Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Jense85

Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von Jense85 »

Hallo zusammen,

ich stehe seit ca. 2 Wochen vor einem kleinen Dilemma. Aber zunächst zu mir:

- 32 Jahre alt, seit 2.5 Jahren berufstätig da typischer "Bildungsaufsteiger" -> Ausbildung, Arbeit, Fachabi in Abendschule, FH, Uni
- Elektrotechnikstudium mit Abschluss M.Sc.
- schon immer Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten, insb. die Bearbeitung von Themen auf hohem Niveau reizt mich.
- aktuell unbefristet beschäftigt bei einem Großkonzern

Aufgrund der Unzufriedenheit mit meinen Aufgabenstellungen habe ich vor Einiger Zeit Kontakt mit einem Unternehmen (ca. 20000 MA) im Bereich Anlagenbau aufgenommen. Nach einigen Gesprächen hat man mir schnell das Angebot unterbreitet im Rahmen eines Forschungsprojektes (befristet auf 3 Jahre) ein Thema zu bearbeiten und in dem Thema zu promovieren.

Zeitgleich habe ich mit meinem momentanen Arbeitgeber Gespräche geführt woraufhin man mir kurzfristig andere Aufgabengebiete zugesagt hat, die mir mittlerweile auch bekannt sind und im Kern interessanter sein könnten als das Promotionsthema.

Nach vielem überlegen und zweifeln, bin ich immernoxh nicht zu einer Entscheidung gekommen - was mich langsam selbst sehr nervt! Wenn ich über das Thema Promotion nachdenke, komme ich zu dem Punkt, wo ich mir sage: ja mach es! Andersrum genauso.

Ein paar Gedanken sind allerdings:
- Investition in Promotion ca. 30.000€ Gehaltsverlust inkl Bereinigung von Lebenserhaltungskosten (Fahrtkosten usw.)
- Die Chance sich mit einem Thema auf höchsten Niveau im Rahmen der Promotion zu beschäftigen
- Befürchtung das ich mich auch in dem neuen Themengebiet bei meinem aktuellen nicht "frei" entfalten kann und zu sehr in die Prozesse und Vorgegebene Toollandschaft gezwungen sehe
Und was über allem schwebt:
- wa sist, wenn ich die Promotion abbrechen muss - warum auch immer?! Bin immerhin schon 32 Jahre alt.

Hat jemand von Euch ähnliches erlebt? Was würdet ihr in so einem Fall raten?
oclock
Beiträge: 259
Registriert: 05.11.2006, 19:08
Status: Dr.
Danksagung erhalten: 11 Mal

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von oclock »

Hier mal ein paar Gedankengänge:
  • Ob Dir eine Promotion so viel Geld wert ist, musst Du selbst wissen. Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist vieles nicht.
  • Mit dem richtigen Thema kann eine Promotion sehr viel Spaß machen. Aber es gibt auch Durststrecken, die unheimlich frusten können. Vorallem, wenn Dein Doktorvater irgedwas spezielles von Dir will, oder Du eine Schreibblokade hast, oder Publikationen auf Konferenzen/Journals abgelehnt werden, wenn Du Dir keine passenden Lösungen aus den Ärmeln schütteln kannst etc.
  • Promotionen in Unternehmen können so oder so sein. Vergewissere Dich, dass Du dort nur an Deinem Diss-Thema arbeiten darfst und nicht auch noch 1000 andere Sachen machen musst. Bzw. kläre vorher ab, wie viel Zeit Du für Deine Diss nutzen darfst.
  • Stelle auch sicher, dass das Unternehmen Dich nicht nur als günstigen "Entwickler" haben möchte und hinter der Diss in Wahrheit nur ein Entwicklungsprojekt und kaum Forschung steckt.
  • 3 Jahre vergehen sehr schnell (ich spreche aus Erfahrung). Was willst Du nach der Promotion machen? Dann wirst Du die gleichen Probleme wieder haben (frei entfalten dürfen, spannenden Thema etc.). Also: Was sind Deine Pläne für nach der Promotion? Wer möchtest Du sein?
  • Kannst Du in der Firma, die Dir die Promotion anbietet, auch weiterarbeiten, nachdem Du promoviert hast? Evtl. auch, wenn Du die Promotion abbrechen würdest? Falls nicht, dann wäre Abbrechen gar nicht gut. Du solltest dann schon die Pobacken zusammen kneifen und es zu Ende bringen.
  • Ich habe erst mit 36 promoviert und bis heute keine Sekunde bereut. Habe damals ebenfalls einen "sicheren" Job aufgegeben, um diesen Traum zu verwirklichen. Das war eine sehr schöne Zeit. Danach steht man aber wieder am Anfang und muß sich fragen: Was will ich eigentlich?
Erzähl mal, wie Du Dich entschieden hast. Viel Erfolg!
praktikum
Beiträge: 317
Registriert: 13.02.2016, 05:35
Status: abgeschlossen
Hat sich bedankt: 1 Mal
Danksagung erhalten: 3 Mal

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von praktikum »

