Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

caipirinha11085
Beiträge: 272
Registriert: 29.03.2016, 16:19
Hat sich bedankt: 6 Mal
Danksagung erhalten: 19 Mal

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von caipirinha11085 »

Ich sehe die "Grauzone" auch nicht unbedingt gegeben. Er zitiert einen anderen Gedanken und kennzeichnet das entsprechend. Für den Leser ist das das Signal, dass hier gerade kein eigener Gedanke formuliert wird.

Es kommt aber mE auch darauf an, was hier zitiert wird: Eine These, die in der Fachliteratur immer wieder aufgegriffen und diskutiert wird oder ein einmaliger Gedanke inkl. These, die von nur einem Autor stammt? Bei letzterem würde ich schon im Fließtext darauf aufmerksam machen, dass hier die These eines anderen aufgegriffen wird. Das passiert meist aber doch ohnehin automatisch, da diese These dann diskutiert wird und nicht unreflektiert übernommen wird.
skribent
Beiträge: 6
Registriert: 01.12.2016, 11:38
Status: angefangen

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von skribent »

Liebe Mitforist*innen

mir kommt diese Diskussion gerade recht (oder vielmehr nicht), weil ich seit einigen Tagen (wieder) in die gefürchtete Plagiatspanik verfallen bin, die sich beim Lesen solcher Beispiele und der dazugehörigen Diskussion nur noch mehr verschärft. Ich hätte nämlich bis vor wenigen Tagen auch dem Threadersteller und den beiden letzten Diskussionsbeiträger*inen zugestimmt: Es findet sich hier keine wörtliche Übernahme und es ist m. E. hinreichend klar, von wem die Aussage stammt. Nämlich nicht vom Autor, sondern von Müller. In meiner Arbeit habe ich es bisher auch so gehalten. Aber nun bin ich extrem verunsichert, und wenn ich meine eigene Arbeit durchsehe, gerate ich in regelrechte Panik, dass sich bei mir unbeabsichtigt Plagiat an Plagiat reiht. Mir fallen nun immer mehr Beispiel auf, in denen man vielleicht ein Bauernopfer, eine Verschleierung, ein Strukturplagiat etc. sehen könnte. Folgende Fragen gehen mir gerade im Besonderen durch den Kopf:

- Wie verhält es sich, wenn ich in einem Satz sowohl eine Paraphrase als auch ein wörtliches Zitat habe? Beispielsweise paraphrasiere ich ein, zwei, drei Seiten oder auch nur einen Abschnitt und schließe dann den Satz mit einem wörtlichen Zitat aus dem paraphrasierten Zusammenhang ab. Dahinter kommt natürlich die genaue Seitenangabe des wörtlichen Zitats. Aber wie nun den paraphrasierten Rest belegen? Korrekterweise müsste ja nun irgendwo noch ein vgl. ebd., S. XXX hin. Oder? Und wo dieses dann setzen? Hinter das wörtliche Zitat? Davor? Das sähe dann, wenn man etwa nur eine Seite oder einen Abschnitt paraphrasiert, merkwürdig aus, da ja dann gleich hinter oder vor dem Beleg für das wörtliche Zitat auch noch ein Beleg für die Paraphrase käme. Oder kann man davon ausgehen, dass klar ist, dass auch die Paraphrase aus der wörtlich zitierten Quelle stammt?

- Wie macht ihr es, wenn ihr in einem Text aus der Sekundärliteratur auf ein passendes Zitat oder einen Verweis (oder mehrere) auf andere Literatur stoßt, das/den/die ihr dann in eure Arbeit übernehmt? Mir ist klar und das habe ich auch in jedem Fall so gemacht, dass ich die Originalquelle aufsuche und daraus direkt zitiere, um ein (möglicherweise) falsches Blindzitat zu vermeiden. Aber nicht in allen Fällen habe ich dann auch den kompletten Aufsatz, das komplette Buch gelesen. Wäre das dann nicht trotzdem, wie es z. B. Norbert Lammert vorgeworfen wurde, eine Art "Diskurssimulation", worunter zu verstehen sei: "Der Verfasser diskutiert Titel, die er wahrscheinlich nicht selbst gelesen hat. Dies ergibt sich für mich in der Regel aus aus den Quellen übernommenen Fehlern. Hierbei macht er sich – immer etwas abgewandelt – Interpretionen Dritter zu eigen." (https://lammertplag.wordpress.com/#Zusammenfassung). Lammert hat wohl, wenn man sich die Beispiele ansieht, beispielsweise Ausführungen von X über Z übernommen, ohne Z selbst überprüft zu haben. Wäre das weniger schlimm, wenn er Z überprüft hätte? Oder er trifft umgekehrt eigene Aussagen, die er mit Zitaten aus Ausführungen anderer belegt. Gefordert wäre also hier, dass er jedes Zitat selbständig gefunden hat (aber wo, wenn nicht in Ausführungen anderer).

