Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Overthinkerin
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Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von Overthinkerin »

Liebe Leute,

bin noch ganz am Anfang meines Promotionsvorhabens und mittlerweile dezent verwirrt über die verschiedenen Fachgebiete und daraus resultierenden Bezeichnungen der Doktortitel (also etwa Dr. phil oder Dr. soz. oder Dr. rer. nat. oder Dr. hum. biol. etc.).
Da mein Fachgebiet in einer interdisziplinären Schnittstelle liegt, habe ich die Möglichkeit an verschiedenen Fakultäten zu promovieren, was natürlich automatisch bedeutet, dass sich auch die möglichen Titelbezeichnungen dann unterscheiden.

Wie und insbesondere wofür bzw. wann ist es denn relevant, welchen Doktortitel man trägt?
Muss ich bei der Wahl der Fakultät darauf achten? Ist die eine Bezeichnung irgendwie vorteilhafter als andere oder ist es im Endeffekt "egal" welchen Titel ich hinterher trage, so lange die Fakultät und deren thematische Ausrichtung zu meiner Spezialisierung passt?

Ein Rat aus Erfahrung wäre wirklich sehr hilfreich!

Herzliche Grüße
Wierus
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von Wierus »

Grundsätzlich sollte sich der Zusatz zum Doktortitel (phil., ing., jur., med. etc.) nach dem Fach richten, welches man später nach Außen hin vertreten kann bzw. in welchem man danach wissenschaftlich und/oder beruflich aktiv werden will.

Wenn es jetzt nur um die Bezeichnung geht und man es zudem im internationalen Maßstab betrachtet, dann sieht es mMn wie folgt aus:
In USA, GB, CAN, AUS, NZ, Indien etc. gibt es, völlig unabhängig von der Fachrichtung, eine Standardbezeichnung für Forschungsdoktorate, nämlich den "PhD" (von Lateinisch: "doctor philosophiae" bzw. "philosophiae doctor"). Diesem kommt der deutsche "Dr. phil." mit Abstand am nächsten, da es ja die Abkürzung für dieselbe lateinische Langform ist.

Innerhalb unserer Landesgrenzen sieht es allerdings völlig anders aus, da gibt es zwischen "Dr. med.", "Dr. jur.", "Dr. phil." und "Dr. ing." schon beträchtliche Unterschiede, zumindest was die oberflächliche Betrachtung angeht. Vor die Wahl gestellt, sich beispielsweise zwischen dem "Dr. med." und dem "Dr. rer. nat." zu entscheiden, würden wohl die meisten den letzteren nehmen, auch wenn in einer klassischen medizinhistorischen Studie weit mehr Arbeit stecken kann als in einer anwendnungsbezogenen IT-Expertise im Bereich Medizintechnik.

Zum hiesigen Ansehen des "Dr. phil." bin ich noch unschlüssig:
Einerseits steht er für Fachbereiche, die in BILD, WELT, Handelsblatt & Co regelmäßig schlechtgeredet werden, weil darin kein lukratives MINT-Fach enthalten ist -- der Grad demnach als tendenziell "überflüssig" gilt ( :mrgreen: ). Andererseits hat zum Beispiel das Ansehen des "Dr. jur." aufgrund der vielen Skandale in den letzten Jahren sehr gelitten. Und weil "Dr. rer. nat." und "Dr. med." in vielen Fachbereichen mittlerweile als Regelabschlüsse gelten, haben auch sie einen tendenziellen Prestigeverlust erfahren. Der "Dr. med." hat obendrein noch aufgrund der Eigenheiten der medizinischen Promotion damit zu kämpfen, nicht irgendwann zum Berufsdoktorat abgestuft zu werden -- dass er also, wie in den USA ein 'Medical Doctor' (MD), nicht zum Tragen des Doktortitels berechtigt.