Jense85 hat geschrieben: Aufgrund der Unzufriedenheit mit meinen Aufgabenstellungen habe ich vor Einiger Zeit Kontakt mit einem Unternehmen (ca. 20000 MA) im Bereich Anlagenbau aufgenommen. Nach einigen Gesprächen hat man mir schnell das Angebot unterbreitet im Rahmen eines Forschungsprojektes (befristet auf 3 Jahre) ein Thema zu bearbeiten und in dem Thema zu promovieren.
Da würde ich genauer fragen, wo die Geldmittel herkommen. oclock hat das schon ansatzweise gesagt, aber ich formuliere es etwas schärfer: viele Firmen suchen in Rahmen von solchen Projekten einen Dummen, der es für sie kostengünstig erledigt. Da wird gerne das Blaue vom Himmel versprochen, aber hinterher hält sich keiner dran. Die wissen nämlich ganz genau, dass Du Dir vieles bieten lassen wirst, nur um die Promotion abschließen.

30,000€ ist eine Menge Geld. Von dem Doktorgrad alleine kannst Du Dir nichts kaufen. Abgesehen davon sollte Dir klar sein, dass in einer Firma nicht unbedingt eine große Veröffentlichungskultur herrschen muss und Du bist schon 32. Andere schießen seit 7 Jahren eine Veröffentlichung nach der anderen aus dem Revolvergürtel. Eine große wissenschaftliche Karriere wird auf die Promotion daher vermutlich eher nicht folgen.
Wierus
Beiträge: 1100
Registriert: 11.05.2009, 20:43
Status: Dr. phil.
Hat sich bedankt: 38 Mal
Danksagung erhalten: 79 Mal

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von Wierus »

praktikum hat geschrieben:Andere schießen seit 7 Jahren eine Veröffentlichung nach der anderen aus dem Revolvergürtel.
Oh ja, solche kennt man. Die hauen Rezensionen, Papers, Artikel und/oder Monografien wie am Fließband raus. Ist eben immer die Frage, auf welchem Niveau sich das bewegt, ob da - forschungspraktisch - klare Linien erkennbar sind und auf welche Resonanz das stößt.
praktikum hat geschrieben:Eine große wissenschaftliche Karriere wird auf die Promotion daher vermutlich eher nicht folgen.
Was allerdings sehr stark von der Qualität der Dissertation abhängen dürfte.
oclock
Beiträge: 259
Registriert: 05.11.2006, 19:08
Status: Dr.
Danksagung erhalten: 11 Mal

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von oclock »

Wierus hat geschrieben:
praktikum hat geschrieben:Eine große wissenschaftliche Karriere wird auf die Promotion daher vermutlich eher nicht folgen.
Was allerdings sehr stark von der Qualität der Dissertation abhängen dürfte.
Ich denke, dass wird vielmehr vom Fach abhängen. Bei uns sind Publikationen am Fließband weltweit üblich (2-3 pro Jahr als Erstauthor).
LKugel

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von LKugel »

Andererseits musst Du nicht unbedingt an die ferne Zukunft denken.
Ist es denn nicht wichtiger, jetzt und hier interessant zu leben, sich entfalten zu können, einen Sinn fürs Leben zu haben.
Man weiß nie, was Einen erwartet. Wenn man sich nicht bewegt, ändert sich nichts, und verpasst man die Chance, dann wird man vielleicht noch lange bereuen. Kannst Du Dir vorstellen, dass Du bis zum Ende Deines Lebens Deinen gegenwärtigen Beruf ausübst? Du bist nur 32!
Man sollte offen fürs Universum bleiben. Und was nach diesen drei Jahren? Kommt Zeit - kommt Rat. ;-)
Cybarb
Beiträge: 220
Registriert: 12.06.2011, 16:57
Status: fertig
Hat sich bedankt: 7 Mal
Danksagung erhalten: 17 Mal

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von Cybarb »

LKugel hat geschrieben:Andererseits musst Du nicht unbedingt an die ferne Zukunft denken.
Ist es denn nicht wichtiger, jetzt und hier interessant zu leben, sich entfalten zu können, einen Sinn fürs Leben zu haben.
Man weiß nie, was Einen erwartet. Wenn man sich nicht bewegt, ändert sich nichts, und verpasst man die Chance, dann wird man vielleicht noch lange bereuen. Kannst Du Dir vorstellen, dass Du bis zum Ende Deines Lebens Deinen gegenwärtigen Beruf ausübst? Du bist nur 32!
Man sollte offen fürs Universum bleiben. Und was nach diesen drei Jahren? Kommt Zeit - kommt Rat. ;-)
Hallo,

vielleicht ist das eh nicht mehr relevant, da der Threadersteller sich seit einem Monat nicht mehr geregt hat.