- Etwas anders der Fall: Man orientiert sich an den Ausführungen von X über Z, überprüft Z stets im Original, ergänzt möglicherweise noch durch eigene Funde und gibt etwas in der Art an von: "Ich orientiere mich im Folgenden an den Ausführungen von X". Dann müsste ja nun im Unterschied zum obigen Fall alles korrekt (wenn auch nicht sonderlich originell) sein, weil man alle Quellen offenlegt. Stellenweise habe ich dies so gemacht, ohne dass mir bisher klar war, dass dies ein Problem sein könnte. Wäre das, falls der "Orientierungs-Hinweis' fehlt ein Strukturplagiat?

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Zweifelsfälle kommen mir in den Sinn. Langsam bin ich so weit, dass ich mir selbst schon nicht mehr traue und mich bei jedem Satz, hinter dem keine Fußnote ist, frage: Ist der tatsächlich von dir? Wo hast du das Zitat (natürlich überprüft!) nun schon wieder her? Ist die Argumentationsstruktur tatsächlich von dir oder hast du dich an XYZ orientiert und betreibst nun 'Diskurssimulation'?

Ich hatte eigentlich gedacht, die Arbeit wäre bis auf die Endredaktion fertig, aber jetzt spiele ich mit dem Gedanken, die ganzen letzten Jahre der Arbeit als für mich selbst erkenntnisreiche Zeit einfach abzuhaken und die Diss nicht einzureichen. Das wäre mir immer noch lieber, als ein möglicher Plagiatsvorwurf.

Verzweifelte Grüße!
Wierus
Beiträge: 1100
Registriert: 11.05.2009, 20:43
Status: Dr. phil.
Hat sich bedankt: 38 Mal
Danksagung erhalten: 79 Mal

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von Wierus »

Hallo,

um ehrlich zu sein wirkt deine Verunsicherung fast schon behandlungsbedürftig. Vielleicht solltest du erst einmal eine Woche Pause einlegen und dich überhaupt nicht mit der Diss beschäftigen? Einfach um wieder etwas Boden unter den Füßen zu haben. :wink:
skribent hat geschrieben:Wie verhält es sich, wenn ich in einem Satz sowohl eine Paraphrase als auch ein wörtliches Zitat habe? Beispielsweise paraphrasiere ich ein, zwei, drei Seiten oder auch nur einen Abschnitt und schließe dann den Satz mit einem wörtlichen Zitat aus dem paraphrasierten Zusammenhang ab. Dahinter kommt natürlich die genaue Seitenangabe des wörtlichen Zitats. Aber wie nun den paraphrasierten Rest belegen? Korrekterweise müsste ja nun irgendwo noch ein vgl. ebd., S. XXX hin. Oder? Und wo dieses dann setzen? Hinter das wörtliche Zitat? Davor? Das sähe dann, wenn man etwa nur eine Seite oder einen Abschnitt paraphrasiert, merkwürdig aus, da ja dann gleich hinter oder vor dem Beleg für das wörtliche Zitat auch noch ein Beleg für die Paraphrase käme. Oder kann man davon ausgehen, dass klar ist, dass auch die Paraphrase aus der wörtlich zitierten Quelle stammt?
Wenn die Fußnote ganz am Ende des Satzes nach dem Punkt gesetzt wird, dann bezieht sie sich im Grunde auf alles in diesem Satz Enthaltene. Wenn du also auf drei Seiten Text Bezug nimmst, steht eben Vgl. Mustermann (2017), S. 123ff.

