Lehre: "Mein" Bachelorand macht mir Sorgen - was tun?

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
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barbara
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Lehre: "Mein" Bachelorand macht mir Sorgen - was tun?

Beitrag von barbara »

Ich brauche Hilfe von lehrerfahrenen Forenkollegen....

ich betreue einen Bacheloranden (meinen dritten), der seit einigen Wochen "abgetaucht" ist und sich nun - ohne weiteren Fortschritt, ohne Konzept und ohne Idee - wieder gemeldet hat, mit der Frage was er tun soll (überspitzt).

Nun werde ich ihm seine Arbeit sicher nicht schreiben! Er hat ein sehr praxisnahes Thema, welches er genau genommen sogar aufgrund seiner vorhandenen, einschlägigen gewerblichen Ausbildung (dualer Bachelor) bereits weitgehend bestreiten können sollte - von der schriftlichen Ausarbeitung natürlich abgesehen.

Aber ich will ihm helfen, vor allem für den Fall, dass er nicht "unfähig" ist, sondern nur einfach den Einstieg nicht findet. Er ist eher schüchtern.

Mein erster Bachelorand mit geschätzt 4 h Betreuungsaufwand hatte anschliessend einen Job bei uns.
Der nächste hat selbständig praktisch losgelegt und brauchte nur Anleitung zu "wissenschaftlichem" Arbeiten, wie der Hinweis darauf dass es Bibliotheken gibt und dass Werbeprospekte nicht zitierfähig sind. Dann hat er das schön zusammengeschrieben und eine gute Note bekommen.

Ich konnte eben einfach immer helfen, in dem ich den momentanen "Haken" gesehen und etwas geglättet habe.

Jetzt hakt irgendwie alles. Ich habe ihn nun für ein Gespräch herzitiert. Wie finde ich heraus, ob er der Typ ist, der "einen Tritt in den Arsch" braucht oder ob ich dem besser ein paar Wochen "händchenhalte" bis er Schwung hat und ich loslassen kann?

Ein weiteres Problem: Was er als Bachelorarbeit macht, hätte ich im Kern in wenigen Tagen selbst erledigt....mein tägliches Brot sozusagen. Bin vielleicht zu ungeduldig?

Eure Erfahrungen....ich danke euch.
18. apr 2011;31. Dec 2013;f;hoffentlich klüger!
flip
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Re: "mein" bachelorand macht mir sorgen - was tun?

Beitrag von flip »

Heyho,

ja. Den Typus Studi kenne ich auch. Ich würde mit ihm noch einmal die Gliederung im Detail durchgehen und mit ein wenig Nachdruck auf die Standardliteratur verweisen. Dann weiß er a) was gefordert ist und b) wo die Grenze liegt, was über das Geforderte hinaus geht.
Thales

Re: "mein" bachelorand macht mir sorgen - was tun?

Beitrag von Thales »

Hey Barbara,

Mein Tipp ist folgender: Fordere ein, dass er konkrete Fragen stellt. Fragen wie : Ich weiß nicht wie ich die Gliederung machen soll!" Werden nicht akzeptiert, sondern nur :" Ich habe mit der Gliederung das Problem an dieser Stelle und habe mir das und das überlegt, komme aber nich weiter. Wie komme ich da raus?"
Dann kannst du sehen wo er steht, woran es hängt und ob er sich einfach alles vorkauen lassen will oder es einfach Einstiegsschwierigkeiten sind.
Gruß Thales
Natika

Re: "mein" bachelorand macht mir sorgen - was tun?

Beitrag von Natika »

Hallo Barbara,

ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, einen Gliederungsentwurf und/oder Thesen/Fragen sowie eine Literaturliste einzufordern. Auf der Basis konnte ich mit fast allen betreuten Studierenden konstruktiv über ihr Vorhaben sprechen. Ich möchte mich meinen Vorrednern anschließen und dringend davor warnen, Gespräche ins Leere hinein zu führen. Der Kandidat muss wenigstens Fragen zu dem Forschungsproblem formulieren und sagen können, was er daran spannend oder untersuchenswert findet. Sonst endet es tatsächlich so, dass du in eine Postion kommst, in der du nicht betreuen, sondern selbst liefern musst/sollst und das ist vollkommen unangemessen.

Mir ist es auch passiert, dass BA-Kandidaten die Betreuung als Komplett-Service ausgelegt haben (glücklicherweise waren das absolute Ausnahmefälle und es lief in der Regel alles zur beiderseitigen Zufriedenheit). Z.B. wurde ich mal gefragt, ob ich bereit sei, eine Erstfassung mit der Option zu korrigieren, die Arbeit noch einmal einreichen zu können, wenn die Note nicht gefällt. Damit war keine Minderleistung ohne Schein gemeint (bei der ich grundsätzlich einen zweiten Versuch ohne Besuch eines weiteren Seminars gewähre), sondern die Option, von einer Drei noch auf eine Zwei zu kommen oder ähnliches.

