Eben habe ich einen SZ-Artikel gelesen, der sich v.a. mit der (sinkenden) Qualität von Promotionsleistungen befasst. Insbesondere geht es um den zusätzlichen Druck, während der Promotionstätigkeit nebenher noch sog. "Papers" produzieren zu müssen; und es geht auch um die Frage nach dem Sinn "kumulativer" Dissertationen:
http://www.sueddeutsche.de/bildung/geis ... -1.3715908SZ hat geschrieben:Das eigentliche Dilemma [...] ist, dass der enorme Konkurrenzdruck unter den Promovierenden zu einer fast schon wissenschaftsschädlichen Arbeitsweise führt. Wer heute eine akademische Karriere anstrebt, für den ist "genau das zu tun, worin sein tiefstes philosophisches Interesse liegt" [...], meist der falsche Weg. Statt sich auf die Dissertation zu konzentrieren, verbringen Doktoranden heute schon ihre Zeit auf Konferenzen und versuchen, sich frühzeitig in Zeitschriften zu profilieren.
Dies bedauert auch der Philosophie-Doktorand Guido Barbi, der in München und Berkeley studiert hat und nun an einer Dissertation über das Thema Technokratie arbeitet. "Für eine Uni-Karriere ist es entscheidend, in den bestmöglich platzierten internationalen Zeitschriften zu publizieren. Das Endprodukt Dissertation wird wenig gelesen und zählt als Einstellungskriterium kaum. Wichtiger sind quantitative Kriterien: Wie viele Artikel hat man geschrieben, wo sind sie erschienen, wie oft wurden sie zitiert?" Während der Promotion werde man, so Barbi, schrittweise vom kreativ denkenden Jungakademiker zu einer Publikationsmaschine umtrainiert.
Doch hat sich die Doktorarbeit als Monografie, an der über Jahre gedrechselt wird, nicht überholt? Sind kumulative Promotionen, in denen man eine Reihe von Aufsätzen anfertigt, nicht zeitgemäßer? Und ist es nicht sinnvoll, als Jungakademiker in Essays an aktuellen Debatten zu partizipieren? Auch Lukas Köhler, bis vor Kurzem Post-Doc an der Hochschule für Philosophie München und nun Mitglied des Bundestages für die FDP, sieht die Bedeutung schnellerer Debatten. Nur sähe das in Realität anders aus: "Wissenschaftlich gesehen ist das Veröffentlichen von Aufsätzen kontraproduktiv. Denn die Art und Weise, wie Paper heute zu schreiben sind, erlaubt kaum Neues. Im Prinzip werden in diesen Texten nur alte Gedanken reproduziert."
Obwohl mir der Tenor auf Seite 1 des Artikels mißfällt (insbesondere das Ansinnen von Prof. Gabriel), als ob man sich der Realität des sog. "Bildungsparadoxons" einfach verweigern könnte und als ob das allein die Geisteswissenschaften beträfe (siehe Biologie & Co), stimme ich dem Artikel v.a. in der oben zitierten Passage zu.
Andererseits ist es schon auffällig, dass hier einmal mehr die - laut FAZ und WELT ach so zweckfreien - Geisteswissenschaften im Visier stehen. Der Autor macht sage und schreibe 35.000 Doktoranden in den GeWiss aus! Ja meine Güte, das wären fast 15% aller Doktoranden! Könnte es also sein, dass sich die zentrale "Aussage" des SZ-Artikels bereits auf Seite 1 findet, nämlich eine erneute mainstream-journalistische Attacke auf Promotionen abseits von BWL & Co ?
Was ist eure Meinung dazu?