Promovieren - Sinnvoll oder doch lieber freie Wirtschaft?

Gesperrt
Amala_Li
Beiträge: 1
Registriert: 07.01.2018, 20:30

Promovieren - Sinnvoll oder doch lieber freie Wirtschaft?

Beitrag von Amala_Li »

Hallo ihr lieben Leute in diesem Forum,

ich wende mich an euch, weil ich glaube, hier die beste Hilfe in meiner Entscheidungsfindung zu bekommen.
Letzte Woche hatte ich ein Vorstellungsgespräch an der Uni für eine Promotionsstelle, die ich tatsächlich auch bekommen habe. Die Zusage erhielt ich vor zwei Tagen. Nun bekomme ich bei der Vorstellung doch immer mehr Bauchschmerzen und ich bin mir nicht sicher, ob es das richtige ist. Meine Zweifel:
1. Ich studierte Alterswissenschaften (Master of Science) und arbeitete dafür sehr hart, sodass mein Schnitt ganz gut ausgefallen ist. Meine Promotionsstelle beschäftigt sich nun sehr viel mit Statistik. Das ist insofern ein Nachteil, als das ich Statistik erst so richtig in der Verfassung meiner Masterarbeit gelernt hab und ich darin noch nicht sonderlich gut bin. Das ist aber für den Doktorvater in Ordnung denn man könne das wohl noch präziser lernen.
2. Ich bin mittlerweile 27 Jahre alt und möchte in etwa ein - eineinhalb Jahren so langsam mit der Familienplanung beginnen. Da die Promotionsstelle nur auf Teilzeit ausgerichtet ist, wäre das ja eigentlich ganz gut vereinbar, allerdings geht es hierbei um ein Projekt. Ich frage mich also, ob ich eventuell bei einer Schwangerschaft "rausgeschmissen" werden könnte.. Da ja auch die Zuschüsse nur über Dauer des Projekts gelten...
3. Ich möchte nach der Promotion nicht in der Universität bleiben. Forschung ist zwar spannend in dem Themenbereich, in den ich kommen würde, allerdings kann ich mir das nicht für immer vorstellen. Was ist also nach der Beendigung der Dissertation bzw. nach der anschließenden Elternzeit? Kann es sein, dass ich dann in der freien Wirtschaft schwerer eine Stelle bekomme (zwecks mangelnder Arbeitserfahrung)?

Vielleicht hat jemand von euch Erfahrung mit dieser Situation und kann mir einen Rat geben...

Viele Grüße und Danke!
praktikum
Beiträge: 317
Registriert: 13.02.2016, 05:35
Status: abgeschlossen
Hat sich bedankt: 1 Mal
Danksagung erhalten: 3 Mal

Re: Promovieren - Sinnvoll oder doch lieber freie Wirtschaft?

Beitrag von praktikum »

Hallo Amala_Li,

Amala_Li hat geschrieben:Zweifel:
1. Ich studierte Alterswissenschaften (Master of Science) und arbeitete dafür sehr hart, sodass mein Schnitt ganz gut ausgefallen ist. Meine Promotionsstelle beschäftigt sich nun sehr viel mit Statistik. Das ist insofern ein Nachteil, als das ich Statistik erst so richtig in der Verfassung meiner Masterarbeit gelernt hab und ich darin noch nicht sonderlich gut bin. Das ist aber für den Doktorvater in Ordnung denn man könne das wohl noch präziser lernen.
Es ist gut, dass Du das vorher mit ihm abgeklärt hast. Der Nachteil besteht nun eigentlich "nur" noch darin, dass Du mehr Zeit benötigen wirst.

Amala_Li hat geschrieben: 2. Ich bin mittlerweile 27 Jahre alt und möchte in etwa ein - eineinhalb Jahren so langsam mit der Familienplanung beginnen. Da die Promotionsstelle nur auf Teilzeit ausgerichtet ist, wäre das ja eigentlich ganz gut vereinbar, allerdings geht es hierbei um ein Projekt. Ich frage mich also, ob ich eventuell bei einer Schwangerschaft "rausgeschmissen" werden könnte.. Da ja auch die Zuschüsse nur über Dauer des Projekts gelten...
Bei einer Schwangerschaft wird der Vertrag mehr oder weniger pausiert. Das eigentliche Problem ist die fehlende Arbeitsleistung innerhalb des Projekts, falls es zu einer Risikoschwangerschaft kommt oder falls sich die Rückkehr nach der Geburt sehr lange hinzieht. Die Frage ist dann eher, ob Dein Vertrag später verlängert wird und Du dann noch mitten in der Promotion steckst. Das kann aber auch aus allen möglichen anderen Gründen ein Thema sein. Das wäre aber worst case, genauso gut kann es gar keine Probleme geben. Ob das gut oder schlecht funktioniert, hängt mit der Organisation vor Ort hat. Das ist vorher aber schwer einzuschätzen.
Amala_Li hat geschrieben: 3. Ich möchte nach der Promotion nicht in der Universität bleiben. Forschung ist zwar spannend in dem Themenbereich, in den ich kommen würde, allerdings kann ich mir das nicht für immer vorstellen. Was ist also nach der Beendigung der Dissertation bzw. nach der anschließenden Elternzeit? Kann es sein, dass ich dann in der freien Wirtschaft schwerer eine Stelle bekomme (zwecks mangelnder Arbeitserfahrung)?
Das ist der wichtigste Punkt. Man muss keine Promotion machen, nur weil man es kann oder angeboten bekommt. Du musst letztlich recherchieren, ob ein Dr.grad für Deine Wunschstelle von Vorteil ist.
Paulchen
Beiträge: 62
Registriert: 15.06.2016, 18:44
Status: Postdoc
Danksagung erhalten: 4 Mal

