(K)ein Ende in Sicht

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mahatmagandhi
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(K)ein Ende in Sicht

Beitrag von mahatmagandhi »

Liebes Forum,

ich habe vor zirka einem Jahr meine Promotion gestartet. Seitdem habe ich von Zeit zu Zeit das Gefuehl, dass ich ganz gut vorankomme und in anderen Zeiten das Gefuehl, dass ich ueberhaupt nicht vorankomme (ist denke ich ganz normal). Ein Ende ist bei mir aber noch weit und breit nicht in Sicht. Ich frage mich, ab welchem Zeitpunkt sich das aendern koennte. Deshalb wollte ich gerne einmal die Erfahrung von einigen Promovierten Forenmitgliedern sammeln: Wie viele Monate/Jahre vor eurer Disputation hattet ihr das Gefuehl, dass ihr ein Ende absehen konntet und wie gut war diese Abschaetzung im Nachhinein betrachtet? (Nennt gerne auch euren Bereich dazu, falls ihr moegt.)

Vielen Dank fuer eure Erfahrungen!

Liebe Gruesse,
MahatmaGlueck, MahatmaPech, MahatmaGandhi
Sebastian
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Re: (K)ein Ende in Sicht

Beitrag von Sebastian »

Bei dem netten Nick gibst Du Dir die Antwort mit der nächsten Liedzeile doch selbst :D
Mahatma Glück Mahatma Pech Mahatma Ghandi
man weiß im Leben vorher nie genau was kann die.
Vielleicht verrätst Du noch, aus welchem (groben) Bereich Du kommst, dann fallen manche Antworten leichter..

Sebastian
mahatmagandhi
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Re: (K)ein Ende in Sicht

Beitrag von mahatmagandhi »

Ich komme aus dem Bereich Mathematik/Physik.
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Re: (K)ein Ende in Sicht

Beitrag von Phia123 »

Wenn du erst ein Jahr bei der Promotion dabei bist, ist es doch völlig normal, dass noch kein Ende in Sicht ist. Da steckte ich gerade mal in den Anfängen, noch nicht mal mitten drin.
Bei der schriftlichen Arbeit war ein Ende in Sicht als es um das Runterschreiben der letzten Kapitel ging.
Jetzt stehe ich vor der Disputation und habe das Gefühl für den ganzen Promotionsvorgang ist kein Ende in Sicht (Verteidigung vorbereiten, Änderungswünsche einarbeiten, Veröffentlichung anbahnen etc.). Es nervt irgendwann gewaltig, vor allem wenn man nebenberuflich die Promotion macht. Man muss leidensfähig sein, willensstark und tolerant gegenüber Frustration und Verzögerungen.
Wie schlimm wäre es denn für dich, wenn erst mal kein Ende in Sicht wäre?
Könntest du dich darauf einlassen nicht an das "ganze Ende" zu denken, sondern vielleicht das Ende von einzelnen Etappen anzuvisieren? Letzteres hilft sicherlich dabei dich über einen längeren Zeitraum zu motivieren. Hast du einen Plan mit den einzelnen Zwischenschritten? Wenn nein, schreib dir doch einen. Freu dich über die einzelnen Zwischenschritte, die du machst. Schau nicht zu oft ganz weit nach vorne. Da bekommt man häufig ein Gefühl von Ohmacht und verzweifelt an einem unüberschaubaren Berg an Arbeit, der vor einem liegt. Schau, lieber hin und wieder zurück und lobe dich für alles was du schon bewältigt hast.
Wie beim Wandern :mrgreen: Schau lieber nicht hoch zu dem Gipfel (der liegt noch in so weiter Ferne und die Füße tun schon weh), sondern zurück zu den vielen Kilometern, die du schon durchgehalten hast. Dann denkst du dir: Den Rest schaffe ich jetzt auch noch. Beim Wandern lohnt sich übrigens das Umkehren/Abbrechen der Wandertour nach der Hälfte der geschafften Route nicht, weil der Weg nach vorne und der Weg zurück sowieso gleich lang wären. Auch das ist vielleicht eine gute Metapher für das Durchhalten.
mahatmagandhi
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Re: (K)ein Ende in Sicht

