Keine Motivation mehr

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Ahn Tau

Keine Motivation mehr

Beitrag von Ahn Tau »

Hallo,

kurz zu mir: wissenschaftlicher Mitarbeiter seit 3 Jahren, schreibe seit 1,5 Jahren aktiv an meiner Diss, die zu etwa 1/3 fertig ist.

In letzter Zeit bin ich sehr unzufrieden mit meinem Doktorvater. Dieser wird in absehbarer Zeit in Ruhestand gehen und scheint sich jetzt intensiv darauf einzustellen. Ich muss immer mehr Aufgaben übernehmen, für die er eigentlich zuständig ist. Neben Lehrveranstaltungen, die ich aus unklaren Gründen vertreten soll ("Ich habe da so einen wichtigen Termin!"), geht es auch um Sitzungen mit Kollegen, Beratung von Studierenden und viele andere Aufgaben. In meinem Arbeitsvertrag steht, dass ich auch solche Aufgaben übernehmen soll. Allerdings geschieht das hier mit dem Hauptgrund, dass mein Doktorvater offensichtlich keine Lust darauf hat und mich vorschickt. Dies ist nicht nur meine Sicht der Dinge, sondern praktisch an der Uni und darüber hinaus bekannt.

Hinzu kommt, dass mein Doktorvater mir bei meiner Dissertation fachlich nicht zur Seite steht und sich auch nicht bemüht das zu tun. Teilweise wirkt es sogar so, als ob er gar nicht weiß, womit ich mich beschäftige. Ich habe sogar aufgehört, mich mit fachlichen Fragen an ihn zu wenden, weil ich keine Antworten bekomme, die ich für meine wissenschaftliche Arbeit brauchen könnte.

Ich habe momentan das Gefühl, dass ich soweit klarkomme. Die zeitliche Belastung durch die zusätzlichen Aufgaben ist zwar vorhanden, aber ich habe durchaus auch freie Tage, an denen ich weiter an meiner Diss arbeiten kann. Ich merke aber stark, wie sich das alles auf meine Motivation niederschlägt. Es ist frustrierend, ständig ungewollte Aufgaben zu übernehmen und dabei zu wissen, dass der eigentlich Verantwortliche gerade im Freizeitbad ist (gab es tatsächlich schon).

Wie würdet ihr mit der Situation umgehen?
DoneXY

Re: Keine Motivation mehr

Beitrag von DoneXY »

Nichts von dem, was Du beschreibst, klingt ungewöhnlich - außer vielleicht, dass Du Deinen DV auch gegenüber seinen Kollegen vertreten sollst.

Dass mit der sinkenden Motivation kann ich verstehen. Vielleicht kannst Du Dir selber einen kleinen Kreis von Doktoranden oder Wissenschaftlern suchen, mit denen Du dich austauscht!?

Ein wenig motiviert es Dich vielleicht auch, wenn Du Dir bewusst machst, dass alle Deine Zusatzaufgaben als Qualifikationen in Deinem Zeugnis und Lebenslauf auftauchen. Das wird Dir sicherlich nicht auf die Füße fallen, sondern Dir evtl. sogar mal gelegen kommen.
Ahn Tau

Re: Keine Motivation mehr

Beitrag von Ahn Tau »

[quote="DoneXY"]Nichts von dem, was Du beschreibst, klingt ungewöhnlich - außer vielleicht, dass Du Deinen DV auch gegenüber seinen Kollegen vertreten sollst.[/quote]

Ich möchte aus nachvollziehbaren Gründen nicht ins Detail gehen, was ich mache. Allerdings habe ich viele Doktoranden im Freundes- und Bekanntenkreis, die bei meinen Vertretungsaufgaben nur den Kopf schütteln können. Es geht weit über das hinaus, was andere tun müssen und insbesondere ist die Intention eine andere. Ich kenne Professoren, die in einer Woche zwischen New York, München und Tokio hin- und herfliegen und dementsprechend Unterstützung brauchen. Ich muss das tun, weil mein Doktorvater keine Lust hat.

[quote]Ein wenig motiviert es Dich vielleicht auch, wenn Du Dir bewusst machst, dass alle Deine Zusatzaufgaben als Qualifikationen in Deinem Zeugnis und Lebenslauf auftauchen. Das wird Dir sicherlich nicht auf die Füße fallen, sondern Dir evtl. sogar mal gelegen kommen.[/quote]

Ich sehe da keinerlei Zusatzqualifikation, wenn ich meinen Chef z.B. vier Stunden in einer Sitzung zur Einführung eines neuen Studiengangs vertrete, weil wir "zeigen müssen, dass uns das nicht ganz egal ist". Das wird niemals in einem Zeugnis auftauchen, verlangt mir aber eine Menge Sitzfleisch ab.
Eva
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Re: Keine Motivation mehr

Beitrag von Eva »

Ich denke, du solltest dich weniger stark darauf fixieren, was dein Prof macht, während du ihn vertrittst (Freibad vs langweilige Sitzung), sondern die Situation so abhaken, wie sie ist und dich auf dein eigenes Vorankommen mit der Diss konzentrieren. Leider sitzt du als Doktorand nun mal am kürzeren Hebel und hast, wie es aussieht, mit dem Prof und seinem Kurz-Vor-Pension-Verhalten einfach Pech gehabt. Das ist nicht schön, aber wirklich schlimm ist es auch nicht. :wink: Ich kann deinen Frust schon verstehen, aber ich denke, produktiver wäre, zu versuchen, ihn als Motivation für die schnelle Fertigstellung deiner Diss zu verwenden.