Dennoch: Ich frage mich, wie man jemandem guten Gewissens einen solchen Rat geben kann. Die Realität ist: Jense85 ist nicht "nur" 32, sondern schon 32. Das ist ein Alter, in dem manche Leute so langsam anfangen, sich über Immobilienkäufe oder Familienplanung Gedanken zu machen, oder sowas schon realisiert haben. Und dafür braucht es eben Geld sowie eine gewisse Stabilität im Job. Hinzu kommt, dass man sich eben nicht erst kurz vor der Verrentung um den künftigen Lebensstandard kümmern sollte, sondern deutlich früher.
Angesichts eines derart komplexen Abwägungsprozesses, wie ihn Jense85 hier schildert, und zu dem glücklicherweise auch unterstützende Antworten kamen, erachte ich eine solche Empfehlung nicht nur als nicht hilfreich, sondern geradezu als Frechheit.

Dass musste mal gesagt werden.

Gruß
Cyb
FerdiFuchs
Beiträge: 150
Registriert: 07.12.2015, 22:51
Status: Assistant Professor
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 11 Mal

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von FerdiFuchs »

Cybarb hat geschrieben:Das ist ein Alter, in dem manche Leute so langsam anfangen, sich über Immobilienkäufe oder Familienplanung Gedanken zu machen, oder sowas schon realisiert haben. Und dafür braucht es eben Geld sowie eine gewisse Stabilität im Job.
Wenn man sich die Scheidungsraten so ansieht und auch die Konsequenzen einer Scheidung bezüglich eingekaufter Immobilien mit einbezieht, erscheint es ganz schön riskant, jemandem zu solchen Lebensentwürfen zu raten. :roll:
Hinzu kommt, dass man sich eben nicht erst kurz vor der Verrentung um den künftigen Lebensstandard kümmern sollte, sondern deutlich früher.
Zur Erinnerung: Der Threadersteller hat sich einen möglichen Gehaltsverlust von 30.000€ errechnet. Über einen angenommenen Zeitraum von 40 Jahren bis zur Rente sind das eher Peanuts.
Cybarb
Beiträge: 220
Registriert: 12.06.2011, 16:57
Status: fertig
Hat sich bedankt: 7 Mal
Danksagung erhalten: 17 Mal

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von Cybarb »

FerdiFuchs hat geschrieben:
Cybarb hat geschrieben:Das ist ein Alter, in dem manche Leute so langsam anfangen, sich über Immobilienkäufe oder Familienplanung Gedanken zu machen, oder sowas schon realisiert haben. Und dafür braucht es eben Geld sowie eine gewisse Stabilität im Job.
Wenn man sich die Scheidungsraten so ansieht und auch die Konsequenzen einer Scheidung bezüglich eingekaufter Immobilien mit einbezieht, erscheint es ganz schön riskant, jemandem zu solchen Lebensentwürfen zu raten. :roll:
Wo habe ich jemandem zu einem solchen Lebensentwurf geraten?
FerdiFuchs hat geschrieben:
Cybarb hat geschrieben:Hinzu kommt, dass man sich eben nicht erst kurz vor der Verrentung um den künftigen Lebensstandard kümmern sollte, sondern deutlich früher.
Zur Erinnerung: Der Threadersteller hat sich einen möglichen Gehaltsverlust von 30.000€ errechnet. Über einen angenommenen Zeitraum von 40 Jahren bis zur Rente sind das eher Peanuts.
Wenn man die 30.000€ unters Kopfkissen legt, ja, dann sind das in 40 Jahren Peanuts. Wenn man aber auch nur einen Bruchteil gescheit anlegt, ist dieser in 40 Jahren ein sechsstelliger Betrag.
Aber mir ging es nicht um den Gehaltsverlust, sondern generell um den Rat, für das Universum offen zu sein, jetzt und hier interessant zu leben, weil wenn Zeit kommt, Rat kommt. Vielleicht fehlt mir aber auch einfach die Fähigkeit solche doch recht allgemein gehaltenen und von einer gewissen Unbekümmertheit zeugenden Ratschläge wertzuschätzen.
FerdiFuchs
Beiträge: 150
Registriert: 07.12.2015, 22:51
Status: Assistant Professor
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 11 Mal

Re: Promotion - Ja, Nein oder was nun?

Beitrag von FerdiFuchs »

Cybarb hat geschrieben:Wo habe ich jemandem zu einem solchen Lebensentwurf geraten?
Letztlich läuft dein Beitrag darauf hinaus, dass man mit 32 sinnvollerweise einen Haufen Geld verdienen soll und LKugels Rat daher in die falsche Richtung geht. Dein Beitrag ist inhaltlich schlüssig, aber nur dann, wenn man einen immobilien- und familienlastigen Lebensentwurf als erstrebenswert voraussetzt. Tut man das jedoch nicht, stellt sich die Frage, wozu man mit 32 einen Haufen Geld verdienen soll.
Cybarb hat geschrieben:Vielleicht fehlt mir aber auch einfach die Fähigkeit solche doch recht allgemein gehaltenen und von einer gewissen Unbekümmertheit zeugenden Ratschläge wertzuschätzen.
Das sei dir unbenommen. Stattdessen kommt die Wertschätzung für LKugels Rat jetzt von mir: :heart:
Gesperrt
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag