Outing - Homosexualität

Nesselbaum
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Outing - Homosexualität

Beitrag von Nesselbaum »

Hallo liebe Forengemeinde,

über die Suche bin ich leider nicht fündig geworden und die Ansprechpartner in meiner Uni sind im Urlaub, daher wollte ich hier um Rat bitten.

Gern möchte ich mich bei meinen Kollegen outen. Das macht mein Leben deutlich einfacher, weil ich Fragen zum Wochenende, Urlaub und über zu Hause ohne Zwang beantworten kann. Ich müsste auch nicht dauernd auf der Hut sein und bspw. bei Videokonferenzen darauf achten, dass jemand zu nah an mich heran tritt... Spätestens bei einer Disputation wird es ja offensichtlich.
Allerdings habe ich etwas Sorge, mich so früh in meinem Berufsleben zu outen, da ich nach der Universitätszeit in die freie Wirtschaft will, sich in der Branche alle kennen und ich nicht als die Person, die aufgrund ihrer Sexualität heraussticht, gelten möchte. Natürlich werde ich dafür sorgen, dass ich fachlich sehr gut sein, entsprechend publizieren und bei Konferenzen durch Expertise glänzen werde. Allerdings besteht die Sorge, dass ich einen Stempel aufgedrückt bekomme, den ich in meiner doch sehr konservativen Branche nicht loswerde.

Wie seid ihr damit umgegangen oder habt ihr Erfahrungen, wie ein Outing bei Kollegen und in der Fachwelt aufgenommen wurde?
donkeydoeshisphd
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von donkeydoeshisphd »

An der FH habe ich einige Kolleginnen/Kollegen, die Partner des gleichen Geschlechts haben. Bei uns juckt schlicht niemand, meine Kollegin erzählt im Kollegenkreis und auch vor den Studis ab und an von ihrer Frau, genau wie ich (männlich) von meiner etc. Es wird aber jetzt auch kein eigenes Thema aufgemacht, weil es einfach als nichts besonderes und auch nicht als irgendwie relevant für die Arbeit angesehen wird. In der freien Wirtschaft war das ähnlich.
Nesselbaum
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von Nesselbaum »

Hallo,
danke, donkeydoeshisphd! Cooler Name :)

Bei meinem direkten Vorgesetzten habe ich mich jetzt geoutet. Die Reaktion war positiv, dass ich mir keine Gedanken machen soll und er mich konsultiert, falls private Fragen zu mir aufkommen sollten. Das ist deutlich mehr, als ich erhofft habe.
Bei meinen Kolleg:innen versuche ich nun so entspannt wie möglich, von meinem Privatleben zu erzählen. Das wird eine Umstellung, aber ich freue mich, dass ich diesen Schritt nun gehe.

Bei meinen Recherchen im Internet bin ich auf mehrere Geschichten von Wissenschaftler:innen gestoßen, die sich geoutet haben. Insgesamt überwog die Erleichterung und die Erkenntnis, dass man nach dem Outing deutlich effizienter und freier arbeiten kann.
Wierus
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von Wierus »

Nesselbaum hat geschrieben: ↑18.07.2022, 12:30Bei meinen Kolleg:innen versuche ich nun so entspannt wie möglich, von meinem Privatleben zu erzählen.
Generell sollte man sich gegenüber Kollegen mit Geschichten über das (eigene) Privatleben zurückhalten. Das nur am Rande.
Eva
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von Eva »

Generell sollte man sich gegenüber Kollegen mit Geschichten über das (eigene) Privatleben zurückhalten. Das nur am Rande.
@Wierus: Was bringt dich zu dieser sehr pauschalen Aussage?
Wierus
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von Wierus »

Eva hat geschrieben: ↑20.07.2022, 09:49
Generell sollte man sich gegenüber Kollegen mit Geschichten über das (eigene) Privatleben zurückhalten. Das nur am Rande.
@Wierus: Was bringt dich zu dieser sehr pauschalen Aussage?
Lebenserfahrung.
Nesselbaum
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von Nesselbaum »

Hallo Wierus,

danke erst einmal für deine Beteiligung. Wie du im Ausgangsbeitrag gesehen haben könntest, ging es mir vor allem um die typischen Flurgespräche bzw. Videokonferenzen, in denen man sich auch unabsichtlich outen kann. Das Vermeiden eines derartigen Outings kostet viel Kraft und bereitet Stress, der meine persönliche Leistungsfähigkeit mindert.

Ich würde mich freuen, würdest du zu meiner ursprünglichen Fragestellung deine Lebenserfahrung mit mir teilen.
Papierturm
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von Papierturm »

Um Wierus beizupflichten. Es gibt da so einen schönen Merksatz, den leider viele Menschen nicht beherzigen:

Arbeitskollegen sind keine Freunde, Vorgesetzte keine Eltern.

