Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Metlieb
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Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von Metlieb »

Hallo miteinander,

dies ist mein zweiter Beitrag hier, aber meine Situation hat sich seitdem verändert/verschärft. Damit nicht alle unnötig nachsuchen müssen, fasse ich hier das wichtigste zusammen:

Ich bin derzeit in meinem dritten Projektjahr - meine Anstellung läuft (inklusive kostenneutraler Verlängerung) Februar 2021 aus. Ich promoviere im Bereich Landwirtschaftswissenschaften. Meine Drittbetreuerin ist zugleich meine Projektleiterin sowie auch Zweitautorin meiner drei Paper, welche ich zu publizieren habe (die Problematik dieses dreifachen Abhängigkeitsverhältnisses liegt auf der Hand). Zwischenmenschlich gab es zwischen uns schon öfters Reibung. Ich würde mich selbst auch als durchaus etwas impulsiv beschreiben, allerdings halte ich mich aus diplomatischen Gründen bei meiner Cheffin bewusst immer zurück. Meine Cheffin würde ich als äußerst leicht reizbar beschreiben und zum teil nicht professionell. Nach mehreren informellen Gesprächen mit u.a. technischem Laborpersonal, Wissenschaftlern, Co-Doktoranden und sogar der Reinigungskraft wurde mein Eindruck nur bestärkt, dass sie eine äußerst anstrengende Person ist. Nicht selten bekomme ich Kommentare zu hören, die schon an Schikane grenzen - einmal wurde ich sogar während eines Vortrags in unserer Projektgruppe bloßgestellt, weil die Inhalte nicht ihren Vorstellungen entsprachen (Zitat: "Das interessiert hier doch keinen!"). Als ich sie darauf ansprach, dass ich während der Vorbesprechung es so wahrgenommen habe, dass der Vortrag so erwünscht war und sie auch meine ppt abgesegnet hat, wurde sie patzig und meinte, ich solle nicht frech werden. Aussagen wie "das ist doch scheiße, was du machst" etc. habe ich auch schon öfters gehört. Mittlerweile habe ich schlichtweg Angst, mit ihr zu reden.

Zu meinen Publikationen: Da ich es damals nicht besser wusste, habe ich mir von meiner Cheffin als erstes Paper ein Literature Review aufhalsen lassen, an welchem ich immer noch sitze. (Die übrigen beiden Paper sind noch nichtmal angefangen, die Promotion in der Arbeitslosigkeit ist also nahezu garantiert). Nach jeder Korrekturrunde gehe ich immer lustloser und deprimierter an die Sache ran. Abgesehen davon, dass Sie meinen Schreibstil kritisiert (u.a. Ausdrücke wie "to highlight, point out", die Verwendung von Füllwörtern wie "However, furthermore", welche ich alle auch in anderen Papern gelesen habe), sind ihre Kommentare oft schlichtweg nicht konstruktiv. Einen Satz hat sie beispielsweise nur mit "???" kommentiert. An anderer Stelle bin ich auf die Denitrifikation eingegangen und, da ich den N-Kreislauf vorher bereits ausführlich beschrieben habe, habe ich direkt (dem Sinn gemäß) von der Reduktion von NO3 zu N2 geschrieben. Ihr Kommentar: "Meines Wissens gibt es da noch Zwischenschritte, aber ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen". Auf Wiederholungen wiederum reagiert sie äußerst sensibel, weshalb ich es dort nicht mehr aufgeführt habe. An anderer Stelle wurde mir in einer vorherigen Korrekturrunde ein Ausdruck korrigiert. Die Änderung habe ich Wort für Wort übernommen. In der nächsten Korrekturrunde wurde mir dann auch wieder ihr eigener Vorschlag wieder angekreidet. (Angesprochen habe ich es nicht, um nicht schon wieder einen Streit anzuzetteln).

Das sind nur einige der Probleme, mit welchen ich mich beim Scheiben rumschlage. Gestern hatten wir ein Telefonat geführt, in welchem Sie gesagt hat, dass, wenn das Paper nach der nächsten Korrekturrunde nicht besser wird, sie es in die Tonne schmeißt. Mittlerweile macht sich bei mir immer mehr der Gedanke breit, dass ich die Promotion einfach abbrechen sollte, da ich mich durch Ihr Verhalten und den Frust, der durch die nie endenden Korrekturen entsteht, zunehmend zu einem physischen und psychischen Wrack entwickle. Was mich bisher am meisten davon abhält ist, dass ich bereits über 2 Jahre in die Promotion investiert habe (sowohl Kollegen als auch meine Cheffin selbst sagen, dass ich fleißig bin) und diese Zeit nicht einfach verschwenden möchte.

