Qualitative Inhaltsanalyse: Wohin gehören Ankerbeispiele?

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Promo88
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Qualitative Inhaltsanalyse: Wohin gehören Ankerbeispiele?

Beitrag von Promo88 »

Hallo zusammen,
ich habe nun einiges an Literatur gelesen und bin etwas verunsichert. Ich führe eine qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring durch. In seiner Monographie beschreibt er Ankerbeispiele im Zusammenhang mit der deduktiven/ strukturierenden Kategorienbildung. Ich gehe zusammenfassend/ induktiv vor.
In meinen Vorlesungen und in anderen Büchern habe ich auch bei der induktiven Kategorienbildung von Ankerbeispielen gehört bzw. gelesen. Nun bin ich verunsichert, wann und wo genau Ankerbeispiele hingehören. Ansonsten ist mir der Rest klar: Transkription-Paraphrasen & Generalisieren (1 Schritt)- Kategorien und bei mehreren Interviews fasse ich die Kategorien der einzelnen Interviews zu Hauptkategorien zusammen.
Ich hoffe, dass mir jemand helfen kann :)
Liebe Grüße :dr)
Zuletzt geändert von Sebastian am 22.09.2018, 21:50, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Betreff für die Forensuche ergänzt.
spirograph
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von spirograph »

Hi,

ah, Du machst eine IA - das ist quasi der VW-Golf unter den qualitativen Methoden. Ich bevorzuge btw. Kuckartz, ist griffiger und nicht sooo komplizietr bei dem induktiven Vorgehen; er lässte die Kategorien "gleich am Text" ausfällen, nicht über die Paraphrasenkaskade...

Ankerbeispiele: bei der IA unterscheidet man den Schritt der Genese des Kategoriensystems und den Schritt der Anwendung des Katsystems. Irgendwann bei der Genese das Katsystems wirst Du einen Kategorienleitfaden erstellen müssen, mit den Katdefinitionen, Vergaberegeln und eben zwei, drei Ankerbeispielen, also "prototypischen" Textstellen, die als Vorbilder und Messlatten für in Frage kommende potenzielle andere Textstellen dienen. Da kommen Ankerbeispiele vor. Dann wird dein ganzes Datenmaterial mit den Katleitfaden durchcodiert; das ist der Teil der Anwendung des Katsystems. That´ it.

Benutzt Du MaxQDA?

Viele Grüße!

spiro
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Promo88
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von Promo88 »

Ich erstelle einen Interviewleitfaden mithilfe der gelesenen Literatur. Dieser beinhaltet ja quasi schon meine Kategorien (problemzentrierte Interviews nach Witzel mit zunächst offenen Fragen, direkten und Aufrechterhaltungsfragen).
Um jedoch in der Analyse offener zu sein, gehe ich induktiv vor und nicht deduktiv, sodass ich aus den Transkripten neue Kategorien erstelle. Diese dienen dann einem Theorie-Praxis-Vergleich. Wenn ich so vorgehe, lege ich ja das Abstraktionsniveau fest.

Ich werde zum ersten Mal MAXQDA nutzen. Habe ich bisher noch nicht.

Liebe Grüße und danke schonmal
spirograph
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von spirograph »

Jaoh,

klingt safe. MaxQDA is toll, voll intuitiv und schick. Der Support-service ist auch gut, wennde da mal Fragen hast, fragen. Mussde dann gucken, in welchem Format deine Transkripte bzw. Literatur sind. Steht bei Kuckartz drin, zu dem ich Dir btw raten würde. Der ist einfacher. Von dem Udo Kuckartz is och das MaxQDA, wäre ne gewisse Passung. 2 Jahre als Student mit Immatrikulationsunterlagen kosten da 89 Euro für die Lizenz. Gute Sache. Gubt zig online-Tuteriols und auch Workshops zum Lernen.

Ankerbeispiele brauchst Du immer, ob nun deduktiv od induktiv. Irgendwann kommt der Kategorienleitfaden mit den Ankerbsp als Orientierung. Egal, wie man - in der Genese - zu seinen Kategorien kam. Dann kommt die Anwendung des Katleitfadens auf die Gesamtheit der Daten/Texte.

Also Du machst Interviews (mithilfe v Litertaur), die ja weg der Fragen schon ne Strukturierung evozieren in dem fertigen Textmaterial/Interviewtranskripten. Gut, daran, also an den Transkripten, willst Du ganz offen - induktiv/am Text - Kategorien entstehen lassen. Klingt safe u unaufgeregt.

Gibt btw Firmen, die für Dich gegen Geld transkribieren. Kannste Zeit sparen. Audiotranskription, hieß, glaube ich, eine.

Na, gutes Gelingen!

spiro
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von Promo88 »

Super, vielen Dank für die Tipps. Sollte nochmal etwas sein, werde ich mich sicher nochmal melden :)
Mondolino
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von Mondolino »

Hallo ihr Lieben,

Vorweg: Ich hoffe es ist okay, wenn ich hier darunter poste. Wollte keinen neuen Eintrag erstellen.