Re: Promovieren - Sinnvoll oder doch lieber freie Wirtschaft?

Beitrag von Paulchen »

Moin,
Da die Promotionsstelle nur auf Teilzeit ausgerichtet ist, wäre das ja eigentlich ganz gut vereinbar, allerdings geht es hierbei um ein Projekt.
das wäre ich vorsichtig. Nach meiner Erfahrung (und der Erfahrung der Vielzahl meiner ehemaligen Kollegen) sagt der Stellenumfang nichts über den Arbeitsumfang aus. Meistens bedeutet eine halbe Stelle, dass man für 19,irgendwas Stunden bezahlt wird, aber trotzdem Vollzeit arbeitet. Gerade bei Projekten kann es sein, dass man seine Arbeitszeit komplett für das Projekt verwenden soll und die eigene wissenschaftliche Qualifikation in der Freizeit gemacht werden darf. So habe ich es zumindest während eines DFG-Projektes erlebt, wobei es da so war: halbe Stelle, Vollzeit Projektarbeit und die eigene wissenschaftliche Weiterqualifikation dann nachts und am Wochenende. Solltest du die Promotionsstelle machen wollen, würde ich das vorher abklären.

Ich wünsche aber alles Gute. Ein Tipp von mir (gerade mit Blick auf die Familienplanung): Frage dich vielleicht, wo du dich in zehn Jahren sehen willst. Eine Promotion bedeutet extrem viel Arbeit verbunden mit leider sehr großer Unsicherheit.
Viele Grüße,
Paulchen
Dell
Beiträge: 183
Registriert: 28.04.2015, 16:39
Danksagung erhalten: 16 Mal

Re: Promovieren - Sinnvoll oder doch lieber freie Wirtschaft?

Beitrag von Dell »

Teilzeit Stelle bedeutet im Normalfall Vollzeit arbeiten. Falls du die Sicherheit möchtest nach dem Kind wieder an einen Arbeitsplatz (v.a. in Teilzeit) zurückzukommen, anstatt dich mit Kind neu zu bewerben, würde ich lieber direkt außerhalb der Uni suchen.
flip
Beiträge: 1166
Registriert: 02.11.2012, 02:50
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 46 Mal

Re: Promovieren - Sinnvoll oder doch lieber freie Wirtschaft?

Beitrag von flip »

1. Statistik ist learning by doing. Also alles kein Problem. ;)
2. Teilzeit heißt in der Regel, 50% arbeiten, und dann noch 50% Diss. Das heißt: Vollzeit. Lässt du die Diss schleifen, verschiebt sie sich die Abgabe also einfach weiter nach hinten.
3. Was möchtest du denn später überhaupt machen. Also was ist dein langfristiges Ziel?
liwona90
Beiträge: 11
Registriert: 02.12.2017, 16:43
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 1 Mal

Re: Promovieren - Sinnvoll oder doch lieber freie Wirtschaft?

Beitrag von liwona90 »

Hi!

Aus eigener Erfahrung: Schwanger und promovieren ist nicht unbedingt ein Beinbruch, im Gegenteil, je nach Fachbereich ist es fast die beste Zeit. Ich habe im Dezember meine Promotionsstelle angetreten und habe quasi am ersten Tag erfahren, dass ich schwanger bin, ungeplant, aber nicht ungewollt. Ich arbeite zudem in der Biologie, S1-Labore und der ganze Rattenschwanz ... Ich war unglaublich geschockt und unsicher, hatte natürlich auch Schiss, dass ich rausgeworfen werde, dass mir am Ende die Zeit fehlt etc

Fast/Eigentlich jede Universität hat eine Gleichstellungsstelle, die genau für solche Situationen gemacht ist. Wie das Projekt weiterplanen? Wie der Wieder-Einstieg? Wie Kinderbetreuung? Dann gibt es Mittel, um dich zu unterstützen, zumindest habe ich an zwei Unis von diesen gehört. Einmal hier wurde ich darüber informiert, dass ich einen Hiwi anfordern kann, um mich zu entlasten wenn ich durch die Schwangerschaft öfter krank bin bzw. um Dinge zu tun, die ich nicht darf (z.B. im S1-Labor rumspringen): Immer für 3 Monate für 5h/Woche, mehrmals beantragen möglich. Dort, wo ich den Master gemacht habe, war ich selbst ein solcher Hiwi und zwar für meinen männlichen Professor, dessen Kind unter 3 war. Auch dann kann man diese Mittel beantragen, da er wegen dem Kind öfter zuhause bleiben musste, z.B. wenn es krank war oder die Kita zu hatte.