Ich denke, dass man sich selbst und den Kandidaten an dieser Stelle schützen muss. Ich habe oft die Rückmeldung bekommen, dass ich gut und intensiv betreue und das ist mir auch wichtig, doch wenn so gar keine Eigenleistung von Seiten des Studierenden zu erkennen ist, dann läuft etwas falsch. Und nicht zuletzt: die Kandidaten sollen im Studium und Examen auch etwas lernen und das tun sie nur dann, wenn sie selbst denken und streckenweise eigenständig arbeiten.

Viel Erfolg! Natika
barbara
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Re: Lehre: "Mein" Bachelorand macht mir Sorgen - was tun?

Beitrag von barbara »

Danke euch allen!
Ich möchte mich meinen Vorrednern anschließen und dringend davor warnen, Gespräche ins Leere hinein zu führen.
Natika, Du hast es auf den Punkt gebracht. Genau das wird mir (uns) morgen drohen, deshalb habe ich so ein ungutes Gefühl. Bei der Bitte um ein Gespräch meinerseits zum weiteren Vorgehen kam die Frage "wie lang dauert das Gespräch" - da meinte ich, er solle mir einfach zeigen, was schon da ist und dann würden wir besprechen, wie es weitergeht. Es sei eigentlich nichts da....

Ich hab nun 3 Stunden veranschlagt - nicht für das Gespräch, das geht schneller - aber damit er die Möglichkeit hat, sich einfach mal eine Stunde zurückzuziehen und Fragen zu formulieren, die er mir dann am Ende vorlegen kann (er hat es ziemlich weit, paar hundert km - besser wäre ein Abstand von 3 Tagen, aber das geht nicht).

Standardliteratur gibt es nicht zu dem Thema. Es ist einerseits ziemlich banal und praxisbezogen, andererseits völlig neu. Genau genommen ein idealer Fall: Wer die Arbeit einfach als Beleg für "Berufstauglichkeit" durchziehen will, ist mit wenig Aufwand fertig, wer wirklich was neues machen möchte, muss nicht lange nach freiem Feld suchen.

Da es natürlich schon Literatur gibt, ist die Idee nach der Literaturliste zu fragen, trotzdem sehr gut, ich sehe dann, in welche Richtung er gedacht hat - und ob er sich vielleicht verrannt hat und möglicherweise zu kompliziert denkt.
18. apr 2011;31. Dec 2013;f;hoffentlich klüger!
barbara
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Re: Lehre: "Mein" Bachelorand macht mir Sorgen - was tun?

Beitrag von barbara »

So, nun ein update:

Das Gespräch damals hat stattgefunden. Die Gliederung war gut, eine Literaturliste nicht vorhanden. Den Ordner mit dem bisher gemachten sowie sein Laptop mit den Daten hatte er "halt zufällig" nicht dabei. Damit war das ziemlich zäh....

Den rein praktischen Teil (kleinen Feldversuch) hat er mit wenig Eifer und ohne Konzept abgehakt.

Dann habe ich wieder nichts gehört. Daraufhin habe ich die Professorin kontaktiert, die meinte, er hätte sonst gute Noten - sie würde ansonsten von einem erwachsenen Menschen erwarten, dass er von sich aus Rat einhole, wenn nötig.

Nun, eine Woche nach Abgabetermin (ich habe immer noch nichts gehört - NICHTS) habe ich von ihr (nicht von ihm) erfahren, dass er eine sehr schlechte Arbeit rechtzeitig abgegeben habe und morgen die Verteidigung sei. Nun, er hat bestanden (gerade so, wohl).

Was geht in so einem Kopf vor?
18. apr 2011;31. Dec 2013;f;hoffentlich klüger!
algol
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Re: Lehre: "Mein" Bachelorand macht mir Sorgen - was tun?

Beitrag von algol »

Vielleicht eine persönliche Krise, die gar nichs mit dem Studium zu tun hat. und die er auch nicht thematisieren wollte / konnte.
itsme

Re: Lehre: "Mein" Bachelorand macht mir Sorgen - was tun?

