Habilitation in Erziehungswissenschaften

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
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Klaus Unruh
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Habilitation in Erziehungswissenschaften

Beitrag von Klaus Unruh »

Hallo Alle,

ich stehe vor folgender Situation: ich habe extern promoviert (2013), war danach ein Jahr wissenschaftlicher Mitsrbeiter und bin aktuell erfolgreich im pädagogischen Bereich freiberuflich tätig (und kann das von der Auftragslage her auch gut fortsetzen). Ich habe in einem Schnittfeld pädagogischer Diagnostik / Sonderpädagogik / Fachdidaktik promoviert und dort auch gearbeitet. Allerdings komme ich vom Studium her nicht aus dieser Fachdidaktik und auch nicht aus der Sonderpädagogik. Ich habe nicht gerade viel publiziert umd bin auch nicht sonderlich in der Community eingebunden. Aber: immerhin habe ich bei zwei FH-Professuren einen zweiten Listenplatz bekommen.

Ach so: ich bin 36 Jahre alt.

Jetzt hat es sich durch mehr oder weniger Zufall so ergeben, das ich wohl mit einer 2/3-Stelle in einem größeren Forschungsprojekt mehrerer Universitäten/Hochschulen mitsrbeiten kann. Die Stelle wäre auf drei Jahre befristet.

Bei der Vorstellung meines Projektsbschnitts, den ich auch selbst entwickelt habe, gab es am Rande die Bemerkung: das reicht ja sowieso für eine Habilitation. Jetzt frage ich mich:

a) was bedeutet eigentlich, sich zu habilitieren? Formal ist mir natürlich klar, was es damit auf sich hat. Aber von den Anforderungen intellektueller, arbeitsaufwamdmäßiger und auch emotionaler Art kann ich damit (noch) nichts anfangen.

b) Ich habe den Eindruck, dass die Habilitation on den Erziehungswissenschaften deutlich an Gewicht abgenommen hat und es mittlerweile viele Profs gibt, die ohne Habil berufen werden.

c) ich will mich auf keinen Fall zu 100% auf die wissenschaftliche Karriere stürzen, sondern meine freiberufliche Tätigkeit fortsetzen - eben um auch eine Alternative zu haben, wenn's dann doch nicht klappt. Wobei ich mich frage, ob ich damit nicht genau dafür sorge, dass es nicht klappt.

Hat irgendwer Ideen und Anmerkungen zu den Punkten? Ich frage mich nämlich ernsthaft, ob ich mich darauf einlassen soll.

Lieben Gruß,

Klaus
flip
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Re: Habilitation in Erziehungswissenschaften

Beitrag von flip »

Ein paar kurze Anmerkungen:

1. Du wurdest zwei Mal auf Listenplatz 2 (!) gesetzt. Das heißt, die Habil ist sowieso in deinem Fall unwichtig. Abgesehen davon, dass es sich um zwei FH's gehandelt hat.
Sind die Verfahren bereits abgeschlossen?
2. Ohne Netzwerk und Publikationen wird es nahezu unmöglich an der Uni eine Professur zu bekommen. Das wird schon bei der Habilstelle anfangen, oder willst du du das wieder extern machen? Das würde deine aussichtslosen Chancen weiter minimieren. ;)


Warum überhaupt etwas am Status Quo ändern? Bei den FH's läufts, bei den Unis ist es viel zu aufwendig. Außerdem bist du ja auch schon etwas älter...
Klaus Unruh
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Re: Habilitation in Erziehungswissenschaften

Beitrag von Klaus Unruh »

Hallo flip

a) Ja, die Verfahren sind abgeschlossen, die Professuren besetzt, da läuft nichts mehr; seit dem bin ich auch nicht mehr eingeladen worden zum Vorsingen; es sind gerade wenig passende Stellen ausgeschrieben (in den letzten 10 Monaten zwei).

b) ich war wohl etwas undeutlich: das jetzige Projekt ist eine Kooperation zwischen Hochschulen und Universitäten und ich wäre da wiss. Mitarbeiter, also nicht mehr extern. Ich glaube auch, das man gar nicht extern habilitieren kann. Das ist ja eher sowas wie ein Aufnahmeverfahren in eine Kaste, und weniger eine Frage des zweiten Buches (auch wenn man das dafür schreiben muss, wenn man nicht kummuliert habilitiert).

c) Ich habe die Anmerkung so verstanden, dass es durchaus im Bereich des möglichen ist, aus diesem Projekt eine Habil rauszuschnitzen. Aber, wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, ob ich das möchte. Denn sowas läuft ja NICHT nebenher, das muss man sich wohl vorher zum Ziel setzen. Und da bin ich mir unsicher, ob ich das überhaupt möchte.