Das sind andere Rollen. Gibt man viele private Informationen preis, kann (nicht zwangsläufig "muss") das auf vielerlei Wegen zum Boomerang werden. Ich kenne da - aber das ist auch ein wenig Berufskrankheit - genug Horrorgeschichten von hier bis zur Antarktis und zurück.

Das harmlosere Übel, das ich aber auch schon oft genug erlebt habe, dass Leute aufgrund privater Aspekte finanzielle Nachteile haben (z.B. keine Beförderung, weniger Entgegenkommen bei Gehaltsverhandlungen und so weiter). Wenn dann so Situationen entstehen, dass die Stimmung kippt, und es zu Mobbing o.ä. kommt, dann werden private Informationen auch gern verwendet.

Man verkauft nach draußen im Berufsleben immer auch ein Bild von sich. Das sollte man entsprechend professionell pflegen und gestalten.
Wenn private Informationen dieses Bild unterstützen, hey, super, lässt sich das auch nutzen. Falls aber nicht, dann wäre ich damit sehr zurückhaltend, die irgendwo zu verbreiten.

Ich war in meinem ersten Berufsjahrzehnt deutlich ... hm ... nennen wir es authentischer. Erst seitdem ich das lasse, habe ich wirklich Karriere machen können.

Das ganze hat jetzt mit der Frage der Sexualität und eines Outings per se erstmal wenig zu tun (wobei es da auch Branchen gibt, die mehr oder weniger tolerant sind). Ich empfehle die Supermarktfrage: Würde man etwas offen Fremden gegenüber im Supermarkt zeigen (z.B. mit PartnerIn einkaufen gehen) oder sagen? Falls ja, ist es in aller Regel eine Information, die entweder sowieso rauskommt, oder nicht problematisch ist. Falls nein, gehört es meiner Erfahrung nach auch nicht in die Arbeitswelt.
Nesselbaum
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von Nesselbaum »

Danke für deine Einschätzung und den Hinweis auf das Bild, welches man im Burfsleben von sich selbst gestalten kann! Es ist schade, dass du diese Erfahrung gemacht hast! Es wäre schöner, wenn man als Mensch mehr Toleranz im Berufsleben erfahren würde.

Auf der einen Seite muss ich gestehen, dass ich etwas enttäuscht von den Antworten bzgl. Arbeitsplatz und Privatgesprächen bin, da diese hier im Speziellen aufs Outing bezogen aus meiner Sicht nicht wirklich zutreffen. Es gibt immer Situationen (Chef fragt: und was macht Ihre Frau/Ihr Mann so?), die man nicht ohne eigene Kosten lösen kann. Es ist ja nicht so, dass man dieses Thema mit dem ungehorsamen Kind, dem Ehekrach oder einem ausgefallenen Hobby vergleichen kann. Daher bin ich etwas enttäuscht über die sehr allgemeinen Antworten.

Auf der anderen Seite habe ich hier offen gefragt und jede Antwort die gegeben wird, hat wohl ihren Platz, auch wenn ich noch nicht die Erfahrung habe, diese einzuordnen. Auch spiegeln sie vielleicht auch den aktuellen Stand im Wissenschaftsbetrieb wieder.

Ich gebe einmal zu bedenken, dass im Forum dies bisher der erste Beitrag zu diesem Thema überhaupt ist. Es kann unmöglich sein, dass ich die erste Person bin, die sich dieser Herausforderung stellen muss.
Cybarb
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Re: Outing - Homosexualität

Beitrag von Cybarb »

Hallo,

in einer Videokonferenz kannst du ein unfreiwilliges Outing vermeiden, indem du dafür sorgst, dass im Hintergrund keine Fotos hängen (oder du verwischst ihn), niemand hinter dir durchs Bild läuft (vor eine Wand setzen) und niemand dazwischenredet (das sollte ohnehin selbstverständlich sein).

Für die Flurgespräche kannst du dir, falls nötig, ein paar Standardsätze zurechtlegen, die ohne Personalpronomina (oder du sprichst konsequent von "wir") auskommen. Und dann elegant das Thema wechseln.

Gruß
Cyb

Edit: Ok, ich sollte manche Beiträge wohl genauer lesen. :wink: Denn dein Outing ist ja bereits erfolgt bzw. im Gange. In dem Fall pflichte ich Wierus und Papierturm bei, dass man private Informationen möglichst sparsam in Gespräche einbringen sollte, aus den bereits genannten Gründen.
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