Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Marmotinho

Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von Marmotinho »

Hallo Zusammen,

ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, um meine Erfahrungen mit (m)einer externen Promotion aufzuschreiben. Mir fehlte bei meinem Start so ein Erfahrungsbericht. Vielleicht hilft dieser hier dem einen oder anderen. Sollten Fragen dazu entstehen, scheibt einfach.

Ich hatte mich vor 3 Jahren zu meiner Promotion entschieden. Ich wollte eigentlich nach dem Studium nicht promovieren, dachte mir aber, wenn die richtige Zeit kommt, das richtige Thema … na ja wieso nicht. Die Zeit kam. Ich hatte bereits 3 Jahre in meinem Beruf gearbeitet: Wirtschaftsingenieur – Spezialisierung Logistik und Maschinenbau – einmal schon den Arbeitsplatz gewechselt und viel Spaß an meinem Beruf. Ich ging und gehe immer noch gerne in meine Arbeit, komme aber noch lieber wieder nach Hause zu meiner kleinen Tochter und meiner Frau. Ich hatte ein Thema gefunden, dass viel mit meiner Arbeit zu tun hat und mich interessiert.

Die Gedanken zu einer Promotion reiften. Ich habe mir einen Zeitplan aufgestellt, erste inhaltliche Skizzen gemacht, wieder verworfen und neu angefangen. Ich war also schon mittendrin. Nach einem halben Jahr war ich mir sicher zum Thema, zum Ablauf und hatte den Entschluss gefasst es durchzuziehen. Zunächst suchte ich mir einen Doktorvater. Ich habe eine Mail zusammengestellt in der Motivation, Thema und erste Ideen standen und mich erstmal bei zwei Professoren beworben. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Der erste Professor hat allerdings abgesagt, da er gerade zu eingebunden war. Allerdings tat er das in einem persönlichen Gespräch. Der zweite Prof. lud mich zu einem Gespräch ein und wir sprachen in mehreren Sitzungen über das Thema und die Arbeit. Nach dem zweiten Gespräch hat er dann offiziell meine Arbeit angemeldet. Seit der ersten Idee war nun ein Jahr vergangen.

Blieb nur noch zu klären, wie ich das neben meinem Beruf machen wollte. Den wollte ich nämlich nicht aufgeben. Ich sprach nach Zusage meines Profs mit meiner Firma (Große Firma 5000+ Mitarbeiter) und äußerte meinen Wunsch: Über die nächsten 2 1/2 Jahre nehme ich mir in regelmäßigen Abständen größere Blöcke (min1 Woche, normal 2 Wochen) frei um meine Arbeit voranzutreiben. Diesen Freiraum schaffte ich mir durch meine Gleitzeit und meinen Urlaub (hatte damals ein volles Gleitzeitkonto, das ich auch negativ belasten kann). Das letzte halbe Jahr Promotionszeit wollte ich dann über ein Sabbatical komplett freinehmen, um meine Arbeit fertig zu schreiben. Gesagt, vereinbart und umgesetzt. :)

Ich bin nun in diesem letzten halben Jahr Freistellung. Mein Unternehmen unterstützt mich finanziell ein wenig und aus dem Sabbatical wurde nun Elternzeit. Ich muss gestehen, ich bin selbst etwas überrascht, dass alles so lief wie ich mir das vorgestellt habe. Der Wechsel zwischen Arbeit und Arbeit an meiner Doktorarbeit in den letzten Jahren hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich denke diese Abwechslung hat mich vor größeren Motivationstiefs bewahrt.

Mir ist bewusst, dass ich evtl. einfachere Rahmenbedingungen habe, als so manch anderer. Doch diese Themen konnte ich aktiv beeinflussen: Ich hatte mein Thema und den Ablauf meiner Arbeit weit vor dem ersten Termin mit meinem Doktorvater; Ich konnte dadurch meinen Doktorvater davon überzeugen, dass ich es ernst meine und motiviert bin, das durchzuziehen; meine finanziellen Rahmenbedingungen habe ich über 3 Jahre im Vorhinein geplant, mit meiner Arbeitsstelle besprochen und einen Vereinbarung getroffen. Bei diesen Themen hatte ich Glück: Vorgesetzte mit Verständnis und Wohlwollen, einen fairen und ehrlichen Doktorvater, keine inhaltlichen Desaster, kein (unüberwindbares) Motivationsloch und letztendlich ein Thema, das mich seit Anbeginn begeistert. Gerade der letzte Punkt ist meiner Meinung nach das Wichtigste.

Fazit: Eine externe Promotion ist schwer, frustrierend, unfair - also vermutlich genau so wie eine Promotion am Lehrstuhl. Es gibt viele Gründe, die so ein Projekt zum Scheitern bringen. Meiner Meinung und Erfahrung nach kann man die meisten Hindernisse aus dem Weg räumen, BEVOR man beginnt zu promovieren.
Ich hoffe ich kann damit dem einen oder anderen bei der Entscheidung helfen. Bei Fragen könnt ihr auch gerne schreiben.

