Thema vorgegeben?

jmu1988
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Thema vorgegeben?

Beitrag von jmu1988 »

Hallo,

ich bin neu hier und habe Fragen zur Promotion.
Ich habe meinen Master Ende 2016 gemacht und danach bei der Presse gearbeitet. Ich wollte eigentlich promovieren, aber ich wusste auch, dass es nicht immer eine "Jobgarantie" ist und um etwas "handfestes" zu haben, entschied ich mich für die Ausbildung, um hier ein Standbein zu haben.
Bis ich ein Volo gefunden hatte, verging etwas Zeit aber inzwischen bin ich "ausgelernt" und stehe fest im Berufsleben. Aber mein Wunsch zu promovieren hat sich nicht verloren.
Eine Betreuung hätte ich schon gefunden. Hier kommt aber der "Haken": Mein Lieblingsthema kann ich nicht umsetzen, sondern muss innerhalb eines Projektes etwas machen. Die Stelle, die eventuell geschaffen wird (noch steht nichts fest) wäre, denke ich, ziemlich gut: 4-5 Jahre und 75%.
Das Thema an sich hatte ich an der Uni nur wenig und ich müsste mich richtig reinlesen aber uninteressant ist es keinesfalls. Meine Arbeit in der Medienwelt kann man hier sogar einfließen lassen. Außerdem bin ich mir sicher, dass das Thema "zukunftsweisender" ist als mein Lieblingsthema. Objektiv betrachtet ist es also nicht schlecht in dem Projekt ein Thema zu wählen.
Aber ich weiß auch, dass man lange an so einer Arbeit sitzt und ich habe ein wenig Angst davor, dass ich für ewig nur noch an diesem Thema gemessen werde. Ich dachte mir, dass man ja im Laufe der eigenen Karriere an der Uni auch andere Themen bearbeitet und man später auch Projekte mit völlig anderen Inhalten angehen kann - man weiß ja auch nie, welche Themen in 10 Jahren aktuell sind.
Meine Fragen wären also: Ist man auf ewig an sein Promotionsthema gebunden oder kann man später auch ganz neue Felder erforschen? Das wäre wichtig, ganz egal welches Promotionsthema ich angehe.
Was haltet ihr von vorgegebenen Themen? Habt ihr das selbst gemacht? Stimmt es, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Themen vorgegeben werden?
johndoe
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von johndoe »

Hi,
jmu1988 hat geschrieben: ↑24.05.2021, 20:41 Ist man auf ewig an sein Promotionsthema gebunden oder kann man später auch ganz neue Felder erforschen? Das wäre wichtig, ganz egal welches Promotionsthema ich angehe.
Gebunden ist das falsche Wort. Du hast dir halt eine gewisse Nischenkompetenz angeeignet und kannst dich als Experte dafür verkaufen (idR zu Recht). Praktisch ist es aber oft so, dass man viel breiter arbeitet, gerade wenn man eher ins (Projekt-)Managment abdriftet. Aber auch Profs haben nicht nur das eine Fachgebiet, in dem die forschen. Meiner Meinung nach hat man es auf dem Level selbst in der Hand, wie flexibel/frei man sein Berufsleben inhaltlich gestaltet.
jmu1988 hat geschrieben: ↑24.05.2021, 20:41 Was haltet ihr von vorgegebenen Themen? Habt ihr das selbst gemacht? Stimmt es, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Themen vorgegeben werden?
Ich kann nur für mich sprechen: ich hatte mich mehrfach um externe Betreuung bemüht und mir wurde immer signalisiert, dass ich mein Thema selbst einbringen muss.

In deinem Fall klingt es aber so, als wenn extra eine Stelle geschaffen wird am Lehrstuhl für dich. D.h. dass die Finanzierung an ein Projekt und dessen Förderung gebunden ist, halte ich für wahrscheinlich. Entsprechend wird dein Thema in diesen Scope passen müssen. Aber "vorgegeben" ist vermutlich nur der ungefähre Projekttitel, oder? D.h. Literature Review, Forschungsfragen und Methoden entwickeln, wird dir niemand abgenommen haben. Insofern hast du noch zu einem gewissen Grad Freiraum bei der Themengestaltung.
jmu1988
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von jmu1988 »

"In deinem Fall klingt es aber so, als wenn extra eine Stelle geschaffen wird am Lehrstuhl für dich. D.h. dass die Finanzierung an ein Projekt und dessen Förderung gebunden ist, halte ich für wahrscheinlich. Entsprechend wird dein Thema in diesen Scope passen müssen. Aber "vorgegeben" ist vermutlich nur der ungefähre Projekttitel, oder? D.h. Literature Review, Forschungsfragen und Methoden entwickeln, wird dir niemand abgenommen haben. Insofern hast du noch zu einem gewissen Grad Freiraum bei der Themengestaltung."

