Betreuung und Konfliktgespräch
Verfasst: 05.09.2023, 17:02
Hallo zusammen,
ich bin heute auf dieses Forum gestoßen, als ich mich auf ein Konfliktgespräch mit meiner DM vorbereiten wollte. Nachdem ich mir nun ein paar Referenzbeispiele hier im Forum durchgelesen habe, möchte ich nun meine Situation auch zum Besten geben und erhoffe mir so Rat von euch.
Ich habe, wie viele von euch, eine 50%-Stelle. Meine Uni erwartet hierbei, dass ich die halbe Professor*innen-Lehrleistung erfülle. Das heißt: Vorlesungen, Praktika, Studierendenbetreuung und Leistungsbeurteilung werden vollständig von mir durchgeführt und das teilweise mit erheblichen Mehraufwand sowohl in Form von Überstunden als auch in Form von Deputat. Vertraglich ist davon natürlich nur ein Bruchteil nötig - es handelt sich um eine nie ausgesprochene Vereinbarung, ohne die ich andernfalls vermutlich keine Stelle bekommen hätte. Es ist deshalb keine Seltenheit, dass die Promotionsvorhaben an meiner Uni die Regelzeit bei weitem übersteigen.
Inhaltlich kennt sich meine DM nicht mit meinem Thema aus. Gespräche bleiben oberflächlich und es geht hauptsächlich um die Frage, wann ich fertig werde. Ich kämpfe einen Einzelkampf, habe keine Arbeitsgruppe und keine Kontakte in die Wissenschaft, da ich auf diesem Weg bisher auch noch keine Veröffentlichung erreicht habe, mit der ich andere Wissenschaftler auf mich hätte aufmerksam machen können. Ich investiere dabei viel Zeit in die Erstellung einer ersten Veröffentlichung und brauche hierfür vor allem den nötigen Raum, der jedoch immer wieder durch oberflächliche Treffen, Aufgaben und meine Lehrtätigkeit unterbrochen wird. Hinzu kommen einige grenzwertige Aussagen und Aktionen meiner DM (die ich hier zwecks Anonymität etwas abgeschwächt und geändert habe). So zum Beispiel:
- Die Frage, wieviel Zeit ich in eine bestimmte private Angelegenheit stecke
- Die Empfehlung, mich bei den Entscheidungsträgern der Uni wegen einer Weiterfinanzierung gut zu stellen
- Deutliches Abraten (d.h. effektiv verbieten) des Besuchs eines wiss. Austauschforums obwohl in diesem Jahr nichts anderes geplant und auch keine Alternative verfügbar war
- Alles was ich tue, soll nur noch einen quantitativen Effekt auf meine Dissertation haben
- Nominierung in meinem Namen für Aufgaben ohne mich vorher zu fragen (jede weitere Aufgabe verzögert meine Forschung ...)
- Loben von anderen Doktoranden im Gespräch mit anderen Gutachtern in meiner Anwesenheit (ich habe hingegen noch nie ein Wort des Lobs gehört)
Neben dem kommt leider auch noch hinzu, dass ich eine Kollegin habe, die viel weniger leisten muss, da Ihre Finanzierung aus einem anderen Topf kommt. So muss sie nur den vertraglich offiziellen Anteil leisten und betreut damit auch nur Praktika (was die Lücke zwischen der Realarbeit noch vergrößert). Ihr Thema ist auch viel näher an dem meiner DM, weshalb sie hier auch eine qualitativere Betreuung erfährt.
Nun möchte ich das Konfliktgespräch mit meiner DM suchen, da mich einige Punkte an den Rand der Verzweiflung gebracht haben. Ursprünglich habe ich eine wissenschaftliche Karriere angestrebt und bin mit einer sehr hohen intrinsischen Motivation an die Promotion herangegangen - letztendlich brenne ich für mein Thema und sehe in meiner bisherigen Arbeit hier einen Mehrwert für die Wissenschaft. Mittlerweile bin ich aber vor allem durch meine DM so demotiviert worden, dass ich sogar mit dem Gedanken des Abbruchs spiele und nach meiner Promotion auf keinen Fall an meiner Uni bleiben möchte (vermutlich auch nicht mehr in der Wissenschaft).