Nach dem ich hier lange mitgelesen habe, möchte ich gerne ein paar Fragen zum Thema qualitative Analyse an euch richten, zu denen ich in der Literatur keine Antwort finde, was auch der Spezifität meiner Daten liegt. Ich werte aktuell Protokolle aus, die ich aus einer teilnehmenden Beobachtung gewonnen habe. Die Beobachtungen beziehen sich auf interaktive Prozesse zwischen zwei Personen. Ich gehe bei der Analyse nach der sequentiellen Methode vor und versuche so mit einem aus der Theorie stammenden Kategoriensystem in Kombination mit den Daten ein eigenständiges und auf den Fall bezogenes Kategoriensystem zu entwerfen und dieses dann anzuwenden. Im Feld der qualitativen Analyse bin ich ein Neuling. Aktuell arbeite ich mit MaxQDA und kodiere in Sinneinheiten. Ich suche Verhaltensweisen, die für bestimmte Personengruppen typisch sind, zu ermitteln und diese in den Kontext der Interaktion einzuordnen. Auch habe ich quantitative Daten aus Fragebögen ermittelt, welche ich mit den qualitativen Daten koppeln will. Mein Ziel ist es also zum einen eine Frequenzanalyse der Verhaltensweise durchführen, andererseits will ich aber auch eine Theorie entwickeln.

Nun zu meinen Fragen:

Hat hier jemand Erfahrungen vorliegen? Bzw. kann jemand zum Mix aus inhaltlicher Interpretation der Fälle, Frequenzanalyse und quantitativer Auswertung berichten?

Hat jemand schon mal in Sinneinheiten kodiert? Habt ihr da die Sätze genau bis zur Stelle, an der sich der Sinn ändert kodiert und ab dieser Stelle dann wieder mit dem neuen Code begonnen? Also die Texte in Stücke zerlegt, die bei einer Einzelbetrachtung nicht mehr unbedingt eingeordnet werden können?

Die Protokolle sind sehr unterschiedlich. Teilweise wurden nur Stichworte notiert und bei anderen Beobachtungen liegen ganze Aufsätze der Verhaltensweisen und Eindrucke vor. Zudem wurden Eindrücke des Beobachters, allgemeine Notizen und direkte Zitate niedergeschrieben. Ist das problematisch? Sollte ich hier die Beobachter bitten die Protokolle aus dem Gedächtnis anzugleichen und auszuformulieren? Es ist teilweise echt schwer den Inhalt nachzuvollziehen.

Für eure Antworten danke ich euch schon mal im Voraus.
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von spirograph »

Hi,

nach wem machst Du deine IA? Kuckartz? Für ihn sind die vergebenen Codes wie Zeiger auf eine Textstelle, der Umfang (wenn man dies nich auswerten soll!), also der Anfang u das Ende der Sinneinheit spielt eine untergeordnete/keine Rolle. Es geht um den Verweis von Kategorie auf genau die und die Textstelle. Aber: die SInneinheiten sollten außerhalb, isoliert von dem einstigen Umgebungstext, für sich stehen können, also verständlich sein. Man tut sich keinen Gefallen, wenn man nur halbe Sätze codiert und die sich dann inner excel auswerfen lässt und die nich verstehen kann u wieder n Retrievel machen muss. Eher mehr als zu wenig. Überhaupt ist MaxQDA ja iwie nur die Arbeitsfläche, die Küchenplatte, auf der und mit der du agierst. So n Verschiebe- und Speicher-Register-template, so sehe ich das bei mir. Nur n Zwischenschritt quasi, der mir hilfst, Ordnung zu bewahren. Wie das nachher im Fließtext oder in Tabellen aufkreuzt, is ne andere Geschichte. Da wird nich alles genommen, manches wird so nachgetragen usw. Ah, plus: eine Sinneinheit kann mit mehreren Codes belegt werden, weil in der einen Sinneinheit mehrere diverse Sachen angesprochen werden, die wiederum diverse Kategorien bedienen. Also: Ganze Sinneinheit mit Kat A belegen, aber auch gesamte Sinneinheit für die bzw mit der Kat B belegen, eben wenn beides dort verhandelt wird. Sondiert wird Kat A dann für sich; wie auch Kat B dann für sich, unter der spezifischen Brille für Kat B, beguckt wird.

Es gibt sog Methodenberatungen an Uni, z.B. in Göttingen. Für 70 Euro reden da ExpertInnen mit Dir, ne Stunde lang: https://www.uni-goettingen.de/de/423526.html Die können Dir sehr spezifisch helfen, lohnt sich! :-)

Viel Erfolg,

spiro
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von Mondolino »

Hallo,

vielen Dank für deine Antwort!

Bislang bin ich nicht nach einem bestimmten Autor vorgegangen, sondern anhand des Vorgehens der Empirie in meinem Fachgebiet. Ist das schlimm? Ich promoviere kumulativ und in den empirischen Studien die ich bisher zu meinem Thema gelesen habe, wird nie auf eine bestimmte Schule o. Ä. hingewiesen.