Gruß,

Klaus
Natika

Re: Habilitation in Erziehungswissenschaften

Beitrag von Natika »

Lieber Klaus,

vorab: ich bin keine Erziehungswissenschaftlerin und habe EWS nur im Rahmen meines Lehramtsstudienganges studiert. Ich bin Philologin (Dok.-Abschluss steht kurz bevor) und werde demnächst eine volle WIMA-Stelle (Postdoc) im Bereich Literaturwissenschaft/Literaturdidaktik antreten.

Zu Frage a: Beim Vorstellungsgespräch ging es mir wie dir. Ich habe die ersten Ansätze eines eines neuen Projektes mündlich mit einem Handout vorgestellt (ohne den Ausdruck 'Habilitation' zu gebrauchen) und es hieß seitens der Kommission: "Das ist überzeugend. Damit können Sie sich auf jeden Fall habilitieren." Das hat mich auch irritiert :roll: Von Profs und Habilitanten an meinem alten Institut weiß ich, dass die ersten Ansätze zu Habil-Projekten oft recht grob gestrickt ausfallen. Die Bewerber haben entweder noch mit der Diss zu tun und/oder sie bewerben sich aus finanziellen Gründen und um Leerlaufzeiten zu vermeiden unter großem Zeitdruck. Manche Kandidaten schreiben auch auf die Profile verschiedener Institute/Forschungscluster hin, so dass eine wirkliche Professionalisierung auf das Thema zum Bewerbungszeitpunkt oft noch gar nicht vorhanden ist. Vermutlich vergeben die Institute einen Vertrauensvorschuss, wenn der Bewerber überzeugend wirkt. Habilprojekte entwickeln sich ähnlich wie Diss-Projekte und der längere Bearbeitungszeitraum und das selbständige Arbeiten ohne Betreuer bieten noch mehr Freiraum für Umwege und Neuorientierungen, als es bei einer Diss eh schon der Fall ist. Wenigstens habe ich das so herausgehört.

Zu Frage b: Konkret zu EWS/Didaktik/Sonderpäd. kann ich nichts sagen. Der Bedarf an Mittelbauleuten und Professoren mit Praxiserfahrung ist wohl recht groß, so dass auch Quereinsteiger derzeit eher Chancen haben, berufen zu werden. Außerdem habe ich mitbekommen, dass etwa in NRW derzeit Mittel für Lehramsstudiengänge bereitgestellt werden und in diesem Bereich der gerade viel Bedarf an Mittelbauleuten da ist, sodass Promovierte alleine über ihr II. Staatsexamen in die Fachdidaktik oder Kombi-Stellen hineinrutschen (wie es bei mir der Fall ist). In deinem Fachbereich könnte ich mir einen ähnlichen Nachfrage-Angebot-Effekt vorstellen. Mit einer Spezialisierung auf Inklusion bist m.E. du genau der richtige Kandidat zur richtigen Zeit. Grundsätzlich würde ich jedem außerhalb der Natur- und Finanzwissenschaften dennoch zur Habil raten. Denn wenn selbst Juniorprofessoren eine Habil anfertigen, kann man sich denken, warum. Man munkelt, dass Kandidaten ohne klass. venia bei Berufungsverfahren an Unis unterdurchschnittliche Chancen haben. Angabe ohne Gewähr!

Zu Frage c: Keinen Plan B neben der Wissenschaft zu haben, gilt ja heutzutage (zurecht) als fahrlässig.