Beitrag von mahatmagandhi »

Phia123 hat geschrieben: ↑11.04.2019, 10:41 Hast du einen Plan mit den einzelnen Zwischenschritten? Wenn nein, schreib dir doch einen. Freu dich über die einzelnen Zwischenschritte, die du machst. Schau nicht zu oft ganz weit nach vorne. Da bekommt man häufig ein Gefühl von Ohmacht und verzweifelt an einem unüberschaubaren Berg an Arbeit, der vor einem liegt.
Mein Plan ist es, kumulativ zu promovieren und drei Paper zu veroeffentlichen. Ich bin jetzt kurz davor, das erste einzureichen. Bis das angenommen ist, kann aber nochmal ein wenig Zeit ins Land streichen. Wenn ich das dann auf drei Paper hochrechne, wird mir schwindelig :D
Phia123 hat geschrieben: ↑11.04.2019, 10:41 Jetzt stehe ich vor der Disputation und habe das Gefühl für den ganzen Promotionsvorgang ist kein Ende in Sicht (Verteidigung vorbereiten, Änderungswünsche einarbeiten, Veröffentlichung anbahnen etc.). Es nervt irgendwann gewaltig, [...]
Das kommt ja dann am Ende auch noch dazu. Also nach dem einreichen des dritten Papers vergeht bestimmt nochmal ein Jahr (?) bis zur Verteidigung.
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Re: (K)ein Ende in Sicht

Beitrag von Phia123 »

Ich habe nicht kumulativ promoviert und kann daher dazu nichts sagen.
Wie schnell man den Verteidigungstermin bekommt ist ganz unterschiedlich.
Was sieht denn dein Zeitplan bisher vor?
Warum ist es für dich so wichtig möglichst schnell fertig zu werden? Durchkreuzt die Promotion andere Pläne?
mahatmagandhi
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Re: (K)ein Ende in Sicht

Beitrag von mahatmagandhi »

Phia123 hat geschrieben: ↑13.04.2019, 12:18 Was sieht denn dein Zeitplan bisher vor?
Mein urspruenglicher Plan waren 4 Jahre. Die ersten 3 Jahre ein Paper pro Jahr und im vierten Jahr dann alles zusammenschreiben/Verteidigung und Puffer. Ich denke, dass der Plan so langsam ins wanken kommt.
Phia123 hat geschrieben: ↑13.04.2019, 12:18 Warum ist es für dich so wichtig möglichst schnell fertig zu werden? Durchkreuzt die Promotion andere Pläne?
Ich wuerde nach der Promotion gerne weiter an der Uni bleiben. Wenn man dann mal noch zwei Postdocs hinzurechnet, dann (optimalerweise) die erst Juniorprofessur und dann irgendwann die erste Professur, dann waere ich wohl erst in 10 - 15 Jahren auf einer festen Stelle. Mit einer Familienplanung laesst sich das wohl schwer vereinbaren :?
spirograph
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Re: (K)ein Ende in Sicht

Beitrag von spirograph »

mahatmagandhi hat geschrieben: ↑14.04.2019, 14:27 Ich wuerde nach der Promotion gerne weiter an der Uni bleiben. Wenn man dann mal noch zwei Postdocs hinzurechnet, dann (optimalerweise) die erst Juniorprofessur und dann irgendwann die erste Professur, dann waere ich wohl erst in 10 - 15 Jahren auf einer festen Stelle. Mit einer Familienplanung laesst sich das wohl schwer vereinbaren :?
Mmmh. Sieht schon danach aus, wenn man das Paradigma anlegt, dass es f Familienplanung/Kinderkriegen einer (wie auch immer geartete) "festen" Stelle bedarf. Andererseits kriegen viele Leute bei uns im Mitarbeiter*innenstab Kids; zwei, drei sogar, das Wissenschaftszeitgesetz stretcht sich dann auf (pro Kind bei uns 2 Jahre add-on) auf 6+6 Jahre, also 12 Jahre für die Dissphase. Befristet eingestellt sind die alle. Vielleicht liegt das daran, dass die meistens bei uns Lehrkräfte sind, also "qua natu" dann n anderes, festeres Standbein haben.