Zur "fehlenden Zeit": Ist es ein DFG Projekt und du einziger Mitarbeiter (es also nicht Teil eines Forscherverbundes ist) kannst du bei der DFG eine Projektunterbrechung beantragen. Die Finanzierung steht nämlich 36 Monate, nicht drei "Zeit-Jahre", wohingegen dein Vertrag bei der Uni auf drei "Zeit-Jahre" angesetzt ist: Hier habe ich von der Personalerin die Aufforderung bekommen, einen Antrag auf Vertragsverlängerung aufgrund von Mutterschutz und Elternzeit zu stellen - ist ja öffentlicher Dienst und die dürfen Frauen aufgrund von Schwangerschaft und Erziehungszeit nicht benachteiligen. Natürlich ist es oft ungünstig, ein Projekt irgendwo in der Mitte zu unterbrechen - aber unmöglich ist es nicht. Bei mir war es das "Glück", dass ich zu Beginn schwanger bin - so konnte alles drum herum geplant werden. Jetzt kenne ich mich in deinem Fachbereich nicht aus, aber bei mir und ist es nicht leicht mit der Planung - hat trotzdem hingehauen.

Also: Keine Angst vorm schwanger werden! Es gibt immer eine Lösung, die Überlegung Familie zu gründen sollte deine Entscheidung nicht beeinflussen. Übrigens hättest du es mit Familie in der freien Wirtschaft nicht leichter. Im öffentlichen Dienst dürfen sie dir deswegen keine Steine in den Weg legen und das machen sie auch nicht und wenn doch, hast du gute Mittel und Wege, dein Recht zu bekommen. Zudem schreiben sich alle öffentlichen Stellen auf die Fahnen, dass sie ja sooo familenfreundlich sind und Vereinbarkeit von Beruf und Familie an erster Stelle stehe, etc.
In der freien Wirtschaft gibt es von Anwälten geleitete Seminare, wie man Frauen trotz Mutterschutz und Elternzeit los werden kann, es gibt Lücken und Winkelzüge, der Wiedereinstieg wird erschwert, weil junge Mütter ja auch oft ausfallen, nur Teilzeit arbeiten und keine Überstunden kloppen etc.Gibt natürlich auch familienfreundliche Betriebe, aber oft ist das auch mehr Schein als sein.Also wenn ich die Wahl hätte, ich würde lieber im öffentlichen Dienst schwanger werden als in der freien Wirtschaft.

Zur Arbeitszeit: Als Doktorand gilt man irgendwie als eine Art "Azubi der Wissenschaft": Dass in deinem Vertrag 19,xx h oder 25,xx h steht, ist im Endeffekt eine Gehaltskürzung, da du nie und nimmer nur diese Stunden arbeitest. Spätestens am Ende wirst du morgens die erste im Büro oder der Bib sein und abends die letzte ... Aber auch da: als schwangere hat man je nach Kollegium auch einen kleinen Bonus. :wink:

Viel wichtiger bei deiner Entscheidung: Stehst du hinter dem Projekt? Willst du das drei Jahre machen? Befriedigt das deine wissenschaftliche Neugier? Kurz, hast du "Bock drauf?" Denn es ist auch oft frustrierend und man braucht ein dickes Fell und viel Leidensfähigkeit. Wenn man dann nicht dahinter steht, wird es sehr, sehr schwer.
Ein Dr. wird dir am Ende bestimmt helfen, auch oder gerade in der freien Wirtschaft. Schließlich kann man dich mit Titel auch einfach auf Tagungen zur Repräsentation schicken, wenn sonst nichts ist. Aber auch hier: Willst du das? Als Doktor wirst du ordentlich bezahlt - entsprechend hoch sind die Erwartungen. Nichts mit einfache Angestellte, die einen Schreibtisch bekommt und von 9 to 5 vor sich hin arbeiten kann. Leitung ist angesagt, Verantwortung übernehmen. Und dann brauchst du einen Kindsvater, der eher mal sagen kann: "Leute, heute keine Überstunden, das Kind muss aus der Kita geholt werden." Denn auch da ist die freie Wirtschaft in unserer kapitalistischen Gesellschaft nicht unbedingt verzeihend. Wer nicht liefert, fliegt raus. Wie gesagt, Glück kann man auch haben, aber eben auch Pech. Kommt natürlich auf die Branche an, ich kenne halt Masterabsolventen der Chemie und Biologie, die genau das in ihren Laboren, Pharmafirmen und Medizintechnik-Firmen erleben.

So oder so: drei Jahre Doktorandenstelle ist je nach Thema nicht die schlechteste Aussicht. Es macht sich gut, du machst viele Erfahrungen und am Ende steht ein Titel der dir viele zusätzliche Türen öffnet. Kind hin oder her.
LG und alles Gute.
Gesperrt
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag