Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

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uczenik
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Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von uczenik »

Vielleicht bin ich komplett daneben, vielleicht bin ich auch nur gebrandmarkt von meiner Masterarbeit, aber wie weit muss man (in der Regel) vorbereitet sein, um soetwas wie ein "Dissertatiosnvorhaben" zu haben, das bei der Bewerbung für Promotionsstellen notwendig ist - und wie verhält sich das bei Betreuungsanfragen?

Ich habe mein Studium abgeschlossen und habe nicht viel mehr als Ideen, in die ich weiter gehen könnte - Ideen, hinter denen noch keine Literaturrecherche steckt, bei denen die methodischen Überlegungen nicht ausgearbeitet sind, sondern (beispielsweise!) auf der Ebene: "Beobachtungen und Auswertung nach Grounded Theory wäre gut, um Kategorien zu bilden", gefolgt von ca. 10 Zeilen Überlegungen dazu, warum gerade Beobachtungen und was die Kategoriebildung bringen soll.

Skizzen auf dieser Stufe sind ja in ein bis zwei Stunden für verschiedenste Themen möglich, und insofern auch an die jeweiligen Promotionsstellen anpassbar. "Eine Diskursanalyse zur Debatte um die ausschreitungen in den USA wäre interessant. Vergleichend zwischen konservativen und linksgerichteten Fernsehsendern"; eine Idee, die man in eienr halben Minute mal haben kann. Ob die Idee gut ist oder nicht, wie viel es dazu schon gibt, das Studium der Disruse in vergleichbaren fällen - all das muss ja noch gemacht werden. Aber auch ohne Recherche kann man ja eine Skizze machen. Beispielsweise eine, in dem man reinschreibt, dass der erste Schritt die Suche danach ist, ob es bereits Arbeiten zu vergleichbaren Fällen gibt.

Wenn man das auf ein, bis zwei Seiten ausgearbeitet hat, ist das dann ausreichend für eine "Forschungsskizze" - und ist es ausreichend, um sich an einen Betreuer zu wenden?

Oder muss bereits eine umfassende Recherche vorhanden sein - 2000 Abstracts lesen, dann die 100 relevantesten Artikel und die 20 wichtigsten Bücher lesen, die Grundlegenden Konzepte (Begriffe) seiner Dissertation theoriebasiert festlegen und dann eine Methode entwickeln, die "auch wirklich funktionieren sollte"? Da ist Arbeit, die gut und gerne ein halbes Jahr oder länger dauert; das kann ich nicht einschätzen.

Oder sollten in einer socleh Skizze etwa so viel Arbeit stecken, wie in einer Seminararbeiten? Die wichtigsten 10 Autoren genannt, 5-10 Essays neu gelesen, 5-10 Essays, die man sowieso schon kennt, und darauf aufbauen eine Idee entwickeln? Das ist für eine individuelle Bewerbung halt eindeutig zu viel Arbeit, weil es ja doch ein bis zwei wochen dauert.

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Ich kann das wirklich nicht einschätzen, weil die Erfahrungen bei meiner Materarbeit (die, auch wenn ich hier so unsicher klinge immerhin sehr gut war) sehr widersprüchlich war. "Ich würde gerne über Thema X schreiben. Würden Sie mich dazu betreuen" wurde doch recht persönlich mit "peinlich und unprofessionell ohne auch nur irgendeiner konkreten Fragestellung oder Kenntnis der Literatur" abgeschmettert, während ich bei einem anderen Betreuer noch nicht einmal ein Thema gebraucht habe, um abzuklären, dass er grundsätzlich bereit dazu ist, mich zu betreuen. Das thema haben wir dann gemeinsam geklärt.