An alle, die sich die Zeit nehmen, das zu lesen schonmal ein dickes Danke. Ich weiß, hier ist keine konkrete Frage, außer vielleicht nach einem sauberen Ausweg aus der Situation. Was sind eure Meinungen dazu? Wie würdet ihr damit umgehen?

Gruß,
Metlieb
daherrdoggda
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von daherrdoggda »

Pass auf, dass du mit solchen Details deine Anonymitaet nicht verlierst.
Wie gehen denn die anderen in der Gruppe mit ihr um? Wie reagieren die bei solchen Kommentaren im meeting? Haben andere Doktoranden und Masteranden erfolgreich abgeschlossen? Hat die Gruppe schon ein paar gute Publikationen rausgebracht? Gibt es bei euch thesis committees, wo sowas angesprochen werden kann?
Metlieb
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von Metlieb »

Hallo und danke erstmal für die fixe Antwort!

Auf besagtem Meeting als sie mich während des Vortrags unterbrochen und bloßgestellt hat, habe ich die für sie uninteressanten Folien übersprungen. Das Publikum hat auf ihre Aussage garnicht reagiert. Nach dem Vortrag ist noch ein Kollege zu mir gekommen und hat noch paar Nachfragen gestellt, vermutlich um die Situation zu entschärfen und zu zeigen, dass er es interessant fand. Von anderen erfolgreichen Absolventen weiß ich nichts, allerdings arbeitet meine Cheffin an unserem Institut auch erst seit wenigen Jahren. Außer mir hat sie noch zwei andere Doktorandinnen, mit welchen ich diesbezüglich auch in engem Austausch stehe - unsere Eindrücke über sie sind da Deckungsgleich. Zwischendurch hatte meine Cheffin auch eine Postdoktorandin, welche aber beiläufig gesagt hat, dass sie hier nicht weiter arbeiten wollen würde, wenn sie die Möglichkeit hätte.

Ein Thesis Committee gibt es - dazu gehört eben meine Cheffin und mein Erst- und Zweitbetreuer. Mit letzteren beiden stehe ich allerdings in deutlich geringerem Austausch. Meine Befürchtung ist hauptsächlich, dass, wenn ich die Probleme öffentlich zur Sprache bringe, sie die Publikation verweigern wird. Beim zweiten Paper ist sie bereits Zweitautorin und für die anderen beiden Paper hat sie die Grundidee sowie auch Daten geliefert. Sprich wenn ich mir es komplett mit ihr verscherze, stehe ich ohne alles da...
flip
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von flip »

Ist das wieder eine diese unsäglichen Konstellationen wo Erst- und Zweitbetreuer nur auf dem Papier exisitieren und nicht sich aus allem heraushalten? Und der Drittbetreuer ist irgend Projektleiter der die (Zusatz-)Arbeit machen darf, obwohl er weder Prof ist noch sonst was davon hat außer "Publikationspunkte" für die eigene Karriere? Dann ergibt das das Verhalten nämlich Sinn. Denn kritisiert dich die ganze Zeit nur, weil am Ende ihr Name auf einem Artikel stehen soll, dessen Niveau zu als zu niedrig einschätzt. Daran arbeiten will sie aber auch nicht. Es geht also nicht darum, dass sie das beste für dich will, sondern das optimale für sich. Und da wird sie immer am längeren Hebel sitzen, denn im Zweifel lehnt sie einfach immer weiter ab.

Was sagen die Erst- und Zweitbetreuer dazu? Du wirst doch in den über zwei Jahren mal mit denen gesprochen haben?

Wenn sich keiner Bewegt, dann sofort abbrechen und kündigen. Du kannst in dieser Situation nicht gewinnen. Zwei Artikel bis Anfang nächsten Jahres sind utopisch, wenn du noch nicht mal den jetzigen aufgrund der Blockade fertig bekommst. Jetzt hast du noch die Initiative. Sobald es um die Verlängerung deiner Stelle geht wird man dir sonst in ein paar Monaten mitteilen, dass das nicht geschehen wird und dann stehst du doppelt dumm da. Und fall sie doch verlängert wird, dann kommen zu den zwei Jahren Belastung noch vier weitere.
Metlieb
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von Metlieb »

Hallo Flip, danke für deinen Beitrag.

Ja, in der Tat ist es so wie Du es schreibst. Meinen Zweitbetreuer habe ich vielleicht ein halbes Dutzend mal getroffen, da er Prof an einer Uni ist, die 80 km von meinem Arbeitsplatz ist. Mein Erstbetreuer ist unser Institutsleiter und er hält sich aus allem meist vornehm raus. Und auch im nächsten hast Du recht: Meine Drittbetreuerin / Projektcheffin / Koautorin ist keine Professorin. Generell gilt sie auch im ganzen Institut als sehr ambitioniert, was zu Deiner Feststellung passt, dass sie auf das Prestige aus ist, was mit der Koautorenschaft und Betreuung von Doktoranden einhergeht.

