Nebenjob als Ghostwriter?!

Fragen aus der laufenden Arbeit an der Dissertation.
Literatursuche, Motivationsprobleme, Lehrtätigkeit, Ärger mit dem Prof u.v.m.
wolf

Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von wolf »

Hat jemand bereits Erfahrungen als freier Mitarbeiter bei einer Agentur für akademisches Ghostwriting gemacht? Da mir Hausarbeiten immer relativ leicht von der Hand gingen, habe ich mir gedacht auf diesem angenehmen Wege ein paar Euro dazuzuverdienen; scheint mir prinzipiell ein idealer Job für Doktoranden zu sein. Allerdings ist der Markt unüberschaubar groß und die Seriösität und Höhe der Honorare dürfte von Agentur zu Agentur enorm schwanken, daher würde ich mich über ein paar Tipps freuen.

Bitte keine Posts zu moralischen Implikationen einer Ghostwriterschaft. Die Agenturen und die damit verbundenen Tätigkeiten sind legal; was ein fauler oder titelgeiler Student mit meiner Arbeit nachher macht, ist mir ehrlich gesagt sch...egal und entzieht sich meiner Verantwortlichkeit. Solange ich mit einem dem Arbeitsaufwand angemessenen Honorar rechnen kann, bin ich zufrieden.
Bear

Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von Bear »

Ja, ich war einer und habe 23 Arbeiten verfasst - von Essay bis über BA und Diplomarbeit. Ich war bei verschiedenen Agenturen tätig. Es lohnt sich finanziell nicht. Seminararbeit gibt zwischen 200 und 600 Euro, wobei die mit 600 euro sehr nervenaufwendig sind, wegen den Kunden. Warscheinlich reissen mir gleich alle den kopf ab...
Es bringt aber sehr viel für die Doktorarbeit, da Du definitiv lernst, schnell unf gut zu arbeiten, unabhängig davon, ob es Dich interessiert oder Du Dich mit den Themen identifizierst. aber die Kohl ist eher schlecht für den Aufwand.
Koenigsportal
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Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von Koenigsportal »

@bear
muss man denn für das geld auch noch recherchieren?
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la_potranca

Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von la_potranca »

huch, da bin ich jetzt (neben moralisch) auch noch wirtschaftlich geschockt, so im Vergleich zum Honorar bei Zeitschriftenbeiträgen ist das ja gar nix?
Bear

Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von Bear »

Erst mal danke sozusagen, dass ich hier nicht total eins aufn Deckel bekomme...!

Ja, man muss auch noch recherchieren. Meistens bekommt man nur einen Arbeitstitel, beipielslweise, Strategien der Arbeitsnehmermotivation, Theorievergleich zwischen zwei Philosophieströmungen oder dergleichen. Dann muss man sich auf die schnelle eine Fragestellung überlegen, Literatur zusammensuchen und die Arbeit schreiben. Zeit ist höchstens eine halbe Woche. Meistens handelt es sich um Seminararbeiten von Leuten, die berufsbegleitend an Fernunis studieren und somit natürlich Geld haben, ihre Arbeit schreiben zu lassen. Es sind auch Diplomarbeiten und Teile von Doktorarbeiten von nicht so schlauen Leuten dabei. Es lohnt sich finanziell logischerweise gar nicht, da sehr hoher aufwand für sehr wenig Geld.

Ich habe das auch gar nicht wegen dem Geld gemacht, sondern aus der Notsituation sozusagen heraus, dass ich wegen meinem Job in eine andere Stadt gezogen bin. Ich kann diese Stadt nicht ausstehen, es ist furchtbar hier, aber meine Heimatstadt ist nur 75 km entfernt, weswegen ich am Wochenende meistens in der Heimat bin. Leider habe ich in meiner Heimatstadt keine Wohnung mehr gehabt (jetzt habe ich mir eine zusätzliche Wohnung genommen, weil ich es mir leisten kann) und dadurch, dass nicht alle meine Freunde den ganzen Tag Zeit haben/hatten und ich nicht bei meinen Eltern tagsüber sein wollte, habe ich mich halt in die Unibücherei gesetzt und man muss sich dort ja irgendwie beschäftigen.