Also, ich bin mir gewissermaßen nicht sicher, ob ich jetzt erst einmal meine Energie darin investieren soll, eine Promotionsstelle zu finden, und dafür "kleine" Forschungsskizzen zu schreiben, die durchaus zu meinen Interessen passen, aber die flexibel ist, oder ob ich meine Energie in eine der Ideen, die ich habe stecken soll und dort mit der Recherchearbeit beginnen soll, und bei Promotionsstellen, die eine Skizze verlangen, die Bewerbung sein lassen (weil das ja doch potenzielle zukunfte Arbeitgeber sind, bei denen man sich halt auch nicht blamieren will)?

Dasselbe gilt für Betreuungsanfragen, also sollte ich, wenn ich jetzt auf null bin, fix davon ausgehen, dass ich mich frühestens nach einem halben Jahr Arbeit bei einerm Betreuer melden kann?

Der "größere" Fall würde halt auch bedeuten, dass ganz viele Promotionsstellen und potenzielle Betreuer wegfallen würden. Wenn ich eine Skizze zur oben genannten Diskursanalyse schreibe, dann bringt es nichts, sich für eine Promotionsstelle zu bewerben, die in der Arbeitssoziologie angesiedelt ist, und bei der erwartet wird, dass man in ihrem Bereich schreibt. Ein "Verbiegen" eines bereits fortgeschirttenen Dissertationsvorhaben ist zumindest "komisch" und "künstlich" und jedenfalls nicht viel fundierter als eine 2-Minutenskizze. Aus "Diskursanalyse zur Medialen Berichterstattung über die Ausschreitungen in den USA in konservativen und liberalen Fernsehsendern" kann man schon irgendwas machen, wie ... äh "Welchen qualitativen Einfluss hat die Arbeitssituation auf das Verhalten in den Demonstrationen rund um ... Floyd (so heißt der, oder?)?", aber das is' halt echt ein anderes Thema und hat dann auch nicht viel mehr Hand und Fuß als wenn man gleich nur eine halbe Stunde in die Skizze steckt.

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Also was sind eure Erfahrungen, das die Ansprüche bei Skizzen und Betreuunsanfragen betrifft?

Klingt übrigens ehrlich gesagt eher, als wollte ich "einfach nur promovieren, egal worüber". Das wirklich irendwie leidenschaftslos, aber ich habe natürlich Themen, die mich interessieren, Felder, die mich interesieren. Aber vielleicht steckt ja ein Funke Wahrheit darin.
flip
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Re: Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von flip »

Wenn du in eine Skizze soviel Arbeit steckt, wie in eine Seminararbeit, dann bewegst du dich auch auf dem Niveau. Das heißt, jeder, der auch nur ein wenig Ahnung vom Thema hat, sieht, dass du nur an der Oberfläche kratzt.
Du musst schon lesen, lesen und nochmals lesen. Teil einer jeden Diss ist, dass man anfangs lernt zu filtern. Wirkliche Forschungsideen kommen dir nur, wenn du auch das berücksichtigst, was in der Wissenschaft auch passiert. Du kannst ja schlecht dir immer ein paar Dinge zusammen schreiben, nur um dann später bei der echten Recherche zu merken, dass das schon alles abgehandelt wurde.
uczenik
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Re: Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von uczenik »

Hm,... das heißt also, ich sollte mich für "richtige" Promotionsstellen gar nicht bewerben, solange ich nicht soweit bin, und derweil ausschließlich auf Projektstellen (d.h. keine Qualifikationsstelle) gehen?

Eben so lange, bis ich eine tatsächliche Forschungslücke gefunden habe und ein richtiges Exosé habe?
Zwonk
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Re: Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von Zwonk »

Du kannst eine Dissertation nicht mit einer Masterarbeit vergleichen. Wenn Du die erforderlichen formalen Voraussetzungen erbracht hast, wird Dich die Fakultät prüfen (da hast Du einen Anspruch drauf) und also wird sich auch irgendein Professor finden, der Dich bei der Arbeit betreut.

