann schon verstehen dass es evtl "weh tut" so kurz vorher den "schon greifbaren" Titel nicht mitzunehmen. Aber es bringt Dir vermutlich in der Wirtschaft nicht wirklich was, und wenn die Stimmung am Institut so mies ist dass Du es jetzt schon kaum aushälst, aber noch 1-2 Jahre bräuchtest...
Hella
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Re: Habilitation: ja oder nein?

Beitrag von Hella »

Eine weitere wichtige Frage: Hast du schon Berufserfahrung außerhalb der Uni? Wenn nicht, wird es mit Habil noch viel schwieriger als es so sowieso schon ist. Von habilitierten Personen, die in die Wirtschaft wechseln, werden nochmal andere Erwartungen gestellt. Vielleicht solltest du dir mal Jobangebote anschauen, aus dem Bereich in den du hinwillst. dann wirst du wissen, welche Qualifikation du brauchst.
01. Oct 2016;30. Aug 2017;g;Rohfassung fertig!
Hans

Re: Habilitation: ja oder nein?

Beitrag von Hans »

Zunächst mal vielen Dank für Eure Einschätzungen, die sich mit meinen weitgehend decken.

@Hella: Nein, ich habe bislang keine Berufserfahrung außerhalb der Hochschule (abgesehen von einigen Praktika, aber das zählt wohl eher nicht :wink: ). Allerdings passt mein Profil m.E. ganz gut zu einigen privaten/öffentlichen Instituten oder Consultinngs.

Ich habe bislang leider keine gesicherten Informationen darüber gefunden, ob eine Habil außerhalb der Hochschule wirklich schadet. Lediglich anekdotische Evidenz gibt es dazu zuhauf. Aber alleine die Tatsache, dass ich keinen einzigen beitrage gefunden habe, der eine Habil außerhalb der Uni positiv hervorheben würde, macht mich schon skeptisch (auch wenn hier natürlich ein Selektionsfehler vorliegen könnte...)

Vermutlich muss man auch da nochmal differenzieren zwischen der "freien" Wirtschaft und dem außeruniversitären Forschungsbereich. Während die Habil mit Blick auf erstere vermutlich eher hinderlich ist, könnte ich mir vorstellen, dass sie im außeruniversitären Forschungsbereich weniger störend ist. Aber ihr habt natürlich recht, weshalb überhaupt ein Risiko eingehen!

Was ich mich noch gefragt habe: Für die Berufung an eine FH ist die Habil ja nicht erforderlich, dafür praktische Erfahrung (3 Jahre?!) außerhalb der Hochschule. Soweit ich weiß, kann man diese Praxiserfahrung aber in einigen Bundesländern unter Umständen durch eine Habil ersetzen. Hat jemand von euch Erfahrungswerte oder Einschätzungen, ob das tatsächlich realistisch ist? Kann mir das eher schwer vorstellen.

In jedem Falle nochmals danke für die Meinungen, das ist ein wertvolles und hilfreiches Forum hier!!!

Gruß,
Hans
Hella
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Re: Habilitation: ja oder nein?

Beitrag von Hella »

Das Problem ist, dass Personen mit einer Habil auch in außeruniversitären Forschungseinrichtungen mehr in der Führungsetage und da auch nur vereinzelt auzufinden sind. Die meisten der Habilitierten dort sind auch gleichzeitig (Kooperations)Professoren an Universitäten. Es wird erwartet, dass man eine Menge Berufserfahrung, Leitungserfahrung, Kontakte mitbringt wenn man dort einsteigt. Als Berufseinsteiger, und dass ist man, wenn man von der Uni kommt (fast egal mit welchem Abschluss wenn der Lebenslauf nicht stimmt), ist man dann viel zu teuer.
01. Oct 2016;30. Aug 2017;g;Rohfassung fertig!
Zwonk
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Re: Habilitation: ja oder nein?

Beitrag von Zwonk »

@Hans: Ich schließe mich dem Mainstream hier an. Lass es. Bei Promotionen herrscht (nach meiner Erfahrung) die paradoxe Situation vor, dass sie bei der Einstellung hinderlich sind, aber nach der Einstellung förderlich. Zumindest in der freien Wirtschaft wird die Habilitation nicht mehr separat ausgewiesen und man gilt noch stärker als ein normaler Promovierter als weltfremder Spinner.

Demnach sollte man nach der Promotion weitere Qualifizierungsschritte bis zum Berufseinstieg erstmal nur dann vornehmen, wenn die eine konkrete Stellenbesetzung befördern. Wenn Du also keine konkrete (und vor allem längerfristige!) Stelle in Aussicht hast, die Deine Habilitation voraussetzt, würde ich es lassen und mir eher früher als später einen Plan erarbeiten und vorantreiben, wie Du im Notfall aus der universitären Welt möglichst schmerz- und chaosfrei ausscheiden kannst.

Ich selbst stehe durchaus auf dem Standpunkt, dass allgemein im Wissenschaftsbetrieb erworbene Qualifikationen auch auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt gut verwertbar sind - aber mit steigendem Lebensalter und mit jeder weiteren Qualifikationsstufe wird es immer schwieriger rationaler zu begründen, wo nun der Zusatznutzen der Weiterqualifikation nach der Promotion liegen soll.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
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