Ja, genauso ist es. Es ist ein Projekt und irgendwo innerhalb dieses Projektes muss das Thema meiner Arbeit sein. Aber die genaue Forschungsfrage darf ich natürlich selbst stellen. Danke für die Hilfe.
Wierus
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von Wierus »

johndoe hat geschrieben: ↑25.05.2021, 12:22
jmu1988 hat geschrieben: ↑24.05.2021, 20:41 Was haltet ihr von vorgegebenen Themen? Habt ihr das selbst gemacht? Stimmt es, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Themen vorgegeben werden?
Ich kann nur für mich sprechen: ich hatte mich mehrfach um externe Betreuung bemüht und mir wurde immer signalisiert, dass ich mein Thema selbst einbringen muss.
Ich denke, was den Normalfall angeht, kommt es sehr stark auf die jeweilige Fachrichtung an. In einer empirischen Naturwissenschaft wie Biologie oder Physik, und auch in den medizinischen Fächern, ist es wohl üblich, ein gestelltes Thema zu bearbeiten. In den Kultur- und Sozialwissenschaften überwiegt hingegen das selbst gewählte Thema; und in den Geisteswissenschaften müsste letzteres sogar den Regelfall bilden.

Zumindest dem Prinzip nach ist es eigentlich egal, ob das Thema selbst gewählt oder vom Professor (oder der Graduiertenschule) festgelegt wurde. Es muss nur das notwendige Interesse, die für ein erfolgreiches Promovieren absolut unerlässliche intrinsische Motivation vorhanden sein. Ob die nun von der 'Liebe' für das Studienfach an sich herrührt, oder aber vom brennenden Interesse an einem ganz bestimmten Forschungsthema, ist eigentlich nicht so wichtig.
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von johndoe »

Wierus hat geschrieben: ↑25.05.2021, 17:19
Zumindest dem Prinzip nach ist es eigentlich egal, ob das Thema selbst gewählt oder vom Professor (oder der Graduiertenschule) festgelegt wurde.
Naja, für den Abschlussgrad ist es vll egal. Aber es ist definitiv eine positive Erfahrung mehr, die man als angehender Wissenschaftler mitnimmt und die einem später hilft, neue Themen zu beackern.
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von Grounded »

johndoe hat geschrieben: ↑26.05.2021, 10:06 Naja, für den Abschlussgrad ist es vll egal. Aber es ist definitiv eine positive Erfahrung mehr, die man als angehender Wissenschaftler mitnimmt und die einem später hilft, neue Themen zu beackern.
Was ist deiner Ansicht nach "eine positive Erfahrung mehr": das Thema selbst zu wählen oder ein vorgegebenes Thema zu bearbeiten?
Falls die eigenständige Themenwahl gemeint ist, kann ich dir vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen nur zustimmen. Ich bezweifle stark, dass ich den Promotionsprozess für ein Nicht-Herzensthema durchgestanden hätte. Und dementsprechend würde ich anderen raten, sich genau zu überlegen, ob sie wirklich zu einem vom Prof oder von wem auch immer festgelegten Thema forschen wollen.
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von johndoe »

Grounded hat geschrieben: ↑26.05.2021, 16:13
johndoe hat geschrieben: ↑26.05.2021, 10:06 Naja, für den Abschlussgrad ist es vll egal. Aber es ist definitiv eine positive Erfahrung mehr, die man als angehender Wissenschaftler mitnimmt und die einem später hilft, neue Themen zu beackern.
Was ist deiner Ansicht nach "eine positive Erfahrung mehr": das Thema selbst zu wählen oder ein vorgegebenes Thema zu bearbeiten?
Falls die eigenständige Themenwahl gemeint ist, kann ich dir vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen nur zustimmen. Ich bezweifle stark, dass ich den Promotionsprozess für ein Nicht-Herzensthema durchgestanden hätte. Und dementsprechend würde ich anderen raten, sich genau zu überlegen, ob sie wirklich zu einem vom Prof oder von wem auch immer festgelegten Thema forschen wollen.
Ja, ich meinte die "eigenständige Themenwahl", wobei "Wahl" fast schon wieder passiv klingt. Ich hatte mein Thema von Null auf entwickelt. Das war hart, aber wie du schon sagtest: nur so kommt man zu seinem Herzensthema.
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von caipirinha11085 »

Gibt es denn innerhalb des Projekts passende Themen, die dich mehr interessieren, als das vorgeschlagene Thema? So ja, schlage das dem Betreuer/der Betreuerin einmal vor.

Wenn das ganze Projekt schon an dem vorbei geht, was du machen willst, ist es eine sehr persönliche Entscheidung. In die Abwägung würde ich Faktoren einfließen lassen wie Interesse, allgemeine Arbeitsbedingungen, Einfluss auf spätere Jobaussichten, Renommee des Projekts/Instituts/der Betreuer.

