Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Das Unterforum zur Diskussion um die aus fremden Textpassagen zusammengesetzten Dissertationen Prominenter.

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musicus

Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von musicus »

Ich schlage zunächst einmal vor, dieses Unterforum umzuwidmen und alle Plagiatsfälle inklusive und nach Guttenberg einzuschließen. Hier handelt es sich um den FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkaki, der folgende drei interessanten Zitierweisen in seiner Arbeit angewandt haben will.
  • Zitate (teilweise) kursiv eingerückt und mit Anführungszeichen, ausgewiesen durch Fußnote;
  • Zitate nicht kursiv, eingerückt und mit Anführungszeichen, ausgewiesen durch Fußnote;
  • Zitate im Fließtext, nicht eingerückt und ohne Anführungszeichen, ausgewiesen durch Fußnote.
Vor allem letztere ist doch richtig spektakulär, dies sei auch mit den Betreuern so abgesprochen gewesen. Wir sind wirklich bei der Wissenschafts-Collage angelangt. Mal interessant zu sehen, wenn er damit durchkommt!

Noch ein Sahnehäubchen aus seiner Website: "Wissensklau verhindern - Geistiges Eigentum und EU-Patent", das ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit im EU-Parlament. :lol:
Sebastian
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Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von Sebastian »

musicus hat geschrieben:Ich schlage zunächst einmal vor, dieses Unterforum umzuwidmen und alle Plagiatsfälle inklusive und nach Guttenberg einzuschließen.
Das habe ich gerade erledigt. Ich hatte es schon länger so verstanden, andere ja wohl auch - aber nun ist es auch sauber dokumentiert.

Zu den Sahnehäubchen hätte ich auch noch eines: Titel der Arbeit:
"Informationeller Globalismus: Kooperationsmodell globaler Ordnungspolitik am Beispiel des Elektronischen Geschäftsverkehrs"
Wenn Copy&Paste aus dem WWW nicht ein Musterfall von informationellem Globalismus ist, was dann? :lol:
Die Uni Bonn äußert sich auch schon, incl. Link zu jener Dissertation im Volltext aus dem Hochschulserver.

Im direkten Vergleich der beiden Grafiken Vroniplag liegt C. im Vergleich zu Koch-Mehrin ja scheinbar schon vorn...

Sebastian
Angara

Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von Angara »

Na klasse! Wenn wir hier den Doktor haben, hat die Urkunde vermutlich noch den Wert eines gebrauchten Taschentuches. Dank der richtungsweisenden Umwertung der Begriffe "Arbeitsethos" und "Wissenschaftlichkeit" durch unsere "Leistungsträger" in der Politik. Kann man nicht einen Dr. leist. für die Leistungsträger einführen, den sie sich durch Selbstakklamation verleihen? Dann hätten wir als Nichtleistungsträger zwar nur einen armseligen Universitätsdoktor im akademischen Prüfungsverfahren erworben, aber vielleicht erscheint das Promotionswesen dann nicht mehr wie eine groteske Mischung aus Kasperletheater und hinterzimmeriger Siffspelunke. Unsere "Eliten" sind auf dem besten Weg, diesen Eindruck nachdrücklich zu verfestigen.

Zum Thema: Die Zitierweise, die Zitate nicht zu kennzeichnen und dann im Text Fußnoten zu verstreuen, bei denen deswegen nicht mehr ersichtlich ist, worauf die sich beziehen ist allerdings wirklich, sagen wir mal, originell.
musicus

Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von musicus »

Ich werfe noch mal eine andere Idee ein: für mich kann es nicht sein, daß diese ganzen Fälle ohne Wissen oder Duldung der Gutachter passiert sind. Könnte es nicht sein, daß diese selbst nicht genau wissen, was man wie und warum direkt oder indirekt zitiert und was korrekte wissenschaftliche Methodik ist, weil sie sich darüber selbst noch nie Gedanken gemacht haben? Ich hatte in meinem Studium eine etwas breitere Reflexion darüber (im Nachhinein) nämlich schmerzlich vermißt. Wobei das korrekte Zitieren (fast als einziges) dann doch gelehrt wurde (1998-2004). Aber auch solche Dinge wie "interessegeleitete Forschung durch Drittmittelgeber" und ähnliche Dinge gehören m.E. in einen solchen "Grundkurs". Hängt ja eventl. (Guttenberg, Rhön-Klinikum, Stiftungsprofessur) auch mit dem ganzen Komplex zusammen.
Sebastian
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Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von Sebastian »

musicus hat geschrieben:Ich werfe noch mal eine andere Idee ein: für mich kann es nicht sein, daß diese ganzen Fälle ohne Wissen oder Duldung der Gutachter passiert sind. Könnte es nicht sein, daß diese selbst nicht genau wissen, was man wie und warum direkt oder indirekt zitiert und was korrekte wissenschaftliche Methodik ist, weil sie sich darüber selbst noch nie Gedanken gemacht haben
Das glaube ich kaum. Ich vermute als Hintergrund weiterhin eher eine langfristige Betrachtung nach dem Motto "Man kennt sich, man hilft sich". Selbst wenn die erwischten bzw. in Diskussion stehenden Politiker zum Zeitpunkt der Anfertigung ihrer Promotionen noch nicht in besonders hohen Positionen waren, so war doch für halbwegs vorausschauende Doktorväter u.a. meist schon absehbar, dass sie Berufspolitiker werden würden. Das bedeutete nach der Lesart vor guttenplag etc.:
1.) Früher oder später würden sie mit höherer Wahrscheintlichkeit Einfluss auf Hochschulfragen/Fördermittel etc. haben, so dass es gut sein könnte, sie zu kennen und gewogen zu halten - und zwar nicht nur für Erst- und Zweitgutachter, sondern auch für die ganze Fakultät.
2.) Da Politiker normalerweise keine Habil. machen, wurde auch ihre Diss kaum je wieder zur Hand genommen - außer von besonders gründlichen Journalisten.

