Promotion unbezahlt beginnen?

Maara

Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von Maara »

Liebes Forum,

ich würde gerne einmal Eure Meinung zu meiner aktuellen Situation hören.

Vor 4 Monaten bin ich in die Niederlande gezogen und arbeite aktuell als guest researcher, also unbezahlt, an einer technischen Uni (ich bekomme bis September Elterngeld aus Deutschland, dann wird mein kleiner Wurm 1 Jahr alt). Das Thema ist sehr spannend und ich möchte hier promovieren, das war auch der ursprüngliche Plan. Mein zukünftiger Betreuer (associate Prof.) hat hierfür auch alles in die Wege geleitet und ich habe jetzt den Vertrag vor mir liegen. Allerdings müsste ich unbezahlt anfangen. Mein Betreuer meint, dass sicher bald Geld kommt, er hat einige Proposals ausstehen und ich schreibe selbst gerade an einem (allerdings sehr klein).

Jetzt meine Frage. Ist es naiv, ohne Bezahlung anzufangen? Dass ein Proposal genehmigt wird, ist ja immer sehr ungewiss und das kann sich sicher noch alles hinziehen. Ich weiß jetzt nicht, ob ich noch warten soll und erst unterschreiben soll, wenn Geld da ist. Allerdings dauert dann die Promotion auch länger (hier in den Niederlanden mind. 4 Jahre).
Zudem muss ich mein Thema anpassen, wenn das Geld da ist, je nachdem, woher es kommt. Aktuell arbeite ich an vier Themen gleichzeitig, was sehr aufwändig ist.

Aktuell weiß ich wirklich nicht, was ich machen soll. Die Gruppe gefällt mir sehr gut, wir kommen gut miteinander aus. Mein Betreuer ist etwas verpeilt, aber eigentlich sehr nett. Das Thema ist auch super, vor allem eines von den 4 finde ich top!

Stipendien wie in Deutschland gibt es hier leider nicht wirklich (bzw. habe ich bisher nichts gefunden und keiner konnte mir weiter helfen).

Würdet ihr mir raten, die Stelle anzunehmen und auf Geld zu hoffen oder macht man sowas eigentlich nicht?

Vielen Dank!

Schöne Grüße
Mara
Green Goddess

Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von Green Goddess »

Ich poliere schon wild meine Glaskugel, aber es erschliesst sich mir kein Zusammenhang zwischen Vertrag und Proposal, und das ist in diesem Fall nicht einmal böse gemeint.
Steht im Vertrag, dass und wieviel Geld du bekommst?
Wenn ja, brauchen dich die Proposals nicht zu interessieren, vorausgesetzt, die 2. Vertragspartei geht nicht absehbar pleite.
Wenn nein, nützt dir höchstwahrscheinlich auch das Proposal nichts. Du siehst meine Schwierigkeiten beim Zusammenhangkonstruieren?
Fall 3 wäre der wirklich Komplizierte, wenn nämlich im Vertrag explizit ein Drittmittelprojekt angesprochen wird. Dann ziehe ich mich auf die Aussage zurück: Keine sichere Finanzierung, keine Arbeit. ;)
Zusatzfrage: Ist der Vertrag bereits von der Gegenseite unterzeichnet? Wenn nein, hast du keinen Vertrag.
Zuletzt geändert von Green Goddess am 20.07.2017, 14:14, insgesamt 1-mal geändert.
caipirinha11085
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Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von caipirinha11085 »

Leider erschließt sich auch mir nicht der ganze Sachverhalt.

Welche Verpflichtung gehst du denn mit dem Vertrag ein? Musst du jemandem zuarbeiten?
"Nur" fürs Promovieren bekommt man üblicherweise kein Geld (außer man hat ein Stipendium). Unter der Prämisse ist es auch nicht naiv, ein Betreuungsverhältnis mit einem Prof einzugehen, solange du dich nur um deine eigene Arbeit kümmerst.

Mir ist leider auch nicht klar geworden, weshalb du an vier Themen arbeiten MUSST. Wer bestimmt das denn? Wie ist der Vertrag ausgestaltet? Kannst du nicht zB in Deutschland eine WissMit-Stelle oder sonstige Teilzeitstelle in deinem Fachbereich annehmen und trotzdem bei deinem Prof promovieren?

Arbeiten in Fremdinteresse ohne Bezahlung würde ich persönlich ablehnen, außer es bringt dich in irgendeiner Form signifikant weiter. So wie es klingt, würdest du aber kostenlos jemandem zuarbeiten und das möglicherweise auf die Gefahr hin, dass die ganze Arbeit ins Nichts läuft, wenn euer gewünschtes Drittmittelprojekt (?) nicht fruchtet.
Maara

Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von Maara »

Vielen Dank für eure Antworten.

