5 SWS - annehmbares Lehrdeputat?

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
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kwl6

5 SWS - annehmbares Lehrdeputat?

Beitrag von kwl6 »

Hallo zusammen,

Ich habe vor kurzem in den Niederlanden promoviert, und kenne mich deswegen mit den akademischen Arbeitsbedingungen in Deutschland nur wenig aus - nun habe ich eine Postdoc Stelle an der TU Muenchen im Auge und wollte mich bei euch einmal genauer zum Thema Lehrdeputat erkundigen. Die Stelle ist eine Vollzeit TV-L 13 Position mit 5 SWS Unterricht, was offenbar dem Kollektivvertrag in Bayern entspricht. Nun frage ich mich aber, wieviel Zeit das inkl. Vor- und Nachbereitung tatsaechlich in Anspruch nehmen wird? Dazu muss ich sagen, dass Kurse an diesem Institut scheinbar oft von 2 Leuten unterrichtet werden, man kann sich also die Arbeit tw. aufteilen. Mir ist natuerlich auch bewusst, dass der Aufwand variabel sein wird (also am Anfang sicher etwas mehr, und insgesamt abhaengig von Studentenzahlen etc.), aber vllt. traut sich jemand mit Erfahrung eine ungefaehre Schaetzung abzugeben.
Ich frage auch deshalb, weil drittmittel-finanzierte Postdocs oft gar keine Lehre beinhalten. Und natuerlich gilt: je mehr Lehre, desto weniger Publikationen. Schiess ich mir mit so einer Stelle also womoeglich ins Bein, oder ist das ein vertretbarer Aufwand fuer die Lehre?

lg und vielen Dank!!
DoneXY

Re: annehmbares Lehrdeputat?

Beitrag von DoneXY »

kwl6 hat geschrieben:Ich frage auch deshalb, weil drittmittel-finanzierte Postdocs oft gar keine Lehre beinhalten. Und natuerlich gilt: je mehr Lehre, desto weniger Publikationen. Schiess ich mir mit so einer Stelle also womoeglich ins Bein, oder ist das ein vertretbarer Aufwand fuer die Lehre?
Nur ganz allgemeine Hinweise von mir:

Meines Wissens ist es so, dass drittmittelfinanzierte Stellen überhaupt keine Lehrverpflichtung gegen über einer Hochschule beinhalten.

Wenn Du im Hochschulbereich bleiben willst, "schießt Du Dir ins Bein", wenn Du gar keine Lehrerfahrung sammelst.
Natika

Re: annehmbares Lehrdeputat?

Beitrag von Natika »

Hallo kwl6!

Volle Postdoc- und Habilitationstellen (wissenschaftliche Angestellte im so genannten akademischen Mittelbau mit einer Arbeitszeit von 40 Std.) beinhalten in in der Regel 4 SWS Lehre (meist aufgeteilt auf 2 Seminare mit je 2 SWS). Das ist m. E. konsequent, wenn man bedenkt, dass Doktorandenstellen in Deutschland die Hälfte der regelmäßigen Wöchentlichen Arbeitszeit (20 statt 40 Stunden) voraussetzen und zu 2 SWS Lehre verpflichten. Profs an Unis unterrichten meist 8-9 SWS (an FHs u.U. mehr), akademische Räte auf Lebenszeit meist 6-7 und Lehrkräfte für besondere Aufgaben so viel, wie laut Vertrag abgesprochen ist (bis zu 14 SWS und mehr).

Das Lehrdeputat ist für diese Qualifikationsstelle im Anschluss an das Doktorat, auf die du dich beziehst, ist also im üblichen Rahmen. Ohne Lehr-und Prüfungserfahrung hast du in Deutschland m. E. keine Chance auf eine Professur oder andere Lebenszeitstelle zu kommen. Dies ist genau das Manko von Drittmittelstellen, die keine Lehrtätigkeit voraussehen. Ich kenne sogar Leute, die neben ihrer Stelle in einem Drittmittelprojekt am eigenen oder an fremden Instituten als Lehrbeauftragte tätig sind, um Lehrerfahrung zu erwerben. Manche absolvieren sogar unbesoldete (!) Lehraufträge für ihre Lehr-Vita.

Wissenschaftliche Mitarbeiterstellen sind in D. so konzipiert, dass der Inhaber Gelegenheit zur weiteren Qualifikation (sprich zur eigenen Forschung, Anfertigung einer Habilitationsschrift oder der Erbringung habilitationsäquivalenter Leistungen) hat. Auf die eigene Qualifikation sollte man mind. ein Drittel der Arbeitszeit (in der Vorlesungszeit ggf. weniger, in der vorlesungsfreien Zeit ggf. mehr) verwenden können. Neben akadem. Lehre und Prüfungstätigkeiten fallen meist noch Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung am eigenen Institut an. Wenn die Möglichkeit dazu besteht, sollte man sich auch in der Fakultät engagieren (z.B. in Kommissionen und Ausschüssen). Mit all diesen verschiedenen Tätigkeiten erwirbt man wichtige Qualifikationen für eine Lebenszeitstelle. Ich selbst habe eine solche Postdoc-Stelle inne, genieße die zwei Seminare Lehre, finde den Aufwand vertretbar (allerdings habe ich viel Lehrerfahrung und eine studentische Hilfkraft, die mich unterstützt) und finde durchaus noch Zeit für eigene Forschung.

