„Österreichs Guttenberg“

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musicus

„Österreichs Guttenberg“

Beitrag von musicus »

Der ehemalige österreichische Wissenschaftsminister(!) soll auch plagiiert haben. Quelle: OE24.de
Überall kommen jetzt diese Fälle zum Vorschein, vielleicht stelle ich meine eigene Arbeit vorübergehend mal ein, um nochmal gründlich über den ganzen Saustall und den Sinn und Zweck einer Promotion nachzudenken. :evil:
manutl

Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von manutl »

Der immatrielle Schaden ist unglaublich groß!
Ich habe am Freitag meine Arbeit als Buch von meinem Verlag zugeschickt bekommen. Eigentlich doch eine Riesenfreude. Und doch bleibt so ein fader Beigeschmack: Gerade in diesen Tagen fängt man sich als Promovierter (und gewiss genauso als Promovierender) allerorts hämische Sprüche ein, wo man denn so abgeschrieben habe. Und ich merke immer mehr wie wütend ich werde.
Das Phänomen eines zu Guttenbergs, der trotz massivem Fehlverhaltens von so vielen um seine Rückkehr gebeten wird, lässt mich an der geistigen Volksgesundheit zweifeln. Ich verstehe nicht, warum "Otto-Normal-Bürger" auf der einen Seite "stramm steht", wenn er einen Dr. vor dem Namen liest und andererseits sagen kann, dass das ja nun nicht so wichtig sei, dass ja die Arbeit des Menschen zähle.
Es kläre mich auf, wer dies besser versteht als ich.
Lotta
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Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von Lotta »

manutl hat geschrieben:Ich verstehe nicht, warum "Otto-Normal-Bürger" auf der einen Seite "stramm steht", wenn er einen Dr. vor dem Namen liest und andererseits sagen kann, dass das ja nun nicht so wichtig sei, dass ja die Arbeit des Menschen zähle.
Weil in diesem Fall ein Adelstitel vorhanden ist, vor dem man noch "strammer" steht.

Sorry, ernsthaft, ich verstehe es auch nicht. Irgendwie scheint in dieser "Leistungsgesellschaft" Leistung weniger wert zu sein als ein ererbter (abgeschaffter) Adelstitel mit dem ganzen Glamour drumherum. :?
Ich verstehe Eure Gefühle, mir geht es nicht anders. :?
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Koenigsportal
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Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von Koenigsportal »

Ich glaube, dass der Wunsch nach einem Führer, einer Lichtgestalt eine größere Rolle spielt, als man sich eingestehen mag. Merkel hat ja an KTG hervor gehoben, dass er in einzigartiger Weise verstanden habe, die Menschen für sich und Politik zu begeistern. Da wurde mir echt anders. Ist die so geschichtsblind? Ich meine, da fällt einem doch sofort ein, dass es so jemanden schon mal gab. Und auch bei dem wollte man nicht so recht wahr haben, dass er es mit Gerechtigkeit und ähnlichen Werten nicht so genau nahm.

Habe mal einen Spruch von George Tabori gelesen: In Deutschland kann man gut leben, wenn man einen gültigen Reisepass und einen gepackten Koffer hat. Sorry, ist vielleicht Schwarzmalerei, aber manchmal wird mir hier echt unbehaglich u. mein Vertrauen in die Demokratie schwindet.
"Do what you can, with what you've got, where you are." (Th. Roosevelt)
Angara

Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von Angara »

Koenigsportal hat geschrieben:Ich glaube, dass der Wunsch nach einem Führer, einer Lichtgestalt eine größere Rolle spielt, als man sich eingestehen mag. Merkel hat ja an KTG hervor gehoben, dass er in einzigartiger Weise verstanden habe, die Menschen für sich und Politik zu begeistern. Da wurde mir echt anders. Ist die so geschichtsblind? Ich meine, da fällt einem doch sofort ein, dass es so jemanden schon mal gab. Und auch bei dem wollte man nicht so recht wahr haben, dass er es mit Gerechtigkeit und ähnlichen Werten nicht so genau nahm.