Indes was ist "sicher"? Was ist "fest" an einer Stelle? Selbst im so gepriesenen Beamtenverhältnis kann der Staat/das System/ der Apparat an Vorgesetzten einen loswerden: durchne schmucke Versetzung. Davor hatte meine Mum immer Angst, sah das bei Kolleginnen, die dann n Anfahrtsweg zur täglichen Arwweit von 80km hatten....so kanns gehen. Insofern. Soooo safe is der ÖD och nicht. Wenn die wollen, dann könnense och - einen loswerden. Und: für mich bleiben immer zwei Fragen übrig.

(1) Warum mein ich dem eingangs genannten Arbeitsbiographiemuster folgen/dienen zu müssen? Welche Bedürftigkeit ist das in mir? Welchen Mammon bete ich da an? Welchen Götzendienst vollführe ich da eigentlich? Warum jener transparenten Möhren hinterher tappsen, als ob es nix anderes Nettes gäbe? Etwas, ja, humaneres, als Opfergabe an Lebenszeit- und Leistungs für ein hochselektives Nadelöhrsystem (How bout no longer being masochistic?)? Ich finde diese Frage mächtiger und ermächtigender (und die Antworten darauf!), als sich unreflektiert diesem Werdengang zu beugen. Iwie dünkt es mir stets, dass ich dann ne standardisierte Lebensform auf meine Lebenszeit drauf schabloniere, um ja dann hinterher diesen eigentümlichen Topf Gold evtl zu bekommen. Warum eigentlich? Als ob´s nicht auch anders ginge. Das ist für mich iwie wie son top-down Ding, aber Leben lebt sich doch bottom-up: Ich kieke mal, was ich mag u gut kann u wo ich gern sein/dienen will...

(2) Thema "Sicherheit", auch in Form von Anstellungen im vermeintlich safen ÖD. Warum meine ich es ohne diese unterstellte Sicherheit nicht aushalten zu können? Wohin falle ich denn, wenn ich mich aus dieser attribuierten Sicherheit begebe? Meine ich alles andere, was dann evtl. erdachter Weise passieren könnte, nicht packen zu können? Ich mein, was bekommen denn die meisten im Onset der Uni-Tätigkeit: befristete Verträge, viele als HiWi sogar. Daraus werden Kettenverträge, Monate mit Lücken, Stückwerk. Man lernt iwann das hinzunehmen; das System is guilty, nicht ich. Hier stelle ich mir eher die Frage, warum ich jene <Sicherheit> so nötig habe u danach lechze. Kann ich Unsicherheit nicht aushalten oder was. Was ist denn im Leben sicher? Wenig. Der Tod vielleicht. Aber während wir uns ne Waffel über sichere Anstellungen machen, könnte an unserer Schädelbasis n Tumor wachsen, der übernächste Woche einblutet, dann könnts vorbei sein mit dieser alles-verschlingenden-beruflichen-ökonomischen-vermeintlichen-Sicherheit. Dann sagen immer alle: Nee, spiro, passiert nicht, Du erzählst Seemannsgarn. Doch, passiert doch. Viele junge Leute haben schon krasse gesundheitliche Warnschüsse erhalten, das sehe ich in den Seminare, die ich gebe: da fehlen immer mal abrupt n paar. Auf Nachfrage kommt dann raus: Tumor, Schlaganfall, Unfälle, Aneurysma. Wir hängen auch in Verbeamtung mit Zertifkat auf Lebenszeit täglich an nem ganz seidenen Faden.