Laut der Literatur liegt der Vorteil der Kodierung nach Sinneinheiten darin, dass es nicht zur Doppelkodierung kommt. Wenn ich nun aber mehrere Kodes pro Satz bzw. Absatz vergebe ist das dann tragisch? Du hast schon Recht. Bei Halbsätzen ist es teilweise schwer den Zusammenhang zu verstehen. Aber auch wenn ich die Reliabilität hinsichtlich der Anzahl an Kodiereinheiten mit dem Zweitkodierer checken will, kann es doch dann lange dauern bis wir uns einigen oder?

Hast du evtl. auch eine Einschätzung für mich bzgl. der Datengrundlage? Ist es zulässig im Nachgang an die Beobachtung (es liegt keine Audioaufzeichnung vor) das Protokoll von den Beobachtern ausformulieren zu lassen?

Viele Grüße
spirograph
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von spirograph »

Hi,

danke Dir für deine Bedankung. Nun, auch wenn ihr bewusst/unbewusst nach keiner Lehre vorgeht, wie z.B. Onkel Kuckartz (2016; "Qualitative Inhaltsanalyse"), schadet es sicher nicht, wenn Du Dir bei dem ggf Anleihen holst. Er ist m.E. einfacher anzuwenden als Mayring; letzterer verkompliziert zB die Kategorienbildung "am Text" durch solche reduktiven Kaskaden/Paraphrasierungen. Ditt kann man gleich am Text ausfällen lassen, die Kategorien, wie bei Kuckartz. Dass Du das schon so intuitiv machst oder dass das bei Euch ohne Rekurs auf Schulen so gemacht wird, spricht für die große Naturalität der Methode, ist son intuitives Vorgehen. Aber mit Verbindung zu ner Schule wird aus feeling eben Fundierung. :-) safe is safe und so.

Nun wir unterscheiden: Textstelle und Sinneinheit. In einer Textstelle, z.B. einem Absatz, kann es sein, dass dort mehrere thematische Aspekte behandelt werden: "Gestern ging ich auf dem Wanderweg lang, Malerweg bei Dresden, jedenfalls, also, die Beschilderung ist toll dort. So viele Blumen waren da am Wegesrand, da müssen Sie mal hin!". Hier würde ich bspw. "Wanderweg", "Beschilderung", "Botanik" codieren, aber meinen Code über die ganzen Sätze legen, also - hier - drei Sinneinheiten sehen, die in je drei Kategorien abgebildet/aufgefangen werden. :-) Ist schon eine Mehrfachbelegung einer Textstelle mit eben mehreren kategorien aufgrund diverser themat Aspekte. Doppelkodierung ist es nicht, ich codiere ja nur einmal "Botanik" und nicht zweimal. Bei nem qualit Ansatz wäre das nicht tragisch, solche Doppenkodierungen, bei quant Verfahren, wo dann ausgezählt wird, schon. Die Textstelle wird mehrfach codiert, jedoch nicht die Sinneinheit! :-) Ein Code für eine Sinneinheit. Ggf mehrere Codierungen für die Textstelle, weil die so reichhaltig ist. See what I´m saying? :-)

Mit der Reliabilität: wenn ein Code eine Zeigefunktion hat und es in diesem Zeigeverhältnis die Verbindung von einer Kategorie zu einer Textstelle gibt, dann sind Umfänge dieser Textstelle nicht sooooo wichtig. Dieses "Pointen" ist es halt auf was es ankommt. Es sei denn Du wertest Umfänge oder sowas aus. Ich meine das v.a. auf qualit Ansatz bezogen. Wenn ich z.B. "Gefühl" codiere, dann reicht es, wenn ich in MaxQDA in der Textstelle "Ey, Aldor, ich könnte manchmal aus der Haut fahren, stehen die im Weg rum!", lediglich "Haut" oder "aus der Haut" mit nem Code belege. Durch das Retrievel (Weg zurück vom Code zum eigentlichen Text!) finde ich den Kontext von "Haut" easy. So ist das, was in MaxQDA stattfindet eher nur wie ne Arbeitsplatte. In den Fließtext kann ich easy dann die Textumgebung von "Haut" aufnehmen, wenn ich gerade schreibe.

Wenn man im Team arbeitet, entwickelt man eigentlich das Kat-system zusammen, man schult sich da gemeinsam, ist wie ein Training. Dann codiert man Probe, gleicht sich ab, spurt sich gegenseitig ein, kommuniziert darüber ("Komm, wir machen ganze Sätze, so dass wir das och isoliert raffen dann, wenns im Ergebnisbereicht auftaucht", "Stümmts!"). Dann, wenn man trainiert hat, geht man das jede*r für sich durch. Zueletzt wird wieder verglichen. Durch das vorherige Training, die gemeinsame Genese, dürften nicht die krassen Abweichungen aufkommen.

Lies mal Kuckartz ganz genau, dort stehen alle Details drin! :-)

Viel Erfolg

spiro
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Mondolino
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Re: Qualitative Inhaltsanalyse

Beitrag von Mondolino »

Vielen Dank für deine Erklärungen!

Das hat mir auf jeden Fall schon mal weitergeholfen.

Liebe Grüße

Mondolino
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