Wenn die Fußnote direkt am Ende des eingeschobenen Zitats gesetzt ist, bezieht sie sich nur auf das Zitierte und es wird etwa Mustermann (2017), S. 123 angegeben. Wenn das Zitierte nicht ohne seinen genaueren Satzzusammenhang verständlich ist, kann ein "Vgl." am Beginn der Fußnote auch hier nicht schaden.

Wenn Satzende und Zitatende zusammenfallen, solltest du angeben: Mustermann (2017), S. 123, vgl. 123ff. Es ginge allerdings auch Vgl. Mustermann (2017), S. 123ff., insb. S. 123.

Beim Zitieren geht es vor allem um Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit, d.h. du musst die für dich passende Strategie entwickeln, um Quellen sauber und für jedermann einfach nachprüfbar anzugeben. Manche Fächer haben da ihre Eigenheiten, deshalb solltest du dir am besten einen Zitier-Leitfaden deines Fachgebiets besorgen.

Zum Thema Norbert-Lammert-Plagiat:
Der Verdacht auf eine unredliche Diskurssimulation ergibt sich "in der Regel aus aus den Quellen übernommenen Fehlern" und daraus, dass Lammert sich "immer etwas abgewandelt – Interpretionen [sic!] Dritter zu eigen" mache (vgl. Lammertplag). AutorIn gibt ja unmissverständlich an, dass die unwissentlich mitübernommenen Fehler hierbei der entscheidende Hinweis seien. Außerdem, wenn man sich das selbst anschaut, geht Lammert klar ersichtlich und über weite Strecken planvoll im Sinne einer Diskurssimulation vor - das sind keine Flüchtigkeitsfehler. Du darfst also beruhigt sein.
skribent
Beiträge: 6
Registriert: 01.12.2016, 11:38
Status: angefangen

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von skribent »

Hallo,

und danke für die Antwort. Mit Deiner Ferndiagnose, es handele sich um eine behandlungsdürftige Panik, hast Du vielleicht nicht ganz unrecht. Mir kommt es manchmal selbst so vor, ändert aber nichts daran, dass mich das ganze Thema momentan extrem umtreibt und mir unruhige und teils sogar (fast) schlaflose Nächte bereitet. Wenn ich meine Arbeit durchsehe, fallen mir nun ständig Stellen auf, die vielleicht fragwürdig sein könnten, wo vielleicht eine Fußnote zu spät gesetzt wird, so dass sie missverständlich erscheint.

Vorhin erst wieder: Ich gebe eine halbe Seite sinngemäß wieder, ergänze aber die Ausführungen von A durch direkte Zitate von B, auf den sich die Ausführungen beziehen (ohne dass dieser selbst wörtlich zitiert würde). Am Ende des Absatzes steht dann das Vgl. A, S. XY. Durch die direkten (im Original nachgeschauten) Zitate wird aber die Durchgängigkeit der Paraphrase unterbrochen, so dass möglicherweise nicht ganz klar ist, worauf genau diese nun fußt, wie weit sie geht etc. Wollte ich alles ganz korrekt machen, müsste ich wohl die Paraphrase an verschiedenen Stellen belegen, was die Fußnotendichte ins fast schon Unlesbare steigern würde...

Und ich hänge nach wie vor etwas beim Problem der Diskurssimulation: Wäre es denn 'sauber' gewesen, hätte Lammert die Zitate nachgesehen und also die Fehler nicht übernommen? Die Anordnung der Zitate würde ja dann gleichwohl möglicherweise noch der Struktur aus der Sekundärquelle folgen. In mänchen Fällen kann der Übergang zwischen der Übernahme einer fremden Interpretation und einer 'bloßen' Anlehnung an die Struktur ja durchaus fließend sein, finde ich. Zumal gibt es ja bei manchen Themen oder Darstellungen eine 'innere Logik', an der sich jeder, der sich damit beschäftigt, mehr oder weniger entlang bewegt (was natürlich nicht erlaubt, wörtliche Übernahmen zu machen, klar). Also beispielsweise: Ich rekonstruiere die Theorie des Naturzustandes bei Rousseau. Wenn man sich Lehrbuchdarstellungen oder auch sonstige Darstellungen dazu ansieht, stößt man ja rasch auf einen immer wieder ähnlichen Aufbau, in dem dann auch häufig die gleichen Zitate aus den einschlägigen Texten Rousseaus in ähnlicher Reihenfolge gebracht werden. Ich habe nun Angst, mich möglicherweise bei Darstellungen/Rekonstruktionen zu sehr an Sekundärquellen orientiert zu haben, einen zu ähnlichen Aufbau, eine zu ähnliche Zitatabfolge etc. zu haben, ohne diese Sekundärquellen als Vorlage oder Leitfaden immer ausreichend angegeben zu haben. Noch einmal: Zitate, die ich dabei aus Sekundärquellen übernommen habe, sind immer im Original geprüft!

