Studis von heute

Paulchen
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Re: Studis von heute

Beitrag von Paulchen »

Ich weiß gar nicht, warum man auf den Studenten so rumhacken muss. Die sind auch nicht schlimmer oder besser als wir vor 17 Jahren. Ich bin in meine Lehrveranstaltungen als Dozent immer gut vorbereitet gegangenen und habe einfach gelehrt, ohne mir über irgendwelche didaktischen Konzepte Gedanken zu machen und die Stundenten waren froh, wenn sie am Ende gut vorbereitet in die Modulabschlussprüfung gegangen sind. Und man kann interne Fortbildungen nicht mit universitärer Lehre vergleichen. In der Uni muss man wissen, was für eine Gruppe man vor sich hat.

Übrigens möchte ich als Linguist einmal auf das vollkommen unsinnig benutzte Substantiv „Studierende“ eingehen und auf folgendes Essay verweisen: http://www.sueddeutsche.de/kultur/essay ... -1.3402438
daherrdoggda
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Re: Studis von heute

Beitrag von daherrdoggda »

Waren das Erst-/Zweitsemestler? Wir hatten in den ersten Semestern sehr viele Schwaetzer, die tlw. lauter gequatscht haben als die Dozenten. Sehr aergerlich fuer die, die wirklich was hoeren wollten. Einer von uns ist dann mal ans Mikro und hat gesagt: Sie sind hier nicht in einem daemlichen Klassenzimmer, sondern an einer Universitaet! (Das werd ich nie vergessen :D ) Warum hier in der Veranstaltung Unterhaltungen fuehren, das macht doch draussen oder in der Mensa fuer alle mehr Sinn. Es gab breiten Applaus von allen, und es war 10 min ruhig. Danach ging es weiter wie vorher. Kommentar vom Dozenten: Ich hab meine Karriere gemacht, fuer Sie rede ich nicht lauter und wiederhole auch nix. Ihre Karriere ist Ihre Entscheidung, die Sie jetzt treffen muessen. Im dritten war dann die Haelfte rausgeprueft oder hat von selbst hingeschmissen, und der verbleibende Teil war wirklich interessiert und fuer alle beteiligten viel angenehmer.
Wierus
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Re: Studis von heute

Beitrag von Wierus »

Nur am Rande: Ich kenne Leute aus dem Maschinenbau, die sich ihren Vorlesungen während des Studiums kategorisch entzogen haben mit dem Verweis darauf, dass es nur Geschwafel sei und sie lieber "Wichtiges" lernen. Beide haben ihre BAs und MAs geschafft. Von daher mag die Kritik an der Anwesenheitspflicht gerechtfertigt sein. Ich persönlich halte die Anwesenheitspflicht in Seminaren allerdings für wichtig, zumindest, solange sie nicht an der Lebensrealität der Studierenden vorbeigeht (von wegen: wer zweimal fehlt, fliegt - egal warum).
Paulchen hat geschrieben:IÜbrigens möchte ich als Linguist einmal auf das vollkommen unsinnig benutzte Substantiv „Studierende“ eingehen und auf folgendes Essay verweisen: http://www.sueddeutsche.de/kultur/essay ... -1.3402438
"Studierende" ist einem "Student/Innen" sprachlich und stilistisch haushoch überlegen und in meinen Augen daher absolut legitim. Sprache befindet sich langfristig im Wandel und passt sich der gelebten Realität an. Ich weiß, diese Einsicht hat sich bei Germanisten noch nicht herumgesprochen (siehe letzte Rechtschreibreform).

Zu dem Artikel: jede Menge linguistische Spitzfindigkeiten, die immer wieder in völligen Kappes münden, siehe Zitat
Man stelle sich die Abschlussklasse einer Schule vor, deren Schüler eine Lehre antreten wollen. Sie sind dann Auszubildende, aber Lehrlinge sind sie noch nicht.
Frage: seit wann werden Schüler an Berufsoberschulen, Fachoberschulen oder Realschulen als Auszubildende bezeichnet? Seit wann wird ein Kollegstufenschüler als Auszubildender bezeichnet, nur weil er/sie danach eine Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung beginnen möchte?
Paulchen
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Re: Studis von heute

Beitrag von Paulchen »

