johndoe hat geschrieben:
> hi,
> wenn man zu jedem Thema, das einen interessiert, gleich eine Dissertation
> schreibt, wird's eng auf der Visitenkarte.
>
> Aber im ernst: wieso denkst du, dass du diesen zusätzlichen Bereich nur
> über eine Promotion erobern kannst? Du bist nicht der erste, der über die
> Jahre neue Fachgebiete erschließt, insb. wenn es overlap gibt zu deinem
> eigentlichen Fachgebiet (z.B. bestimmte Mathematik-Felder). Der einzige
> Unterschied, ob du nun als "freier Forscher" deine Artikel
> veröffentlichst oder kumulativ promovierst, ist, dass am Ende ein zweiter
> Doktorgrad winkt- wenn das dein primäres Ziel ist, ok - aber wenn man die
> Promotion mal rein als Qualifikationsschritt betrachtet ( Nachweis der
> Befähigung zu besonders vertiefter wissenschaftlicher Arbeit *Wikipedia*),
> brauchst du keine zweite Doktorarbeit. Und ob du in der Community ernster
> genommen wirst, weil du in dem Spezialfach nochmal promoviert wurdest,
> bezweifle ich. I.d.R. gehts um Veröffentlichungen (Anzahl, Reputation der
> Journale, Zitationen). Aber wie oben geschrieben - die Frage ist, was dein
> Antrieb ist. Prestige (Doppel-Doktor) oder Standing.
Hallo! Ich danke Dir für Deine Antwort!
Ich hatte vergessen, es explizit zu schreiben, aber ich kann die Motivation hinter Deiner "Unterstellung verstehen: Ich bin nicht titelgeil und es geht mir nicht um Prestige, die Meinung Anderer über meine Ausbildung oder über Visitenkarten (die ich übrigens nicht habe