Jetzt bin ich kein Ghostwriter mehr, weil ich jetzt ja promoviere und das Geld vom Ghostwriting sowieso nicht brauche, weil ich ja einen Job habe. Ich war sehr froh, als ich die Promotion angefangen habe, weil ich immer Angst hatte, dass mich jemand in dieser Bücherei fragt, was ich da mache. Das Ghostwriting war für mich, obwohl ich es ja nicht so geplant hatte, die perfekte Vorbereitung auf die Promotion. Ohne diese Art von Arbeitserfahrung müsste ich mindestens die doppelte Zeit für die Promotion einrechnen.

Ab und zu bin ich in meinem Kolloquium innerlich am lachen, wenn ich daran denke, warum ich promoviere bzw. das angefangen habe. Oft schau ich mir aber auch die Mitsreiter an und weiss z. T. sehr genau oder bilde mir das zumindest ein, welche von denen mal Agenturen in Anspruch nimmt, erst für Datenauswertungen, dann Korrekturlesen...meistens wird das immer mehr, was die Leute dann nicht mehr selber machen. Oder auch die Variante von Leuten, die es psychisch nicht mehr packen und dann outsourcen. Das sind aber wenige, die meisten sind sehr interessiert, zum Glück und ich bin froh, dass ich nun eine normale Tätigkeit in meiner Bücherei in meiner Heimat am Wochenende habe.
Koenigsportal
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Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von Koenigsportal »

Nun kommt doch noch ein bisschen was Moralisches... Und zwar würde mich interessieren, wie du das jetzt siehst, wo du selbst promovierst. Ist es nicht ärgerlich, wenn man weiß, dass offensichtlich viele Leute zu Studienabschluss und Dr.Titel auf illegalem Wege kommen. Denn auch wenn die Agenturen legal arbeiten, unterschreibt man ja ggü. der Uni,dass man die Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigt hat. Ich hätte nicht gedacht, dass das so viele machen und finde es schon deprimierend, dass derselbe Titel nicht nur unabhängig vom Aufwand der Arbeit, sondern auch noch unabhängig davon vergeben wird, ob jemand sie selbst verfasst hat.
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Bear

Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von Bear »

Warscheinlich unterscheidet mich von anderen, die promovieren, dass ich die Universität an sich unmoralisch finde - und immer schon fand. Typisch für das Promovieren ist doch, und beim Studium ist es doch genauso gewesen (ich habe ein Doppelstudium gemacht, also zwei Abschlüsse zweitgleich bzw. einen davon einen Monat später), dass der Professor sich wahnsinnig toll dabei vorkommt, selbst zu entscheiden, wer wieveil Arbeit bei der Promotion hat.
Eine, die mit mir promoviert, macht eine rein literarische Arbeit, das empirische war ihr zu aufwendig, weswegen die DV gewechselt hat und meiner ihr zugestanden hat, dass sie das Empirische weglassen kann. Ein anderer, er hat letzte Woche seine Arbeit vorgestellt, hat beschlossen, den empirischen Teil an ein Makrforschungsinstitut outzusourcen - und unser Professor hat die Krise bekommen und diesen Studenten als Stefan Raab tituliert...
Als ich meine eine Diplomarbeit geswchrieben habe, war mein Betreuer der Meinung, ich könnte ihm ganze Teile vorher schon zeigen, nach dem Motto: Aber nicht weitersagen, hihihihi...Total albern. Meine Magisterarbeit aus dem zweiten Abschluss habe ich bei einem strengen Professor geschrieben, für den das ein no go war, sich irgendwie durchzuwursteln. Ich hatte dem aber auch klar gemacht, dass ich da nicht drauf stehe und das genauso mache wie alle anderen.
Und das war/ ist mein Eindruck von Unis: es ist mehr oder weniger normal bzw. toll oder schlau im Sinne von clever, da irgendein Ding zu machen, um Stress zu vermeiden: grosser Ausschnitt bei verklempten Professor, DV duzen und mit ihm einen auf Kumpel zu machen etc.