Es ist immer recht einfach, den Begriff des Sprachwandels hinzuzuziehen. Hier wird ein von einem Partizip abgeleitetes Substantiv semantisch falsch verwendet. Und ob es sich hier um „natürlichen“ Sprachwandel oder einen von der Genderlinguistik aufoktroyierten Wandel handelt, wäre eine andere Frage. Ich halte es immer so, dass ich in geraden Jahren Studenten und in ungeraden Studentinnen benutzt habe.
Drei fachliche Anmerkungen noch:
1. Germanistik und Linguistik sollte man nicht gleichsetzen. Viele Germanisten haben von Dingen wie Grammatik keine Ahnung. Peter Eisenberg ist im Ãœbrigen auch kein Germanist, sondern ein Linguist.
2. Bei der Rechtschreibreform kann man geteilter Meinung sein. Hier spielen viele Prinzipien eine Rolle. Sprachwandel ist nur eines davon.
3. Erbsenzählerei ist der Job eines Linguisten. Insofern macht Herr Eisenberg alles richtig
Linguisten arbeiten zwar rein deskriptiv. Aber dennoch sollte man auf grammatikalisch falsche Konstruktionen hinweisen (und nicht alles immer unter dem Deckmantel des Sprachwandels subsumieren).
Wierus
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Re: Studis von heute

Beitrag von Wierus »

Paulchen hat geschrieben:Es ist immer recht einfach, den Begriff des Sprachwandels hinzuzuziehen. Hier wird ein von einem Partizip abgeleitetes Substantiv semantisch falsch verwendet. Und ob es sich hier um „natürlichen“ Sprachwandel oder einen von der Genderlinguistik aufoktroyierten Wandel handelt, wäre eine andere Frage.
Ich hatte den Eindruck, der Artikel wehrt sich nicht nur aus sprachwissenschaftlichen Gründen gegen die moderne Sprachregelung (siehe "Gendern" mit eher negativer Konnotation).
Paulchen hat geschrieben:Erbsenzählerei ist der Job eines Linguisten. Insofern macht Herr Eisenberg alles richtig
Linguisten arbeiten zwar rein deskriptiv. Aber dennoch sollte man auf grammatikalisch falsche Konstruktionen hinweisen (und nicht alles immer unter dem Deckmantel des Sprachwandels subsumieren).
Ich gebe dir Recht und in meinen Augen ist Sprache das wichtigste Werkzeug des Menschen - deren "Pflege" also immens wichtig.
Aber wenn ich Englisch betrachte, eine so herrlich einfache und doch zugleich reiche Sprache, und mir die grammatikalischen Arabesken des Deutschen ansehe, dann wirkt vieles aus der Grammatik wie Beschäftigungstherapie für sprachwissenschaftliche Seminare. Trifft im Übrigen auch auf das Französische zu: hier verteidigen die französischen Sprachwissenschaftler schon seit Jahrzenten leider erfolgreich so unsinnig wirkende Dinge wie die "Accents".
Dell
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Re: Studis von heute

Beitrag von Dell »

Bienesumsum,
Erstmal muss man beachten, dass es an der HS eine andere Situation ist als in Schule bzw. Beruf, da der Zwang nicht vorhanden ist (bzw. sein sollte).
Wenn man nach Entschuldigungen für Abwesenheit und spät kommen fragt, bekommt man dann eben fadenscheinige Gründe. Das ist auch nicht schön für die Studierenden, Ausreden finden zu müssen.

Man kann auch nicht generalisieren, dass die Studenten unhöflich, undidzipliniert und uninteressiert sind. Jeder Dozent würde diese Frage für die gleiche Klasse wohl unterschiedlich beantworten. Muss ich nur an meine Studienzeit zurückdenken. Bei manchen Dozenten saßen 90% der Studies im Hörsaal (leise und konzentriert) bei anderen kamen höchstens 10-20%. Bei einem mit Anwesenheitspflicht war es ganz schlimm. Es kamen zwar viele, aber auch nur um sich mit den anderen zu unterhalten und am Laptop rumzuspielen, so dass selbst die paar Interessierten keine Chance hatten etwas mitzubekommen.

Der Dozent hart eine Bringschuld, den Mehrwert der Veranstaltung klar herauszuarbeiten und das Material interessant und verständlich vorzubringen.
Anschließend liegt es beim Studenten ob er das Angebot annehmen möchte.
caipirinha11085
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Re: Studis von heute

Beitrag von caipirinha11085 »

Ich kann nicht bestätigen, dass es die "Studis von heute" gibt, die sich schlechter benehmen als wir damals. Bei uns war es schon immer normal, dass man in Vorlesungen kommen und gehen kann, wie man möchte, solange man das leise und ohne größere Störungen macht. Alles andere macht in Vorlesungen mit 500 Leuten aufwärts auch wenig Sinn. ´
Ich habe nur einmal in einem Raum mit seltsamer Akustik gelehrt, wo jede Bewegung im Saal bei mir vorne als Riesenkrach ankam. Da habe ich die Studis gebeten, nicht zwischendrin zu packen und zu gehen und daran haben sich alle gehalten.

