Prof. (Dr.) Annette Schavan

Das Unterforum zur Diskussion um die aus fremden Textpassagen zusammengesetzten Dissertationen Prominenter.

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Sebastian
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Prof. (Dr.) Annette Schavan: Risiken und Nebenwirkungen

Beitrag von Sebastian »

Nicht wirklich ein on-topic, aber ich muss es mal loswerden:
Was für ein Elend diese ganzen Diskussionen über den Wissenschaftsbetrieb insgesamt bringen, hat mir heute - wirklich wahr! - der Tankwart um die Ecke nahegebracht:

Ich hab mit EC-Karte gezahlt (der Dr. steht drauf) - er schiebt mir das PIN-Pad herüber und meint:
Dann wollen wir's mal versuchen. Wenn's nicht klappt, knibble ich den Dr. ab.

und hinterher:
Also ich mein, ehrlich gemacht, da muß man ja großen Respekt vor haben. Aber die ganzen Abschreiber?!

Im ersten Moment konnt' ich ja drüber lächeln - aber im Nachgang stieß es mir dann doch noch bitter auf.
Gruß
Sebastian
amphritite

Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von amphritite »

Ja, nicht nur Doktoranden und die Promovierten, sondern auch Absolventen mit anderen akademischen Abschlüssen scheinen durch die vielen in den öffentlichen Medien bekannt gewordenen Plagiatsvorwürfe und eine/n damit verbundenen Generalverdacht bzw. Vorverurteilung ernsthaft in Verruf geraten zu sein. V.a. durch die intensive Medienpräsenz dieses Themas wird Wissenschaft tatsächlich zur Show degradiert. Ich denke, die Universitäten sollten Abschlussarbeiten und Dissertationen schon im Rahmen der Betreuung und Begutachtung gründlich und durchaus rigoros auf Plagiate prüfen und dann intern entsprechend damit verfahren. Für das Image des "Wissenschaftsbetriebs" wäre das sicher ein guter Weg...
Rosa

Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von Rosa »

Schavan sollte nicht verurteilt werden, bevor die Sache zuende geprüft ist (ich hoffe da noch auf weitere Gutachten). Der Fall ruft aber in jedem Fall dazu auf, die Maßstäbe in den Geisteswissenschaften genauer zu definieren oder aber als Ergebnis dieser Prüfungen die Plagiatdiskussion aus bestimmten Bereichen sogar zurückzudrängen, um es mal provokant zu formulieren (ich kenne mich nur in den Geisteswissenschaften aus, daher kann ich über andere Disziplinen nicht sagen, wie sich die Debatte da auswirkt).
Wenn man allein bedenkt, wie viel hier im Forum seit Guttenberg darüber diskutiert wurde, was genau denn nun ein indirektes Zitat ist (keine vollständige Einigung je erzielt, obwohl es jeder zu verstehen meint) und wo es eher um Ideen/Anregungen durch andere Texte geht, die man zu Neuem verarbeitet (Kern der Geisteswissenschaften!), wird ja klar, dass eben nicht 100 Prozent eindeutig ist, wie man da befußnotet, sondern hin und wieder auch eine Ermessenssache. Es bleibt die Grauzone, und am Ende hat man auf 300 Seiten womöglich auch ein oder zwei Mal gerirrt/geschlampt/Word hat die Fußnote geschluckt. Für diesen "Tatbestand" (ein Fehler durch Schlamperei) und eine gut argumentierte Auffassung, dass in der Arbeit Plagiate enthalten seien, könnte uns allen auch noch in 25 Jahren der Doktortitel aberkannt werden, oder was?
Ist das der Standard, der hier gerade entwickelt wird?
Schwarze Zukunftsvision: Ich sehe schon missgünstige Konkurrenten im Kampf um die Professur, die in den Dissertationen ihrer ehemaligen Kommilitonen nach den "Plagiaten" suchen und den Fall dann anonym an den Promotionsausschuss zu senden. Würg.
Oder bin ich zu pessimistisch?
:KT:
MastaofDissasta

Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von MastaofDissasta »

Rosa hat geschrieben: Schwarze Zukunftsvision: Ich sehe schon missgünstige Konkurrenten im Kampf um die Professur, die in den Dissertationen ihrer ehemaligen Kommilitonen nach den "Plagiaten" suchen und den Fall dann anonym an den Promotionsausschuss zu senden. Würg.
Oder bin ich zu pessimistisch?
:KT:
:lol: Der ich 'Ich liebe Fußnoten-Smiley" wird mit "KT" eingefügt??? :lol:

Ich denke, das ist zu pessimistisch. Frau Koch-Mehrin hat eine ähnliche Befürchtung im Spiegel geäußert ("Nachbar, der die Hecke nicht schneidet"), aber die hat damit impliziert, dass einen so großen Unschärfebereich gibt, dass auch ihre Diss da reinfallen müsste. Zum Fall Schavan kann man vermutlich nicht wirklich etwas sagen, wenn man nicht Diss und Gutachten und ggf. auch die ursprüngliche Literatur gelesen hat. Auf der Meta-Ebene sehe ich das aber so, dass der Gutachter bislang ja absolut integer erscheint und das Gutachten so nicht ausgestellt hätte, wenn es da nicht grobe Mängel gäbe. Immerhin ist er als Professor an der Uni tätig - er muss also aus der täglichen Praxis Anhaltspunkte dazu haben, wo die Grenze des vertretbaren überschritten ist. Zur Berufungssituation: Das sehe ich überhaupt nicht kritisch, viel eher würde ich sagen, dass spätestens zur Berufung alle Qualifikationsarbeiten mal durch den Plagiatescanner gejagt werden sollten - und der ist noch viel unerbittlicher als die Vroniplag. Immerhin erfolgt eine Berufung aufgrund der wissenschaftlichen Leistung, da jemand, der immer noch ein bisschen sorgfältiger und noch kleinteiliger auf seine Quellen hinweist, sollte da nicht gegenüber demjenigen, der mal die eine oder andere Abkürzung genommen hat benachteiligt werden. Genauso würde ich befürworten, dass natur- und sozialwissenschaftliche Ergebnisse zur Berufung noch mal in Frage gestellt werden und der Kandidat z.B. die Rohdaten aushändigen muss.
Wierus
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Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von Wierus »

MastaofDissasta hat geschrieben:Das sehe ich überhaupt nicht kritisch, viel eher würde ich sagen, dass spätestens zur Berufung alle Qualifikationsarbeiten mal durch den Plagiatescanner gejagt werden sollten - und der ist noch viel unerbittlicher als die Vroniplag.
Ich hoffe das stimmt! Und ich hoffe auch, dass Plagiatescanner bald zur Grundausrüstung jedes Uni-Prüfungsamtes werden. Denn dann wäre endlich einmal Schluss mit diesem ganzen Theater!

@Rosa:
Ich sehe absolut keine 'unzähligen' oder 'widersprüchlichen' Meinungen zur geisteswissenschaftlichen Arbeit. Jeder Promovend hat in seinem grundständigen Studium genug Hausarbeiten angefertigt, um zu wissen, was wissenschaftlich redlich ist und was nicht. Und das zT wortwörtliche Abschreiben (d.h. nicht: Zitieren) von anderen Autoren, zumal ohne deren Nennung, ist und bleibt unredlich. Wissenschaftliche Arbeitsweisen wie Zitierregeln sind klar und deutlich formuliert, nur wie fast überall sonst gibt es auch bei wissenschaftlichen Fehlern wie den genannten Zitierfehlern Grenzfälle. Häufen sich dann solche Grenzfälle in einer Arbeit signifikant, so spricht das nunmal gegen den Betroffenen.

So zu tun, als wüssten wir in den GeistesWiss im Grunde überhaupt nicht, wovon wir reden und wie denn nun richtig zitiert wird, halte ich für die schlimmstmögliche Reaktion auf die Plagiatsfälle... :?
Rosa

Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von Rosa »

Das stimmt alles, was hier geschrieben wird, und das Handwerkszeug, setze ich mal voraus, sollte durchs Studium bekannt sein. Wenn man sich einigen kann, dass erst eine "Häufung" von Grenzfällen in einer (geistes)wissenschaftlichen Arbeit dazu führt, diese in Frage zu stellen, dann beruhigt mich das etwas. Es scheint da aber auch radikalere Ansichten zu geben.
Wierus hat geschrieben:So zu tun, als wüssten wir in den GeistesWiss im Grunde überhaupt nicht, wovon wir reden und wie denn nun richtig zitiert wird, halte ich für die schlimmstmögliche Reaktion auf die Plagiatsfälle...
Die Ideengeschichte ist ein Aufnehmen und Verarbeiten, man erfindet da nichts neu im luftleeren Raum. Dazu mache ich ja meinen Apparat unten und gebe an, wo ich was her habe, wer was gesagt hat, was ich wiederum daraus folgere oder anders zusammen denke usw. Das ist sauber und natürlich wissen wir, was wir da tun. Aber belegt der FN-Apparat die Dynamik von Lesen, Wissen und Neugefundenem wirklich immer vollständig? Wie könnte er überhaupt (Hallo, Hermeneutik)? Da lässt sich m. E. das Auftreten von "Grenzfällen" schlichtweg nicht ausschließen. Wenn eine Arbeit ein normal-kluges nachvollziehbares Zitationssystem hat, dann sollte da im Grunde nichts schiefgehen, und die eigene Fachkultur spielt da wohl den Rahmengeber für die Beurteilung, aber ich zeichnete ja auch den gruseligen Fall, dass da absichtlich von wem auch immer alles kreuz und quer ausgelegt und nach dem Plagiat so lange gesucht wird, bis es gefunden und angeklagt ist. Das wäre Missbrauch der Plagiatsfrage, und ich sorgte mich ein wenig, wie die Geiwis mit diesem Thema umzugehen gedenken.