(3) Noch ein spiro-additum: Als ich für mich die drei kleinen Fragen klärte: Woher komme ich? Was ist der Sinn des Ganzen hier? Wohin gehe ich? lebte es sich plötzlich anders. Ich war, mit den Antworten, die ich mir gebe, zu einem ganz anderen Handeln und Denken befreit. Nur als Impuls an Dich u alle, die hier mitlesen: die Anworten auf jene Fragen konturieren - zumindest für mich - meine Lebenszeit, meine Deutung jener Lebenszeit, die Einsicht in die Sinnhaftigkeit oder das Unnötigsein von Ängsten u Furcht sowie meinen Dienst hier off Erden. Ich denke auch, dass jene drei kleinen Fragen jede/r, ja, vergeistigte Menschn einmal angehen könnte. That´s it. Vielleicht ist damit ein Quantum an Bewusstheit zu machen, dem das eingangs Genannte m.E. abgeht. Immer wenn ich mich in Uni-Kreisen auf meine Lebensdeutung verweise, das in kurzen Sätzen abreiße, ernte ich entgleißte Blicke: "Wann werden Sie fertig?", "Dann, wenn mein Tun an dieser Sache zu einem guten Abschluss gekommen ist. Was es an Zeit u Widmung noch braucht, braucht es." Das meine ich: ...befreit zu einem anderen Handeln und Denken. Und: welche Konsequenzen die Praxis dieser Befreiung für mich hat oder nicht hat als Weltmensch, das nehme ich auf mich. Abgegrenzt u ruhig. Ich weiß aber auch, dass mit so einer Verankerung in der Welt - oder aber eigentlich einem bereits stattgefundenen Durchschreiten dieser! - Angriffe sicher sind. Wenn jemand furchtlos leicht durch Gänge geht, keinen Bückling macht, wenn man den mit Angst u Furcht u Pfeil nicht kriegen kann, dann ist Unverständnis und alles, was folgt gewiss. Aber heija, sei´s drum, so ging´s vielen hier bereits. Nix Neues unter der Sonne. Die eventuellen Folgen meiner Haltung sind aber lange nicht so zersetzend, wie es diese stete <Angst> wäre.



The moment I let go of it Was the moment I got more than I could handle The moment I jumped off of it Was the moment I touched down How bout no longer being masochistic How bout remembering your divinity How bout unabashedly bawling your eyes out How bout not equating death with stopping.

Thank you Providence, Thank you disillusionment Thank you nothingness Thank you frailty Thank you consequence Thank you clarity Thank you thank you silence...



Sehe dein Tun doch als Privileg, was es auch ist. Du hast die skillz, das know-how, die Zeit auch, es läuft. Tue dein Tun einfach weiter und gehe darin auf. Ende des Gedankenmachens über den logistisch-strukturellen Systemüberbau, der da immer so diffus im Hintergrund mitschwabbert. Heut ist heut. Mache heut, was heut möglich ist. Erfreue Dich dran, morgen dann weiter.

Dir alles Gute!

spiro
Wie groß ist das Wort Claudels: „La vie, c’est une grande aventure vers la lumiere“ (Das Leben ist ein großes Abenteuer zum Lichte hin)
teilchenphysik196
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Re: (K)ein Ende in Sicht

Beitrag von teilchenphysik196 »

Eine Planung mit einem Horizont auf 10 bis 15 Jahre halte ich schlicht für unrealistisch. Nicht nur die Randbedingungen sind unkalkulierbar (Gesundheit, Familie, Motivation), sondern auch der Wissenschaftsbetrieb an sich. Niemand garantiert Dir einen solchen Werdegang vom Dokotranden zum Professor. Berufsbilder verändern sich. Studiengänge entstehen oder werden geschlossen. Professuren werden ausgeschrieben und dann doch nicht geschaffen. Jemand anders ist schneller mit seiner Publikation. Du lernst Deinen Traummann kennen, und der lebt in Washington. Das Leben besteht oft aus Überraschungen.

Mit meiner Diss habe ich es so gemacht, dass ich sie in thematisch geschlossene Kapitel unterteilt habe. Jedes stand in Recherche, Ergebnis und Interpretation für sich, und erst zusammengenommen ergaben sie letztlich ein Gesamtbild. Als ich diese Struktur hatte, war dann auch der Fahrplan klar. Ich habe dann ein Kapitel nach dem anderen bearbeitet und hatte dadurch das Gefühl, dem Ende jedesmal ein Stück näher zu kommen. Ich haber auch nie meine tägliche Arbeit beendet, ohne mir aufzuschreiben, was ich als nächsten Schritt tun muss. Das hat enorm Zeit gespart und mir die ganze Sache gut strukturiert.

Gutes Gelingen noch!
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