Mein Betreuer und unsere Sekretärin meinten, dass der Vertrag geändert wird, sobald Geld vorhanden ist, also wir ein Proposal bekommen. Jetzt steht erst einmal drin, dass ich self-funded bin, das soll dann eben geändert werden. Es steht daher auch drin, dass mein Gehalt erstmal 0€ beträgt.
Der Vertrag ist von der Uni noch nicht unterzeichnet, ich habe gerade geschaut, dort ist auch nur Platz für meine Unterschrift vorgesehen...

Bei mir am Institut werden alle anderen Doktoranden bezahlt. Jeder macht bspw. auch ein bisschen Lehre, steht aber nicht im Vertrag fest drin. Das werde ich dann natürlich nicht machen. Aber auch sonst gibt es schon jetzt kleine Aufgaben wie die Betreuung von Studentengruppen, was ich gerade auch schon mache. Das sind dann natürlich Aufgaben, die so erstmal nichts mit der Promotion zu tun haben, die aber definitiv von meinem Betreuer verlangt werden.
Was die vier Themen angeht, auch dort möchte mein Betreuer, dass ich ihm immer mal wieder Fragen zu beantworte. Im Vertrag steht hierzu aber auch nichts.

Ãœber eine WissMit Stelle in Deutschland, habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, vielen Dank, da werde ich mich mal informieren.
caipirinha11085
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Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von caipirinha11085 »

Ich würde ohne Bezahlung keine Arbeit leisten. Welchem Zweck dient denn der aktuelle Vertrag? Der hat ja offenbar nur Nachteile für dich und keine Vorteile, oder regelt der Vertrag auch eine Gegenleistung der Uni an dich in irgendeiner Form? Anfangs dachte ich, du meinst mit Vertrag vielleicht die Anmeldung der Promotion bei der Fakultät inklusive Betreuer oder so (anders konnte ich mir das nicht erklären, ehrlich gesagt), aber scheinbar sprichst du von einem richtigen Arbeitsvertrag, der dich womöglich auch mit einer wöchentlichen Stundenzahl und bestimmten Aufgaben bindet?

Ich habe schon öfter davon gehört, dass der Betreuer nicht sofort die Gelder für einen Doktoranden hat und dann promoviert der erstmal extern und arbeitet dem DV dann erst zu, sobald er unter Vertrag genommen ist (mit Arbeitslohn ;-)).
Maara

Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von Maara »

Ja, es geht sowohl um die Anmeldung der Promotion als auch um einen Vertrag mit der Uni. Die Uni benötigt beides, ich kann also nicht nur die Anmeldung des PhD unterschreiben. Damit ist auch geregelt, dass ich an der Graduate School teilnehme und Education courses belege.
Die genaue Stundenanzahl ist darin nicht geregelt, aber die Anzahl der Tage, die ich an der Uni bin.
Ab dem Anmeldedatum fangen dann die vier Jahre an.

Also deine Anmerkung mit dem erstmal extern arbeiten klingt wirklich nicht schlecht, mal schauen, ob ich da etwas passendes finde.
caipirinha11085
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Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von caipirinha11085 »

Ja, okay, dann ist das bei euch anders geregelt. Bei uns an der Fakultät reicht man einen Antrag auf Zulassung zur Promotion ein, aber das ist unabhängig von einem Arbeitsvertrag.
Kennst du Leute in den Niederlanden, die von solchen Verträgen schon gehört haben? Das System scheint ja generell recht anders zu sein.
Ich drück dir die Daumen, dass du ne gute Lösung für dich findest. :)
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Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von Traudel »

So, dann schwimme ich mal einsam gegen den Strom :D

Es kommt ja wohl auf die Gesamtsituation an. Sprich, liebe Maara, bist Du alleinerziehend (herzlichen Glückwunsch zum einjährigen Wurm! :blume: )oder sorgt Dein Partner für das Familieneinkommen? Wenn das Elterngeld im September wegfällt, würdet Ihr mit seinem Gehalt über die Runden kommen?
Falls ja, greif zu!! Mensch, es gibt doch kaum etwas Besseres als ein nettes Team, einen tollen (wenn auch verpeilten) Betreuer und gleich vier Themen, die Dich interessieren und motivieren! Muss man denn immer alles nur für eine materielle Gegenleistung tun?! Finde ich nicht. Denn aus meiner Sicht sind die nichtmateriellen, sondern sozialen, emotionalen, wissenschaftlichen Be-/Entlohnungen für eine Übergangszeit hinreichend. Folgende Bedingungen knüpfe ich aber an diese Bewertung der Lage:
1. Ihr könnt ohne Dein Elterngeld (über-)leben
2. Du lässt Dich nicht (oder zumindest eher selten) für Lehrstuhltätigkeiten einspannen -- finde eine gesunde und Dir guttuende Balance, nur lass Dich gewiss nicht ausbeuten
3. Du schließt mit Deinem Betreuer eine (formlose) Betreuungsvereinbarung: Formuliere Deine Vorstellungen der Betreuungsintensität vor und stimme mit ihm die beiderseitigen Aufgaben und Pflichten ab
4. Definiere einen fixen Zeitrahmen, bis wann Du maximal ohne Geld am Lehrstuhl bleibst (z.B. 6 Monate); wenn bis dahin kein Geld fließt, bist Du weg, setzt aber die Promotion als Externe bei ihm fort
5. Du dokumentierst Tätigkeiten für den Lehrstuhl, die nicht für Deine Diss sind, und bittest Deinen Betreuer um einen künftigen Mini-Ausgleich; z.B. machst Du in den 6 Monaten bis zur Bezahlung 20 Std. etwas für den Lehrstuhl und Du fragst, ob Du 10 Überstunden im bezahlten Verhältnis abfeiern darfst oder so