Das heißt: Es tut nicht besonders weh, so einer Person zu helfen (die wollen ja sicher nicht in den Wissenschaftsbetrieb), kann aber nützlich sein.

Ich persönlich habe im Zuge meiner Ausbildung mitbekommen, wie ein damaliger Parteijugend-Aktivist Stufen seiner Ausbildung in einer RA-Kanzlei absolvierte. Jeder wußte, dass er Politiker werden will, dass man nicht zuviel Engagement von ihm verlangen darf (kann?) - und so wurde er dann auch behandelt. (Er hat übrigens nicht promoviert, hab' gerade extra nochmal nachgeschaut.)
Heute ist er "planmäßig" MdB. Es kann sicher nicht schaden, so einen Menschen zu kennen - die Rechnung der Kanzlei wird aufgegangen sein, jedenfalls schon unter Kontakt-Gesichtspunkten. Allein die Gutachten-Aufträge, über die solche Leute - für welche Einrichtungen auch immer - entscheiden, und die kaum kontrollierbar sind, sind schon nett und laufen für Hochschullehrer sogar ganz legal als Nebentätigkeit.
Warum sollte das an der Uni anders gesehen werden?
Was meinst Du, wie verbunden dir ein Vater ist, dessen Tochter du kräftigst zur Promotion verholfen hast?

Sebastian
bbb

Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von bbb »

@musicus
Ich hatte in meinem Studium eine etwas breitere Reflexion darüber (im Nachhinein) nämlich schmerzlich vermißt. Wobei das korrekte Zitieren (fast als einziges) dann doch gelehrt wurde (1998-2004).
Was hast Du denn studiert, wenn ich fragen darf?

In meinem (Ingenieur-)Studium wurde auch nie so etwas gelehrt (wobei ich von einem anderen Ingenieurstudiengang an einer anderen Uni weiß, dass solche Themen dort behandelt werden, da der Dozent großen Wert auf korrektes Wissenschaftliches Arbeiten legt), das musste ich mir bei der Arbeit an Diplom- und Doktorarbeit selbst anlesen.

Der Umgang mit wörtlichen Zitaten ist aber - denke ich - generell in den Natur- und Ingenieurwissenschaften weniger wichtig als in den Geisteswissenschaften, da es in den ersteren meist viel mehr um die Inhalte geht als um die Formulierung.
musicus

Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von musicus »

Eine Überlegung zur Wissenschaft ist auch in den sog. Naturwissenschaften wichtig. :wink: Ich selbst habe drei Fächer studiert, eine Kunstwissenschaft, eine empirische Sozial/Humanwissenschaft und Ökonomie. Letzteres ist für mich (rückblickend) gar keine Wissenschaft (zumindest so, wie sie meist unterrichtet wird), sondern eine Schule oder "Ideologie" (wobei ich nichts gegen Ideologien habe, man muß sich das nur bewußt machen). Ich würde den Begriff Wissenschaft eigentlich überhaupt nicht mehr verwenden, da er eine Abgrenzung von Wissen/Glauben suggeriert, die nicht exisitiert. :P Wissenschaft trägt mir ihrer scheinbaren Seriosität und dem Vermitteln von "Wahrheiten" nur zur Aufrechterhaltung einer unvollkommenen Gesellschaftsordnung bei (nämlich der "modernen"). :oops:
Lieschen_Müller

Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von Lieschen_Müller »

Vielleicht ist mit Zitieren ohne Anführungszeichen paraphrasierendes Zitieren gemeint. Dann sind die selbsternannten Plagiatssucher aber recht peinlich über das Ziel hinausgeschossen. Die Website Vroniplag ist offenbar auch nicht mehr zu erreichen - Auflösungserscheinungen? Es ist inzwischen ja auch fast nicht mehr vorstellbar, dass ständig noch einer plagiiert haben soll.
musicus

Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von musicus »

Sowohl GuttenPlag als auch VroniPlag sind weiterhin rege aktiv und erreichbar. Nein, er meint wörtliche Zitate ohne Anführungszeichen, nachzulesen gleich in der Einleitung, beispielhaft auf Seite 6. Ob jetzt noch jemand plagiiert, ist natürlich schwer zu sagen, aber es gibt ja eine ganze Reihe von Dissen, die zwischen 1996 und 2011 bereits fertiggestellt wurden aber noch auf eine kollektive Überprüfung warten.

Blogeintrag von Stefan Weber zu diesem Fall.
luponi

Re: Freestyle-Zitierweise nach (Dr.) Chatzi

Beitrag von luponi »

Hallo,

@Lieschen_Müller: Vroniplag ist (jetzt wieder?) erreichbar; und wenn es denn paraphrasieren wäre, wäre das ja in Ordnung. Allerdings seitenweise kopieren und mit wenigen Änderungen übernehmen und das dann ganz am Ende mit einer Fußnote zu versehen, ist kein Paraphrasieren, sondern schlicht ein Plagiat. Und warum es sollte es nicht so viele Plagiate geben; Sebastian hat doch schon gute Gründe dafür genannt.

Bin mal gespannt, wen es in den nächsten Jahren noch so erwischt, vielleicht ändert sich ja dann irgendwann mal etwas; zu wünschen wäre das ja.
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