Gruß
Marmotinho
barbara
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Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von barbara »

Hi Marmotinho,

da hast Du sehr ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich! Auch im zeitlichen Ablauf, nur war ich nach dem Diplom ca 11 Jahre berufstätig. Von der Idee bis zum DV 6 Monate, bis zur offiziellen Annahme als Promovend durch den Promotionsausschuss dann nochmal 4 Monate. Inzwischen sind seit dem "offiziellen" Beginn 3 Jahre vergangen, ich habe schöne, zum Teil sehr unerwartete Ergebnisse und ich habe mit dem Schreiben begonnen (1 Jahr hinter dem Zeitplan, macht nix).

Mir ist allerdings etwas dazwischen gekommen, was mir das Resturlaub aufgebaute "Endphasen"-Polser zunichte macht: Meine eigene Karriere. Ich leite inzwischen eine ganze Abteilung, das war nie geplant. Zwischendurch auch ernste Zweifel, ob die Führungs - statt Facharbeit überhaupt zu mir passt, die "Auszeiten" an der Uni haben immer wie ein Erholungsurlaub gewirkt: Nur denken, nicht mehr hetzen. Inzwischen habe ich auch dazugelernt, auch Spaß am Führen gefunden (letzen Endes bewirkt man mehr: Ein ganzes Team bringt einfach mehr zustande als ich alleine es je könnte, und die setzen meine Ideen um und machen vieles sogar noch viel besser). Trotzdem liebe ich die Zeiten ungestörten Denkens, Rechnens und Schreibens. Leider wäre ich bei einem Sabbatical tatsächlich vor allem aus meinen restlichen Fachprojekten draussen.

Ich werde weiter versuchen, alles drei unter einen Hut zu bekommen. Solange ich Spaß dabei habe. Aber eine Schreibphase am Stück wäre schon saugut....

Fazit: Eine externe, nebenberufliche Promotion neben einem 120% - Job (zeitweise 60 -70 h/Woche, inzwischen nur noch ca 50 h) ist hammerhart - aber die Abwechslung und der thematische Unterschied (trotz Schnittstellen) lässt einen viel mehr aushalten, als das bei einseitiger Arbeit möglich wäre. Insbesondere die "Schaffenskrisen" erwischen einen halt nie ganz - und der Druck, zwingend auch abzuschliessen, den gibt es nicht. Ich muss nicht, ich will....

Barbara
18. apr 2011;31. Dec 2013;f;hoffentlich klüger!
Marmotinho

Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von Marmotinho »

Hallo Barbara,

danke für die Ergänzung Deiner Situation. Schön eine ähnliche Erfahrung zu lesen. Ich kenne einige Leidensgenossen, denen die eigene Karriere einen Strich durch die Dissertation gemacht hat. Allein in meiner Firma kenne ich zwei die eine fast fertige Doktorarbeit in der Schublade haben und sich seit Ihrer Beförderung nicht mehr darum kümmern können.

Ich habe die mir angebotene Führungsaufgabe abgelehnt, weil ich mir sicher war, dass dann etwas leiden muss. Da meine Familie ganz oben steht und, soweit ich mich kenne, ich auch keine für das Unternehmen wichtige Aufgabe liegen lassen kann, müsste das wohl meine Doktorarbeit sein. Ich bin den leichteren Weg gegangen und habe deshalb großen Respekt vor Deiner Motivation neben deiner Führungsaufgabe zu promovieren. Wie ich auch oben schon geschrieben habe empfinde ich es genauso wie Du, dass man vieles aushalten kann, solange man hinter dem steht was man tut und Spaß daran hat.

Ich wünsche Dir, dass es funktioniert und Du den Spass nicht verlierst. Und in Deiner Situation innerhalb von 4 Jahren zu promovieren ist absolut top, ein Jahr Verzug hin der her. ;-)

Gruß
Marmotinho
Matilda

Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von Matilda »

Hallo Barbara,

ich möchte Dir auch gerne meinen Respekt aussprechen. Ich hatte das Glück, ein Stipendium zu erhalten und habe also nur promoviert, ohne arbeiten zu müssen, aber mit zwei Kindern. Ich glaube nicht, dass ich Deinem Pensum standgehalten hätte, hätte ich noch arbeiten müssen. Super, dass Du Dir Deinen Elan bewahrst und ich wünsche Dir weiter viel Glück dabei.

LG, Matilda
JuliaFri
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Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von JuliaFri »

Matilda, welches Stipendium hast du bekommen? :D
Lyra

Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von Lyra »