Es gibt viele Methoden, mit erhöhtem Lärmpegel umzugehen. Die schlechteste davon - aus Sicht eines interessierten Studenten - ist den Lärmpegel einfach zu ignorieren. Ob man aufhört, zu sprechen, bis sich die Studis beruhigen, oder ob man die "Störer" gezielt anspricht - ich hatte noch nie die Situation, dass man im Saal nicht für Ruhe und Konzentration sorgen könnte.

Viele Übungen, die ich halten musste, waren mit Anwesenheitspflicht und als Dozentin empfand ich das als ziemlich anstrengend. Wenn man Pech hat, sind sehr viele Leute im Saal, die die Veranstaltung per se, die Uhrzeit oder meinen Lehrstil blöd finden und deren Demotivation wirkt sich oft auf die Studenten aus, die an sich Lust haben, da zu sein, aber nicht übermotiviert sind.

Ich kann zwar schon aus Erfahrung sagen, dass es Kurse gibt, in denen von Grund auf ein höherer Konzentrationspegel herrscht, als in anderen. Aber am Ende ist es auch Aufgabe des Dozenten, zu den Studenten eine Verbindung herzustellen. Wenn das nicht klappt, ist das selten die Schuld der Studenten (va nicht als Kollektiv).
Paulchen hat geschrieben:Übrigens möchte ich als Linguist einmal auf das vollkommen unsinnig benutzte Substantiv „Studierende“ eingehen und auf folgendes Essay verweisen: http://www.sueddeutsche.de/kultur/essay ... -1.3402438
Mir scheint der Artikel recht stark von der These getragen, Männer würden durch "das Gendern" diskriminiert. Diese These wird dann stellenweise linguistisch ausgestopft, überzeugt mich aber nicht.
Streptokokkus

Re: Studis von heute

Beitrag von Streptokokkus »

Ich bezweifele, dass es ein Problem der Studierenden von heute ist. Als ich vor mehr als 20 Jahren mit dem Studium begann, war es nicht anders. Vorlesungen mit Anwesenheitspflicht waren ganz fürchterlich laut. Die Respektlosigkeit vor dem Dozenten war einfach nur beschämend!!
Zuletzt geändert von Streptokokkus am 21.05.2018, 22:14, insgesamt 1-mal geändert.
Wierus
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Re: Studis von heute

Beitrag von Wierus »

Streptokokkus hat geschrieben:Ich bezweifele, dass es ein Problem der Studierenden von heute ist. Als ich vor mehr als 20 Jahren mit dem Studium began, war es nicht anders. Vorlesungen mit Anwesenheitspflicht waren ganz fürchterlich laut. Die Respektlosigkeit vor dem Dozenten war einfach nur beschämend!!
Ich erinnere mich an Kaugummis unter Tischen, beschmierte Buchregale in der Bibliothek und herausgerissene Buchseiten in Uni-Leihgaben. :D

"Komische" Studenten hatte wohl jeder in seiner Zeit an der Uni erlebt und vielleicht war ich teilweise selbst einer. Auf jeden Fall kann ich mich bis heute sehr gut an einen Kommilitonen erinnern, der einfach nicht verstehen konnte, warum ich in einer Pflichtvorlesung so strebsam mitschreibe. Und das selbst nachdem ich ihm genau erklärt hatte, dass ich bei Nicht-Bestehen der Prüfung mein Studium an den Nagel hängen könne (das war eine von diesen Veranstaltungen, die nur alle zwei Semester angeboten werden und ich hatte den Zwischenprüfungstermin bereits bis auf das vorletzte mögliche Semester ausgereizt).

Andererseits kann sich die Lage in den Proseminaren und Vorlesungen während der letzten 10 Jahre schon deutlich verschärft haben: zum einen wegen dem G8, zum anderen wegen der höheren Prüfungsbelastung im BA-Studium. Ich habe erst Letztens eine Gruppe von Studis gehört, die sich darüber unterhielten, dass sie die ganzen Protokolle und Zusatzaufgaben nicht mehr schaffen - und die Gruppe hat nach eifrigen Leuten ausgesehen.
Kalypter
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Re: Studis von heute

Beitrag von Kalypter »

Ein interessantes Thema! Ich komme aus einem relativ kleinen Fach mit wenigen Stundenten. Eine "Null-Bock"-Mentalität habe ich da eigentlich nie wahrgenommen. Diejenigen, die ihr Studium als nötiges Übel begreifen und entsprechend wenig Einsatz bringen, erwarte ich eher in den großen Massenfächern. Wer sich ein Orchideenfach erwählt, tut dies für gewöhnlich aus einem gewissen Idealismus heraus.

Aber auch ich habe das subjektive Empfinden, dass die "Studis von heute" nicht mehr so viel drauf haben wie früher. Das ist aber wohl eher dem alten Generationenkonflikt geschuldet.
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