Oder ein ähnliches Beispiel: Ich zitiere zwei Autoren, die ein anderer in einem ähnlichen Kontext ebenfalls zitiert hat. Muss ich nun angeben, wie ich auf die Zitate der beiden Autoren gekommen bin? Auch wenn ich beide im Orginal nachgesehen habe, könnte man mir ja unterstellen, dies nicht getan zu haben, oder mir nachsagen, ich hätte zwar nachgesehen (weil ich z. B. Fehler nicht übernommen habe oder die Zitate ergänzt, fortgeführt), aber sei dennoch zu nahe an der Quelle, von der ich Kenntnis der zwei anderen Autoren erhalten habe. Teilweise gab es ähnliche Vorwürfe z. B. hier:
http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Mhg/050 Die Autorin ist hier zwar tatsächlich nahe an der Sekundärquelle, aber sie hat die Zitate zugleich offenbar selbst nachgeschaut und geprüft oder bringt eigene Zitate. Da ich Tönnies zufällig selbst auch ein wenig kenne, könnte man wohl auch argumentieren, dass sich die Aussagen, die die Autorin aus der Sekundärquelle übernimmt, aus Tönnies selbst nahelegen, und keine genuinen Interpretationen der Sekundärquelle sind.

Mir ist manchmal einfach nicht ganz klar, wo es sich um eine legitime und nicht im Einzelnen auszuweisende Verwendung von Sekundärliteratur handelt (durch die man erst auf Textstellen bei anderen Autoren aufmerksam geworden ist, Dinge im Zusammenhang begriffen hat etc.) oder um eine ungerechtfertigte Rezeption, die man fälschlicherweise als eigene ausgibt.

Werde wohl gleich mal meinen Betreuer anschreiben und ihm meine Gedanken und Sorgen klagen. Vielleicht kann er mich etwas beruhigen.
Zwonk
Beiträge: 10512
Registriert: 28.04.2013, 14:13
Status: Dr. Zwonk
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 8 Mal

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von Zwonk »

@Skribent: Meines Erachtens gibt es im Normalfall keine Verpflichtung, bei Zitaten anzugeben, wie man auf die Fundstelle gekommen ist - Ausnahmen gibt es vielleicht, wenn jemand anders eine Primärquelle erstmals erschlossen hat, dann dürfte man natürlich nicht behaupten, man hätte sie selbst im Archiv aufgestöbert, wenn man das nicht tatsächlich getan hat etc. Wäre es anders, würde man die ganze Arbeit mit für den Lesern wertlosen Herleitungen vollmüllen: "A hat B zitiert und beim Nachschlagen bei B fand ich den Verweis auf C etc." Wen interessiert das?

Ich würde zwei Fälle unterscheiden:

1. A zitiert B und C. Der Autor liest bei B und C nach, findet für seinen Text relevantes Material bei B und C. Dann kann der Autor B und C zitieren, ohne A explizit zu nennen.

2. A zitiert B und C und führt für den Autor relevante Inhalte dazu aus. Dann kann der Autor auch B und C zitieren, muss allerdings die von A diskutierte Position zusätzlich zitieren, sofern er diesen Gedankengang für seine Argumentation verwendet.

Eins würde ich aber hier noch bemerken wollen: Aus meiner Sicht ist es beinahe unmöglich, versehentlich in einem Ausmaß zu plagiieren, dass z.B. die Aberkennung der Promotion droht. Ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen, wie das gehen soll und habe auch z.B. bei Vroniplag noch nie einen Fall gesehen, wo ein Versehen irgendwie glaubwürdig wäre. Die Tatsache, dass Beschuldigte da in der Öffentlichkeit oft von Versehen bzw. Zufällen sprechen, ist lebensfremd.