Beitrag von itsme »

barbara hat geschrieben: Was geht in so einem Kopf vor?
Oder auch eine Persönlichkeitsstruktur, mit der er zwar den "klassischen", stärker strukturierten Prüfungsanforderungen eines Hochschulstudiums gewachsen ist, aber nicht dem Projektcharakter einer Abschlussarbeit. Per Ferndiagnose können wir hier eh' nicht wirklich etwas sagen - deswegen vllt. eher eine Frage an dich: Warum beschäftigt dich das so? Ich hab den Umgang mit "schwierigen" Studierenden immer so gehandhabt, dass sie von mir Fairness, Engagement und inhaltliche Unterstützung bekommen können, aber es gibt auch eine Grenze dabei, wieweit ich mir deren Kopf zerbreche. Ich bin selbst in der Schule mal pappengeblien und nachdem dererste Ärger verraucht (grob geschätzt im letzten Sommmer ... :mrgreen: ), musste ich mir selbst eingestehen, dass ich dafür niemanden anderen als mich selbst verantwortlich machen kann. Immerhin habe ich den gleichen Unterricht wie alle meine Klassenkameraden erhalten - die haben damals was draus gemacht, ich nicht. Das hat dann auch meine Umgang mit den Studies geprägt.
barbara
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Re: Lehre: "Mein" Bachelorand macht mir Sorgen - was tun?

Beitrag von barbara »

Warum mich das beschäftigt?

Es ist ja nun nicht so dass ich deshalb schlecht schlafe. Aber aus Fehlern lernt man.

Vorher ist also zu klären: Warum betreue ich überhaupt Bacheloranden?

--> wir rekrutieren öfters Mitarbeiter auf diese Weise
--> wir können so kleinere Projekte erarbeiten lassen, die nicht sooo wichtig sind, aber "nice to have" - und für die uns die Zeit fehlt
--> wir bilden auch aus (sowohl Lehrlinge als auch Meister - erstere als Azubis, bei letzteren ist unser Chef sehr engagiert).
--> Studenten, die bei uns ihren Abschluss gut und mit Freude gemacht haben, sind Multiplikatoren. Wir sind nicht Daimler, Bosch, BMW....wir sind ein ganz kleines, aber aufstrebendes Unternehmen!

Letzten Endes ist es aber so, dass für die Firma unterm Strich was Positives bleiben muss.

In diesem Fall bedeutet das aber leider, dass ich das Projekt, welches eben auch einen Kunden betrifft, selbst abwickeln muss. Es bedeutet, dass dieser Bachelorand keine Chance hat, bei uns angestellt zu werden (obwohl wir Leute seiner Qualifikation durchaus brauchen könnten). Leider bedeutet es sogar, dass er mit dem unmöglichen Verhalten (die fehlende Kommunikation - nicht die schlechte Leistung!) kaum irgendeinen Job zur Zufriedenheit des Arbeitgebers erledigen wird. Auch persönliche Krisen kann man kommunizieren, sei es "Ich weiss euer Angebot zu schätzen, aufgrund meiner persönlichen Situation möchte ich hier Schmalspur durch....bitte akzeptiert das und lasst mich in Ruhe" - sei es "Helft mir". Und es bleibt die Befürchtung, selbst eben nicht rechtzeitig reagiert zu haben, vielleicht wäre das ja vermeidbar gewesen. Ich habe nicht viel Erfahrung.

Es war für alle ein Reinfall. Wirklich richtig enttäuscht war übrigens die Professorin. Sie hängt sich für ihre Schützlinge rein - wie auch ihre Kollegen das tun. Mir hat das sehr imponiert, wie diese FH-Professoren sich verantwortlich fühlen und einsetzen: für einen guten Start ihrer Studenten ins Berufsleben .

Euch allen danke für die Tips, Anregungen und Hilfen!
18. apr 2011;31. Dec 2013;f;hoffentlich klüger!
Amalia

Re: Lehre: "Mein" Bachelorand macht mir Sorgen - was tun?

Beitrag von Amalia »

barbara hat geschrieben: Letzten Endes ist es aber so, dass für die Firma unterm Strich was Positives bleiben muss.
Liebe Barbara,
das kann ich gut verstehen. Aber: Wer mit Studenten arbeitet, hat Ausschuss. Im Idealfall ist so eine Abschlussarbeit eine Win-Win-Situation, aber es wird immer wieder Fälle geben, in denen man als Betreuer nichts rausholt. Das Risiko kann man minimieren, in dem man sich die Studenten sorgfältig aussucht, aber eine 100%-Garantie hat man nie. Letztlich hat man die so oder so nie, wenn es um die menschliche Arbeitskraft geht. Auch bei der Rekrutierung normaler Mitarbeiter hat man schließlich immer mal wieder einen Fehlgriff dabei. Ist halt so.
Alles Gute
A.
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