Ansonsten, was bringt dir das Absitzen langweiliger Gremienrunden: Einblicke in universitäre Verwaltungsstrukturen z.B., in die institutionsinterne Entscheidungsfindung etc. Ein wenig abstrakter betrachtet nimmst du da schon was für später mit, auch wenn es dir nicht immer gleich ersichtlich sein mag. Oder sieh es als deine private soziologische Beobachtungsreihe! Wie auch immer: Fixier dich nicht auf den Prof, sondern zieh für dich das Beste aus der Situation und sieh zu, dass du schnell mit fertiger Diss da raus bist.
DoneXY

Re: Keine Motivation mehr

Beitrag von DoneXY »

Ahn Tau hat geschrieben: Ich muss das tun, weil mein Doktorvater keine Lust hat.
Ja, das hatte ich verstanden.
Ich sehe da keinerlei Zusatzqualifikation, wenn ich meinen Chef z.B. vier Stunden in einer Sitzung zur Einführung eines neuen Studiengangs vertrete [...].
Ich verstehe ich nicht, warum das keine Qualifikation sein soll, die im auch im Arbeitszeugnis ihren Platz findet. Ich habe jetzt keine Lust mir eine Musterformulierung auszudenken, doch sei Dir sicher, auch dies kann so formuliert werden, dass es in einem Arbeitszeugnis Sinn macht.

Wenn Dein DV ein so entspanntes Verhältnis zu seinen ‚Pflichten’ hat, wie Du es schilderst, wirst Du auch Dein eigenes Arbeitszeugnis schreiben müssen. Trotzdem wird er möglicherweise nichts unterschreiben wollen, was an der Haaren herbeigezogen ist.

Da es mir nicht möglich ist, Deinen DV zu motivieren, kann ich nur auf das hinweisen, was sich - neben all Deinem Leid - vernüftigerweise auch als Chance interpretieren lässt. Eva zeigt ja sehr schön, wie sowas geht.
Anne78
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Re: Keine Motivation mehr

Beitrag von Anne78 »

Hallo Ahn Tau,
ich sehe das wie @Eva. Es bringt nichts, rumzujammern, mach das Beste draus: Such Dir andere Bezugspersonen für den fachlichen Austausch, sieh die Teilnahme an Gremiensitzungen als Chance, Erfahrungen zu sammeln, Einfluss zu nehmen und Kontakte zu knüpfen. Falls Du an der Uni bleiben willst, ist Gremienerfahrung durchaus kein Nachteil, sowohl was Bewerbungen betrifft, als auch das eigene Vorankommen innerhalb der Uni. Da hilft es einfach zu wissen, wie Entscheidungen fallen und wie (und wo) nicht.
Sapphirine

Re: Keine Motivation mehr

Beitrag von Sapphirine »

Ahn Tau hat geschrieben: Hinzu kommt, dass mein Doktorvater mir bei meiner Dissertation fachlich nicht zur Seite steht und sich auch nicht bemüht das zu tun. Teilweise wirkt es sogar so, als ob er gar nicht weiß, womit ich mich beschäftige. Ich habe sogar aufgehört, mich mit fachlichen Fragen an ihn zu wenden, weil ich keine Antworten bekomme, die ich für meine wissenschaftliche Arbeit brauchen könnte.
Ich kenne einige, die nur wegen mangelnder Betreuung ihre Diss aufgegeben haben und Du hast noch Aufgaben des Profs zu übernehmen, die Dich zusätzlich von der Arbeit abhalten.
Die mangelnde Motivation ist sicher eine Konsequenz der gesamten Situation aber vielleicht sind die Zusatzaufgaben, die Dir aufgetragen werden, nicht der Hauptgrund Deiner momentanen Lustlosigkeit sondern die Tatsache, daß Du keinerlei Betreuung bekommst. Die Zusatzbelastung empfindest Du dann natürlich als noch unerträglicher. Würde sich der Prof wenigstens um Deine Arbeit kümmern, dann würdest Du vielleicht auch eher etwas zusätzlich für ihn übernehmen.

Hast Du Menschen, mit denen Du über fachliche Fragen diskutieren kannst? Gibt es eine Arbeitsgruppe oder eventuell Kollegen an anderen Universitäten mit denen Du Dich austauschen kannst? Mein Eindruck ist, daß Du größtenteils auf Dich selbst gestellt bist und genau dieser Zustand ist extrem deprimierend. Wenn genau diese Person, die Dir eigentlich Rat geben sollte, diesen verweigert dann fällt es oft schwer, sich weiter durchzukämpfen.
Wie ist die Situation, wenn der Prof in Ruhestand geht, bevor Du fertig wirst? Wird er sich überhaupt noch an Deine Arbeit erinnern (kümmern tut er sich ja anscheinend sowieso nicht darum)?
Du schreibt, daß sein Verhalten an der Uni durchaus wahrgenommen wird - gäbe es da kein Verständnis dafür, daß Du den DV wechselst? Oder gibt es keine Professoren, die den DV ersetzen könnten oder würden?
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