Auf eine Promotion hast Du keinen Anspruch. Du musst es also schaffen, einen Professor dafür zu motivieren, Dich zu betreuen und das geht am besten, wenn Du den Professor für das Thema interessieren kannst. Und da gilt natürlich, dass man mit einem sauber vorbereiteten und eingehend durchdachten Thema sehr viel bessere Chancen hat als mit irgendwas, was mal schnell zusammengeschrieben wurde.

Nimm es mir nicht übel, aber ich habe nicht den Eindruck, dass Du verstanden hast, worum es bei einer Promotion überhaupt geht. Insbesondere ist mir auch Deine Motivation unklar und die ist fast die wichtigste Erfolgsvoraussetzung.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
uczenik
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Re: Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von uczenik »

hm,... ok.
Ich sag' mal: "Zur Kenntnis genommen".
Wierus
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Re: Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von Wierus »

Wichtig ist, dass der Anknüpfungspunkt zu aktuellen Fachdiskursen - neueste Methoden oder Ergebnisse - klar ersichtlich ist. Weit wichtiger ist aber, den Professor im persönlichen Gespräch davon zu überzeugen, dass das Thema auch für ihn interessant sein könnte und v.a. dass du genug intrinsische Motivation hast, ein jahrelanges Projekt abzuschließen. Das alles sollte deine "Forschungsskizze" bzw. das Exposé vermitteln.

Im Fall einer als 'sehr gut' benoteten Masterarbeit wäre meine Argumentationsstrategie außerdem, darauf hinzuweisen, dass mir wissenschaftliches Schreiben bzw. Arbeiten sehr liegt.
Zuletzt geändert von Wierus am 02.06.2020, 22:10, insgesamt 1-mal geändert.
johndoe
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Re: Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von johndoe »

Generelle Frage: kommst du von einer FH oder von einer Uni?

Bietet dein Masterarbeitsthema noch Luft für tiefer gehende Forschung?

Auch wenn es so scheinen mag: Eine Lücke in der Forschung zu finden ist jetzt auch keine Lebensaufgabe. Im Zuge meines Literature Reviews habe ich zig weitere Lücken gefunden zusätzlich zu meiner primären Thematik. Wenn man mal im fachlichen Sumpf steckt, ist es eher so "hmm ja das wär auch mal spannend ... das schau ich mir nach der Diss mal genauer an... etc.". Man entdeckt plötzlich Nuancen, über die man jahrelang weiterforschen könnte. Aber der Punkt ist der: Du musst dich wirklich tief in die Materie einarbeiten! Das kostet am Anfang sicher einiges an Zeit und Muse, aber letztlich bist du damit schon mittendrin im Forschungsprozess.

Wenn ich als Prof deine Stichpunktliste mit ungeprüften Ideen zugesendet bekäme, hätte ich automatisch das Gefühl, dass ich hier viel zu viel Betreuungsaufwand reinstecken muss. Das schreckt ab. Forschung muss individuell und selbstständig ablaufen. Dein Doktorvater wird dir dann und wann Weichen stellen und Feedback geben, aber wenn du nicht grad als HiWi in die Promotion reinrutschst oder dich auf eine konkrete Projektstelle bewirbst, wird die inhaltliche Bringschuld bei dir liegen.
uczenik
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Re: Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von uczenik »

Wierus hat geschrieben: ↑02.06.2020, 22:09 Wichtig ist, dass der Anknüpfungspunkt zu aktuellen Fachdiskursen - neueste Methoden oder Ergebnisse - klar ersichtlich ist. Weit wichtiger ist aber, den Professor im persönlichen Gespräch davon zu überzeugen, dass das Thema auch für ihn interessant sein könnte und v.a. dass du genug intrinsische Motivation hast, ein jahrelanges Projekt abzuschließen. Das alles sollte deine "Forschungsskizze" bzw. das Exposé vermitteln.
Danke dir mal.