Geht man allein nach dem Prestige (in den Augen der Medien), dann dürfte der "Dr.-ing." hierzulande nach wie vor ganz weit oben stehen.
johndoe
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von johndoe »

Overthinkerin hat geschrieben: ↑14.05.2022, 10:30
Wie und insbesondere wofür bzw. wann ist es denn relevant, welchen Doktortitel man trägt?
Meiner Erfahrung nach ist das irrelevant. Wichtig ist letztlich der Inhalt und die Ergebnisse der Diss. Und selbst das ist irgenwann nicht mehr wichtig, weil Forschung eben weitergeht.
johndoe
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von johndoe »

Wierus hat geschrieben: ↑15.05.2022, 13:12
In USA, GB, CAN, AUS, NZ, Indien etc. gibt es, völlig unabhängig von der Fachrichtung, eine Standardbezeichnung für Forschungsdoktorate, nämlich den "PhD" (von Lateinisch: "doctor philosophiae" bzw. "philosophiae doctor"). Diesem kommt der deutsche "Dr. phil." mit Abstand am nächsten, da es ja die Abkürzung für dieselbe lateinische Langform ist.
Abgesehen von der wörtlichen Übersetzung sehe ich das anders. Eben weil es keine im Grad sichtbare Unterscheidung zwischen den Fachbereichen gibt, kann man den PhD keinem einzelnen deutschen Dr.grad zuordnen. Mein PhD hat eher technischen Charakter und würde auch von der School her eher als Dr.Ing durchgehen.

Aber passend zur Ausgangsfrage: es ist aus meiner Erfahrung und in meinem beruflichen Umfeld, wo ohnehin jeder per Du ist, unerheblich.
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von Wierus »

johndoe hat geschrieben: ↑15.05.2022, 22:51Abgesehen von der wörtlichen Übersetzung sehe ich das anders. Eben weil es keine im Grad sichtbare Unterscheidung zwischen den Fachbereichen gibt, kann man den PhD keinem einzelnen deutschen Dr.grad zuordnen.
Gut. Aber wenn man den allgemeinen angelsächsischen PhD einem spezielleren deutschen Dr. zuordnen müsste, dann wäre der "Dr. phil." auch deswegen am naheliegendsten, weil dieser mit Abstand die meisten Fächer umspannt. An nicht wenigen philosophischen Fakultäten fallen neben allen Sprach- und Kulturwissenschaften auch Fächer wie Geografie, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und sogar Mathematik darunter.

Zur Relevanz dieser Fragestellung im späteren Alltag:
Es wäre imho schon sehr unvorteilhaft, sich etwa bei freigestellter Wahl zwischen "Dr. med." und "Dr.-Ing." für den medizinischen Zusatz zu entscheiden, nur weil man als Informatiker ein Programm für komplexe chirurgische Eingriffe erstellt hat, ansonsten aber kaum etwas über Medizin weiß.

Wichtiger finde ich die Frage aber in Bezug auf die für das offizielle Promotionsverfahren geltende Promotionsordnung -- da kann es große Unterschiede geben! Vielleicht sollte man erst einmal die betreffenden PromOrdnungen zu rate ziehen, bevor man sich endgültig entscheidet.
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von johndoe »

Wierus hat geschrieben: ↑16.05.2022, 00:21
johndoe hat geschrieben: ↑15.05.2022, 22:51Abgesehen von der wörtlichen Übersetzung sehe ich das anders. Eben weil es keine im Grad sichtbare Unterscheidung zwischen den Fachbereichen gibt, kann man den PhD keinem einzelnen deutschen Dr.grad zuordnen.
Zur Relevanz dieser Fragestellung im späteren Alltag:
Es wäre imho schon sehr unvorteilhaft, sich etwa bei freigestellter Wahl zwischen "Dr. med." und "Dr.-Ing." für den medizinischen Zusatz zu entscheiden, nur weil man als Informatiker ein Programm für komplexe chirurgische Eingriffe erstellt hat, ansonsten aber kaum etwas über Medizin weiß.
Ich bin mir fast sicher, dass ein Nicht-Mediziner nicht ohne weiteres zum Dr. med. "promovieren" kann, sonst hätten wir eine noch viel größere Inflation als ohnehin schon mit all den Guttenbergs und Giffeys :)

Aber selbst wenn: niemand zwingt einen, seinen Grad in voller Gänze zu nennen. Das Problem ist wohl eher andersrum: es ist chic, seinem Namen mit möglichst vielen Buchstaben und Abkürzungen extra Gewicht zu verleihen - und dafür soll eben die Fachbezeichnung passen und keinen Raum für Spott unter Fachkollegen bieten.

