Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

JohnWayne

Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von JohnWayne »

So, also dann will ich auch nochmal meinen Beitrag hier leisten.

Wir haben so einen älteren Familienbekannten, welcher in der Nachkriegszeit unter widrigsten Umständen seinen Dr. gemacht hat. Und er hat sein ganzes Leben darauf bestanden, dass man ihn in offiziellen Angelegenheiten auch so anspricht. Und ich sehe da ehrlich kein Problem.

Der Dr. ist nunmal kein "Berufsqualifizierender Abschluss" wie Master oder Diplom sondern per Definition ein Titel. Natürlich kann sich jeder Promovierte entscheiden, diesen nicht zu tragen. Aber ich denke man sollte diejenigen nicht kritisieren, die ihn durch harte Arbeit rechtmäßig erworben haben und in offiziellen Angelegenheiten tragen wollen.

z.B. werde ich von meinen Studenten erwarten, dass sie mich (zumindest am Anfang) mit Dr. ansprechen. Ich finde es ist auch eine Art Respektsache. Wenn wir als Promovierte den Dr.-Titel nicht respektieren, respektiert ihn auch kein Anderer (Allgemeinheit), um hier wieder die Kurve zum Anfangsproblems des Threads zu kriegen.

Und bevor ich jetzt in Grund und Boden diskutiert werde und das falsch ankommt: Ich meine damit natürlich nicht, dass man arrogant in der Gegend rumläuft und überall rausposaunt, dass man Dr. ist und sich für etwas besseres hält. Ganz im Gegenteil. Trotzdem finde ich sollten wir als Doktoranden unserem Titel den nötigen Respekt zugestehen und uns bei öffentlich Diskussionen viel mehr wehren als uns da unterzuordnen und den Titel zu verheimlichen.
Cybarb
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Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von Cybarb »

JohnWayne hat geschrieben:Der Dr. ist nunmal kein "Berufsqualifizierender Abschluss" wie Master oder Diplom sondern per Definition ein Titel.
Nein, der Dr. ist eben per Definition kein Titel, sondern ein Grad. (Oder hat sich da mittlerweile was geändert?)
JohnWayne hat geschrieben:z.B. werde ich von meinen Studenten erwarten, dass sie mich (zumindest am Anfang) mit Dr. ansprechen.
Das finde ich interessant, weil es mir vollkommen fremd ist, daher meine Nachfragen: Wie würdest du reagieren, wenn dich jemand nicht mit "Herr Dr. JohnWayne" anspricht oder anschreibt, sondern nur mit "Herr JohnWayne"? Ich erinnere mich da an einige Presseberichte, in denen es um unpassende Anreden von Studenten in E-Mails an Professoren ging ("Hi Prof!" usw.). Dort wurden dann diverse Erziehungsstrategien erwogen, etwa ähnlich unpassende Antworten ("Hi Studi!") oder einfach keine Antwort. Würdest du ausdrücklich etwas sagen wie "Bitte sprechen Sie mich mit 'Herr Dr. JohnWayne' an" oder würdest du einfach nicht oder nur sehr kühl reagieren?
Ich würde erwarten, dass du bei einem entsprechenden Verhalten sehr schnell einen gewissen Ruf erhieltest, der a) nicht besonders schmeichelhaft wäre, aber b) dir natürlich auch egal sein könnte.
myfunnyvalentine

Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von myfunnyvalentine »

Hallo zusammen,
JohnWayne hat geschrieben:Trotzdem finde ich sollten wir als Doktoranden unserem Titel den nötigen Respekt zugestehen
das kann ich nun gar nicht unterschreiben. Den nötigen Respekt – einem Titel/Grad gegenüber??
Wo soll der Respekt denn notwendiger Weise herstammen?

Jeder hat den angemessen Respekt für die wissenschaftliche Leistung verdient, sicherlich! Das war es aber auch schon – und das ist nicht gerade wenig, imo.

Grüße

mfv
JohnWayne

Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von JohnWayne »

Eieiei, jetzt ist meine Antwort doch nach hinten losgegangen, wie ich es befürchtet hatte :?