Ich versuche einmal, das einzuschätzen:
Angenommen, ihr hättet 250 Punkte und könntet die aufteilen, um die folgenden Fragen zu bearbeiten. Wie würdet ihr das machen (max. 100)? Ich weiß schon, dass die Punkte einander nicht widersprechen, dass "alles wichtig ist" und so, aber jetzt mal grob als Orientierung für mich... (evtl. speziell, wenn ihr jemanden vor euch hättet, der zwar Forschungserfahrung und Noten hat, aber eine extreme Studiendauer hat).

Passt die Skizze zur Stelle?
Ist die Skizze ausgearbeitet (also so durchführbar)?
Ist die Skizze wissenschaftlich interessant (Lücken, Relevanz, "neu", zeitgemäß etc.)?
Ist die Skizze für mich interessant (d.h. kann ich glaubhaft machen, dass ich an der Sache dran bleibe)?


Ich komme von einer Uni.
"Forschungslücken" wird es schon geben, also so ist es auch nicht. Man hat ja immer auch schon ein Studium hinter sich und kann vielleicht grob Einschätzen, welche Felder gesättigt sind und wo man noch Chancen haben könnte, man hat vielleicht da und dort schon in seinem Studium freie Felder und potenzielle Lücken endeckt.

Was ich halt meinte ist, ab wann etwas als "Forschungsskizze" gilt - für Bewerbungen und für Betreuungsanfragen. Manche Stellen bekommt man ja auch ohne Skizze (v.a. Projektstellen), eine Freundin hat eine Qualifikationsstelle ohne Thema bekommen, und hat auch eine Betreuungszusage ohne Thema bekommen. Andere wiederum erwarten, dass schon ausreichend Recherchearbeit betrieben wurde, um eine Forschungslücke benennen zu können, und flip oben meinte auch, dass man schon wirklich viel haben muss, um sich bewerben zu können.

Ich weiß schon, dass Selbstständigkeit wichtig ist, aber mir ist es wichtiger, einmal eine Stelle zu haben, und erst danach wir die Promotion wichtig. Ich habe schon von einem Prof. gesagt bekommen, dass seiner Erfahrung nach wengier als die Hälfte derer, die ohne Finanzierung oder Stellenanbidung eine Diss. schreiben wollen, nie fertig werden. Und ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass ich dazu gehören würde. Das ist eine Schwäche, aber es ist kein Ausschlussgrund. Nicht jeder Profi-Fußballer ist im Nationalteam, und auch im Nationalteam hat nicht jeder starke Nerven, enorme Ausdauer, Ballgefühl, Kopfballstärke, Schnelligkeit, Schusskraft, Passgenauigkeit; und ebensowenig heißt jeder Doktorand Jan Hendrik Schö... ich meine Albert Einstein.
Also, dass Selbstständigkeit nicht meine Stärke ist (ich habe Trotzdem ein Sehr gut, ich habe trotzdem erfolgreich und sehr produktiv in Projekten mitgearbeitet) spricht gerade bei mir sehr dafür, sich auf die Stellensuche zu konzentrieren, und nicht darauf, das nächste Jahr alleine zu versuchen, ein Exposé auszuarbeiten.
daherrdoggda
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Re: Wie viel Arbeit muss in einer "Forschungsskizze" stecken?

Beitrag von daherrdoggda »

Da kommt sehr auf die direkten Betreuer an. Ich hab sowohl die Annahme ohne genaues Thema, als auch die Annahme mit vorher besprochenem Projektplan miterlebt. Die meisten wollten erstmal an offenen Fragen im Thema der Gruppe arbeiten und haben dann schnell ihre Nische gefunden. Nur wenige haben schon mit komplettem Plan angefangen und den dann auch genauso durchgezogen. Das kann aber eine fachspezifische Besonderheit sein (bei den NaWis sind Lebenslauf, skills, Empfehlungsschreiben vll wichtiger als Exposes).
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