Weder mit meinem Erst- noch mit meinem Zweitbetreuer habe ich bisher darüber gesprochen. Heute habe ich noch eine weitere Videokonferenz mit meiner Cheffin. Sollte sich währenddessen oder spätestens nach der nächsten Korrekturrunde ergeben, dass sie, wie sie es angekündigt hat, "das Paper in die Tonne haut", so habe ich mir vorgenommen, dass ich die Promotion bei ihr abbreche. Ich würde dann lediglich meine 4 Stunden Projektarbeit am Tag erledigen, meine noch 40 verbleibenden Urlaubstage geltend machen und dem Institutsleiter erklären, dass die Stimmung zwischen mir und meiner Cheffin alles andere als kooperativ war und ich mich teilweise schikaniert fühlte und mich nicht in der Lage sehe, die Promotion unter ihrer Betreuung zu beenden.

An sich bedauere ich es maßlos. Nach meinem Master war ich erpicht darauf, eine Promotion anzufangen, jedoch habe ich das Gefühl, dass meine Cheffin mir die Lust darauf verdorben hat... Mittlerweile denke ich mir immer öfter "Such dir einen Job, hab Ruhe, pfeif auf den Doktor, sei glücklich."
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von johndoe »

Metlieb hat geschrieben: ↑29.05.2020, 12:23 An sich bedauere ich es maßlos. Nach meinem Master war ich erpicht darauf, eine Promotion anzufangen, jedoch habe ich das Gefühl, dass meine Cheffin mir die Lust darauf verdorben hat... Mittlerweile denke ich mir immer öfter "Such dir einen Job, hab Ruhe, pfeif auf den Doktor, sei glücklich."
Auch wenn es aktuell so scheinen mag und Fr. Merkel es oft behauptet - das Leben ist selten alternativlos!

- wie siehts denn mit Betreuerwechsel aus?
- falls du hinschmeißt - kannst du die Papers nicht auf eigene Faust veröffentlichen? Und damit ein Argument für einen anderen Betreuer liefern?
- falls du einen "richtigen Job" annimmst - kannst du deine Forschungsarbeit der letzten Jahre nicht berufsbegleitend zu Ende führen?

Anyway - die aktuelle Situation klingt verfahren und das Verhältnis irreparabel (Ferndiagnose). Also schau schnellstmöglich nach vorne und evaluiere die Alternativen.

Anekdote: ich hab mein erstes Promotionsvorhaben auch abgebrochen (bereits nach wenigen Monaten), habs dann aber später berufsbegleitend durchgezogen (andere Uni, ganz anderes Thema).
Metlieb
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von Metlieb »

Ein Betreuerwechsel würde quasi mit einem Abbruch gleichkommen, da meine Cheffin bereits zu dem Review beigetragen hat und auch Daten für die anderen beiden Paper geliefert hat. Sprich sie hat dort auch Anspruch auf eine Co-Autorenschaft. Auf eigene Faust veröffentlichen ginge aus eben diesen Gründen ebenfalls nicht. Berufbegleitende Promotion wäre interessant, allerdings könnte ich mir das derzeit auch nur mit einer halben Stelle vorstellen und dabei müsste ich logischerweise praktisch auch wieder von vorn anfangen... Auch wenn das sehr wehleidig klingt, danke für den Ratschlag :)
caipirinha11085
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von caipirinha11085 »

Aber deine Chefin kann die Paper ohne dich auch nicht veröffentlichen, oder? Daran kann sie ja auch kein Interesse haben. Vielleicht ist der Hebel, an dem du sitzt, gar nicht sooo kurz?
SSCI
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von SSCI »

Ich: zwei abgebrochene Studien, eine abgebrochene Promotion --> danach doch Prof (mit Dr.):)

Lass Dich nicht unterkriegen!
Jamilyn
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Re: Eskalierende Betreuungssituation - Drohender Abbruch

Beitrag von Jamilyn »

Metlieb hat geschrieben: ↑29.05.2020, 08:45 die Promotion in der Arbeitslosigkeit ist also nahezu garantiert
Ich möchte mir diesen einen Satz nochmal rauspicken und dazu sagen: das geht auch, ist nicht das Ende der Welt. Ich hab in einem ganz anderen Bereich Vollzeit gearbeitet und nach Feierabend geschrieben. War nicht ideal und hat zwei Jahre gedauert (weil ich auch etwas durchhing und teilweise nur 15min dran garbeitet habe), aber es ist machbar. Lass dich von der Vorstellung nicht abschrecken.
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