Das heißt nicht, dass nicht durch Zufall oder Versehen mal ein paar wenige unglückliche Fußnote in die Diss rutschen können (sollte natürlich auch vermieden werden), bei denen man drüber streiten kann, ob die nicht eher am Ende des folgenden Satzes hätten gesetzt werden sollen - aber, wie gesagt, ein versehentliches Plagiat, durch das die Promotionswürdigkeit infrage gestellt wird, halte ich wirklich für ausgeschlossen.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
Wierus
Beiträge: 1100
Registriert: 11.05.2009, 20:43
Status: Dr. phil.
Hat sich bedankt: 38 Mal
Danksagung erhalten: 79 Mal

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von Wierus »

skribent hat geschrieben:Und ich hänge nach wie vor etwas beim Problem der Diskurssimulation: Wäre es denn 'sauber' gewesen, hätte Lammert die Zitate nachgesehen und also die Fehler nicht übernommen?
Nein. Man wäre ihm dann nur deutlich schwerer auf die Schliche gekommen.

Eine "Diskurssimulation", d.h. die Übernahme einer fremden Literaturdiskussion über mehrere Seiten hinweg, geschieht ja nicht zufällig. Und es ist was anderes, wenn man etwa ein "Betrachten wir nun die Beweisführung von Mustermann" vorwegschickt und dann mit einer Kritik der fremden Literaturdiskussion von Mustermann fortfährt - aber selbst dann würde etwas völlig anderes bei rauskommen als im Fall einer echten "Diskurssimulation".

Letztere ist im Grunde nichts anderes als ein Strukturplagiat und das lässt sich dadurch nachweisen, dass ein Autor (1) immer nur solche Quellen heranzieht, auf die schon ein anderer Autor zu genau dem gleichen Thema in der gleichen Art und Weise zugreift, und dass er (2) die bei anderen Autoren vorzufindende Anordnung von diskutierter Literatur in weitgehender übereinstimmung übernimmt, wobei (3) der eigentliche Autor nicht erwähnt oder nur unzureichend als Urheber ausgewiesen wird.

Folgendes Beispiel: Das Werk Ontologie des Rechts von Vladimír Kubeš aus dem Jahr 1986 ist ein Klassiker der modernen Rechtsphilosophie, das nicht wenigen Juradozenten mit Fokus auf Rechtsphilosophie bekannt sein dürfte. Jetzt liest so ein Juradozent eine juristische Dissertation, in der längere Abschnitte der Diskussion von Kubeš einfach übernommen worden sind, ohne Kubeš zu erwähnen. Selbst wenn der Autor nun einige stilistische Abänderungen eingebaut hat und fein säuberlich jeden Autor fehlerfrei zitiert hat, handelt es sich ganz sicher um ein Strukturplagiat, weil der zentrale Gedankengang nun einmal von Vladimír Kubeš stammt.

//edit:
Zwonk war schneller und hat mit allem recht. :D
flip
Beiträge: 1166
Registriert: 02.11.2012, 02:50
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 46 Mal

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von flip »

Ich verstehe nicht so ganz diese Diskussionen. Wann macht man sich denn Gedanken um ein "Plagiat"?
Natürlichm wenn man die ganze Zeit paraphrasiert, das heißt doch, man hangelt sich dicht und sofort am Text der anderen Autoren entlang, ohne das man auch mal selbst mit ein wenig Abstand reflektiert.

Das Tönnies-Beispiel macht es ganz einfach deutlich. Die Autorin hangelt sich einfach am Originaltext entlang und verdreht die Sätze; teils mit Synonmyen. Das is der Klassiker, wie es auch in Seminararbeiten im Grundstudium immer wieder geschieht. In der Forschung dann, weil man weder Zeit nach Lust hat, sich ein wenig tiefgründiger mit der Materie auseinander setzen zu wollen. Denn dann hätte man den Text anders geschrieben. Es würden nicht ganze Passagen übereinstimmen sondern nur einige, wenige Schlüsselwörter.