Aber kannst du gleichzeitig im Rahmen deiner freiberuflichen Tätigkeit den Fuß in der Tür behalten, deine Habil vorantreiben und deinen Dienstgeschäften für die 2/3-Stelle nachkommen? Reicht das Geld? Kann die Stelle nach den 3 Jahren verlängert werden? Kannst du an einem der Standorte Drittmittel beantragen oder über ein Habilitations-Stipendium weiter arbeiten, um das zweite Buch fertig zu stellen? Sind Synergieeffekte zwischen dem Verbundprojekt, für das du ausgewählt wurdest, und dem potenziellen Habilthema zu erwarten?

Wenn du in der Forschung bleiben möchtest und einige dieser Fragen positiv beantworten kannst, würde ich dir zuraten. Für jemanden mit deinem Ausbildungs- und Forschungsprofil müsste das ein sehr reizvolles Angebot sein.

Gratulation und greif zu! Alles Gute Natika
algol
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Re: Habilitation in Erziehungswissenschaften

Beitrag von algol »

Was spricht für Dich gegen das Projekt?
Würdest Du in der Zeit möglicherweise zu viele Auftraggeber verlieren, die Du nicht nebenbei halten kannst?

gefühlt würde ich Natika zustimmen, dass eine Habil in EWS immer noch einen hohen Stellenwert hat.
Vielleicht kannst Du über das Projekt auch mehr in die Community kommen und dadurch auch Deinen Wert bei FHs oder vielleicht doch auch Uni steigern.
Klaus Unruh
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Re: Habilitation in Erziehungswissenschaften

Beitrag von Klaus Unruh »

Danke erst mal für die Antworten. Hier jetzt einige zu den mir gestellten:
Würdest Du in der Zeit möglicherweise zu viele Auftraggeber verlieren, die Du nicht nebenbei halten kannst?
Aber kannst du gleichzeitig im Rahmen deiner freiberuflichen Tätigkeit den Fuß in der Tür behalten, deine Habil vorantreiben und deinen Dienstgeschäften für die 2/3-Stelle nachkommen?
Jein, ich würde vor allem einen ziemlich großen Auftraggeber - das Bildungsministerium eines Landes verlieren und mich da auch in einer gewissen Hinsicht verbrennen; und natürlich: von diesem Auftraggeber ausgehend ergeben sich (jetzt schon) weitere Aufträge, danach dann aber auch mehr, wenn man da rumrödelt, um die Projekte zu bekommen.

Und alle drei Sachen, 2/3-Stelle, freiberufliche Tätigkeit und Habil gleichzeitig: ich fürchte, dass das nicht geht. Zumal ich nicht 24/7 arbeiten will; das hatte ich in der Endphase meiner Diss. und das ist auch mal für 8-9 Monate OK; aber das darf kein Dauerprogramm sein.
Kann die Stelle nach den 3 Jahren verlängert werden? Kannst du an einem der Standorte Drittmittel beantragen oder über ein Habilitations-Stipendium weiter arbeiten, um das zweite Buch fertig zu stellen?


Nein, ausgeschlossen.
Sind Synergieeffekte zwischen dem Verbundprojekt, für das du ausgewählt wurdest, und dem potenziellen Habilthema zu erwarten?
Ja, ich würde sagen: 70% Überschneidung.

--

Bekannter würde ich schon werden; zumal es auf jeden Fall einige Konferenzbeiträge gibt und zwei ziemlich renomierte Profs dabei sind (und zwei Pappnasen, aber was soll man machen).

--

Na ja, ich hab ja auch noch Zeit, mich zu entscheiden. Ich schau mir mal nen paar Habilitationen der letzten Jahre an, mal schauen, was sich da so ergibt. Die ganze Frage des Forschungsprojekts und der Habil stellt sich nicht, weil ich beruflich sonst nichts wüsste. Mit macht meine aktuelle Tätigkeit auch Spaß. Forschung aber eben auch - und das gute wäre, das ich mich mit diesem Projekt tiefer in die community reinkomme.

Gruß,

Klaus

PS. Was mir gerade einfällt: sind Drittmittel, die man angeben muss, eigentlich immer nur Gelder für Forschung? Oder kann man das freier Interpretieren und wenn man Mittel für die Qualifikation von pädagogischem Personal in ordentlicher Höhe einsammelt, gilt das auch? Edit: neu aufgemacht als Thema: viewtopic.php?f=34&t=5678
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