Mögen wir alle verantwortlich handeln, sowohl in unseren eigenen Arbeiten als auch im Umgang mit denen der anderen...
:KT:
Klaus Unruh
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Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von Klaus Unruh »

Ach, das ist doch Quatsch. Ein Plagiat besteht im wesentlichen darin, dass ein Zitat nicht als solchen gekennzeichnet ist und das u.U. Urheber von wesentlichen Gedanken nicht als solche benannt werden. Insofern man ein Zitat belegt und den Urheber von Gedanken kennzeichnet (und sei es mit einem "vergl. Müller 2003"), ist doch alles OK.

Mal am Rande: ICh muss demnächst einige Hausarbeiten korrigieren und würde die eigentlich ganz gerne durch eine Plagiatssoftware jagen. Wo finde ich denn sowas? An der Hochschule, an der ich tätig bin, ist sowas nicht institutionell vorgesehen.

Gruß,

Klaus
musicus

Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von musicus »

Ich bezweifle, daß automatische Plagiatssuche mittels Software das Allheilmittel gegen eine nachlässige Textkultur darstellt. Schavans Plagiate hätte man so wohl gar nicht gefunden. Außerdem halte ich es für fatal, jede studentische Hausarbeit über einen Scanner laufen zu lassen, solange es Professoren und Doktoren gibt, die noch unsauber arbeiten: nach dem Motto die kleinen hängt man, die großen läßt man laufen. Kein gutes Signal in einem ohnehin schon viel zu sehr durch-hierarchisierten System Hochschule.

Außerdem wird wahrscheinlich folgende Situation entstehen: weil man eine bestimmte Aussage nur n-mal umformulieren kann und dann wieder beim Original herauskommt, wird die Software irgendwann bei allem anschlagen. Je mehr Arbeiten dann online veröffentlicht werden, desto enger wird's. Nein, Hausarbeiten sind kein Feld für Plagiatssoftware.

Man müßte viel eher anhand von Beispielen einmal durchdiskutieren, was der Unterschied zwischen Paraphrase und indirektem Zitat ist, und was warum noch ok und was nicht mehr akzeptabel ist, usw.

Insgesamt müßten die Arbeiten wieder kürzer werden, vom Niveau her anspruchsvoller und mit klarer Ausrichtung: ich zeige, daß ich verstanden habe, um was es beim wissenschaftlichen Arbeiten geht (also der subjektive Erkenntnisprozeß). Dissertationen dürfte es nur noch für die tatsächliche Entwicklung neuer Methoden geben und nicht mehr für die reine Anwendung bestehender Methoden auf noch nicht bearbeitet Themenfelder (das sind Abschlußarbeiten). Dann die Habil komplett abschaffen. Und das Abitur wieder "wertiger" machen. :P
Wierus
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Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von Wierus »

musicus hat geschrieben:Dann die Habil komplett abschaffen. Und das Abitur wieder "wertiger" machen. :P
Halte ich beides für völlig falsche Wege. :wink:
Zum Abi: Ich finde es gut, dass immer mehr Leute durch höhere Bildungsabschlüsse qualifiziert sind. Warum auch nicht? Soll sich denn immer nur eine kleine politische/finanzielle Elite reproduzieren? Ob sich das für die Aufstrebenden aus den unteren Schichten immer bezahlt macht ist eine andere Frage, was aber zählt ist Chancengleichheit...
Zur Habil: Man muss mMn genau das Gegenteil machen, nämlich die Habilitation bzw. die Professur zum offiziellen 4. Bologna-Grad erheben. Gleichzeitig alle akademischen Grade aus dem Ausweis bzw. als Namenszusatz entfernen. Damit würde man auch ein wenig vom allzu hohen Prestige des Doktortitels nehmen, der dazu führt, dass viele Leute ihn um jeden Preis erlangen wollen, um zB eine steile politische Karriere zu starten.
musicus

Re: Prof. (Dr.) Annette Schavan

Beitrag von musicus »

50% Abiturquote ist doch kein Wert an sich. Das erreicht man nur, weil man das Abiturniveau auf Realschulniveau von vor 20 Jahren abgesenkt hat. Vergleiche mal alte Schulbücher und Aufzeichnungen mit heutigen.

Zur Habil: du beweist mit der Promotion, daß du eigenständig neue Methoden entwickeln kannst. Was willst du in der Habil darüberhinaus noch beweisen? Die Lehrbefähigung, aber dazu muß man nicht noch ein Buch schreiben. Nein, wir brauchen generell flachere Hierarchien, und jede Stufe (Prüfung) auf dem Weg zum Beruf muß auf ihre Notwendigkeit überprüft werden.

Akademische Grade raus aus dem Ausweis, da stimme ich dir voll und ganz zu. Und ein MD statt Dr. med. wäre auch sinnvoll. Hier geben die Mediziner ja zu, daß der Dr. nur aus Prestigegründen vergeben wird, um "Respekt vor dem Arzt" auszulösen. Das ist doch im 21. Jh. wirklich albern, wo Patienten teilweise inzwischen besser informiert sind als der Pharma-Handelsvertreter namens Arzt.
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