). Ich habe noch nie irgendeinen Abschluss oder Titel irgendwo angegeben und ich würde auch niemals meinen PhD bzw. Dr. im Personalausweis eintragen lassen.
Aber zurück zum Thema und Deiner Frage: Sicherlich kann ich die theoretische Ökologie nicht nur über eine Promotion "erobern". Aber ich vermute halt, dass es in meiner Situation und für meine Pläne/Zwecke der sinnvollste Weg sein könnte. Aus folgendem Grund: Wie Du schon richtig aufgegriffen hast, gibt es einen Overlap an bestimmten mathematischen Werkzeugen, die sowohl in meinem aktuellen Forschungsgebiet, der mobilen Robotik, als auch der theoretischen Ökologie/Ökosystemmodellierung benutzt werden. Der Overlap ist aber ziemlich gering, je nach Schwerpunkt nahezu vernachlässigbar. Ich kenne Dein Fachgebiet nicht, aber ich umschreibe es mal so: Wir nehmen einen Programmierer, der in der Sprache X (z.B. COBOL) für Banken Verwaltungsprogramme schreibt und einen Programmierer, der Webentwicklung mit Sprache Y (z.B. PHP und JavaScript) betreibt. Beide programmieren, beide müssen sich an die Syntax ihrer jeweiligen Programmiersprache halten, aber schon diese Syntaxen unterscheiden sich. Für allgemeine X und Y können diese sehr ähnlich sein, trotzdem kann Programmierer 1 bei weitem nicht automatisch den Job von Programmierer 2 machen oder die Syntaxen können sogar total unterschiedlich sein.
Und so ist es auch in der mobilen Robotik und der theoretischen Ökologie. Es gibt einen Werkzeug-Overlap, der z.B. dynamische Systeme und stochastische Prozesse umfasst. Die methodische Übertragbarkeit ist aber selten groß.
Ich habe tatsächlich mal durch die Verkettung mehrerer Zufälle fachfremd an einem Paper in einem ganz anderen Bereich mitgearbeitet (Quanteninformationstheorie), in dem Wahrscheinlichkeitstheorie ebenfalls eine große Rolle spielt, nur eben so verschieden von der, die sie in der mobilen Robotik spielt, dass mir mein vorhandenes Wissen NICHTS gebracht hat. Die Arbeit an dem Paper war eine einzige Quälerei und ich würde sowas nie mehr machen. Ich glaube, ich habe mir damit sowohl was das Fachliche als auch was das "Ansehen" bei den Mitautoren angeht, keinen großen gefallen getan.
Daher die Idee mit der zweiten Promotion. Auch wenn diese extern erfolgen würde, wäre ja doch noch eine gewisse Struktur gegeben (für deren Einhaltung ich zum Großteil natürlich selbst verantwortlich bin). Ich hätte einen gewissen Zeitraum für Literaturrecherche, ich hätte einen festen Betreuer, der ja doch irgendwie ein gewisses Interesse haben sollte an meiner Arbeit und ich hätte andere Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter, die ich bei Fragen kontaktieren könnte. Würde ich jetzt als "freier Forscher" einfach so ins kalte Wasser springen, wäre das so ja nicht möglich. Wenn ich dann einfach Experten auf meinem Gebiet kontaktiere und evtl. um Rat frage, kommt das bestimmt sehr seltsam rüber. Ein anderer Punkt sind halt die Zitationen und das damit verbundene Image in der Community. Klar könnte ich versuchen, ein Paper über die Modellierung des sozialen Netzwerkes von Sandtigerhaien zu veröffentlichen. Aber wer von den gestandenen Forschern aus dem Bereich würde das zitieren oder auch nur lesen, wenn er oder sie sieht, dass ich eigentlich aus der Robotik komme?! Eine Promotion bei einem ausgewisenen Experten in dem Bereich und evtl. sogar 1-2 Publikationen mit selbigem würden doch ein ganz anderes Bild abgeben.
Oder wie siehst Du das?
[quote=Wierus post_id=250545 time=1658159278 user_id=1805]
Naja es ist schon so, dass man es mit einer Dissertation in einem bestimmten Fachgebiet hieb- und stichfest bescheinigt bekommt, dass man in genau diesem Fachgebiet wissenschaftlich arbeiten kann.
Allerdings verstehe ich nicht ganz, warum man eine laufende Dissertation nicht zuerst abschließt, bevor man ein neues Projekt in Angriff nimmt.
Meine Anregung: Die laufende Promotion bestmöglich fertigstellen und danach eine Habilitation anstreben. Der akademische Karriereschritt von Promotion zu Habilitation kann durchaus auch einen Fachgebietswechsel beinhalten, zum Beispiel von der Psychologie in die Pädagogik oder von der Politikwissenschaft in die Philosophie.
So, wie du es beschreibst, scheinen die beiden genannten Forschungsgebiete durch Mathematik auf das Engste verknüpft zu sein. Warum also nicht mit einer Habilitation weitermachen?
Der Doppel-Doktor macht imho nur Sinn, wenn einem der typische "Dr. med." zu wenig akademisches Ansehen außerhalb der Medizin verschafft (siehe Dr.Dr. Karl Lauterbach).
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Danke für Deine Antwort! Ich könnte natürlich schon die jetzige Promotion (genau genommen ist es ein PhD

) abschließen, bevor ich die Zweitpromotion beginne. Es ist halt so, dass ich mittlerweile wieder freie Kapazitäten habe, die ich sinnvoll nutzen möchte. Aber ja, ich werde mir durch den Kopf gehen lassen, ob ich diese nicht weitestmöglich zusätzlich in mein aktuelle Projekt investiere.
Eine Habilitation oder eine Post-Doc-Stelle strebe ich auf keinen Fall an. Ich möchte nach meinem Abschluss in die industrielle Forschung in dem Bereich meines Themas und würde auf dem zweiten Gebiet "hobbymäßig" forschen. Der Grund ist schlicht das Geld, wovon es in der Industrie einfach deutlich mehr gibt, als in der akademischen Forschung. Ein derartiger Fachwechsel ist für mich daher nicht möglich/gewollt.
Bzgl. der fachlichen Brücken zwischen den beiden Gebieten, verweise ich bitte auf meine Antwort zum ersten Post

. "Auf das Engste" sind diese mitnichten verknüpft, sonst hätte ich diese Frage nicht gestellt

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[quote=daherrdoggda post_id=250546 time=1658206639 user_id=6558]
Einige Leute wechseln von der Physik, Ingenieurwesen, Chemie, Informatik, Biologie usw. zu einem der anderen genannten Fächer. Das geht auch ohne zweite Promotion. Einfach als Postdoc in dem neuen Gebiet bewerben!
[/quote]
Auch Dir danke für die Antwort! Bzgl. Post-Doc bitte in die vorherige Antwort schauen

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