Kunden von Agenturen stehen vielen Promovierenden als in nichts nach. Glaube, dass es relativ wenige gibt, die beschließen, eine Abschlussarbeit, Promotion etc. selbstständig und gut zu machen. Viele bekommen Krisen, versuchen zu bescheissen, sich Arbeit zu sparen usw.
manutl

Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von manutl »

Hallo,

oh man, das ist wirklich deprimierend, was du schreibst und ich klammere mich verzweifelt an die Hoffnung, dass der Anteil derer, die so arbeiten viel geringer ist, als du glaubst. :shock:
Aber es wird schon seinen Grund haben, dass die Abbrecherquote bei der Promotion zum einen SEHR hoch ist und keiner auf der anderen Seite genau weiß, WIE hoch denn nun wirklich! :roll:
Aber bevor ich jetzt Trübsal blase, werde ich mal an meine Arbeit gehen. "Outscourcen" kann ich mir nicht leisten, ich muss morgens beim Zähneputzen in den Spiegel schauen (bin kein Mann und kann mich daher nicht nass rasieren) :lol:
Grins,
manutl :D
Bear

Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von Bear »

Also auch die Doktorarbeiten an sich unterscheiden sich deutlich, finde ich.
Ich mache die klassische Variante des Home Office, also das ist ja schon nicht zu vergleichen mit einer Arbeit im Labor, bei der man Daten selbst produziert und viele Artikel veröffentlicht, um die Ergebnisse vor einem Fachpublikum zu validieren. Die einfachste Variante ist die im Betrieb - die haben nichts mit einer wissenschaftlichen Arbeit zu tun (sorry, weiss ich aus obigen Grund...). Und wir bekommen alle die gleiche Urkunde, da steht nicht drinn, ob sich einer im Labor abgemüht hat, relativ stressfrei zuhause geschrieben hat oder für seinen Betrieb einfach etwas ausgewertet hat, was keine Allgemeingültigkeit hat...
Meggy

Re: Nebenjob als Ghostwriter?!

Beitrag von Meggy »

@Bear
dass sich viele mit "großen Ausschnitten (kurzen Röcken, oder Kulleraugenblick), Kumpeltouren etc" durchmogeln das findest Du - würde ICH mal behaupten, nicht nur an der Uni sondern ÜBERALL (zumindest meine Erfahrung von meinen bisherigen Jobs ;-) ): Solche Leute gibts imemr und die müssen schon selbst wissen was sie tun und was sie sich wert sind.
Klar ist es deprimierend wenn man drüber nachdenkt dass andere mit Tricks und mogeln schneller/einfacher/stressfreier zu genau der gleichen "Urkunde" kommen wie man selber, der man sich vielleicht reinstresst ohne Ende. ABER wie gesagt, das gibts überall und ich mach mich da auch nicht mehr verrückt. Ich persönlich schreibe die DrArbeit weil ich unglaublich Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten, schreiben, etc habe. Und ich finde ja, die die sich durchmogeln verpassen da echt was ( ist halt meine Sicht, genauso wie solche Leute im Gegenzug vermutlich finden, dass ICH was verpasse oder "doof" bin in dem Sinne, dass ich keine Mogeltricks einsetze ;-) ). Will heißen, ich ziehe aus meiner DrArbeit/Promotion meine Bestätigung/Zufriedenheit etc pp. und freue mich einfach, dass ich die Möglichkeit habe, das zu machen.
Mit meinem Betreuer und 90% der Kollegen muss ich nicht "auf bester Kumpel machen", sondern wir verstehen uns einfach so gut, und mit dem DV sind wir zwar alle per Du, aber nur, weil er es gerne so will. Ansonsten ist er schon sehr mit Respekt zu genießen und zerpflückt einem schonmal trotz aller Freundlichkeit ganz gehörig die Arbeit ;-)

Ich glaube - oder zumindest hoffe - allerdings, dass es doch noch einige mehr gibt als Du vielleicht denkst, die die DrArbeit/Promotion wirklich ordentlich und "mit Herzblut" machen. Und für alle anderen gilt - wie schon gesagt: ich finde, die wissen gar nicht was sie verpassen ;-)
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