Sieh dir mal ein paar Wochen lang Ausschreibungen aus deinem und angrenzenden Fachbereichen für WiMa-Stellen an, um ein Gefühl für das zu bekommen, was erwartet, aber auch was geboten wird. Des Weiteren würde ich dir auch die Lektüre von Ausschreibungstexten für Professuren empfehlen. Professoren werden im Fachjargon auch Hochschullehrer genannt (sie sind tatsächlich die einzigen Lehrenden an Unis, die sich offiziell so nennen dürfen.). Ausschreibungen enthalten regelmäßig das Kriterium, dass der Stelleninhalber das Fach in seiner ganzen Breite in Lehre und Prüfungstätigkeiten vertreten können muss. Hochspezialisierte Forschung allein reicht nicht aus für eine Professur (oder gar einen Lehrstuhl).

Ich möchte dir nicht zu nahe treten, denn vielleicht deute ich deine Aussage falsch.:
kwl6 hat geschrieben:Und natuerlich gilt: je mehr Lehre, desto weniger Publikationen. Schiess ich mir mit so einer Stelle also womoeglich ins Bein, oder ist das ein vertretbarer Aufwand fuer die Lehre?
Doch wenn du ein negatives Verhältnis zur Lehre hast und diese nur als lästiges Muss siehst, solltest du besser keine Stelle an einer Uni oder FH antreten. Es mag reine Forschungsinstitute geben, wo man Leute mit einer Aversion gegen Lehre gebrauchen kann, aber an Hochschulen, die nun mal Einrichtungen der Erwachsenenbildung sind, haben sie nichts verloren; bekommen aber ohnehin (zurecht) kein Bein dort auf die Erde.

Falls ich deine Aussage falsch verstanden haben sollte, entschuldige ich mich im Voraus für die etwas barschen Worte. Vielleicht hilft die meine Einschätzung (so oder so) etwas bei der Selbstreflexion dazu, ob ein Job in der Wissenschaft (nach hiesigem Verständnis: Forschung&Lehre) dauerhaft etwas für dich ist.

Alles Gute :blume:
kwl6

Re: 5 SWS - annehmbares Lehrdeputat?

Beitrag von kwl6 »

Vielen Dank fuer die hilfreichen Antworten. Ich frage so naiv, weil ich tatsaechlich sehr wenig Ahnung von akademischen Karrierestrukturen in Deutschland habe ; damit setzte ich mich nach der Promotion jetzt zum 1. Mal auseinander. Daneben habe meine Fragen schaetze ich einiges mit dem oft kommunizierten Publikationsdruck zu tun. Ich kenne schon so einige Geschichten von Leuten die in relativ ausbeuterischen Lehrpositionen 'geparkt' werden und dann niemals eine Fixanstellung bekommen, weil sie einfach nie die Publikationsliste aufbauen. In Oesterreich sind derartige befristete Lehrvertraege auch recht haeufig. Aber gut zu hoeren, dass ein umgekehrter ausschliesslicher Fokus auf Lehre auch nicht belohnt wird.
Ich muss abschliessend auch zugeben, dass ich praktisch keine Lehrerfahrung habe, da auf dem Institut wo ich promoviert hab beinah kein Unterricht stattfindet. Jedenfalls nochmals vielen Dank, ich verstehe die Funktion des Lehrdeputats jetzt besser!
kwl6

Re: 5 SWS - annehmbares Lehrdeputat?

Beitrag von kwl6 »

... ein umgekehrter ausschliesslicher Fokus auf Forschung meine ich natuerlich ...
Bertram

Re: 5 SWS - annehmbares Lehrdeputat?

Beitrag von Bertram »

5 SWS können sehr unterschiedlich ausfallen. Vorlesungen sind sehr viel Arbeit, vor allem beim ersten Mal.

(Wenn man sich die Lehre mit anderen Leuten teilt, werden normalerweise auch die SWS für die Lehrveranstaltung nur anteillig angerechnet.)

Die Aussage, dass bei späteren Bewerbungen Lehrerfahrung so wichtig wäre, scheint mir nur so halb zu stimmen. Man sollte schonmal irgendwo gelehrt haben, aber das 10. Seminar bringt nicht mehr viel.
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