Ich stand vor meiner Promotion auch vor der Entscheidung, ob ich zu einem spannenden Thema promovieren möchte, das mich aber nicht richtig gepackt hatte. Diese Stelle anzutreten wäre recht bequem gewesen: Ich hätte nicht Uni wechseln müssen und nicht umziehen müssen und kannte bereits Kollegen und Doktorvater, für den ich schon einige Jahre als "Hiwi" gearbeitet hatte.
Trotzdem habe ich mich dann spontan an einer anderen Uni beworben und hatte das Glück, dort eine Stelle zu ergattern zu meinem "Lieblingsgebiet". Ich bin froh, dass es sich bei mir so ergeben hatte. Allerdings hatte das auch viele andere Vorteile für mich, da mein "Lieblingsthema" ( ;) ) enorm praxisrelevant mit vielen Arbeitsstellen in der Wirtschaft ist und das andere Thema eher nicht. Bei dir scheint es ja eher umgekehrt zu sein. Die Frage "was kann ich mit dem Thema später machen?" ist mE aber nicht zu unterschätzen. Ich arbeite inzwischen sogar im Bereich meines Promotionsthemas und ziehe ab und zu meine (rechtlich bereits wieder überholte) Diss heraus, um etwas nachzuschlagen. Das ist auch ganz nett. ;-)
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von Wierus »

caipirinha11085 hat geschrieben: ↑27.05.2021, 08:29Die Frage "was kann ich mit dem Thema später machen?" ist mE aber nicht zu unterschätzen.
Das leuchtet ein, ist aber auch nicht ganz ohne.

In Medizin, wo die Dissertation häufig innerhalb von zwölf Monaten über die Bühne gehen kann, macht das auf jeden Fall Sinn. Aber je länger die statistische Durchschnittsbearbeitungszeit im eigenen Fachbereich liegt, desto fataler finde ich diesen Leitgedanken. Denn innerhalb von vier bis acht Jahren wird sich am Arbeitsmarkt und auch fachlich so einiges tun. Ganze Forschungszweige können ad acta gelegt werden.

Bestes Beispiel ist die vor einigen Jahren noch gefeierte Stringtheorie in der Mathematik und theoretischen Physik. Da gab es unlängst ein Experiment, welches deren (immer stärker angezweifelte) Relevanz beweisen sollte, aber dann genau das Gegenteil ergab. Jetzt werden Fördergelder in andere Richtungen umgelenkt und ganze Forschungsprogramme zurückgefahren. Die einst gefeierte Stringtheorie ist zum Auslaufmodell geworden.

Heißt aber: Wer vor fünf Jahren mit einer Promotion in diesem Bereich begonnen hat, schaut jetzt dumm aus der Wäsche, wenn es ihm vorranging um die Frage ging: "was kann ich mit dem Thema später machen?" Da kann man schnell die Lust verlieren, obwohl eine abgeschlossene Diss in dem Bereich keinesfalls bedeutet, später keine Stelle als theoretischer Physiker zu finden.

Und auch ganz allgemein können die aktuellen Meldungen vom Arbeitsmarkt einem sehr oft (sehr stark) auf die Stimmung schlagen. Imho daher ein aufwändiges Langzeitprojekt wie eine Diss besser so wenig wie möglich an deren direkter beruflicher Verwertbarkeit festmachen.
jmu1988
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Re: Thema vorgegeben?

Beitrag von jmu1988 »

caipirinha11085 hat geschrieben: ↑27.05.2021, 08:29 Gibt es denn innerhalb des Projekts passende Themen, die dich mehr interessieren, als das vorgeschlagene Thema? So ja, schlage das dem Betreuer/der Betreuerin einmal vor.
........
Bei dir scheint es ja eher umgekehrt zu sein. Die Frage "was kann ich mit dem Thema später machen?" ist mE aber nicht zu unterschätzen. Ich arbeite inzwischen sogar im Bereich meines Promotionsthemas und ziehe ab und zu meine (rechtlich bereits wieder überholte) Diss heraus, um etwas nachzuschlagen. Das ist auch ganz nett. ;-)
Noch ist kein Thema innerhalb des Projekts fest. Nur das Projekt an sich ist mehr oder weniger umrissen. Ich kann mir dann erst ein Thema suchen, wenn ich ganz gena weiß, welche Themen ich überhaupt angehen kann. Da ich Journalistin bin und das Projekt damit auch zu tun hat, könnte ich mir gut vorstellen damit etwas zu machen.
Das Projekt startet erst nächstes Jahr, daher ist vieles noch etwas unklar.

Ich glaube auch, dass man die Frage danach, was man damit machen kann bedenken sollte. Natürlich kann man die Zukunft nicht vorhersagen aber in der Geisteswissenschaft ändert sich das ja nicht so schnell als wie in den Naturwissenschaften.
Das Projekt zielt aber auf eine sehr aktuelle Frage ab und daher kann ich mir gut vorstellen, dass es definitiv aktueller ist als mein ursprüngliches Feld und ich kann mir auch gut vorstellen mich länger damit zu beschäftigen.
Gesperrt