Wie gesagt, alles nur persönliche Meinung auf Basis persönlicher Beobachtung :) Aber da es außerhalb der Uni/Foschungs-Welt keinen Job gibt, der formal eine Promotion erfordert, glaube ich auch nicht, dass diese Details ins Gewicht fallen. In der HR wird kaum jemand mit Dr. sitzen, der potentielle Chef hat oftmals auch nicht promoviert (gerade in Konzernen gibt es auch auf oberen Führungsebenen oft "nur" FH-Background). Am Ende ist es allenfalls ein Gesprächsthema für den Kantinentisch.
Wierus
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von Wierus »

johndoe hat geschrieben: ↑15.05.2022, 22:51Ich bin mir fast sicher, dass ein Nicht-Mediziner nicht ohne weiteres zum Dr. med. "promovieren" kann, sonst hätten wir eine noch viel größere Inflation als ohnehin schon mit all den Guttenbergs und Giffeys :)
Naja, eine Promotion in Medizin ist ja nicht gleich die (viel wichtigere) Approbation. :wink:

Ein ehemaliger Mitschüler von mir stand später genau vor dieser Wahl: obwohl Mathematiker, hätte er seine Promotion auch mit dem "Dr. med." abschließen dürfen, weil es sich bei seinem Promotionsthema um ein fakultätsübergreifendes Projekt handelte.
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von daherrdoggda »

Ich hatte auch die Auswahl (vor der Festlegung auf eine Uni) zwischen PhD, klassischem rer. nat., und den eher obskuren med. nat. (oder war's nat. med.?) und rer. med. :?

Der relativ neue deutsche PhD wurde damit beworben, dass er mehr als nur ein rer. nat. sein soll. Nachdem diese beiden aber international als gleichwertig gelten, war das wohl nur ein Versuch, den PhD zu etablieren. "Der alte Grad wird nur bescheinigt, der neue geht weit darueber hinaus." :?:

Von allem mit "med" im Grad wurde mir abgeraten, weil es eben nicht besonders bekannt ist, und es dann den Anschein machen kann, nur ein medizinischer Grad zu sein. An der selben Uni haette ich auch den rer. nat. machen koennen, aber die Betreuerin (Medizinerin) war dann wohl so sauer, dass ich den klassischen rer. nat. anstrebe, dass sie gar nicht mehr geantwortet hat :lol:

Man sollte nach der Promotion das entsprechende Fach vertreten koennen. Siehst du dich eher als human-/geisteswissenschaftlich ausgebildet, passen wohl phil. oder soz. besser. Wenn du an der Uni Physik, Chemie, und Bio hattest, und/oder Methoden aus diesen Bereichen anwendest, passt wohl der rer. nat. zu dir.
mahatmagandhi
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von mahatmagandhi »

Da hier mehrfach die Aussage "das Fach vertreten" gefallen ist, wollte ich anmerken, dass das meines Wissens nach eher im Zusammenhang mit der Habilitation verwendet wird: https://www.mi.fu-berlin.de/stud/all-de ... index.html
Wierus
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Re: Fachgebiet des Doktortitels wichtig?

Beitrag von Wierus »

Kleiner Nachtrag zu dieser Diskussion:

https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/a ... 2003-10-28

Naturwissenschaftler können im Fach Medizin wohl nur zum "Dr. rer. med." promoviert werden, aber nicht zum eigentlichen "Dr. med."
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