Also du hast natürlich Recht, der Dr. ist rechtlich gesehen natürlich ein akademischer Grad und kein Titel. In Deutschland bekommt man "Titel" maximal vom Bundespräsidenten. Ich hab hier Titel umgangssprachlich genutzt, da man ja so einen Grad auch öffentlich führen darf.

Also erstmal generell würde ich immer freundlich antworten, egal wie ich angesprochen werde. Emails sind generell so informell, da ist mir das recht egal, ich würde trotzdem immer freundlich antworten. Im realen würde ich dann vllt. kurz einmal bemerken "Dr John Wayne, bitte", aber ich würde da nie jemanden deshalb anders behandeln. Und ich kann und will ja auch keinen dazu zwingen. Wenn dich trotzdem keiner so anspricht, dann ist das halt so, damit hab ich auch grundsätzlich kein Problem. Ich würde trotzdem jeden immer gleich und freundlich behandeln. Genau das wollte ich ja eigentlich mit meinem Zusatz ausdrücken. Ich finde, niemand sollte sich wegen dem Grad für was besseres halten und dann damit rumschwadronieren. Aber wieso sollte man ihn nicht in offiziellen Angelegenheiten führen?
Wir mussten im Studium fast alle Profs/Dr mit ihrem Grad ansprechen und deshalb hatte keiner einen schlechten Ruf. Ehrlich gesagt hatten die, welche darauf bestanden haben meistens sogar einen viel besseren Ruf als die Profs, die einen auf "Du" gemacht haben.

Okay das mit dem "Respekt" ist auch in den falschen Hals gekommen. Ich kann mich leider immer so schlecht klar ausdrücken. Mir ging es um das Anfangsproblem, dass der Dr.Grad inflationiert wird und die Allgemeinheit ihn nicht mehr für wichtig erachtet. (oder so) Ich wollte nur sagen, dass vielleicht ihn niemand mehr für wichtig erachtet, weil wir selbst als Wissenschaftler ihn für nicht wichtig nehmen. Im wissenschaftlichen Umfeld ist er sowieso bedeutungslos weil ihn jeder hat. Aber das heißt ja nicht, dass man ihn in anderen offiziellen Angelegenheiten nicht verwenden darf, oder?

So, ich hoffe ihr versteht mich jetzt besser, ich ja prinzipiell auf eurer Seite, ich wollte nur auch mal eine andere Sichtweise ins Spiel bringen :blume:
Cybarb
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Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von Cybarb »

Ich finde einen Hinweis wie "Dr. JohnWayne bitte" persönlich gar nicht arrogant oder rechthaberisch, sondern einfach ungewöhnlich, weil er so gar nicht in mein Bild der heutigen akademischen Kommunikation passt. Wenn ich jemanden anschreibe, dann beim ersten Mal grundsätzlich immer mit "Sehr geehrter Herr Dr." oder "Professor"; jedoch kommt dann regelmäßig ein "Lieber Herr Cybarb" zurück, woraufhin ich weitere Respektsbekundungen obiger Art in der Anrede dann weglasse. Mein Eindruck ist einfach, dass es sich zumindest in der mündlichen Kommunikation ziemlich eingebürgert hat, Grade und "Professoren" wegzulassen, und dass man sich damit zumindest von der Masse abhebt, wenn man freundlich darauf hinweist. Kann übrigens sein, dass es da regionale und fachliche Unterschiede gibt.

Wenn Professoren einen auf "Du" machen - ja, das fände ich auch ein wenig seltsam, sofern es sich nicht um Mitarbeiter handelt, die keine Prüfung mehr bei diesem Professor ablegen müssen. Da hätte ich stets ein ungutes Gefühl, weil nun mal nicht von meinem "Kumpel" eine Note oder ein Prädikat bekommen möchte, welche womöglich noch Auswirkungen auf meinen weiteren Lebensweg haben könnten.