Erstmal hört sich das ja alles ganz gut an und es freut mich, dass es bei dir offenbar so gut und reibungslos klappte. Aber in einem Punkt möchte ich dir vehement widersprechen:
Marmotinho hat geschrieben: Fazit: Eine externe Promotion ist schwer, frustrierend, unfair - also vermutlich genau so wie eine Promotion am Lehrstuhl. Es gibt viele Gründe, die so ein Projekt zum Scheitern bringen. Meiner Meinung und Erfahrung nach kann man die meisten Hindernisse aus dem Weg räumen, BEVOR man beginnt zu promovieren.
Meines Erachtens stimmt das eben nicht, weil niemand wirklich vorher weiß, worauf er sich da konkret einlässt und was zur Promotion (neben dem Verfassen der Diss) noch alles dazugehört. Ja, man kann sich im Voraus über alles Mögliche informieren - beim Betreuer kann man z.B. aber selbst dann noch sehr böse Überraschungen erleben, wenn man den Prof bereits aus dem Studium gut kannte - und erst recht, wenn man ihn vorher, so wie du anscheinend auch, gar nicht kennt (darauf hätte ich mich z.B. gar nicht eingelassen, wäre mir viel zu gefährlich gewesen). Von Schwierigkeiten mit dem Thema, unerwarteten Entwicklungen im Forschungsprozess, persönlichen Schicksalsschlägen etc. mal gar nicht zu sprechen. Mag ja sein, dass du diesbezüglich "Glück" hattest, das ist aber nicht unbedingt der Normalfall und weckt bei Interessierten möglicherweise einen falschen Eindruck davon, inwieweit so ein Vorhaben über mehrere Jahre im Voraus wirklich planbar ist.
Matilda

Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von Matilda »

Hallo JuliaFri,

Ich hatte ein Stipendium der Gerda Henkel Stiftung. Da waren die Bedingungen sehr großzügig und entspannt.
Marie89

Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von Marie89 »

Hallo zusammen,

ich habe ebenfalls mit der Industriepromotion begonnen. Ich kann euch sagen, dass die Zeitplanung das A und O ist.

Laut Vertrag soll ich 50% die Zeit im Unternehmen sein und 50% am Lehrstuhl. Faktisch sind sind es 100% und 70%. Wie geht das? Ganz einfach, im Unternehmen muss ich in den 3 Tagen ca. 40 Stunden arbeiten und an den Tagen wo ich an der Uni bin, muss ich ebenfalls mit dem Laptop des Unternehmen dasitzen und beobachten, ob E-Mails etc. rein kommen. Diese werden natürlich nach Dringlichkeit sortiert und teilweise beantwortet. Das nimmt ebenfalls an meinem "freien" Tag jeweils 2 Stunden. Am Lehrstuhl bin ich zum Glück freigestellt, d.h. ich darf dort zu 100% mit meiner Diss. beschäftigen und nichts anderes.

Die Verbindung zu Post-Docs etc. fehlt mir. Also mache ich mein eigenes Ding irgendwie und hin und wieder gibt es eine Rücksprachen mit dem Prof.

Irgendwie fühle ich mich nach 3 Monaten bereits kraftlos und etwas überfordert. Keine Freizeit, zu wenig Schlaf, kein Wochenende, kein freier Tag und keine Zeit mehr für privates. Und trotzdem hänge ich mit der Arbeit (als Projektleiter im Unternehmen) als auch mit der Diss zurück. Hinzu kommt, dass ich relativ viel mit dem Zug fahren muss (zwischen Unternehmen, Lehrstuhl und Heimat) und das jede Woche.

Naja, das Forum wird für die kommenden 3-4 Jahre mein guter Freund, da ich hier gleichgesinnte finde :-).

Ich glaube, dass ein Monatsplan, Wochenplan und eine Gesamtübersicht bis zur Abgabe des 1. Papers sehr wichtig sind. Seit euch bewusst was ihr pro Woche leisten könnt. Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, ist es viel viel viel viel weniger als man ohne solch einen Plan erst mal meint schaffen zu können :-). Ebenfalls sind häufige Meetings mit dem Professor wichtig um einfacher sicherzustellen, dass man einen externen Push / Anreiz hat, das Ziel bis zum nächsten Treffen mit ihm zu erreichen!

Vielleicht sollte ich mal hier ein Thema starten, der die perfekte Woche beschreibt und als Orientierung für andere sicherlich hilfreich sein kann.
praktikum
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Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von praktikum »

Marie89 hat geschrieben: Irgendwie fühle ich mich nach 3 Monaten bereits kraftlos und etwas überfordert. Keine Freizeit, zu wenig Schlaf, kein Wochenende, kein freier Tag und keine Zeit mehr für privates. Und trotzdem hänge ich mit der Arbeit (als Projektleiter im Unternehmen) als auch mit der Diss zurück.
Ich rate in solchen Situationen wirklich dazu, die Gesamtlage neu zu bewerten. Es gibt hie und da harte Arbeitsphasen, aber das darf kein Dauerzustand sein.
Marie89

Re: Extern Promovieren - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von Marie89 »

Hallo,

das habe ich auch vor.

Hinzu kommt, dass ich gefühlt mich kaum mehr konzentrieren kann. Ich versinke in Gedanken wenn ich Paper lese. Im Master (BWL) an den Top Universitäten Deutschland und Europaweit gehörte ich zu den besten. Das kann ich irgendwie alles gar nicht mehr wie früher verarbeiten. Das Berufsleben saugt meine Kraft irgendwie. Hierzu werde ich gleich noch in einem Forum ausführlicher mein Problem schreiben und um Bitte mit Literatur zum Thema Konzentration und dem hier und jetzt Gedanken etc.
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