Habe mal einen Spruch von George Tabori gelesen: In Deutschland kann man gut leben, wenn man einen gültigen Reisepass und einen gepackten Koffer hat. Sorry, ist vielleicht Schwarzmalerei, aber manchmal wird mir hier echt unbehaglich u. mein Vertrauen in die Demokratie schwindet.
Schon, aber ich bin Anhänger des Sprichwortes "Der Fisch stinkt vom Kopfe". Solche Tendenzen sickern von oben nach unten, nicht umgekehrt. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß eine moralisch einwandfreie und untadelig demokratische Regierung vom sittlich verrotteten Volk korrumpiert wird. Jedenfalls ist mir dafür kein historisches Beispiel bekannt. Im Normalfall dürften diese Entdemokratisierungstendenzen "oben" beginnen und sich dann in einem Wechselspiel mit den Menschen "unten" aufschaukeln. Auf Korruption und Vorteilsnahme oben, reagiert das Volk unten dann halt mit politischem Desinteresse und Fatalismus, was dann natürlich oben die Korruption noch ungehemmter motiviert und also im Gegenzug...
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Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von Koenigsportal »

Angara hat geschrieben: … eine moralisch einwandfreie und untadelig demokratische Regierung …
du meinst nicht wirklich die deutsche regierung, oder etwa doch :?:
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Angara

Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von Angara »

Koenigsportal hat geschrieben:
Angara hat geschrieben: … eine moralisch einwandfreie und untadelig demokratische Regierung …
du meinst nicht wirklich die deutsche regierung, oder etwa doch :?:
Nein, natürlich nicht. Ich hatte überhaupt keine spezielle im Sinn, keine Ahnung, ob es sowas mal gegeben hat, wahrscheinlich nicht. Unsere Regierung ist ein korrupter Haufen, der den im zweiten Teil meines Beitrages skizzierten Teufelskreis in Gang setzt.
manutl

Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von manutl »

Die Frage, die ich mir (auch in anderen Zusammenhängen) immer wieder stelle, lautet: Warum setzt sich eigentlich (fast) immer die Mittelmäßigkeit durch? Ich bin überzeugt, dass es helle untadelige Köpfe in Deutschland (wie auch anderswo) gibt, die einen guten Job machen könnten, Lösungen erarbeiten würden...
Aber die kriegen keine Chance, wollen lieber in die Wirtschaft (ist das so?), .....?
algol
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Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von algol »

Nach der Wende sind in den neuen Bundesländern viele hochengagierte Leute in die Politik gegangen, die sich mit hohem Einsatz für die politischen Veränderungen eingesetzt hatten und dort auch weiter gestalten wollen. Von einem habe ich mal ein Interview gelesen. Er hat ziemlich bald aufgehört, weil er in einer Papierflut, ... versackt ist und nicht das Gefühl hatte, eine sachorientierte Politik machen zu können.
Angara

Re: „Österreichs Guttenberg“

Beitrag von Angara »

manutl hat geschrieben:Die Frage, die ich mir (auch in anderen Zusammenhängen) immer wieder stelle, lautet: Warum setzt sich eigentlich (fast) immer die Mittelmäßigkeit durch? Ich bin überzeugt, dass es helle untadelige Köpfe in Deutschland (wie auch anderswo) gibt, die einen guten Job machen könnten, Lösungen erarbeiten würden...
Aber die kriegen keine Chance, wollen lieber in die Wirtschaft (ist das so?), .....?
Meine (unbewiesene) These: Das Mittelmaß hat eine Tendenz der Selbstverstärkung. In dieser Hinsicht ist der Mittelmäßige viel schlimmer als der Dumme. Der Dumme hat im allgemeinen keine Schwierigkeiten die überlegenen Kompentenzen des Fähigen anzuerkennen. Der Mittelmäßige kann das schlechter. Der sieht zwar insgeheim ein, daß er mittelmäßig ist, aber die Tatsache, daß er einen besseren Posten hat, erweckt eine gewisse Selbstherrlichkeit. Und die Politik kann Mittelmäßigkeit lange verdecken, weswegen die Mittelmäßigen sich da auch tummeln. Damit will ich nicht sagen, Politik wäre irgendwie einfach, im Gegenteil, aber gerade in diesem Bereich ist das Unglück, daß es schwer ist, objektive Vergleichskriterien zu finden, wann jemand gut ist. Schon Platon fragte sich ja, was eigentlich die spezifische Kompetenz eines Politikers ist und auch heute ist das alles andere als klar. Auf Grund der im Mittelmaß verbreiteten Skepsis gegenüber den wirklich Fähigen, tendieren Mittelmäßige dazu, sich mit anderen Mittelmäßigen zu umgeben. Tendenziell dürfte also die Mittelmäßigkeit und Banalität in jeder Politikergeneration zunehmen. Merkel ist jedenfalls die lebende Manifestation dieser Vermutung.
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