Ich habe ebenfalls extern promoviert und mich mit Stipendien und Nebenverdiensten über Wasser gehalten. Zusätzlich habe ich ehrenamtlich in dem zu beforschenden Feld hospitiert usw. Das ist doch logisch, dass man sich als Doktorand*in oft den Hintern ohne Bezahlung aufreißt... ja, ohne Bezahlung, aber nicht umsonst! Die Kontakte, der Austausch und alle Erfahrungen bringen etwas.
Gewiss ist das alles ne Typsache. Mir ist Geld äußerst unwichtig. Ich lebe auch 5 Jahre nach Abgabe der Promotion wie eine Studentin und gebe nicht viel aus. Ich habe aber auch kein Kind! Muss ich natürlich fairerweise dazu sagen. Dennoch: Insgesamt sind mir die Arbeitsbedingungen wie Verhältnis zum Team, Arbeitsaufgaben, Freiheiten etc. weit wichtiger als das Gehalt.

Soweit ein Urteil von der Idealisten-Traudel. :D

Liebe Maara, ich wünsche Dir für Deine Entscheidung alles Gute. Schau, was für Dich und Deine Familie die beste Lösung ist.

PS: Nu erkläre uns doch mal, was Du genau mit Proposal meinst :D
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Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von Vollkornpizza »

Hallo Mara,

ich habe in NL studiert, promoviere dort aber nicht. Mein Rat an dich lautet: mach es nicht. Der Prof soll erst einmal das Geld ranschaffen, wenn er dich haben möchte. Es hat keinen Sinn, diesen Vertrag zu unterschreiben, denn es ist ja nicht gesagt, dass das Geld jemals kommt. Du bist gut qualifiziert und brauchst dich nicht unter Wert zu verkaufen. Ich kenne diese nil-Vergütungsverträge aus Studienzeiten und sie haben keinen einzigen Vorteil für die Arbeitnehmer. Selbst für deine aktuelle Tätigkeit, das proposal-schreiben, solltest/könntest du Geld auf WHK-basis stundenweise verlangen.

Darüber hinaus möchte ich noch sagen, dass es früher in NL gar nicht möglich war, ohne Vergütung zu promovieren. Jede(r) DoktoranIn war auch an der Uni angestellt. Erst in den ca. letzten 10 Jahren hat sich diese Möglichkeit entwickelt, über diese "graduate schools" DoktorandInnen zu haben, die dann eher wie StudentInnen behandelt werden.

Ich würde dir also vorschlagen, dich anderweitig umzusehen und es deutlich zu kommunizieren, dass du interessiert bist, aber nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Viele Grüße

VP
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Re: Promotion unbezahlt beginnen?

Beitrag von donkeydoeshisphd »

Das ist doch logisch, dass man sich als Doktorand*in oft den Hintern ohne Bezahlung aufreißt... ja, ohne Bezahlung, aber nicht umsonst! Die Kontakte, der Austausch und alle Erfahrungen bringen etwas.
Nein, ist es absolut nicht und ich verstehe nicht, wie man sich freiwillig so ausbeuten lassen kann. Zudem: Warum sollte dich dein Prof. bezahlen, wenn du ihm tatsächlich anbietest, umsonst für ihn zu arbeiten? Ich kenne die Promotionsbedingungen in den NL nicht, aber ich würde dir schon allein aus Prinzip abraten, umsonst für deinen Prof über die Diss hinaus zu arbeiten. Anders ist es, wenn du als externe Doktorandin betreut wirst, dann ist es klar, dass du nix bekommst - aber dann sollte sich m.E. nach deine Tätigkeit auch tatsächlich auf die Promotion beschränken, damit du nebenher arbeiten kannst. Zudem würde ich mir dann auch -sofern möglich- einen Job suchen, der gut in deinen CV passt, damit du deine Bewerbungssituation für die Zeit nach der Diss verbesserst.
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