Bestehen würde ich auf meinem "Dr." allenfalls in einer Situation: wenn mir jemand selbst hochnäsig oder rechthaberisch "dumm kommt". Dann würde ich mich vielleicht zu einem "Für Sie immer noch 'Herr Dr. Cybarb' - ich wünsche keine Intimität mit Ihnen!" hinreißen lassen. :wink:
JohnWayne

Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von JohnWayne »

Das mit den Studenten war jetzt wieder das schlechteste Beispiel das man nehmen kann, aber an sowas lernt man ja immer am meisten. Du hast meine Intention eigentlich genau auf den Punkt gebracht für das konkrete Beispiel:
Cybarb hat geschrieben: Wenn Professoren einen auf "Du" machen - ja, das fände ich auch ein wenig seltsam, sofern es sich nicht um Mitarbeiter handelt, die keine Prüfung mehr bei diesem Professor ablegen müssen. Da hätte ich stets ein ungutes Gefühl, weil nun mal nicht von meinem "Kumpel" eine Note oder ein Prädikat bekommen möchte, welche womöglich noch Auswirkungen auf meinen weiteren Lebensweg haben könnten.
flip
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Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von flip »

JohnWayne hat geschrieben: Im wissenschaftlichen Umfeld ist er sowieso bedeutungslos weil ihn jeder hat. Aber das heißt ja nicht, dass man ihn in anderen offiziellen Angelegenheiten nicht verwenden darf, oder?
Interessant, was sind denn offizielle Angelenegenheiten, außer das Berufsumfeld? ;)
Weil man sich ein wenig mehr Ansehen vom Handwerker erhofft? Bewunderung im Wartezimmer, wenn man aufgerufen wird? Monetäre Potenz bei Versicherungsabschlüssen? ;)
Vermutlich. Aber ich vermute mal, es gibt genügend Leute, die viel in ihrem Leben erreicht haben und dafür nicht mit einem Grad entlohnt wurden?
JohnWayne

Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von JohnWayne »

Also mit offiziell meinte ich genau solche Sachen NICHT. Was du aufzählst ist bei mir Privatleben, da gehört das nicht hin.

Ich dachte eher an sowas wie Lehre, Öffentlichkeitsarbeit, etc.
Wissenschaftliches Umfeld war jetzt bei mir speziell nur die Interaktion mit anderen Wissenschaftlern gemeint.
flip
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Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von flip »

Hmm, in dem Moment, wo ich in der Lehre oder Forschungs auf meinen "Dr" poche, wird es etwas brenzlig, oder?

Ein Dr sollte niemals als Schutz der eigenen Position dienen. Wenn ich dies noch einmal betonen muss, dann sollte ich dringend darüber nachdenken, warum dies denn so ist.
Zumindest gegenüber Studenten sollte eine gewisse Distanz allein schon durch den fachlichen Fortschritt bestehen. Ich Duze jedenfalls alle meine zu betreuenden Studenten und
bieten Ihnen auch direkt am anfang das "Du" an (ab Beginn Bachelorarbeit), da ich aus meiner Position heraus ja den ersten Schritt unternehmen muss.
Sollte das jemand als "Kumpeltyp" missinterpretieren gibt es genügend Möglichkeiten, da ganz schnell den Riegel vorzuschieben. ;)

Aber ja, es gibt auch genügend (promovierte) Kollegen, die auf das "Sie" direkt bestehen.
Sapphirine

Re: Der Dr.-Titel - Von der Inflation eines Wertes

Beitrag von Sapphirine »

Es gibt Sprachen, die völlig ohne die "Sie" Form auskommen wie natürlich das Englische und ich persönlich finde diese Art der Kommunikation einfach angenehmer und würde Studenten immer das "Du" anbieten. Als ich für eine Weile in den USA studiert habe, stellten sich die Profs immer mit ... "Hi, I'm John/Bernie/Bob .... " vor und so wollten sie dann auch angesprochen werden. Das hat sie aber in keinster Weise an Respekt verlieren lassen und deshalb waren sie bei der Benotung oder bei Prüfungen auch nicht freundlicher als es die deutschen Prof. Dr. Dr. etc gewesen wären.
Allerdings wird die Athmosphäre automatisch freundlicher, wenn man nur Vornamen benutzt.
Ich finde auch, dass man sich Respekt erarbeiten muß und nicht allein schon weil man Dr (und später dann Prof) ist, darauf bestehen sollte. Mein DV hat sich menschlich so daneben benommen, da könnte er sich noch 1000 Grade erarbeiten, meinen Respekt hat er gänzlich verloren.
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