Einige Leute schreiben dann ihre komplette Dissertation so, ohne das jemals verstanden zu haben. Das ist gerade bei den Geisteswissenschaften problematisch, weil man sich so rühmen kann, besonders viel Text produziert zu haben also viel geleistet hat (hier ist das Wort, der primäre Wissenstransfer).
Aber eigentlich geht es ja nicht darum. Denn diese Arbeitsweise führt dazu, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. In dem obigen Beispiel brauche ich kein Zitat sondern kann alles in zwei Sätzen zusammenfassen. Weil es ja bereits wo anders genau so steht. Also warum blähe ich meinen Text extra auf?
Wierus
Beiträge: 1100
Registriert: 11.05.2009, 20:43
Status: Dr. phil.
Hat sich bedankt: 38 Mal
Danksagung erhalten: 79 Mal

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von Wierus »

Ja, das Tönnies-Beispiel ist ein ziemlich eindeutiger Plagiatsfall.
Einige Leute schreiben dann ihre komplette Dissertation so, ohne das jemals verstanden zu haben.
So dumm sind die meisten dieser Leute wohl nicht. Nein, hinter einer solchen Arbeitsweise muss Kalkül stehen, denn wie erklärt sich sonst all das umständliche und umfangreiche Umbauen fremder Passagen? Das macht man doch wohl nur deshalb, weil man die Problematik ganz genau versteht.

Ich denke es ist eher die Kombination von extremer Faulheit und ganz besonders einem Sich-zu-Höherem-berufen-Fühlen gewisser Kreise. Man denke nur an KTvuzG, für den das gesamte Jurastudium lediglich ein Trittbrett in die höhere Politik sein sollte.

Irgendwie müssen am Ende ja doch mindestens 250 Seiten Text stehen; und weil das manch einer jahrelang vor sich hergeschoben hat, weil z.B. die Politik ihm/ihr wichtiger war, wird im letzten halben Jahr der Promotion, wenn der DV schon lästig wird mit seinen Nachfragen, plötzlich unter Hochdruck "lospromoviert". Natürlich mit der baldigen Einsicht, dass man ohne gewisse "Tricks" nichts Großartiges vorzuweisen haben wird.
skribent
Beiträge: 6
Registriert: 01.12.2016, 11:38
Status: angefangen

Re: Paraphrasieren, plagiieren und all die Grauzonen...

Beitrag von skribent »

Einige Leute schreiben dann ihre komplette Dissertation so, ohne das jemals verstanden zu haben.
Ich würde das so auch nicht unterschreiben. Das Problem, was ich sehe, könnte doch auch darin liegen, dass sich doch bestimmte Texte erst mithilfe von anderer Literatur erschließen lassen bzw. diese zu einem eigenen Verständnis beitragen. Damit meine ich natürlich nicht, wie es im Tönnies-Beispiel der Fall zu sein scheint, dass man sich dann mit der Literatur gar nicht selbst auseinandersetzt. Aber kann man tatsächlich immer ausschließen, dass nicht das eigene Verständnis, die eigenen Gedanken durch die Lektüre von Sekundärliteratur beeinflusst werden? Wenn es dann so läuft, dass man sich an der Sekundärliteratur sehr nah entlanghangelt, wäre das sicherlich nicht korrekt, aber ich würde nicht ausschließen, dass es dann nicht doch zu Übereinstimmungen etwa in der Argumentationsstruktur kommen kann, die Literatur ähnlich angeordnet ist etc. Jedenfalls ist es das, was mich momentan am meisten sorgt - ohne dass mich je zu Höherem berufen gefühlt habe oder den Titel aus Prestigegründen angestrebt habe. Wenn es so sein sollte, dass ich nicht sauber gearbeitet habe, dann würde ich auf die Abgabe der Arbeit verzichten. Das Problem ist nur, dass ich es mittlerweile selbst nicht mehr genau sagen kann, da mir mittlerweile jeder Satz, jeder Absatz und jede Seite irgendwie 'verdächtig' vorkommt. Aber für meine Panik/Unsicherheit ist das Forum vielleicht gar nicht der richtige Ort. Oder habt ihr Ideen, wie ich mir selbst wieder sicherer werden könnte? Ich trage mich schon mit dem Gedanken, für viel Geld (schätze ich) ein Plagiatsgutachten in Auftrag zu geben, um auf der sicheren Seite zu sein.
Gesperrt