Meine Erwartung an eine Betreeung sind dabei eigentlich:
- Nicht bei jedem Treffen quantitativen Druck machen. Natürlich ist ein "Schubser" mal notwendig, aber ich berichte immerhin oft von inhaltlichen Fortschritten und halte Schubser allein deshalb für nicht nötig, da ich wegen meiner Stelle ohnehin schon mehr als genug arbeite. Hilfreicher wäre z.B. ein konstruktiver Alternativvorschlag für das Vorgehen, statt die Frage "Wann bist du fertig?" (oder wenigstens ein Unterlassen dieser Frage).
- Grenzwertige Aussagen zu meiner Freizeit unterlassen
- Aufgaben wenigstens vorher mit mir besprechen (wenn ich schon keine Wahl habe), bevor ich für sie nominiert werde
- Mehr Fokus auf Qualität, statt Quantität. Letzteres vermittelt mir das Gefühl, dass ich nicht mein Potential ausschöpfen kann und eine wiss. Karriere unmöglich ist, da es nur darum geht, dass ein/e weitere/r Doktorand*in vom Fließband geht.
- Alles in allem: Ich möchte, dass meine DM sich entweder mehr aus meinem Vorgehen heraushält oder konstruktiv etwas dazu beiträgt.
Nun wüsste ich gerne von euch: Sind diese Erwartungen überzogen? Ich habe oft das Gefühl, den Bezug zur Realität verloren zu haben. Ich kann mittlerweile nicht mehr einschätzen, was noch normal und i.O. ist. Natürlich möchte ich in dem Konfliktgespräch meiner DM auch nicht übel aufstoßen, da ich die Promotion immer noch erfolgreich beenden will und in der üblichen Abhängigkeit zu ihr stehe. Habt Ihr Vorschläge, Ratschläge und Tipps, wie ich ein solches Gespräch möglichst konstruktiv, aber doch bestimmt angehen könnte? Was sind eure Erfahrungen?
Ich danke euch,
euer Herbert
ich bin heute auf dieses Forum gestoßen, als ich mich auf ein Konfliktgespräch mit meiner DM vorbereiten wollte. Nachdem ich mir nun ein paar Referenzbeispiele hier im Forum durchgelesen habe, möchte ich nun meine Situation auch zum Besten geben und erhoffe mir so Rat von euch.
Ich habe, wie viele von euch, eine 50%-Stelle. Meine Uni erwartet hierbei, dass ich die halbe Professor*innen-Lehrleistung erfülle. Das heißt: Vorlesungen, Praktika, Studierendenbetreuung und Leistungsbeurteilung werden vollständig von mir durchgeführt und das teilweise mit erheblichen Mehraufwand sowohl in Form von Überstunden als auch in Form von Deputat. Vertraglich ist davon natürlich nur ein Bruchteil nötig - es handelt sich um eine nie ausgesprochene Vereinbarung, ohne die ich andernfalls vermutlich keine Stelle bekommen hätte. Es ist deshalb keine Seltenheit, dass die Promotionsvorhaben an meiner Uni die Regelzeit bei weitem übersteigen.
Inhaltlich kennt sich meine DM nicht mit meinem Thema aus. Gespräche bleiben oberflächlich und es geht hauptsächlich um die Frage, wann ich fertig werde. Ich kämpfe einen Einzelkampf, habe keine Arbeitsgruppe und keine Kontakte in die Wissenschaft, da ich auf diesem Weg bisher auch noch keine Veröffentlichung erreicht habe, mit der ich andere Wissenschaftler auf mich hätte aufmerksam machen können. Ich investiere dabei viel Zeit in die Erstellung einer ersten Veröffentlichung und brauche hierfür vor allem den nötigen Raum, der jedoch immer wieder durch oberflächliche Treffen, Aufgaben und meine Lehrtätigkeit unterbrochen wird. Hinzu kommen einige grenzwertige Aussagen und Aktionen meiner DM (die ich hier zwecks Anonymität etwas abgeschwächt und geändert habe). So zum Beispiel:
- Die Frage, wieviel Zeit ich in eine bestimmte private Angelegenheit stecke
- Die Empfehlung, mich bei den Entscheidungsträgern der Uni wegen einer Weiterfinanzierung gut zu stellen
- Deutliches Abraten (d.h. effektiv verbieten) des Besuchs eines wiss. Austauschforums obwohl in diesem Jahr nichts anderes geplant und auch keine Alternative verfügbar war
- Alles was ich tue, soll nur noch einen quantitativen Effekt auf meine Dissertation haben
- Nominierung in meinem Namen für Aufgaben ohne mich vorher zu fragen (jede weitere Aufgabe verzögert meine Forschung ...)
- Loben von anderen Doktoranden im Gespräch mit anderen Gutachtern in meiner Anwesenheit (ich habe hingegen noch nie ein Wort des Lobs gehört)
Neben dem kommt leider auch noch hinzu, dass ich eine Kollegin habe, die viel weniger leisten muss, da Ihre Finanzierung aus einem anderen Topf kommt. So muss sie nur den vertraglich offiziellen Anteil leisten und betreut damit auch nur Praktika (was die Lücke zwischen der Realarbeit noch vergrößert). Ihr Thema ist auch viel näher an dem meiner DM, weshalb sie hier auch eine qualitativere Betreuung erfährt.
Nun möchte ich das Konfliktgespräch mit meiner DM suchen, da mich einige Punkte an den Rand der Verzweiflung gebracht haben. Ursprünglich habe ich eine wissenschaftliche Karriere angestrebt und bin mit einer sehr hohen intrinsischen Motivation an die Promotion herangegangen - letztendlich brenne ich für mein Thema und sehe in meiner bisherigen Arbeit hier einen Mehrwert für die Wissenschaft. Mittlerweile bin ich aber vor allem durch meine DM so demotiviert worden, dass ich sogar mit dem Gedanken des Abbruchs spiele und nach meiner Promotion auf keinen Fall an meiner Uni bleiben möchte (vermutlich auch nicht mehr in der Wissenschaft).
Meine Erwartung an eine Betreeung sind dabei eigentlich:
- Nicht bei jedem Treffen quantitativen Druck machen. Natürlich ist ein "Schubser" mal notwendig, aber ich berichte immerhin oft von inhaltlichen Fortschritten und halte Schubser allein deshalb für nicht nötig, da ich wegen meiner Stelle ohnehin schon mehr als genug arbeite. Hilfreicher wäre z.B. ein konstruktiver Alternativvorschlag für das Vorgehen, statt die Frage "Wann bist du fertig?" (oder wenigstens ein Unterlassen dieser Frage).
- Grenzwertige Aussagen zu meiner Freizeit unterlassen
- Aufgaben wenigstens vorher mit mir besprechen (wenn ich schon keine Wahl habe), bevor ich für sie nominiert werde
- Mehr Fokus auf Qualität, statt Quantität. Letzteres vermittelt mir das Gefühl, dass ich nicht mein Potential ausschöpfen kann und eine wiss. Karriere unmöglich ist, da es nur darum geht, dass ein/e weitere/r Doktorand*in vom Fließband geht.
- Alles in allem: Ich möchte, dass meine DM sich entweder mehr aus meinem Vorgehen heraushält oder konstruktiv etwas dazu beiträgt.
Nun wüsste ich gerne von euch: Sind diese Erwartungen überzogen? Ich habe oft das Gefühl, den Bezug zur Realität verloren zu haben. Ich kann mittlerweile nicht mehr einschätzen, was noch normal und i.O. ist. Natürlich möchte ich in dem Konfliktgespräch meiner DM auch nicht übel aufstoßen, da ich die Promotion immer noch erfolgreich beenden will und in der üblichen Abhängigkeit zu ihr stehe. Habt Ihr Vorschläge, Ratschläge und Tipps, wie ich ein solches Gespräch möglichst konstruktiv, aber doch bestimmt angehen könnte? Was sind eure Erfahrungen?
Ich danke euch,
euer Herbert